Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.01.2007

OLG Düsseldorf: wiederherstellung des früheren zustandes, falsche auskunft, geldwerter vorteil, haftpflichtversicherer, datum, ersatzleistung, vorschuss, golf, entstehung, ersatzfahrzeug

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-1 U 151/06
Datum:
22.01.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-1 U 151/06
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung seines
weitergehenden Rechtsmittels das am 20. Juni 2006 verkündete Urteil
der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf
teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.659,33 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 799,78 € seit
dem 26. Mai 2004 und aus 6.859,55 € seit dem 11. November 2004 zu
zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges werden zu 12 % dem Kläger und zu
88 % der Beklagten auferlegt.
Die Kosten des zweiten Rechtszuges fallen zu 13 % dem Kläger und zu
87 % der Beklagten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
1
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache überwiegend Erfolg.
2
Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Beklagte gemäß §§ 7, 17 StVG, 3
Abs. 1 Nr. 1 PflVersG dem Kläger vollen Schadensersatz wegen des Unfallereignisses
vom 5. März 2004 in Düsseldorf schuldet, als sein auf der G.straße vor dem Haus mit der
Nummer .. ordnungsgemäß abgestellt gewesenes Fahrzeug von dem
Versicherungsnehmer L. der Beklagten beschädigt wurde. Nachdem das Landgericht
dem Kläger rechtskräftig als ersatzfähigen restlichen Fahrzeugschaden die Differenz
3
zwischen dem Totalschadenbetrag und den Nettoreparaturkosten laut Gutachten in
Höhe von 624,55 € zuerkannt hat, streiten die Parteien in der Berufungsinstanz nur noch
über die beiden Schadenspositionen restliche Mietwagenkosten (799,78 €) sowie
Nutzungsausfallentschädigung (7.256,25 €).
Entgegen der durch das Landgericht vertretenen Ansicht umfasst die
Schadenersatzverpflichtung der Beklagten die restlichen Mietwagenkosten sowie die
Nutzungsausfallentschädigung für 215 Kalendertage. Allerdings steht dem Kläger für
diesen Zeitraum nicht der in Ansatz gebrachte Tagessatz von 33,75 € zu, sondern nur
ein solcher im Umfang von 29,00 €. Deswegen schuldet die Beklagte nur in Höhe von
6.235,00 € Ersatz für die dem Kläger entgangenen Fahrzeugnutzungen.
4
Im Ergebnis kann dahinstehen, ob entsprechend dem Rechtsmittelvorbringen des
Klägers das Landgericht in verfahrensfehlerhafter Weise hinsichtlich der
Mietwagenkosten und der Nutzungsausfallentschädigung auf Klageabweisung erkannt
hat. Der Rechtsstreit ist insgesamt zur Endentscheidung reif, so dass kein Anlass zu
einer Aufhebung und Zurückverweisung (§ 538 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO) besteht und der
Senat durch Endurteil gemäß § 300 Abs. 1 ZPO entscheiden kann.
5
I.
6
Mietwagenkosten
7
Diese stehen dem Kläger in der Resthöhe von 799,78 € zu. Nachdem diese in der Zeit
vom 5. März bis zum 18. März 2004 in der Gesamthöhe von 1.182,90 € angefallen sind
und die Beklagte vorprozessual darauf bereits 383,12 € für eine viertägige
Reparaturdauer bezahlt hat, verbleibt der dem Kläger noch zu zusprechende Saldo.
8
1.
9
Die nach § 249 Abs. 1 BGB geschuldete Wiederherstellung des früheren Zustandes
nach dem Wegfall der Nutzungsmöglichkeiten eines unfallgeschädigten Fahrzeuges
kann durch die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges erreicht werden. In diesem Fall hat
der Schädiger nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB die durch die Anmietung entstandenen
Kosten zu ersetzen, soweit sie erforderlich gewesen sind; sie gehören dann mit zum
erforderlichen Herstellungsaufwand (BGH NJW 1996, 1958; BGH NJW 1993, 1849).
