Urteil des OLG Düsseldorf vom 08.10.2008

OLG Düsseldorf: der Kongregation ..., H. (nachfolgend: Kongregation), anders als die Beschwerde reklamiert, so führt der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang weiter aus

Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-Kart 10/07 (V)
Datum:
08.10.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Kartellsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VI-Kart 10/07 (V)
Leitsätze:
OLG Düsseldorf, 1. Kartellsenat
Beschluss vom 8.10.2008, VI-Kart 10/07 (V)
§ 36 Abs. 1 GWB
1. Die Anwendbarkeit der nationalen Zusammenschlusskontrolle wird
nicht dadurch ausgeschlossen, dass das fusionsbedingt entstehende
Krankenhaus bereits als ge-meinsames Krankenhaus im
Krankenhausplan aufgenommen worden ist. Denn der nach
Krankenhausplanungsrecht erlassene Feststellungsbescheid begründet
keine Pflicht zur Fusion.
2. Im Bereich der Krankenhausfusionen kann zur Bestimmung des
räumlich relevanten Marktes auf die Eigenversorgungsquote - d.h. den
prozentualen Anteil derjenigen Patienten, die in dem betreffenden
Postleitzahlengebiet wohnen und zur Behand-lung ein in jenem Gebiet
ansässiges Krankenhaus aufgesucht haben - abgestellt werden.
3. Das Gebiet mit einer hohen Eigenversorgungsquote - im
Entscheidungsfall von 90 % - stellt den in räumlicher Hinsicht
größtmöglichen Markt dar.
4. Auch im Bereich der Krankenhausfusionen wird die Marktstellung
eines Kranken-hausbetreibers im Allgemeinen durch seinen Marktanteil
bestimmt. Dass der Preis-wettbewerb auf dem Krankenhausmarkt
weitgehend aufgehoben ist und ein wirksa-mer Wettbewerb in erster
Linie über die Qualität der Krankenhausversorgung statt-findet, steht
dem nicht entgegen.
Tenor:
I. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1) und der Beigeladenen gegen
den Beschluss des Bundeskartellamtes vom 6. Juli 2007 (B3-85111-Fa
6/07) werden zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die zur zweckentspre-
chenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Bundeskar-
tellamtes werden der Beteiligten zu 1) und der Beigeladenen auferlegt.
III. Wert der Beschwerde: 3.050.416,00 €
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
1
I.
2
Die Beteiligte zu 1) (nachfolgend: A.) betreibt nach Umwandlung des L K. H. (L.) sieben
große Krankenhäuser in H., unter anderem die A.-K. H. (A. H.). An A. ist die A. L.
Beteiligungsgesellschaft mbH, eine 100 %ige Tochter der Konzernholding A. K. GmbH
in K., mit ..,9% beteiligt. Die Freie und Hansestadt H. (FHH) hält über den H. V. (einer
Anstalt öffentlichen Rechts) die verbleibenden ..,1 % Anteile. Laut Gesellschaftervertrag
der L. H. wird für strategisch wichtige Entscheidungen (z. B. Strukturveränderungen,
Investitionspläne, Liquiditätspläne, Bauzielpläne, Jahresabschluss, Gewinnverwendung
und Abschluss und Änderung von Anstellungsverträgen mit ärztlichen Mitarbeitern, die
ein hohes jährliches Grundgehalt beziehen) eine qualifizierte Mehrheit von 75 % der
abgegebenen Stimmen, in jedem Fall aber die Zustimmung des H. V. AöR gefordert.
3
Der gesamte A.-Konzern umfasste im Frühjahr 2006 insgesamt 95 Einrichtungen mit
insgesamt ca. 34.500 Mitarbeitern und einer Kapazität von ca. 21.000 Betten und
Behandlungsplätzen, hiervon 70 Kliniken in der Bundesrepublik Deutschland und 6
Kliniken in den USA. Der Konzernumsatz belief sich im Jahr 2005 auf ca. .. Mrd. Euro. A.
seinerseits verzeichnete in demselben Jahr einen Umsatz von ... Mio. Euro. Sie hatte
insgesamt ca. 12.000 Beschäftigte und behandelt in mehr als 100 Fachabteilungen
jährlich rund 405.000 Patienten in H. und im H. Umland.
4
Die A. H. ist ein Krankenhaus der Schwerpunktversorgung, das neben den
Fachgebieten Anästhesie und Radiologie weitere acht Fachgebiete abdeckt mit
insgesamt 765 Planbetten und 66 teilstationären Behandlungsplätzen. In Entfernung
von ca. zwei Kilometern zur A. H. liegt das Krankenhaus M. (nachfolgend: KH M.) mit ca.
255 Betten. Das KH M. befindet sich in freigemeinnütziger Trägerschaft, dessen
Trägerin die Beteiligte zu 2) (nachfolgend: M.) ist, deren einzige Gesellschafterin die
Beteiligte zu 4) (nachfolgend: H.) ist. Im Geschäftsjahr 2005 erzielte das KH M. einen
Umsatz von weniger als .. Mio. Euro. Die A. H. und das KH M. befinden sich in einem
teilweise engen Kooperationsverhältnis. Die A. H. erbringt für das KH M. die
fachärztliche radiologische Versorgung, führt weitere Eingriffe an Patienten des KH M.
aus, übernimmt zudem sämtliche Laboruntersuchungen und erbringt ferner
5
verschiedene Konsilleistungen für das KH M.. Das KH M. erbringt umgekehrt für die A.
H. Leistungen bei der Versorgung Neugeborener und hat außerdem die ärztliche
Leitung der Unfall- und Wiederherstellungschirurgie an der A. H. inne.
Im Süden H., der durch die Elbe vom Zentrum der Stadt H. abgegrenzt ist, befinden sich
neben dem KH M. und der A. H. als weiteres Plankrankenhaus nur das Krankenhaus
"G. S." mit 257 Planbetten im Stadtteil W..
6
Die Beigeladene (nachfolgend: FHH) ist gesetzlich verpflichtet, für eine bedarfgerechte
gesundheitliche Versorgung der Metropolregion H. auf der Basis leistungsfähiger und
wirtschaftlicher Krankenhäuser zu sorgen (vgl. § 1 KHG). Es war seit längerer Zeit Ziel
der Krankenhausplanung der FHH , das Versorgungsgebiet der A. und der M.
aufeinander abzustimmen und die chirurgische und gynäkologische/geburtshilfliche
Versorgung im H. Süden neu zu ordnen. Im Krankenhausplan 2005 heißt es dazu, beide
Häuser hätten im Jahre 2002 eine Allianz zur Krankenhausversorgung im H. Süden
verabschiedet, deren weiteres Ziel die Zusammenführung am Standort der A. H. sei.
Zunächst seien dafür die baulichen Voraussetzungen zu schaffen, weshalb eine
Umsetzung nicht vor den Jahren 2008/2010 zu erwarten sei. Mit bestandskräftigem, von
A. und der Rechtsvorgängerin der H. - der Kongregation ..., H. (nachfolgend:
Kongregation) - erwirkten Bescheid vom 21. August 2006 stellte die FHH fest, dass "das
gemeinsame Krankenhaus A. H. und KH M. mit den Betriebsteilen beider
Krankenhäuser (…) weiter in den Krankenhausplan 2005 ausgenommen worden ist".
7
Zuvor hatten der Rechtsvorgänger der A. und die Kongregation am 23. Februar 2006
einen notariellen Übertragungsvertrag geschlossen. In diesem war vorgesehen, dass
die Kongregation alle Geschäftsanteile der M. an die A. überträgt. Die Übertragung war
u. a. aufschiebend bedingt durch die fusionskontrollrechtliche Freigabe des
Bundeskartellamtes (§ 14 des Vertrages). Zudem wurde ein Rücktrittsrecht für die
Kongregation vereinbart, falls die vertraglich vorgesehenen aufschiebenden
Bedingungen nicht bis zum 31. August 2006 eingetreten sind. Weitere notarielle
Vereinbarungen zwischen den Parteien wurden am 18. August 2006 über eine
gesplittete Geschäftsanteilsübertragung der Kongregation mit Darlehensgewährung und
Optionsvertrag getroffen, wobei auch insoweit sowohl aufschiebende bzw. auflösende
Bedingungen und ein Rücktrittsrecht der Kongregation unter den gleichen
Voraussetzungen wie in dem notariellen Vertrag vom 23. Februar 2006 vorgesehen
waren.
