Urteil des OLG Düsseldorf vom 17.11.2010

OLG Düsseldorf (klage auf zahlung, zpo, antragsteller, höhe, wert, nominalbetrag, abschlag, zuständigkeit, betrag, begründung)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-17 W 61/10
Datum:
17.11.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
17. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-17 W 61/10
Vorinstanz:
Landgericht Duisburg, 1 O 11/10
Normen:
§ 182 InsO, § 3 ZPO
Leitsätze:
Zur Anwendung des § 182 InsO bei Klagen auf Zahlung oder
Feststellung von Ansprüchen gegen die Insolvenzmasse
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des
Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 30.
August 2010 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 18.
Oktober 2010 aufgehoben.
Das Prozesskostenhilfeverfahren wird an das zuständige Amtsgericht
Duisburg verwiesen.
Gründe:
1
I.
2
Der Antragsteller hat zunächst Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf
Zahlung von Geschäftsführervergütung in Höhe von 9.087,42 € nebst Verzugszinsen für
die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Fa. B. GmbH
beantragt. Mit Beschluss vom 24.3.2010 hat das Landgericht den Antrag auf Bewilligung
von Prozesskostenhilfe mit der Begründung zurückgewiesen, dass in Anbetracht des
Vortrages des Antragsgegners, wonach selbst bei Erfolg der Klage lediglich eine
Befriedigung in Höhe von maximal 3.365,80 € zu erwarten sei, die Streitwertgrenze für
die Zuständigkeit des Landgerichts nicht erreicht sei. Der Wert der Klageforderung
bemesse sich nach dem bei der Verteilung der Insolvenzmasse zu erwartenden Betrag,
der jedenfalls nicht über 5.000,00 € liege.
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Auf die (sofortige) Beschwerde des Antragstellers hin hat der Einzelrichter des Senats
diesen Beschluss aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die Bestimmung des §
182 InsO sei hier nicht anwendbar, weil der Antragsteller keine Insolvenz-, sondern eine
Masseforderung geltend mache; es komme deshalb auf den Nominalbetrag des
Zahlungsantrages an.
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Nachdem der Antragsgegner vorgetragen hat, dass er am 05.02.2010 im
Insolvenzverfahren Masseunzulänglichkeit angezeigt habe, begehrt der Antragsteller
nunmehr Prozesskostenhilfe für die Feststellung, dass ihm gegenüber dem
Antragsgegner eine Masseverbindlichkeit in Höhe von 9.087,42 € brutto nebst Zinsen
zustehe. Diesen Antrag hat das Landgericht erneut zurückgewiesen. Zur Begründung
hat es ausgeführt, dass bei der nunmehr vorliegenden Fallgestaltung die Bestimmung
des § 182 InsO entsprechende Anwendung finde.
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Hiergegen richtet sich die erneute (sofortige) Beschwerde des Antragstellers, der auf
den Senatsbeschluss vom 12.05.2010 verweist und im Wesentlichen die Auffassung
vertritt, das der landgerichtlichen Entscheidung zugrunde liegende Urteil des
Bundesgerichtshofes sei auf die Rechtslage nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung
nicht anwendbar.
6
II.
7
Das Rechtsmittel des Antragstellers ist zulässig und hat insoweit Erfolg, als das
Prozesskostenhilfeverfahren an das sachlich zuständige Amtsgericht Duisburg zu
verweisen ist.
8
1.
9
Das Landgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass es für den beabsichtigten
Antrag auf Feststellung, dass dem Antragsteller eine Masseforderung in Höhe von
9.087,42 € zustehe, sachlich nicht zuständig sei und deshalb die Gewährung von
Prozesskostenhilfe vor dem Landgericht nicht in Betracht komme.
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a)
11
Der Senatseinzelrichter geht mit dem Landgericht davon aus, dass sich der
Zuständigkeitsstreitwert des vom Antragsteller nunmehr beabsichtigten
Feststellungsantrages in entsprechender Anwendung von 182 InsO auf jedenfalls nicht
mehr als 5.000,00 € bemisst, so dass zur Entscheidung des Rechtsstreits nicht das
Land- sondern das Amtsgericht berufen ist (§ 23 Nr. 1 GVG).
12
Nach der zur entsprechenden Bestimmung der Konkursordnung (§ 148 KO) ergangenen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (U. vom 03.02.1988, NJW-RR 1988, 689ff.,
Rz. 3; ebenso OLG Celle, B. vom 05.09.1996, OLGR Celle 1997, 57f., Rz. 6) ist die
dortige Regelung zwar auf Klagen, die auf Zahlung oder Feststellung von
Masseansprüchen gerichtet sind, nicht unmittelbar anzuwenden; auf den Nominalbetrag
der Forderung kommt es hiernach jedoch nicht an, wenn sich der beklagte Verwalter
ausdrücklich auf Masseunzulänglichkeit beruft und der Massegläubiger dem dadurch
Rechnung trägt, dass er seinen ursprünglichen Zahlungsantrag auf Feststellung
beschränkt. Genauso liegt der Fall hier.