10
2. a)
11
Entgegen der durch das Landgericht vertretenen Auffassung sind die zur
Wiederherstellung des früheren Zustandes erforderlichen Mietwagenkosten nicht auf die
Reparaturdauer begrenzt, welche in dem durch den Kläger überreichten
Schadensgutachten vom 10. März 2004 mit drei bis vier Arbeitstagen angegeben ist (Bl.
11 d.A.). Der Fahrzeughalter entbehrt die Nutzungsmöglichkeiten seines
unfallgeschädigten Kraftfahrzeuges bereits vom Unfalltag an und nicht erst während der
Dauer der Reparatur- oder Wiederbeschaffungszeit.
12
b)
13
Der für die Mietkosten klagegegenständliche Zeitraum betrifft die Spanne vom Unfalltag
am 5. März 2004 bis zur Rückgabe des Mietfahrzeuges am 18. März 2004. Zwar hatte
14
der Prozessbevollmächtigte des Klägers bereits am 11. März 2004 anlässlich eines
Telefonates mit dem Zentralruf der deutschen Autoversicherer in H. die falsche Auskunft
erhalten, Haftpflichtversicherer seines Unfallgegners sei die ... Versicherung in D. (Bl. 3
d.A.). Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass der anfängliche Irrtum des Klägers hinsichtlich
der Identität des Haftpflichtversicherers des gegnerischen Unfallfahrzeuges in
irgendeiner Weise seine Entscheidung hinsichtlich der Dauer der Inanspruchnahme des
Mietfahrzeuges beeinflusst hat. Erstmals unter dem Datum des 22. März 2004 verfasste
er ein anwaltliches Anspruchsschreiben an die ... Versicherung, nachdem er zuvor
bereits am 18. März 2004 das Ersatzfahrzeug an die Vermieterin zurückgegeben hatte.
c)
15
Die Erforderlichkeit der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges für einen Zeitraum von
insgesamt 14 Kalendertagen steht ungeachtet der seitens der Beklagten geäußerten
Bedenken außer Zweifel.
16
aa)
17
Der Unfall hat sich am 5. März 2004, einem Freitag, zugetragen. Tags darauf hat der
Kläger den Sachverständigen, Diplom-Ingenieur U., mit der Erstellung des
Schadensgutachtens beauftragt. Noch am Samstag, den 6. März 2004, kam es zu einer
Besichtigung des Unfallfahrzeuges durch den Privatsachverständigen (Bl. 9 d.A.). Das
Schadensgutachten ist unter dem Datum des 10. März 2004 verfasst. Unterstellt man die
übliche Postlaufzeit, ist von einem Eingang des Gutachtens bei dem Kläger am
Folgetag, also am Donnerstag, den 11. März 2004, auszugehen.
18
bb)
19
Sieht man einmal von dem anfänglichen finanziellen Unvermögen des Klägers zur
Durchführung einer Fahrzeugreparatur oder des Kaufes eines Ersatzfahrzeuges, von
dem – wie noch dazulegen sein wird – auszugehen ist, ab, wäre ihm hypothetisch
zumindest ein Tag nach Eingang des Gutachtens zu dessen Überprüfung und
Entscheidungsfindung zu zubilligen gewesen, zu welcher Art von Naturalrestitution –
Neuanschaffung oder Reparatur auf 130 %-Basis – er sich zu entscheiden gedachte.
Der Reparaturauftrag an eine Werkstatt hätte deshalb frühestens am Freitag, den 12.
März 2004, erteilt werden können. Da der Kläger sich zunächst mit sachverständiger
Hilfe ein Bild über den eingetretenen Fahrzeugschaden verschaffen musste, war er
auch unter Berücksichtigung seiner Schadensminderungsobliegenheit aus § 254 Abs. 2
BGB nicht gehalten, vor Gutachteneingang die Instandsetzung des Wagens zu
veranlassen.
20
cc)
21
In dem Gutachten U. vom 10. März 2004 ist die Reparaturdauer "nach
Materialbereitstellung" mit "circa 3/ 4 Arbeitstagen" angegeben (Bl. 11 d.A.).