8
Mit Schriftsatz vom 21.12.2006 meldete A. beim Bundeskartellamt ihr Vorhaben an, das
KH M. durch den Erwerb sämtlicher Geschäftsanteile der M. zu übernehmen. Mit
Beschluss vom 6. Juni 2007 hat das Bundeskartellamt den angemeldeten
Zusammenschluss nach § 36 Abs. 1 GWB untersagt, weil der Erwerb zu einer
Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung führe, die A. auf dem Markt für
akutstationäre Krankenhausleistungen im räumlich relevanten Markt H. inne habe. Die
Voraussetzungen einer sog. Sanierungsfusion, nach der das Vorhaben freigabefähig
wäre, lägen nicht vor.
9
Im Rahmen seiner Marktuntersuchungen hat das Bundeskartellamt die sachliche und
räumliche Marktabgrenzung wie folgt vorgenommen:
10
Im Rahmen der sachlichen Marktabgrenzung hat das Bundeskartellamt festgestellt, dass
der Markt für stationäre medizinische Dienstleistungen von dem
11
Zusammenschlussvorhaben betroffen sei. Nicht erfasst würden demgegenüber
Rehabilitationseinrichtungen, die Alten- und Pflegeheime sowie Privatkliniken, deren
Leistungen nicht über die Krankenkassen abrechnungsfähig sind.
Zur Ermittlung des räumlichen Gebietes, in dem der sachlich abgegrenzte Wettbewerb
im Hinblick auf den zu beurteilenden Zusammenschluss stattfinde, hat das
Bundeskartellamt die Patientenherkunft von 240 Kliniken in H. und im Umland von H.
ermittelt. Zu diesem Zweck hat es das Ermittlungsgebiet nach Postleitzahlengebieten
aufgeteilt. Daraus hat es vier in Betracht kommende räumlich relevante Märkte
abgegrenzt. Der kleinstmögliche Markt "H." (Gebiet HH1) umfasst die Gebiete H.
(Postleitzahlengebiet 210.. bis 210..), W. (Postleitzahlengebiet 211.. bis 211..) und H.
(Postleitzahlengebiet 211.. bis 211..). Die jeweils größer abgegrenzten Gebiete "H. plus"
("HH2"), "H. Süden" ("HH3") und H. und südliches Umland ("HH4") schließen die
jeweils kleineren Abgrenzungen ein. Im Ergebnis hat das Bundeskartellamt das Gebiet
"HH1" als räumlich relevanten Markt angesehen. Gleichwohl hat es auch die Angebots-
und Nachfragesituation in den anderen abgegrenzten Gebieten ermittelt und bei der
kartellrechtlichen Beurteilung berücksichtigt.
12
Das Bundeskartellamt hat angenommen, dass A. bereits vor dem Zusammenschluss
eine (einzel-)marktbeherrschende Stellung auf dem räumlich relevanten Markt besitze.
Dazu hat das Bundeskartellamt die Marktanteile als aussagekräftiges und bedeutendes
Merkmal für eine bestehende Marktbeherrschung herangezogen. Das Bundeskartellamt
vertritt die Auffassung, dass die Marktanteile der Krankenhäuser des A.-Konzerns und
der FHH gemäß § 36 Abs. 2 GWB gemeinsam zu berücksichtigen seien. Das sich im
räumlich relevanten Markt "HH1" befindliche Krankenhaus A. H. halte einen Marktanteil
von ..%. Hinzu kommen außerhalb des räumlich relevanten Marktes liegende Häuser,
die im Markt "HH1" einen Marktanteil von ..% halten, und das U. E. mit einem Marktanteil
von ..%. Das Bundeskartellamt hat auf der Basis dieser Erkenntnisse ausgeführt, dass
die Vermutungsschwelle einer einzelmarktbeherrschenden Stellung des § 19 GWB
aufgrund des agregierten Marktanteils von 55 % deutlich überschritten werde. Auch
unter Zugrundelegung der weiteren Marktabgrenzungen "HH2" bis "HH4" ergebe sich
kein anderes Bild, da die Häuser des A.-Konzerns und der FHH auch in diesen
Markträumen gemeinsam jeweils Marktanteile zwischen .. und .. % erzielen.
13
Die Krankenhäuser, die im Markt "HH1" liegen und im Wettbewerb zur A. H. stehen,
kommen auf vergleichsweise deutlich geringere Marktanteile. So erzielt das KH M.
einen Marktanteil von .. %, während der nächste Wettbewerber – das Krankenhaus G. S.
– auf einen Marktanteil von lediglich ..% kommt. Auf den Wettbewerber Fachklinik H.
entfällt im räumlichen Markt "HH1" ein Marktanteil von unter .. %.
14
Als einen weiteren Punkt, der die marktbeherrschende Stellung von A. und der FHH im
relevanten Markt festige, hat das Bundeskartellamt die hervorgehobene Position bei der
Breite und Tiefe des Versorgungsangebotes berücksichtigt. Die A. H. sei bei weitem das
größte Allgemeinkrankenhaus im Umfeld. Soweit Krankenhäuser außerhalb des
relevanten Marktes nennenswerte Marktanteile erzielten, seien diese ebenfalls A.
zuzuordnen. Auch im Bezug auf die Stellung der A./FHH-Häuser im Bereich
medizinischer Kooperationen und Patientenzuweisung zeige sich ein wesentlicher
Wettbewerbsvorteil. Vor allem kleinere Wettbewerbshäuser seien auf die Kooperation
mit den A./FHH-Kliniken angewiesen, da sie viele Versorgungsangebote nicht
eigenständig vorhalten könnten. Die Kliniken der FHH und von A. seien, so das
Bundeskartellamt, somit in der Lage, die Qualität und Funktionsfähigkeit von weniger
15
breit aufgestellten Wettbewerbern erheblich zu beeinflussen. Dazu gehöre im
Besonderen auch das Krankenhaus G. S..
Der Zusammenschluss der M. mit A. führe - so das Bundeskartellamt - zu einer
Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung der A./FHH-Krankenhäuser. Durch den
Zusammenschluss erhöhe sich der Marktanteil von A./FHH auf .. %.
16
Über diese Marktanteilszuwächse hinaus sieht das Bundeskartellamt die Schwächung
des Krankenhauses G. S. durch den Zusammenschluss als zusätzliche Verstärkung der
Marktstellung von A./FHH. Das Krankenhaus G. S. sei auf die Kooperation mit anderen
Häusern oder auf Patientenzuweisungen angewiesen. Die Zuweisungen machten einen
erheblichen Anteil der Gesamtpatientenzahlen der Klinik aus, darunter fast
ausschließlich geriatrische Fälle von hohem wirtschaftlichem Wert. Für die
wirtschaftliche Situation von G. S. sei daher bereits problematisch, dass die
Zuweisungen aus den A./FHH-Kliniken in den letzten Jahren rückläufig gewesen seien.
Die Zuweisungen vom KH M., dem einzigen weiteren Wettbewerber, der bisher
weitgehend unabhängig von A./FHH agieren konnte, seien seit 2004 hingegen
kontinuierlich gestiegen.
17
Auch nach Zugrundelegung der weitest möglichen Marktabgrenzung, H. und südliches
Umfeld ("HH 4"), kommt es nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes zu einer
Marktanteilsaddition zwischen 2,5 und 5 %. Dieser verhältnismäßig geringe
Marktanteilszuwachs genüge als Verstärkungswirkung im Sinne von § 36 Abs. 1 GWB,
zumal die Marktstruktur bereits aktuell durch einen hohen Marktanteil von A./FHH und
eine Zersplitterung der auf die Wettbewerber entfallenden Marktanteile gekennzeichnet
sei.
18
Gegen die Untersagungsverfügung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und
begründete Beschwerde von A. und FHH.
