Urteil des OLG Düsseldorf vom 23.12.2010

OLG Düsseldorf (strafvollstreckung, staatsanwaltschaft, fristablauf, vollstreckung, stpo, sache, dauer, wirkung, frist, eigenschaft)

Oberlandesgericht Düsseldorf, III-3 Ws 434/10
Datum:
23.12.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
III-3 Ws 434/10
Leitsätze:
BtMG § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1
Die Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 BtMG
endigt mit Fristablauf. Eine nach Ablauf der Zurückstellungsfrist
getroffene Widerrufsentscheidung ist gegenstandslos.
OLG Düsseldorf, 3. Strafsenat
Beschluss vom 23. Dezember 2010, III-3 Ws 434/10
Tenor:
Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts
Wuppertal - Jugendrichter als Vollstreckungsleiter - vom 18. August
2010 werden aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten
insoweit entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse
auferlegt.
G r ü n d e :
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I.
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Das Amtsgericht Wuppertal hat den Beschwerdeführer am 29. April 2005 wegen
Diebstahls in vier Fällen und Hehlerei unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts
Wuppertal vom 21. Juli 2004 (acht Monate Einheitsjugendstrafe wegen gefährlicher
Körperverletzung und Diebstahls) zu einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr
verurteilt. Nach Teilverbüßung dieser Strafe ist die Vollstreckung gemäß § 35 Abs. 1
BtMG durch Entscheidung der Staatsanwaltschaft Wuppertal vom 24. Oktober 2006,
beginnend am 26. Oktober 2006, für die Dauer von zwei Jahren zurückgestellt worden.
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Das Amtsgericht Wuppertal - Jugendrichter als Vollstreckungsleiter - hat die
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Zurückstellung der Strafvollstreckung durch Beschluss vom 18. August 2010 widerrufen.
Die gegen diese Entscheidung gerichteten Einwendungen des Verurteilten hat das
Landgericht Wuppertal - Jugendkammer - mit Beschluss vom 27. Oktober 2010
zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten.
II.
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Das nach § 35 Abs. 7 Satz 4 BtMG, §§ 462 Abs. 3 Satz 1, 311 Abs. 2 StPO zulässige
Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.
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Der angefochtene Beschluss der Jugendkammer und der Widerrufsbeschluss des
Jugendrichters als Vollstreckungsleiter sind gegenstandslos und unterliegen daher der
Aufhebung.
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1.
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Dass der Widerruf der Zurückstellung der Strafvollstreckung vorliegend ins Leere geht,
folgt nicht bereits aus dem Umstand, dass nicht die Staatsanwaltschaft, sondern der
Jugendrichter als Vollstreckungsleiter für die Zurückstellungsentscheidung zuständig
war (§§ 82 Abs. 1 Satz 1, 85 Abs. 2 Satz 1, 105 Abs. 1, 110 Abs. 1 JGG). Denn trotz der
mangelnden Zuständigkeit kann die von der Staatsanwaltschaft am 24. Oktober 2006
getroffene Zurückstellungsentscheidung nicht als nichtig angesehen werden. Es handelt
sich nicht um einen besonders schwer wiegenden Fehler, der bei verständiger
Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Denn die
Zuständigkeitsfrage war unübersichtlich, weil die Staatsanwaltschaft am 24. Oktober
2006 in derselben Entscheidung - hier als zuständige Vollstreckungsbehörde - die
Zurückstellung der Vollstreckung einer in anderer Sache verhängten
Gesamtfreiheitsstrafe angeordnet hat. Hierbei wurde begrifflich nicht zwischen
Einheitsjugendstrafe und Gesamtfreiheitsstrafe differenziert, sondern einheitlich von der
Zurückstellung der Vollstreckung der "Strafen" gesprochen. Ferner besteht vorliegend
die Besonderheit, dass der nach § 85 Abs. 2 Satz 1 JGG örtlich zuständige
Jugendrichter als Vollstreckungsleiter zugleich der Vorsitzende des
Jugendschöffengerichts ist, das im ersten Rechtszug auf die Einheitsjugendstrafe
erkannt hat. In dieser zweiten Eigenschaft hat er der Zurückstellung der
Strafvollstreckung durch die Staatsanwaltschaft zugestimmt.
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2.
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Indes sind der angefochtene Beschluss der Jugendkammer und der Widerrufsbeschluss
des Jugendrichters als Vollstreckungsleiter gegenstandslos, weil sich die am 24.
Oktober 2006 mit Wirkung ab 26. Oktober 2006 für die Dauer von zwei Jahren
angeordnete Zurückstellung der Strafvollstreckung bereits am 25. Oktober 2008 durch
Fristablauf erledigt hat. Durch den Fristablauf war die Zurückstellung der
Strafvollstreckung, d. h. die vorläufige Herausnahme des Verurteilten aus der
Strafvollstreckung, beendet, ohne dass es einer Widerrufs-entscheidung bedarf. Nach
Fristablauf hat die Vollstreckungsbehörde zu prüfen, ob eine erneute
Zurückstellungsentscheidung - mit neu zu setzender Frist - zu treffen ist (vgl. Körner,
BtMG, 6. Aufl., § 35 Rdn. 302; MünchKomm-Kornprobst, Nebenstrafrecht I, 1. Aufl., § 35
BtMG Rdn. 149). Für eine Widerrufsentscheidung (§ 35 Abs. 5 u. Abs. 6 BtMG) ist
hingegen nach Ablauf der Zurückstellungsfrist kein Raum mehr, da die Wirkung der
Zurückstellungsentscheidung - wie etwa bei einem befristeten Vollstreckungsaufschub
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(§ 456 StPO) - mit Fristablauf endigt.
3.
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Der Verurteilte hat im Beschwerdeverfahren dargelegt, dass er zum 11. Januar 2011
eine Drogenentwöhnungstherapie in der Fachklinik O. beginnen kann. Die
Kostenzusage des Landschaftsverbands R. und die Terminbestätigung der Fachklinik
O. liegen vor. Der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter wird das
Beschwerdevorbringen als erneuten Antrag auf Zurückstellung der Strafvollstreckung zu
behandeln haben.
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Soweit sich der Verurteilte derzeit in anderer Sache (StA Wuppertal 10 Js 1986/05) in
Strafhaft befindet, resultiert daraus kein Zurückstellungshindernis, da auch in diesem
Verfahren eine Zurückstellung der Vollstreckung in Betracht kommt (vgl. Körner a.a.O. §
35 Rdn. 267 m.w.N.). Dort hat das Gericht des ersten Rechtszuges der von dem
Verurteilten beantragten Zurückstellung der Strafvollstreckung bereits zugestimmt. Die
Prüfung der Staatsanwaltschaft ist noch nicht abgeschlossen.
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III.
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Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO in entsprechender
Anwendung.
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