22
Da nach der Kalkulation des Sachverständigen allein auf den Materialaufwand ein
Kostenanteil von 1.906,29 € netto entfällt (Bl. 17 d.A.), ist die für die
Ersatzteilbeschaffung notwendige Zeit ebenfalls mit mindestens einem Kalendertag zu
berücksichtigen. Die notwendige Instandsetzungsdauer, die sich dem Gutachten
entnehmen lässt, ist deshalb jedenfalls mit insgesamt fünf Arbeitstagen anzusetzen.
23
dd)
24
Ein am Freitag, den 12. März 2004, erteilter Reparaturauftrag hätte deshalb bestenfalls
eine Fertigstellung des Fahrzeuges am Donnerstag, den 18. März 2004, bewirken
können. Mit diesem Datum endet aber auch der Zeitraum der Inanspruchnahme des
Mietfahrzeuges. Es ergäbe sich nichts anderes hinsichtlich der Ersatzfähigkeit der
Mietwagenkosten, wenn man auf die Wiederbeschaffungszeit eines gleichwertigen
Ersatzfahrzeuges abstellte, die in dem Gutachten vom 10. März 2004 mit 10 bis 12
Werktagen angegeben ist. Selbst wenn sich danach der Kläger unmittelbar nach dem
Unfallgeschehen noch vor Zugang des Schadensgutachtens um den Erwerb eines
Ersatzwagens bemüht hätte, wäre er bis zum 18. März 2004 auf die Nutzung des
Mietfahrzeuges angewiesen gewesen.
25
3.
26
In Bezug auf die Mietwagenkosten ist zu Lasten des Klägers kein Abzug wegen
ersparter Aufwendungen wegen der unterbliebenen Nutzung seines eigenen PKW
vorzunehmen. Ganz abgesehen davon, dass die Beklagte die durch den Kläger
verlangten Mietwagenkosten für vier Tage anteilig ohne einen Abzug für ersparte
Eigenaufwendungen bezahlt hat, machte sie prozessual die Notwendigkeit eines
solchen Abzuges nicht einredeweise geltend.
27
II.
28
Nutzungsausfall
29
Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfallschadens für den Zeitraum vom
19. März 2004 bis zum 19. Oktober 2004 in der Gesamthöhe von 6.235,00 €. Die in dem
angefochtenen Urteil dargelegten Gründe sind nicht geeignet, die klageabweisende
Entscheidung zu tragen.
30
1.
31
Der Geschädigte hat grundsätzlich für die Dauer, in welcher er sein Fahrzeug
unfallbedingt nicht nutzen kann, einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung.
Anspruchsgrundlage ist insoweit § 251 Abs. 1 BGB. Der unfallbedingte Ausfall eines
Kraftfahrzeuges stellt nach ständiger Rechtsprechung einen wirtschaftlichen Schaden
dar, weil die ständige Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeuges als geldwerter Vorteil
anzusehen ist.
32
2. a)
33
Anspruchsvoraussetzung ist, dass der Geschädigte einen Nutzungswillen und eine
hypothetische Nutzungsmöglichkeit hat. Die Lebenserfahrung spricht jedoch dafür, dass
der Halter und Fahrer eines privat genutzten PKW diesen während eines
unfallbedingten Ausfalls benutzt hätte (Senat, Urteil vom 1. Oktober 2001, Az.: 1 U
206/00 sowie Urteil vom 29. Oktober 2001, Az.: 1 U 211/00; so auch OLG Celle VersR
1973, 717; OLG Frankfurt DAR 1984, 318; OLG Köln VRS 96, 325). Es bedarf keiner
weiteren Ausführungen dazu, dass der Kläger, der als Arbeiter berufstätig ist und eine
insgesamt vierköpfige Familie zu versorgen hat, auf Dauer auf die Benutzung eines
34
PKW angewiesen ist. Die Beklagten stellen deshalb ohne Erfolg den hypothetischen
Nutzungswillen des Klägers während des klagegegenständlichen Ausfallzeitraumes in
Abrede.