19
Gegen die Untersagung wendet sich die Beschwerde zunächst mit dem Argument, dass
aufgrund § 69 SGB V und § 130 GWB der Bereich der Zusammenschlüsse auf dem
Krankenhaussektor dem Anwendungsbereich der Fusionskontrolle entzogen sei. Die
Zusammenschlussbeteiligten hätten in Vollzug einer öffentlich-rechtlichen Vorgabe
gehandelt, indem sie den an sie gerichteten und mittlerweile bestandskräftigen
Feststellungsbescheid der H. Sozialbehörde umsetzen müssten. Wende man das
Fusionskontrollrecht in diesem Fall an, so komme es zu einer unmittelbaren Kollision
zwischen der Umsetzung des krankenhausplanungsrechtlichen
Feststellungsbescheides einerseits und der kartellbehördlichen
Untersagungsentscheidung. Die Krankenhausplanung zeige, dass es einen generellen
und nicht überbrückbaren Zielkonflikt zwischen Kartellrecht und
Krankenhausplanungsrecht gebe. Eine medizinisch und wirtschaftlich leistungsfähige
Krankenversorgung erfordere in vielen Fällen Strukturen, die nach den Kriterien des
Kartellrechts als marktbeherrschend einzustufen seien. Die Qualität und
Wirtschaftlichkeit der medizinischen Versorgung müsse Vorrang vor reinen
Marktstrukturüberlegungen haben. Darüber hinaus könne es nicht angehen, dass bei
einer bindenden Entscheidung der Krankenhausplanung das Vertrauen der
Krankenhausträger darauf, dass sie ihre Disposition an den Vorgaben der
Krankenhausplanung ausrichten können und sollen, nicht geschützt werde, weil deren
Umsetzung an der kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrolle scheitere.
20
A. rügt ferner, dass ihr die Marktanteile des U. E. zugerechnet würden. Darüber hinaus
habe das Bundeskartellamt auch den räumlichen Markt unzutreffend abgegrenzt. Es
müsse der weite Markt "HH 4" als Ausgangsmarkt angesehen werden, dem darüber
hinaus auch noch Umlandgebiete (L. und W.) zuzurechnen seien. Aufgrund der
unzutreffenden Marktabgrenzung gelange das Bundeskartellamt bei der Beurteilung der
Zusammenschlusswirkungen zu falschen Ergebnissen. Die Behauptung des
Bundeskartellamts, A. verfüge über eine marktbeherrschende Stellung, sei
ausschließlich auf eine statische Analyse von Marktanteilen und Marktanteilsabständen
ermittelt. Dieser Indikator sei allerdings ungeeignet, die Wettbewerbsverhältnisse auf
dem Krankenhausmarkt abzubilden. Der bestehende Qualitäts- und
Innovationswettbewerb zwischen Krankenhäusern schließe unkontrollierte
Verhaltensspielräume auch bei Betreibern, die über hohe Marktanteile verfügen,
wirksam aus.
21
Das Bundeskartellamt habe ferner in fehlerhafter Weise angebliche strukturelle
Wettbewerbsvorsprünge von A. herangezogen. Die angeführte Doppelstellung der FHH
als Genehmigungsbehörde und Mitgesellschafterin der A. trage nicht. Die FHH sei
nämlich als öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft gemäß Artikel 20 Abs. 3 GG an
Recht und Gesetz gebunden und zur Neutralität verpflichtet. Dies schließe es aus,
Planungskompetenzen zum Vorteil von Wirtschaftsunternehmen, an denen sie selbst
beteiligt ist, auszuüben.
22
Das von A. bereitgehaltene medizinische Versorgungsangebot sei keinesfalls größer
als die Versorgungsangebote anderer spezialisierter Krankenhäuser, wie etwa des M.-
krankenhauses, des A.-krankenhauses oder des Unfallkrankenhauses B.. Das
Bundeskartellamt habe in fehlerhafter Weise seiner Untersagungsentscheidung die
Annahme zugrunde gelegt, dass A. aufgrund der Finanzkraft der an ihr beteiligten FHH
einen größeren wettbewerblichen Verhaltensspielraum habe als ihre Wettbewerber.
Insbesondere habe das Bundeskartellamt weder nachgewiesen, dass die FHH über
Finanzkraft im Sinne eines wettbewerblichen Vorteils verfüge, noch dargelegt, dass
diese Finanzkraft marktnah einsetzbar sei. Schließlich weist A. darauf hin, dass es eine
enge Kooperation von A. H. und M. gebe, die dazu führe, dass schon jetzt nur ein
eingeschränktes Wettbewerbsverhältnis zwischen den beiden Krankenhäusern
bestehe, weshalb der geplante Zusammenschluss keine wesentliche Auswirkung auf
die Marktstruktur habe.
23
Unabhängig von diesen Gründen seien die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB
auch deshalb nicht erfüllt, weil der Zusammenschluss nicht kausal für die vom
Bundeskartellamt befürchteten wettbewerbsschädlichen Folgen sei. Es lägen die
Voraussetzungen einer Sanierungsfusion vor: das Krankenhaus M. befinde sich in
wirtschaftlichen Schwierigkeiten und sei ohne den Zusammenschluss nicht
überlebensfähig. Zudem gebe es keine Alternative zu einer Übernahme durch das
erwerbende Unternehmen, und das noch verbleibende Potential beim Ausscheiden des
Krankenhauses M. werde ohnehin dem A. H. zuwachsen.
24
Am 11. Juli 2007 hat die Kongregation den Rücktritt vom Übertragungsvertrag vom
23. Februar 2006 erklärt. Durch Pressemitteilung vom 12. Juli 2007 wurde sodann der
Verkauf des Krankenhauses M. an die H. mitgeteilt. Mit Schreiben vom 13. Juli 2007
setzte die Kongregation A. von dem Verkauf an die H. in Kenntnis und fügte die an den
beurkundenden Notar gerichtete Rücktrittserklärung bei. Auch von den am 18. August
2006 geschlossenen Verträgen ist die Kongregation zurückgetreten. Das neue
25
Zusammenschlussvorhaben zwischen M. und H. ist beim Bundeskartellamt angemeldet
worden und mittlerweile fusionskontrollrechtlich freigegeben worden.
Nach der ersten mündlichen Verhandlung des Senats am 23. Januar 2008 ist am
1. August 2008 zwischen A. und H. ein notarieller Vertrag ("Anteilskauf- und
Abtretungsvertrag") geschlossen worden. Mit diesem Vertrag haben sich beide Parteien
darauf verständigt, dass es bei dem im anhängigen Beschwerdeverfahren zugrunde
liegenden Zusammenschluss im Fall seiner kartellrechtlichen Unbedenklichkeit bleiben
soll. Im Rahmen des gefundenen Einvernehmens sollen die Geschäftsanteile an M. auf
A. unabhängig von der Frage übergehen, ob der von der Kongregation erklärte Rücktritt
vom Anteilskaufvertrag vom 23. Februar 2006 rechtswirksam war oder nicht. Grundlage
der Übertragung soll der zwischen A. und H. abgeschlossene Anteilskauf- und
Abtretungsvertrag vom 1. August 2008 sein, der eine unter der aufschiebenden
Bedingung der kartellrechtlichen Freigabe stehende Abtretung der Geschäftsanteile an
A. enthält.
26
Die Beteiligte zu 1) und die Beigeladene beantragen,
27
den Beschluss des Bundeskartellamtes vom 6. Juni 2007 aufzuheben und den
angemeldeten Zusammenschluss freizugeben.
28
Das Bundeskartellamt beantragt,
29
die Beschwerden zurückzuweisen.
30
Es verteidigt den angefochtenen Beschluss und tritt dem Beschwerdevorbringen im
Einzelnen entgegen.
31
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und auf die Anlagen Bezug genommen.
32
II.
33
A.
34
Die Beschwerden sind zulässig.
35
Eine Erledigung des Beschwerdeverfahrens liegt (nicht) mehr vor, nachdem A. aufgrund
des notariellen Vertrages vom 1. August 2008 die Möglichkeit erhalten hat, die
streitbefangenen – und zwischenzeitlich auf H. übergegangenen – Geschäftsanteile von
dieser zu erwerben, sofern und sobald die kartellrechtliche Unbedenklichkeit des
Fusionsvorhabens rechtskräftig feststeht.
36
B.
37
In der Sache bleiben die Rechtsmittel aber ohne Erfolg.
38
Das Bundeskartellamt hat das Zusammenschlussvorhaben zu Recht gem. § 36 Abs. 1
GWB untersagt, weil zu erwarten ist, dass der von A. beabsichtigte Anteilserwerb deren
marktbeherrschende Stellung auf dem regionalen Markt für Krankenhausleistungen
verstärken wird. Dabei kann es für die Entscheidung des Falles auf sich beruhen, ob der
39
räumlich relevante Markt mit dem Bundeskartellamt eng abzugrenzen und auf den
Raum H. begrenzt ist, oder ob er darüber hinaus geht und das gesamte Gebiet H. Süd
umfasst. Die Voraussetzungen einer Sanierungsfusion liegen entgegen der Annahme
der Beschwerde nicht vor.