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Entgegen der Auffassung des Antragstellers dürfte kein Anlass bestehen, die zur
Konkursordnung ergangene Rechtsprechung nicht auf die Zeit nach Inkrafttreten der
Insolvenzordnung zu übertragen (vgl. etwa Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12.
Aufl., Rn. 2964; Münchener Komm./Schumacher, InsO, 2. Aufl., § 182, Rn. 5; a. A. wohl
Uhlenbruck/Sinz, 13. Aufl., § 182, Rn. 4). Zwar weist der Antragsteller zutreffend darauf
14
hin, dass – im Gegensatz zur früheren Rechtslage – die Anzeige der
Masseunzulänglichkeit nach § 208 InsO für das Prozessgericht bindend ist, so dass sie
nicht dessen Überprüfung unterliegt (vgl. etwa BGH, U. vom 03.04.2003, MDR 2003,
1015ff., Rz. 8; BAG, U. vom 11.12.2001, ZIP 2002, 628ff., Rz. 35). Zugleich können
Forderungen im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO insgesamt nicht mehr mit der
Leistungsklage verfolgt werden, während nach früherer Rechtslage ein Leistungsurteil
immerhin in Höhe der Massequote ergehen konnte und nur im Übrigen die Forderung
des Massegläubigers durch Feststellungsurteil zu bestätigen war (vgl. BAG, aaO, Rz.
26, 35). Warum diese Änderung der Rechtslage einer entsprechenden Anwendung des
§ 182 InsO auf die vom BGH im Jahre 1988 entschiedene und auch hier vorliegende
Fallgestaltung hindern soll, erschließt sich jedoch nicht. Vielmehr ist die durch die
Anzeige der Masseunzulänglichkeit eintretende Situation einer "Insolvenz in der
Insolvenz" derjenigen Konstellation, auf die § 182 InsO unmittelbar Anwendung findet,
ohne Weiteres vergleichbar.
b)
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Indessen kommt es hierauf noch nicht einmal entscheidend an. Denn auch dann, wenn
man die Bestimmung des § 182 InsO hier nicht heranzöge, erreichte der Wert des
Feststellungsantrages den Betrag von 5.000,00 € nicht.
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Der Zuständigkeitsstreitwert ist vom Gericht gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen
festzusetzen, wobei bei Feststellungsklagen grundsätzlich auf das wirtschaftliche
Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung abzustellen ist. Dabei ist
regelmäßig – und zwar auch dann, wenn der Kläger davon ausgehen kann, dass der
Beklagte bei einem stattgebenden Urteil seine festgestellte Verpflichtung erfüllen wird
(BGH, B. vom 29.10.1998, NJW-RR 1999, 362ff., Rz. 4; U. vom 03.02.1988, NJW-RR
1988, 689ff., Rz. 4) – ein Abschlag vom Nominalbetrag vorzunehmen. Dieser Abschlag
liegt üblicherweise bei 20%, kann aber bei Zweifeln an der Durchsetzbarkeit des
Anspruchs auch höher bemessen werden (Musielak/Heinrich, ZPO, 7. Aufl., § 3, Rn. 27)
und hat sich jedenfalls stets an den Umständen des Einzelfalls zu orientieren. Es kann
daher auch im Rahmen des § 3 ZPO nicht unberücksichtigt bleiben, dass der
Insolvenzmasse unstreitig maximal 3.365,00 € zur Befriedigung sämtlicher Gläubiger
zur Verfügung stehen. Unter diesen Umständen wäre ein Abschlag von nur 20% auf den
Nominalbetrag ersichtlich unangemessen. Angezeigt erscheint es unter diesen
Umständen vielmehr, auf den Wert der Forderung einen Abschlag von mindestens 50%
vorzunehmen, so dass der Wert des Feststellungsantrages den für die Zuständigkeit des
Landgerichts erforderlichen Betrag von 5.000,00 € unter keinen Umständen erreicht.
17
2.
18
Allerdings hätte das Landgericht den Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers nicht
zurückweisen dürfen.
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Nachdem der Antragsteller schon mit Schriftsatz vom 09.04.2010 hilfsweise beantragt
hatte, das Verfahren an das Amtsgericht Duisburg zu verweisen, hätte das Landgericht
die beantragte Prozesskostenhilfe nicht (erneut) ablehnen dürfen, sondern das
Prozesskostenhilfeverfahren in entsprechender Anwendung des § 281 Abs. 1 ZPO an
das sachlich – und nach § 19a ZPO auch örtlich – zuständige Amtsgericht Duisburg
verweisen müssen (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 114, Rn. 22a).
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Folglich war der angefochtene Beschluss aufzuheben und die unterbliebene
Verweisung nachzuholen; über die Gewährung von Prozesskostenhilfe wird nunmehr
das zuständig gewordene Amtsgericht in eigener Zuständigkeit zu entscheiden haben.
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III.
22
Anlass zu einer Kostenentscheidung bestand im Hinblick auf § 127 Abs. 4 ZPO nicht.
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