b)
35
Dem steht nicht entgegen, dass er am 18. März 2004 das angemietete Ersatzfahrzeug
an die Vermieterin zurückgegeben hatte. Wird ein nach einem Unfallereignis gemieteter
Ersatzwagen zurückgegeben, so ist dies kein Indiz dafür, dass der Geschädigte in der
Folgezeit seinen eigenen Wagen ohne den Unfall nicht benutzt hätte; allein schon nach
der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass der Halter und Fahrer eines privat
genutzten Wagens sein Fahrzeug laufend in Gebrauch nimmt (OLG Celle VersR 1973,
717, 718).
36
c)
37
Die Beklagte beanstandet ohne Erfolg, der Kläger lege nicht dar, wie er sich in der
Ausfallzeit bis zum 19. Oktober 2004 beholfen habe. In Anbetracht der beengten
finanziellen Verhältnisse, in welcher der Kläger seiner detaillierten Darstellung gemäß
lebt, blieb ihm mangels einer Dispositionsfreiheit während des klagegegenständlichen
Zeitraumes nichts anderes übrig, als auf den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges zu
verzichten und sich im Rahmen des Möglichen, beispielsweise unter Inanspruchnahme
öffentlicher Verkehrsmittel, zu behelfen.
38
3.
39
Der als Mutmaßung geltend gemachte Einwand der Beklagten, anlässlich der
Rückgabe des Mietwagens am 18. März 2004 sei das klägerische Unfallfahrzeug
bereits instandgesetzt gewesen (Bl. 154 d.A.), ist ebenfalls unbegründet.
40
a)
41
Die durch den Kläger zum Nachweis der Instandsetzung präsentierten Unterlagen –
Reparaturnachweis des Sachverständigen U. sowie die Reparaturbestätigung des
Zeugen D. – sind jeweils erst unter dem Datum des 21. Oktober 2004 erstellt (Bl. 28, 29
d.A.). Wäre zum Zeitpunkt der Abfassung der Anspruchsschreiben vom 22. März 2004
an die ... Versicherung bzw. vom 6. April 2004 an die Beklagte der PKW des Klägers
bereits repariert gewesen, hätte dieser keine Veranlassung gehabt, in den Schreiben
jeweils auf die Vorläufigkeit der vorgenommenen Schadensabrechnung auf
Totalschadensbasis hinzuweisen und die Reparatur des Pkw von dem Eingang der
angeforderten Ersatzleistung der Beklagten abhängig zu machen. Vielmehr hätte der
anwaltlich beratene Kläger dann sogleich die den Wiederbeschaffungswert des
Fahrzeuges innerhalb der 130 %-Grenze übersteigenden Instandsetzungskosten statt
des – niedrigeren – Totalschadensbetrages geltend machen können.
42
b)
43
Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, der Kläger habe eine bereits erfolgte
Reparatur seines Fahrzeuges verschwiegen, weil er von vornherein auf eine hohe
Nutzungsausfallentschädigung spekuliert habe, um sich so durch das Unfallereignis zu
Unrecht zu bereichern. Denn eine solche Annahme setzt voraus, dass der Kläger von
44
vornherein von der Annahme ausging, die Beklagte werde seine mit dem
Anspruchsschreiben vom 6. April 2004 formulierte Bitte, ihm auf den Kfz-Schaden einen
Vorschuss von 3.000,00 € zur Verfügung zu stellen, ignorieren. Eine derartige
Betrachtungsweise ist aber im Hinblick darauf spekulativ, dass der Kläger im Schreiben
vom 6. April 2004 unter Hinweis auf sein früheres Anspruchsschreiben vom 22. März
2004 an die ... Versicherung seine sehr beengten finanziellen Verhältnisse dargelegt
hatte und dass ihn unstreitig keinerlei Verschulden an der Entstehung des
Unfallschadens traf; da sein ordnungsgemäß am Straßenrand geparkt gewesenes
Fahrzeug von dem Kollisionsereignis betroffen war, konnte zu seinen Lasten noch nicht
einmal die von dem PKW ausgegangene Betriebsgefahr anspruchsmindernd
berücksichtigt werden. Deshalb erschien sein Vorschussgesuch nicht von vornherein
ohne jede Erfolgsaussicht.