1.
40
Der Zusammenschluss von Krankenhäusern unterliegt den Vorschriften über die
Fusionskontrolle gem. §§ 35 ff. GWB. Weder die sozialrechtlichen Regelungen der
gesetzlichen Krankenversicherungen noch die Bestimmungen des
Krankenhausfinanzierungsgesetzes schließen die Anwendbarkeit der
Fusionskontrollvorschriften aus (vgl. BGH Beschl. v. 16. 1. 2008, Rn. 16 ff. – Rhön-
Grabfeld; Senat, WuW/E-R 1958, 1959 ff. – Rhön-Grabfeld).
41
a)
42
§ 69 SGB V bestimmt, dass die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer
Verbände zu den Krankenhäusern und ihren Verbänden abschließend durch das
Sozialrecht geregelt werden. Nach ihrem Wortlaut betrifft diese Vorschrift nicht die
Rechtsbeziehung von Krankenhäusern untereinander, und auch aus systematischen
Erwägungen ergibt sich ebenfalls kein Anhaltspunkt dafür, dass diese Regelungen über
ihren Wortlaut hinaus auch Zusammenschlüsse unter Krankenhäusern betreffen sollen.
Auch dem Zweck des Gesetzes ist nichts dafür zu entnehmen, dass der
Zusammenschluss von Krankenhäusern der kartellbehördlichen Kontrolle entzogen ist.
Mit der Neuregelung des § 69 SGB V ist das Ziel verfolgt worden, die Tätigkeiten der
Krankenkassen, die im Zusammenhang mit der Erfüllung ihres öffentlich-rechtlichen
Versorgungsauftrags stehen, dem Wettbewerbs- und Kartellrecht vollständig zu
entziehen. Im Hinblick auf diesen Zweck kann § 69 SGB V zwar auch die Beziehung
von Leistungserbringern, zu denen die Krankenhäuser gehören, untereinander erfassen,
sofern es um Handlungen in Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs
geht. Krankenhäuser, die sich zusammenschließen, erfüllen diesen Versorgungsauftrag
nicht. Sie verändern nur in ihrem eigenen Interesse die Strukturen, die für die Erfüllung
des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags der Krankenkassen zur Verfügung
stehen. Es kommt auch kein Ausschluss der Fusionskontrolle durch die
"Drittbetroffenheitsklausel" (§ 69 Satz 5 SGB V) in Betracht. Wie der Senat unter
Billigung des BGH entschieden hat, sind Krankenhäuser Leistungserbringer i.S.d. § 69
SGB V und daher nicht Dritte gem. § 69 Satz 5 SGB V. (Senat, WuW/E-R 1958, 1959 –
Rhön-Grabfeld)
43
b)
44
Die Regelungen über die Fusionskontrolle werden ebenso wenig durch die
Bestimmungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) verdrängt. Die
Regelungsbereiche der Fusionskontrolle und der Krankenhausfinanzierung sind
unterschiedlich. Zweck der Krankenhausfinanzierung ist gem. § 1 Abs. 1 KHG die
wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser. Durch die staatliche Förderung und die
wirtschaftliche Planung des Krankenhauswesens wird regulierend auf den Marktzutritt,
die Marktbedingungen und die Marktentfaltung von Krankenhäusern Einfluss
genommen. Die Auswirkungen einer Fusion von Krankenhäusern auf die Marktstruktur
werden im Rahmen der Krankenhausfinanzierung und –planung demgegenüber nicht
überprüft. Ein infolge einer Fusion bei einem in den Krankenhausplan aufgenommenen
45
Krankenhaus eingetretenen Trägerwechsel wird von der zuständigen Landesbehörde
nur in krankenhaus- und förderungsrechtlicher Hinsicht berücksichtigt. Für diese
Prüfung ist die Marktstellung, die sich für beteiligte Krankenhäuser nach der Fusion
ergibt, ohne Bedeutung, sodass die Fusionskontrolle weiterhin einen eigenständigen
Anwendungsbereich behält (BGH, a.a.O, Rn. 20 – Rhön-Grabfeld).
Ohne Erfolg verweist die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf den
bestandskräftigen Feststellungsbescheid der FHH vom 21. August 2006, durch den das
gemeinsame Krankenhaus A. H. und M. in den Krankenhausplan aufgenommen worden
ist. Die Argumentation der Beschwerde, dass die Fusionskontrolle hinter der
krankenhausplanenden Entscheidung zur Zusammenlegung der beiden Krankenhäuser
A. H. und KH M. zurücktreten müsse, weil andernfalls in die Kompetenz der FHH zur
hoheitlichen Krankenhausplanung eingegriffen werde, wäre nur dann stichhaltig, wenn
durch den Feststellungsbescheid verbindlich die Verpflichtung der beiden
Krankenhausträger zur Fusion ausgesprochen worden wäre. Nur dann läge nämlich
eine vom Wettbewerbsrecht hinzunehmende Rechtslage vor, die es erforderlich machen
kann, den streitbefangenen Anteilserwerb von der kartellbehördlichen
Zusammenschlusskontrolle auszunehmen (vgl. Senat, Beschl. v. 17.9.2008 – VI-Kart
19/07 (V) Umdruck Seite 9 ff. m.w.N.). Dies ist indes gerade nicht der Fall. Der
Feststellungsbescheid vom 21. August 2006 begründet keine Pflicht zur Fusion. Er führt
lediglich dazu, dass in dem Krankenhausplan nur das gemeinsame Krankenhaus A.
H./KH M. aufgenommen wird. Die rechtlichen Folgen, die sich daraus ergeben,
bestehen u. a. darin, dass nur das gemeinsame Krankenhaus Anspruch auf öffentliche
Fördergelder (§ 8 Abs. 1 KHG) hat und zur Krankenhausversorgung und Behandlung
von gesetzlich Versicherten zugelassen ist (§ 108 Nr. 2 SGB V) sowie ferner Ansprüche
auf Entgelt nur im Rahmen des Versorgungsauftrages bestehen, wie er im Rahmen der
Krankenhausplanung festgelegt wird. Diese Konsequenzen des KHG mögen rein
tatsächlich einen Anreiz für die streitbefangene Krankenhaus-Fusion darstellen;
rechtlich wird indes eine Pflicht zur Fusion hierdurch nicht begründet. Deutlich wird dies
nicht zuletzt in der Tatsache, dass Gegenstand und Ziel der Krankenhausplanung die
wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und nicht die Beurteilung und
Abschätzung der wettbewerblichen Folgen einer Krankenhausfusion ist.
Krankenhausplanung und Fusionskontrolle dienen damit unterschiedlichen Zwecken
(vgl. BGH, a.a.O., Rn. 20 – Rhön-Grabfeld), sodass die Krankenhausplanung eine
rechtlich bindende Aussage nur in Bezug auf die planerischen Merkmale der Tätigkeit
und der Finanzierung von Krankenhäusern treffen kann und die Feststellungen der
Fusionskontrolle, ob ein bestimmter Markt, auf dem Krankenhäuser tätig sind, durch
einen Zusammenschluss strukturell beeinträchtigt werden kann, einer davon
unabhängigen Prüfung durch das Bundeskartellamt überlassen bleiben. Die
Krankenhausplanung disponiert im Übrigen nicht über Bestehen und Trägerschaft der
Krankenhäuser, sodass die Untersagung eines Trägerwechsels auch nicht in
hoheitliche Befugnisse eingreift. Die Regeln der Fusionskontrolle stellen vielmehr eine
rechtliche Vorgabe dar, die Einfluss auf die Durchsetzbarkeit planerischer Ziele nehmen
können. So gesehen steht die Umsetzung der krankenhausplanerischen
Entscheidungen unter dem Vorbehalt ihrer kartellrechtlichen Unbedenklichkeit.
46
c)
47
Die Vorschriften der Zusammenschlusskontrolle können - anders als die Beschwerde
reklamiert - auch nicht mit dem Argument unangewendet bleiben, dass die Untersagung
einer Krankenhausfusion im Einzelfall den Zielen der Gesundheitspolitik zuwider laufen
48
kann. Das hat bereits der Bundesgerichtshof (a.a.O. Rn. 43 ff. - Rhön-Grabfeld)
entschieden und zur Begründung ausgeführt, dass es schon an einem Zielkonflikt
zwischen Kartellrecht und Gesundheitspolitik fehle, weil die kartellbehördliche
Zusammenschlusskontrolle dem Erhalt des Leistungswettbewerbs diene und der von
der Gesundheitspolitik verfolgte Rationalisierungsdruck dasselbe Ziel verfolge. Ebenso
wenig zwingt - so führt der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang weiter aus -
die gesundheitspolitisch geförderte Bildung von Leistungsverbünden benachbarter
Krankenhäusern (sog. Cluster) zur Fusion, weil eine Clusterbildung auch durch
Kooperationen mehrerer Krankenhäuser erreicht werden könne und die Bildung
regionaler Cluster nicht zwangsläufig die Entstehung oder Verstärkung
marktbeherrschender Positionen nach sich ziehen müsse. Schließlich - so betont der
Bundesgerichtshof - habe der Gesetzgeber eine kartellrechtliche Bereichsausnahme für
Krankenhausfusionen nicht vorgesehen. Die Regelungen des Sozialrechts einerseits
und des Kartellrechts andererseits stehen vielmehr gleichrangig nebeneinander und
sind mit ihren jeweiligen Regelungsmaterien beide Bestandteil der geltenden
Rechtsordnung (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 45 - Rhön-Grabfeld).
Bei dieser rechtlichen Ausgangslage kann sich im Anwendungsbereich des § 36 Abs. 1
GWB allein die Frage stellen, ob eine Krankenhausfusion im Einzelfall deshalb
kartellbehördlich nicht untersagt werden darf, weil der mit ihr verbundene regionale
Konzentrationsprozess die notwendige und gewollte Folge der
Gesundheitsreformgesetze ist (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 45 - Rhön-Grabfeld). In diesem Fall
liegt eine strukturelle Wettbewerbsbedingung des relevanten Marktes vor, die bei der
kartellrechtlichen Prüfung der Fusion zu berücksichtigen ist und dazu führen kann, dass
es entweder an einer untersagungsrelevanten Marktstrukturverschlechterung fehlt, weil
der Zusammenschluss und die mit ihm verbundenen wettbewerblichen Wirkungen
(bundes-)gesetzlich gefordert werden und sie damit letztlich nicht auf einem
unternehmerischen Verhalten beruhen, oder die das Ergebnis haben, dass der
Zusammenschluss auch zu Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen auf einem
anderen Markt führt, die die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen (§ 36 Abs. 1
2. Halbsatz GWB). Im Streitfall liegt keiner dieser beiden Ausnahmetatbestände, in
denen die Gesetzgebung des Bundes im Gesundheitsbereich kartellrechtliche Relevanz
erlangen kann, vor. Es ist weder vorgetragen noch sonst zu erkennen, dass die
streitbefangene Krankenhausfusion eine notwendige und gewollte Folge der
Gesundheitsreformgesetze und damit bundesgesetzlich gefordert ist. Ob die
Bestimmungen des Landes H. dahingehende Regelungen enthalten, kann dahin
stehen, weil ein solches Landesrecht gemäß Art. 31 GG in jedem Fall hinter dem
bundesdeutschen Kartellrecht zurücktreten müsste.
49
d)
50
Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollvorschriften scheitert schließlich nicht deshalb,
weil diese nur für Märkte vorgesehen sind, die Wettbewerbskräften unterworfen sind.
Krankenhäuser bieten stationäre Behandlungen sowohl für gesetzlich versicherte
Patienten wie auch für Privatpatienten auf einem Markt im Sinne der deutschen
Fusionskontrolle an. Denn auch bei gesetzlich Versicherten wird die stationäre
Krankenhausbehandlung aufgrund eines entgeltlichen Leistungsaustauschs gewährt,
bei dem Angebot und Nachfrage durch einen privatrechtlichen Vertrag
zusammengeführt werden. Ein der Fusionskontrolle zugänglicher Markt fehlt nicht
deshalb, weil der entgeltliche Leistungsaustausch bei der Krankenhausbehandlung von
Kassenpatienten aufgrund einer abschließend sozialrechtlich geregelten Nachfrage
51
erfolgen würde. Fusionsrechtlich maßgebliche Marktgegenseite für das Angebot von
Krankenhausleistungen sind auch im Anwendungsbereich des Sachleistungsprinzips
der gesetzlichen Krankenversicherung die Patienten und nicht die Krankenkassen. Ein
gesetzlich versicherter Patient, der stationärer Behandlung bedarf, wählt als
Marktteilnehmer das Krankenhaus autonom unter den nach § 108 SGB V zur
Behandlung von Kassenpatienten zugelassenen Krankenhäusern aus. Auch wenn
diese Wahlfreiheit durch einen gesetzlichen Kostenanreiz eingeschränkt wird, bleibt die
grundsätzliche Wahlfreiheit des Patienten bestehen. Es ist für die fusionsrechtliche
Nachfragerstellung der gesetzlich versicherten Patienten unerheblich, dass die Kosten
ihrer Behandlung grundsätzlich ummittelbar von den Krankenkassen getragen werden.
Maßgeblich (und ausreichend) ist alleine, dass die Leistungsempfänger eine autonome
Auswahlentscheidung unter mehreren konkurrierenden Leistungserbringern treffen, die
wettbewerbliche Handlungsspielräume haben, die im Bereich der staatlichen
Krankenhausbehandlung vornehmlich den Qualitätswettbewerb betreffen (BGH, a.a.O.,
Rn. 37 ff. - Rhön-Grabfeld; Senat, WuW/E-R 1958, 1960 – Rhön-Grabfeld).
Wettbewerbsstrukturen sind dort nicht weniger schutzwürdig als im Regelfall, in dem der
Nachfrager, der eine Ware oder Dienstleistung auswählt, sie auch bezahlen muss.
Dementsprechend geht auch die Praxis der europäischen Kommission davon aus, dass
Krankenhausdienstleistungen in Deutschland auf einem fusionsrechtlich relevanten
Markt angeboten werden (Kommissionsentscheidung vom 8.12.2005, COMP/M. 4010
Tz.8 ff. – Fresenius/Helios).
2)
52
Das Bundeskartellamt hat zu Recht angenommen, dass der Zusammenschluss der A.
H. und des KH M. die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB erfüllt.
53
a)
54
Das Bundeskartellamt hat den sachlich relevanten Markt zutreffend abgegrenzt. Nach
höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH a.a.O, Rn. 57 ff. – Rhön-Grabfeld) kann in
sachlicher Hinsicht auf dem Krankenhausmarkt grundsätzlich ein einheitlicher Markt für
akut stationäre Krankenhausbehandlung abgegrenzt werden. Eine weitere Unterteilung
nach medizinischen Fachabteilungen ist jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art, in
denen das Zielobjekt der Fusion ein Allgemeinkrankenhaus mit dafür typischen
Fachabteilungen der Chirurgie, der Gynäkologie und Geburtshilfe sowie der Inneren
Medizin ist, nicht nötig. In Fortführung der Rechtsprechung zum Sortimentsgedanken hat
der Bundesgerichtshof (BGH a.a.O, Rn. 57 ff. – Rhön-Grabfeld) entschieden, dass auch
das übliche Sortiment akut stationärer Behandlungsleistungen eine "bestimmte Art von
gewerblichen Leistungen" i.S.d. § 19 Abs. 2 GWB darstellt. Dieses "Sortiment" an
allgemeinen Krankenhausleistungen entspricht der typischen abstrakten
Verbrauchererwartung, also den Vorstellungen, die der Verbraucher unabhängig von
einem konkreten Behandlungsbedarf mit dem Leistungsangebot eines
Allgemeinkrankenhauses verbindet. Es ist auch im Entscheidungsfall maßgeblich.
Zwischen den Verfahrensbeteiligten steht außer Streit, dass zwischen den
Fachabteilungen der beiden fusionsbetroffenen Krankenhäuser A. H. und KH M.
wettbewerblich erhebliche Überschneidungen bestehen, weil auch das A. H. als ein
Krankenhaus der Schwerpunktversorgung über Fachabteilungen in den Bereichen der
Chirurgie, der Gynäkologie und Geburtshilfe sowie der Inneren Medizin verfügt.