4.
45
Unrichtig ist die Begründung der angefochtenen Entscheidung, dem Kläger stehe die
Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit bis zum 25. April 2004 schon aufgrund des
Umstandes nicht zu, dass er aufgrund eines Informationsfehlers mit Schreiben vom 22.
März 2004 die falsche Versicherung, nämlich die ... Versicherung, in Anspruch
genommen habe (Bl. 7 UA; Bl. 112 d.A.).
46
Unstreitig hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 11. März 2004 telefonisch
Kontakt mit dem Zentralruf der Deutschen Autoversicherer aufgenommen, um den
Haftpflichtversicherer des Fahrzeuges des Unfallgegners in Erfahrung zu bringen. Bei
dieser Gelegenheit erhielt er die unzutreffende Auskunft, Anspruchsgegner sei die ...
Versicherung in D.. Die Verzögerung, die dadurch eintrat, dass der
Prozessbevollmächtigte daraufhin mit Schreiben vom 22. März 2004 die ihm benannte
falsche Versicherung um Schadensregulierung anging, ehe diese schriftlich am 31.
März 2004 für Klarstellung sorgte, gereicht dem Kläger nicht zum Nachteil.
47
a)
48
Der Zentralruf der Autoversicherer ist ein von diesen und dem Gesamtverband der
Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. betriebenes gemeinsames Service-Center,
welches vielfältige Dienste im Bereich "Verkehr" anbietet. Der Zentralruf greift auf eine
eigene Datenbank zurück, die von den Autoversicherern gespeist wird. Diese
übermitteln für jedes versicherte Fahrzeug das amtliche Kennzeichen, den zugehörigen
Versicherer, die Versicherungsnummer, Vertragsanfang und –ende sowie die
zuständige Regulierungsstelle (Quelle: Internetpräsentation der Dienstleistungs-GmbH
des GDV, ).
49
b)
50
Zwar lässt sich bei diesem Sachverhalt nicht feststellen, dass die den Zentralruf
betreibende Dienstleistungs-GmbH Erfüllungsgehilfin gemäß § 278 BGB des
Unfallfahrers bzw. der für ihn zuständigen Haftpflichtversicherung bei der
Schadensregulierung ist.
51
Dies ändert jedoch nichts daran, dass den Kläger keine gemäß § 254 Abs. 2 BGB
anspruchsmindernde Obliegenheitsverletzung bei dem Versuch traf, den
Haftpflichtversicherer seines Unfallgegners über den Zentralruf der Autoversicherer
52
ausfindig zu machen. Durch sein Verhalten hat der Kläger nicht in zurechenbarer Weise
den klagegegenständlichen Nutzungsausfallschaden wegen der verspäteten
Ersatzleistung der Beklagten vergrößert.
aa)
53
Der Unfallgegner des Klägers war hinsichtlich des zu leistenden Schadensersatzes
dessen Schuldner. Darüber hinaus ist die Beklagte als der zuständige
Haftpflichtversicherer gemäß § 3 Nr. 1 PflVersG einem Direktanspruch des Klägers
ausgesetzt. Nach Maßgabe des § 271 Abs. 1 BGB darf aber der Gläubiger – auch
derjenige einer Schadensersatzleistung – die Leistung sofort verlangen. Zwar ist einem
Kfz-Haftpflichtversicherer in Bezug auf den jeweiligen Schadensfall eine bestimmte
Prüfungs- und Bearbeitungsdauer zu zubilligen. Das ändert aber nichts daran, dass
nach einem Unfallereignis der Ersatzpflichtige dafür Sorge zu tragen hat, dass der
geschädigte Anspruchssteller hinreichend über die Identität seiner Anspruchsgegner
informiert ist. Dies war hier jedoch in Bezug auf die Beklagte als Haftpflichtversicherer
nicht der Fall. Ansonsten hätte der Kläger keine Veranlassung gehabt, fast eine Woche
nach dem Kollisionsereignis über den Zentralruf der Deutschen Autoversicherer
diesbezüglich Nachforschungen anzustellen. Unstreitig hat dann eine am 31. März 2004
durchgeführte nochmalige Nachfrage bei dem Zentralruf der Autoversicherer zu der
richtigen Bekanntgabe der Beklagten als dem in Anspruch zu nehmende
Haftpflichtversicherungsunternehmen geführt. Bei dieser Sachlage ist für die
Feststellung eines für die Regulierungsverzögerung ursächlichen Mitverschuldens des
Klägers kein Raum.
54
bb)
55
Unabhängig davon ist folgendes zu berücksichtigen: Unstreitig hat die Beklagte dem
Kläger nicht die erbetene Vorschussleistung von 3.000,00 € zwecks Regulierung des
Fahrzeugschadens zur Verfügung gestellt, um welche er sie mit Schreiben vom 6. April
2004 unter detaillierter Darlegung seiner beengten finanziellen Verhältnisse gebeten
hatte. Die Beklagte veranlasste erst im Zusammenhang mit ihrem Schreiben vom
6. Oktober 2004 bei einer Abrechnung auf Totalschadensbasis eine Überweisung in
Höhe von 3.457,78 €, wovon ein Anteil von 2.984,00 € (3.334,00 €
Wiederbeschaffungswert – 350,00 € Restwert) auf den Fahrzeugschaden entfiel. Diese
Ersatzleistung hat es dann dem Kläger seinem Vorbringen zufolge ermöglicht, durch
den Zeugen D. sein geschädigtes Fahrzeug in der Zeit vom 14. bis zum 19. Oktober
2004 instandsetzen zu lassen. Zur Begründung ihres zögerlichen
Regulierungsverhaltens beruft sich die Beklagte darauf, sie habe zunächst zwecks
Aufklärung des Sachverhalts Kenntnis vom Ausgang des amtlichen
Ermittlungsverfahrens nehmen müssen (Bl. 155 d.A.). Angesichts dieser Sachlage ist
nicht davon auszugehen, dass sich die Beklagte zu einer früheren Ersatzleistung
veranlasst gesehen hätte, wenn der Kläger mit seinem Anspruchsschreiben vom 22.
März 2004 sogleich sie anstelle der nicht passiv legitimierten Deutschen Allgemeinen
Versicherung zur Zahlung von Schadensersatz und zu der Vorableistung eines
Vorschusses aufgefordert hätte. Es lässt sich somit noch nicht einmal feststellen, dass
die anfängliche Geltendmachung der Unfallschäden des Klägers gegenüber dem
unzuständigen Haftpflichtversicherungsunternehmen ursächlich für Entstehung oder
Ausweitung des Nutzungsausfallschadens war.
56
5.