Fusionsbetroffen ist deshalb der Wettbewerb der beiden Krankenhäuser auf dem Markt
für eine akut stationäre Krankenhausbehandlung.
55
b)
56
Das Bundeskartellamt hat im Ansatzpunkt auch den räumlich relevanten Markt
zutreffend unter Anwendung des Bedarfsmarktkonzepts abgegrenzt.
57
Nach dem Bedarfsmarktkonzept ist für die Zusammenschlusskontrolle derjenige
Angebotsmarkt räumlich relevant, auf den sich das Zusammenschlussvorhaben
auswirkt. Dieser Markt umfasst alle Nachfrager, die nach den tatsächlichen
Verhältnissen des konkreten Falles als Abnehmer für das Angebot der
zusammenschlussbeteiligten Unternehmen in Betracht kommen und deren
wettbewerbliche Handlungsmöglichkeiten durch den Zusammenschluss betroffen oder
beschränkt werden können. Akut stationäre Krankenhausbehandlungen werden
typischerweise nah vom Wohnort angeboten, um die Bevölkerung entsprechend der
staatlichen Krankenhausplanung bedarfsgerecht zu versorgen. Geht es um die
kartellrechtliche Beurteilung einer Krankenhausfusion, ist entscheidend auf das
tatsächliche Nachfrageverhalten der Patienten abzustellen. Das entspricht der vom
Bundesgerichtshof gebilligten Rechtsprechung des Senats und trägt dem Umstand
Rechnung, dass das Nachfrageverhalten zuverlässiger durch das feststellbare
Verhalten der Patienten in der Vergangenheit abgebildet wird als durch eine Befragung
gesunder Personen, welches Krankenhaus sie im Falle einer Erkrankung aufsuchen
würden (BGH a.a.O, Rn. 65 ff. – Rhön-Grabfeld; Senat, WuW/E-R 1958, 1961 – Rhön-
Grabfeld).
58
Von diesem rechtlichen Ausgangspunkt ist auch das Bundeskartellamt ausgegangen.
Zur Ermittlung des räumlichen Gebietes, in dem der sachlich abgegrenzte Wettbewerb
im Hinblick auf den zu beurteilenden Zusammenschluss stattfindet, hat es die
Patientenherkunft von insgesamt 240 Kliniken in H. und im H. Umland ermittelt und
untersucht, wie viele Patienten aus den einzelnen Postleitzahlbezirken die einzelnen
Krankenhäuser zur Behandlung aufgesucht haben. Daneben ist angebotsseitig
untersucht worden, aus welchen Gebieten die Patienten der einzelnen Krankenhäuser
stammen. Das Bundeskartellamt ist dabei im Hinblick auf die vier räumlich in Betracht
kommenden Märkte zu dem Ergebnis gelangt, dass im Gebiet "HH1" eine
Eigenversorgungsquote von 70%, im Raum "HH2" eine Eigenversorgungsquote von
60%, im Raum "HH3" eine Eigenversorgungsquote von 65% und im Raum "HH4" eine
Eigenversorgungsquote von 90% besteht. Eigenversorgungsquote bezeichnet dabei
den Anteil derjenigen Patienten, die in dem betreffenden Gebiet (z.B. "HH1") wohnen
und zur Behandlung ein in jenem Gebiet ansässiges Krankenhaus aufgesucht haben.
Legt man die genannten Quoten zugrunde, so steht außer Frage, dass der Raum "HH4"
mit einer Eigenversorgung von 90 % der in räumlicher Hinsicht größtmögliche Markt ist.
Denn mit einem gemeinsamen Marktanteil von lediglich 10 % stellen die außerhalb
dieses Marktraums gelegen Krankenhäuser aus Sicht der nachfragenden Patienten
keine wettbewerbsrelevante Leistungsalternative dar. Ob der räumliche Markt - wie vom
Amt angenommen - enger abzugrenzen und auf das Gebiet "HH1" zu beschränken ist,
ist angesichts der nah beieinander liegenden Eigenversorgungsquoten in den Räumen
"HH1", "HH2" und "HH3" fraglich. Die geringen Abweichungen in der
Eigenversorgungsquote könnten auf hinreichend homogene Wettbewerbsbedingungen
schließen lassen, die es rechtfertigen, die drei Gebiete zu einem einzigen Marktraum
zusammenzufassen. Letztlich braucht dieser Frage allerdings nicht weiter
nachgegangen zu werden. Selbst wenn man - insoweit zugunsten der Beschwerde -
das Gebiet "HH4" als den räumlich relevanten Markt zugrunde legt, liegen die
59
Untersagungsvoraussetzungen vor.
Nicht zu jenem räumlichen Markt "HH4" gehören die Regionen L. und W.. Die in den
Postleitzahlengebieten W. und L. gelegenen Krankenhäuser erzielen nach den vom
Bundeskartellamt festgestellten Patientenströmen im Markt "HH 4" lediglich
unbedeutende Marktanteile von jeweils unter 1 %. Diese Krankenhäuser stellen folglich
für die Patienten aus dem Raum "HH4" keine ernsthaft in Betracht kommende
Ausweichalternative zu den im Gebiet "HH4" gelegenen Krankenhäusern dar.
Umgekehrt erreichen die Krankenhäuser aus dem Markt "HH 4" zwar in L. rund 12,5%
Marktanteil und in W. rund 20% Marktanteil. Insoweit handelt es sich allerdings um rein
einseitige Patientenbewegungen in das Gebiet "HH 4" hinein, die es aus diesem Grund
nicht rechtfertigen, den Marktraum "HH4" um die Regionen L. und W. zu einem
einheitlichen Markt zu erweitern.
60
3)
61
Das Bundeskartellamt hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass A. bereits vor dem
Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung auf dem relevanten Markt besitzt
und der beabsichtigte Zusammenschluss mit M. diese Position verstärken würde, ohne
dass die Nachteile der Fusion durch eine Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen
auf einem anderen Markt überwogen werden (§ 36 Abs. 1 GWB).
62
a)
63
A. verfügt auf dem Angebotsmarkt für eine akut stationäre Krankenhausbehandlung im
Raum "HH4" bereits vor dem Zusammenschluss über den mit Abstand höchsten
Marktanteil.
64
aa.
65
Zutreffend hat das Bundeskartellamt bei der Marktanteilsberechnung die Krankenhäuser
des A.-Konzerns und der FHH gemäß § 36 Abs. 2 GWB addiert. Nach Satz 1 der
genannten Vorschrift sind dann, wenn ein am Zusammenschluss beteiligtes
Unternehmen ein abhängiges oder herrschendes Unternehmen im Sinne von § 17 AktG
ist, die so verbundenen Unternehmen als einheitliches Unternehmen anzusehen. § 36
Abs. 2 Satz 2 GWB ordnet in diesem Zusammenhang ergänzend an, dass jedes
Unternehmen als herrschendes gilt, sofern mehrere Unternehmen gemeinsam einen
beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben. Im Entscheidungsfall
liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 GWB im Hinblick darauf
vor, dass A. von der Mehrheitsgesellschafterin A. L. Beteiligungsgesellschaft mbH und -
vermittelt über die H. V. AöR als Minderheitsgesellschafterin - von der FHH gemeinsam
beherrscht werden.
66
(1)
67
Die FHH gilt – obschon sie eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft ist – als
Unternehmen im kartellrechtlichen Sinne. Das folgt aus § 36 Abs. 3 GWB. Danach wird
unwiderlegbar (vgl. Bechtold, GWB, 4. Aufl., § 36 Rn. 46; Bauer in Loewenheim/Mees-
sen/Riesenkampff, Kartellrecht, Band 2 GWB., § 36 Rn. 199; Mestmäcker/Veelken in
Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht GWB, 4. Aufl., § 36 Rn. 33) die
Unternehmenseigenschaft vermutet, wenn einer Person oder Personenvereinigung, die
68
an sich kein Unternehmen ist, die Mehrheitsbeteiligung an einem Unternehmen zusteht.
Das ist vorliegend der Fall, weil die FHH beispielsweise die alleinige Trägerin des U. E.
ist.
(2)
69
Die FHH hat gemäß § 17 Abs. 1 AktG die Möglichkeit, beherrschenden Einfluss auf A.
auszuüben.