57
Im übrigen scheitert die Begründetheit des Anspruches des Klägers auf Ersatz seines
Nutzungsausfallschadens in der Zeit vom 19. März bis zum 19. Oktober 2004 nicht an
der seitens der Beklagten als Argument angeführten Notwendigkeit der
Kenntniserlangung vom Ausgang des amtlichen Ermittlungsverfahrens. Ein irgendwie
geartetes schuldhaftes Fehlverhalten des Klägers im Zusammenhang mit der
Entstehung des Unfallereignisses hat nie zur Diskussion gestanden. Zwar mag die
Beklagte wegen der Beteiligung eines dritten Fahrzeuges Veranlassung gehabt haben,
den Ausgang des amtlichen Ermittlungsverfahrens, wie sie erstinstanzlich geltend
gemacht hat (Bl. 43), abzuwarten. Für das Außenverhältnis zum
schadensersatzberechtigten Kläger war es jedoch ohne Bedeutung, ob und ggfs. wie
sich im gesamtschuldnerischen Innenverhältnis mehrerer Schädiger die Aufteilung der
unfallbedingten Vermögensschäden unter Verwertung der Kenntnisse aus dem
amtlichen Ermittlungsverfahren gestalten sollte. Im übrigen ist eine Feststellung, wonach
ein Anspruch nur dann entstehen soll, wenn der Berechtigte dem Verpflichteten sein
Recht nachweist, mit dem materiellen Recht unvereinbar. Jede Partei trägt selbst das
Risiko einer in tatsächlicher oder beweisrechtlicher Hinsicht falschen Würdigung des
Sachverhaltes. Die materielle Anspruchsberechtigung erfährt weder durch eine
unzutreffende rechtliche Beurteilung noch durch Beweisschwierigkeiten eine
Veränderung (OLG Köln, VersR 1973, 323, 324 mit Hinweis auf Blomeyer,
Zivilprozessrecht, 1963, S. 343).
58
6.
59
Dem Kläger kann auch nicht als ein für die Ausweitung des Nutzungsausfallschadens
um sechs Kalendertage ursächliches Mitverschulden angelastet werden, nach
Bekanntgabe der Beklagten als dem zuständigen Haftpflichtversicherungsunternehmen
am 31. März 2004 sich nicht sofort anspruchstellend an diese gewandt zu haben,
sondern erst mit Schreiben vom 6. April 2006. Wie das spätere Regulierungsverhalten
der Beklagten zeigt, hätte sie auch auf eine frühere Aufforderung des Klägers diesem
nicht den erbetenen Vorschuss zur Beseitigung des Fahrzeugschadens geleistet.
60
7.
61
Entgegen der durch das Landgericht vertretenen Ansicht lässt sich die
klageabweisende Entscheidung nicht damit begründen, der Kläger habe es versäumt,
die konkrete Höhe der bei der Instandsetzung angefallenen Kosten darzulegen.
Deshalb sei nicht auszuschließen, dass es zu einer kostenlosen Reparatur, entweder
durch den Zeugen D. oder durch einen Verwandten oder durch den Kläger selbst,
gekommen sei; damit fehle auch die notwendige Tatsachengrundlage für die
Feststellung, der Kläger sei nicht in der Lage gewesen, aus eigenen Mitteln oder mit Hilf
eines kurzfristigen Kredits die Reparatur zu finanzieren (Bl. 7 UA; Bl. 112 d.A.). Diese
Begründung ist in mehrfacher Hinsicht zu beanstanden.
62
a)
63
Nicht von der Hand zu weisen ist die Berechtigung der Rüge des Klägers, das
Landgericht sei nach Maßgabe des § 139 Abs. 2 ZPO gehalten gewesen, ihm einen
rechtlichen Hinweis betreffend die Notwendigkeit der Darlegung der konkret
angefallenen Reparaturkosten zu erteilen (Bl. 134, 135 d.A.). Ob diese Unterlassung als
wesentlicher Verfahrensfehler im Sinne des § 538 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO zu qualifizieren ist,
64
kann indes dahinstehen.
b)
65
Entscheidend ist vielmehr folgendes:
66
aa)
67
Nach dem Inhalt des seitens des Klägers vorgelegten Schadensgutachtens verstand es
sich von selbst, dass eine Instandsetzung des Unfallfahrzeuges Marke Volkswagen Golf
GL nicht auf kostenlose Weise oder zumindest weitgehend kostenneutral unter
Verwertung von Schrottteilen zu bewerkstelligen war. Nach den seitens der Beklagten
nicht in Abrede gestellten Ausführungen im Gutachten U. vom 10. März 2004 hatten sich
linksseitig im Bereich der Mitte und des Vorderwagens massive Beschädigungen
eingestellt. In besonderer Weise war die Vorderachse beeinträchtigt. Unter anderem
mussten die Gelenkwelle vorne links, der Querlenker vorne links, das Führungsgelenk
links, das Radlagergehäuse links, das Radlager selbst mit Montageteilen, die
Federbeinlagerung vorne links, das Lenkgetriebe sowie die Lenkspurstange links
erneuert werden (Bl. 11 d.A.). Nach der Schadenskalkulation des Sachverständigen
entfiel allein auf die notwendigen Ersatzteile ein Kostenaufwand von 1.906,29 € zzgl.