70
Das Merkmal des beherrschenden Einflusses wird im AktG nicht näher definiert. Es
besteht indes in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit, dass ein Unternehmen dann
über einen beherrschenden Einfluss verfügt, wenn es die Geschäfts- und
Unternehmenspolitik des anderen Unternehmens beeinflussen kann (vgl. Senat, Beschl.
v. 7.5.2008 – VI-Kart 1/07(V) Umdruck Seite 10; Bechtold, a.a.O., § 36 Rn. 38; Bauer in
Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, a.a.O., § 36 Rn. 188; Mestmäcker/Veelken in
Immenga/ Mestmäcker, a.a.O., § 36 Rn. 51). Es genügt, wenn ein allgemeiner Einfluss
auf die Geschäfts- und Personalpolitik möglich ist (BGH, WuW/E BGH 2882, 2886 f. –
Zurechnungsklausel; KG WuW/E OLG 1993, 1994 – organische Pigmente). Hierzu
zählen insbesondere die Entscheidung über Investitionen, Produktion und Vertrieb (KG
WuW/E OLG 4075, 4077 – Springer-Kieler Zeitung). Die Beherrschung muss dabei
gesellschaftsrechtlich bedingt oder vermittelt sein; eine hiervon unabhängige
Einflussmöglichkeit reicht nicht aus (BGH WuW/E BGH 2882, 2886 f. –
Zurechnungsklausel). Das wichtigste Mittel der Beherrschung sind Stimmrechte
(Koppensteiner in Kölner Kommentar zum Aktienrecht, 2. Aufl., Bd. 1, §§ 1-75 AktG, § 17
Rn. 34; Bayer in MünchKomm, § 17 Rn. 34). Ausreichend ist die Möglichkeit, ein
Übergewicht der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu
bestellen oder abzuberufen. Eine solche Personalentscheidungsgewalt sichert im
Regelfall beherrschenden Einfluss, weil eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht,
dass sich die bestellten Mitglieder einflusskonform verhalten werden (Bayer in
MünchKomm, a.a.O., § 17 Rn. 27; Bauer in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, a.a.O.,
§ 36 Rn. 18). Auch Vetorechte, die einem Minderheitsgesellschafter durch den
Gesellschaftsvertrag in Bezug auf strategische Unternehmensentscheidungen
eingeräumt werden, können einen beherrschenden Einfluss vermitteln (vgl. zu Allem:
Senat, a.a.O. Umdruck Seite 10; Bechtold, a.a.O., § 36 Rn. 38; Bauer in
Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, a.a.O., § 36 Rn. 18).
71
Ausgehend von diesen Voraussetzungen hat die FHH aufgrund des
Gesellschaftervertrages der L. H. die Möglichkeit, (mit-)beherrschenden Einfluss auf die
Geschäfts- und Personalpolitik von A. auszuüben, weil strategisch wichtige
Entscheidungen, die den wettbewerblichen Verhaltensspielraum und das
Wettbewerbsverhalten des Unternehmens bestimmen, der Zustimmung der FHH
bedürfen. Nach dem Gesellschaftsvertrag von A. unterliegen die Verabschiedung des
Investitionsplans, des Liquiditätsplans und des Bauzeitenplans ebenso der Zustimmung
der FHH wie die Entlastung der Geschäftsführung und des Aufsichtsrats, die
Feststellung des Jahresabschlusses, die Entschließung über die Gewinnverwendung
sowie der Abschluss und die Änderung von Anstellungsverträgen mit ärztlichen
Mitarbeitern, die ein hohes jährliches Grundgehalt beziehen. Damit können wichtige
wettbewerbsrelevante Entscheidungen nicht gegen die Stimmen der FHH getroffen
werden. Jene bestimmt deshalb im Ergebnis maßgeblich über den Wirtschaftsplan und
darüber, ob und welche Mitarbeiter des Klinikums über Tarif bezahlt werden. Gerade
diese Bereiche sind für die Geschäfts- und Personalpolitik des Klinikums und damit für
72
seine Stellung im Wettbewerb mit anderen Krankenhäusern entscheidend. Der
Wirtschafts- und Stellenplan ist das Planungsinstrument des Klinikums. Er verhält sich
über alle geplanten Aufwendungen und Erträge (Erfolgsplan) und über die geplanten
Investitionen (Finanzplan). Der Stellenplan entscheidet darüber, wie viele Stellen
geschaffen oder abgebaut werden sollen. Die Frage einer Vergütung ärztlicher
Mitarbeiter mit hohem Grundgehalt stellt sich vornehmlich bei Vertragsabschlüssen mit
leitenden Ärzten. Gerade diese sind für den Ruf eines Krankenhauses und die Qualität
der angebotenen Leistungen, mithin für die Stellung im (Qualitäts-)Wettbewerb, von
besonderer Bedeutung.
bb.
73
Nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes (vgl. Tabelle unter Rn. 154 der
angefochtenen Verfügung) hält A. im Marktraum "HH4" unter Einbeziehung der FHH
zuzurechnenden Krankenhäuser einen Marktanteil von insgesamt .. % mit einem
Marktanteilsabstand von .. % zum nächstgrößten Wettbewerber, dem Katholischen M.-
krankenhaus. Auf die übrigen im Marktraum "HH4" tätigen Krankenhäuser fallen
Marktanteile von jeweils maximal .. %. Der in diesem Zusammenhang erhobene
Einwand der Beschwerde, das U. E. nehme nicht an der allgemeinen
Patientenversorgung teil und könne daher nicht berücksichtigt werden, greift nicht durch.
Nach § 2 Abs. 1 UKE-Gesetz nimmt das U. E. nämlich Aufgaben der
Krankenversorgung in der Region wahr. Das UKE erbringt als Maximalversorger in
erheblichem Umfang auch Krankenhausleistungen wahr, die von Krankenhäusern der
Grund- und Regelversorgung. Bereits der - die Vermutungsgrenze von einem Drittel (vgl.
§ 19 Abs. 3 Satz 1 GWB) weit übersteigende - Marktanteil von .. % und der damit
zugleich einhergehende enorme Marktanteilsabstand zu den Wettbewerbern legen eine
marktbeherrschende Stellung von A. nahe.
74
Zu Unrecht bezweifelt die Beschwerde die Aussagekraft des Marktanteils für die
Marktstellung eines Krankenhausbetreibers. Es trifft nicht zu, dass auf dem
Krankenhausmarkt aufgrund seiner Besonderheiten kein notwendiger
Wirkungszusammenhang zwischen hohen Marktanteilen auf der einen Seite und
wettbewerbsbeschränkendem Verhalten auf der anderen Seite existiert. Zwar ist der
Preiswettbewerb auf dem Krankenhausmarkt weitgehend aufgehoben; wirksamer
Wettbewerb findet aber über die Qualität der Krankenhausversorgung statt. Dabei mag
es zutreffen, dass die Qualität in der medizinischen Behandlung auch von einem
marktbeherrschenden Krankenhaus ohne nachteilige Folge für seine Marktposition nicht
unbegrenzt verschlechtert werden kann. Andererseits bestehen aber zahlreiche
Qualitätsparameter, bei denen sich die Marktmacht auf den Qualitätswettbewerb
auswirken kann. Dazu gehört beispielsweise die menschliche Qualifikation der Ärzte
und des Pflegepersonals, die Organisation und Optimierung der Behandlungsabläufe
einschließlich der Abstimmungen zwischen den verschiedenen Abteilungen, die
Unterbringung der Patienten (Ausstattung und Sauberkeit der Räume) und ihre
Verpflegung (so auch die Monopolkommission, Sondergutachten gem. § 42 Abs. 4 S. 2
GWB zum Zusammenschlussvorhaben der A. K. H. GmbH mit der K. M. gGmbH, 2008,
Rn. 71).
75
b)
76
Bestätigt wird der Befund einer marktbeherrschenden Stellung von A. durch die
Tatsache, dass die von diesem Unternehmen (einschließlich FHH) betriebenen
77
Krankenhäuser die mit Abstand größte Versorgungsbreite und Versorgungstiefe
aufweisen. Mit Recht hat das Bundeskartellamt in diesem Kontext darauf hingewiesen,
dass das U. E., die A. H., und die A.-Krankenhäuser St. G. und A. zu denjenigen
Krankenhäusern mit den höchsten Planbettenzahlen und den meisten Fachabteilungen
gehören. Bei dem U. E. und dem Krankenhaus St. G. handelt es sich jeweils um
Krankenhäuser der Maximalversorgung, bei den anderen genannten Häusern um
solche der Schwerpunktversorgung. In der Gesamtschau ihrer verschiedenen
Schwerpunktgebiete decken die A. zuzurechnenden Krankenhäuser praktisch den
gesamten Bereich der medizinischen Versorgung ab und bieten dem Patienten ein
umfassendes Versorgungsangebot. Dem haben die Wettbewerber Vergleichbares nicht
entgegen zu setzen. Das insoweit größte Versorgungsspektrum bietet das Katholische
M.-krankenhaus mit lediglich 6 Fachabteilungen. Alle anderen Wettbewerber sind
demgegenüber Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung und weisen eine
deutlich geringere Angebotsbreite und Spezialisierungstiefe auf. Wegen der weiteren
Einzelheiten des medizinischen Angebots der betreffenden Häuser wird zur
Vermeidung von Wiederholungen auf die diesbezüglichen Feststellungen des Amtes in
den Randnummern 162 bis 166 der angefochtenen Verfügung Bezug genommen.
Darauf, dass auch nach der Fusion eine hinlänglich große Zahl von Wettbewerbern am
Markt verbleiben, kommt es – entgegen der Ansicht der Beschwerde – nicht an. Eine
marktbeherrschende Stellung setzt nicht voraus, dass Wettbewerber dem
Marktbeherrscher überhaupt kein Potenzial entgegen zu setzen hätten. Entscheidend ist
alleine, ob und dass der wettbewerbliche Verhaltensspielraum von den Konkurrenten
noch wirksam kontrolliert werden kann. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Kein einziges
Wettbewerbs-Krankenhaus verfügt über eine Marktposition, um A. im Marktraum "HH4"
mit Aussicht auf Erfolg angreifen oder zumindest seinen Verhaltensspielraum im
Wettbewerb wirksam begrenzen zu können.
78
c)
79
Ohne dass es für die Annahme einer marktbeherrschenden Stellung von A. hierauf noch
ankommt, nimmt das Unternehmen auch bei der Finanzkraft eine führende Position ein.
Dies hat das Bundeskartellamt in dem angefochtenen Beschluss (dort Randnummer
167 ff., 169 der angefochtenen Verfügung zutreffend festgestellt. Auf die entsprechenden
Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Soweit sie
die Wettbewerbs-Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft befinden, hat das Amt mit
Recht darauf abgestellt, dass es insoweit an einer vergleichbaren gezielten
unternehmensstrategischen Ausrichtung auf den sachlich betroffenen
Krankenhausmarkt fehlt.
80
d)
81
Hinzu tritt als Marktstrukturkriterium schließlich die Doppelstellung der FHH als
Anteilseignerin von A. und als Krankenhausplanungsbehörde. Auch wenn die FHH als
Krankenhausplanungsbehörde gesetzlich zu einem rechtmäßigen Verhalten und zur
Neutralität verpflichtet ist, können aus der Doppelstellung Verhaltensspielräume eröffnet
sein, die es ermöglichen, auch unter Beachtung von Recht und Gesetz im Einzelfall eine
Planungsentscheidung zugunsten von A. zu treffen.
82
e)
83
Zu Recht hat das Bundeskartellamt angenommen, dass der Zusammenschluss zu einer
Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von A. führen würde.
84
aa.
85
Es steht außer Streit, dass sich der auf A. entfallende Marktanteil im Marktraum "HH4"
fusionsbedingt um 2,5 bis 5 % erhöht. Bereits dieser - verhältnismäßig geringe -
Marktanteilszuwachs erfüllt die Untersagungsvoraussetzung der
Verstärkungswirkungen. Denn er führt zu einer weiteren Verdichtung des ohnehin hoch
konzentrierten Marktes und hat zur Folge, dass der Marktanteil von A., die bereits vor der
Fusion mit weitem Abstand größten Anbieter ist, wettbewerbsschädlich erhöht wird (vgl.
BGH WRP 2005, 352, 353 – Deutsche Post/trans-o-flex).
86
bb.
87
Darüber hinaus lässt der Zusammenschluss eine weitere Schwächung des
Wettbewerbs-Krankenhauses G. S. befürchten. Für jenes Krankenhaus sind die
Patientenzuweisungen aus den umliegenden Krankenhäusern eine wichtige
Einnahmequelle. Die Zuweisungen machen für das Krankenhaus nicht nur einen
beträchtlichen zweistelligen Anteil seiner jährlichen Gesamtfallzahlen aus, sondern
betrafen in der Vergangenheit außerdem überwiegend geriatrische Fälle mit einem
hohen Vergütungswert. Die Zuweisungen aus M., die bislang einen nennenswerten
einstelligen Prozentsatz der Fallzahlen von G. S. ausmachten, bezogen sich
ausschließlich auf solche vergütungsträchtigen geriatrischen Fälle. Aufgrund der Fusion
würde A. die Möglichkeit erhalten, die Zuweisungen an G. S. einzustellen oder
zumindest spürbar zu reduzieren mit der Folge, dass dieser Wettbewerber geschwächt
und die eigene Marktposition gefestigt oder sogar ausgebaut werden kann.
88
f)
89
Die Kausalität des Zusammenschlussvorhabens für die Verstärkung der
marktbeherrschenden Stellung ist gegeben. Sie wird nicht dadurch in Frage gestellt,
dass bereits jetzt ein enges Kooperationsverhältnis zwischen dem A. H. und dem KH M.
besteht. Zum einen führt der Zusammenschluss über die bisherige Kooperation hinaus
zu einer gesellschaftsrechtlichen Verbindung beider Häuser. Zum anderen beendet die
Fusion das - ungeachtet der Zusammenarbeit - aktuell bestehende
Wettbewerbsverhältnis zwischen dem A. H. und dem KH M., das nicht zuletzt dadurch
gestärkt wird, dass bestimmte Leistungen des einen Krankenhauses durch die
Kooperation mit dem anderen Krankenhaus erbracht werden können.
90
g)
91
Zutreffend hat das Bundeskartellamt festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine
Sanierungsfusion nicht vorliegen. Das gilt schon deshalb, weil die streitbefangenen
Geschäftsanteile mittlerweile von Helios erworben worden sind, weshalb schon nicht
die Feststellung getroffen werden kann, dass es keine Alternative zu der in Rede
stehenden Fusion, nämlich dem Anteilserwerb durch A., gibt. (vgl. Mestmäcker/Veelken,
in Immenga/Mestmäcker, a.a.O., § 36, Rdnr. 329).
92
III.
93
Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 GWB. Die beschwerdeführenden Parteien
haben, weil sie im Verfahren unterlegen sind, die Gerichtskosten der
Beschwerdeinstanz zu tragen sowie dem Bundeskartellamt die ihm entstandenen
notwendigen Auslagen zu erstatten.
94
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 74 Abs. 2 GWB besteht kein Anlass,
weil weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war noch
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.
95
Der Wert des Beschwerdeverfahrens war gem. § 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 39 GKG auf
3.050.416,00 € festzusetzen. Nach der Rechtsprechung des Senats entspricht der nach
freiem Ermessen zu schätzende Wert einer Beschwerde, mit welcher die von der
Kartellbehörde untersagte Fusion weiterverfolgt wird, grundsätzlich dem vollem
Kaufpreis der zu erwerbenden Anteile.
96
Kühnen Prof. Dr. Ehricke Ausetz
97
Rechtsmittelbelehrung:
98
Die Entscheidung kann nur aus den in § 74 Abs. 4 GWB genannten absoluten
Rechtsbeschwerdegründen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden. Die
Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim
Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist
beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist
durch einen beim Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht
(Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen.
Diese Frist beginnt mit der Zustellung dieses Beschlusses und kann auf Antrag von dem
Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der
Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die
Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt
wird. Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen
durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet
sein.
99
Gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist die Nichtzulassungsbeschwerde
gegeben. Diese ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim
Oberlandesgericht Düsseldorf einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser
Beschwerdeentscheidung. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist durch einen beim
Oberlandesgericht Düsseldorf oder beim Bundesgerichtshof einzureichenden
Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung
dieses Beschlusses und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des
Rechtsbeschwerdegerichts (Bundesgerichtshof) verlängert werden. Die Begründung
muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und
ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann
nur darauf gestützt werden, dass die Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des
Gesetzes beruht. Die Nichtzulassungsbeschwerdeschrift und –begründung müssen
durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet
sein.
100