Mehrwertsteuer (Bl. 17 d.A.). Die Instandsetzungsdauer ist in dem Gutachten mit 11,5
Std. angegeben (Bl. 17 d.A.). Selbst wenn der Zeuge D. für den Kläger ohne Arbeitslohn
tätig geworden wäre, hätte er zwangsläufig Aufwendungen für die notwendige
Beschaffung der Ersatzteile machen müssen.
68
bb)
69
Zwar lässt die Stellungnahme des Sachverständigen U. vom 3. Juni 2005 darauf
schließen, dass bei der Reparatur des Unfallfahrzeuges neben neuen Ersatzteilen auch
gebrauchte Teile Verwendung gefunden haben (Bl. 62 d.A.). Folgt man dem streitigen
Vorbringen des Klägers in der Berufungsbegründung, hat die Beschaffung der
erforderlichen Ersatzteile einen Aufwand von ca. 1.500,00 € erfordert, wobei der Zeuge
D. einen Arbeitslohn von 750,00 € erhalten habe (Bl. 135 d.A.). Im Ergebnis kann die
Richtigkeit dieser Zahlenangaben dahinstehen. Von Bedeutung ist im Ergebnis, dass
allein der für die Fahrzeuginstandsetzung erforderliche Materialaufwand so groß war,
dass der Kläger diesen nicht mit seinem verfügbaren Einkommen hätte finanzieren
können.
70
cc)
71
Entgegen der Begründung der angefochtenen Entscheidung musste sich der Kläger
auch nicht darauf verweisen lassen, im Umfang der Instandsetzungskosten einen Kredit
aufzunehmen. Abgesehen davon, dass – wie noch darzulegen sein wird - für den Kläger
im Rahmen des § 254 Abs. 2 BGB keine dahingehende Obliegenheit bestand, wäre ihm
nach seinen Einkommensverhältnissen noch nicht einmal eine Darlehensaufnahme
möglich gewesen, die ihm – unabhängig vom Arbeitslohn – die Finanzierung des
Aufwandes für die Ersatzteilbeschaffung realisierbar gemacht hätte.
72
8.
73
Die Beweislast für die behauptete Obliegenheitsverletzung des Geschädigten im Sinne
74
des § 254 BGB und deren Ursächlichkeit trägt der Ersatzpflichtige (Palandt/Heinrichs,
Kommentar zum BGB, 65. Aufl., § 254, Rdnr. 74 mit Hinweis auf BGH NJW 1984, 2216
sowie BGH NJW 1994, 3105). Der Geschädigte muss aber, soweit es um Umstände aus
seiner Sphäre geht, an der Sachaufklärung mitwirken; er muss erforderlichenfalls
darlegen, was er zur Schadensminderung unternommen hat (Palandt/Heinrichs a.a.O.
mit Hinweis auf BGH NJW 1984, 2216, BGH NJW 1996, 653; BGH NJW 1998, 3706).
a)
75
Der Kläger legt substantiiert und stimmig dar, dass er mit seinem als Arbeiter erzielten
monatlichen Nettoeinkommen von 2.000,00 € eine Familie mit zwei minderjährigen
Kindern zu unterhalten hat und dass ihm mit Rücksicht auf die fixen Kosten sowie auf
laufende Zahlungsverbindlichkeiten für den Lebensunterhalt nur ein Restbetrag von
864,00 € verbleibt (Bl. 6 d.A.). Seine beengten finanziellen Verhältnisse hatte er bereits
in seinem Schreiben vom 6. April 2004 an die Beklagte unter Bezugnahme auf das
frühere Anspruchsschreiben vom 22. März 2004 an die ... Versicherung detailliert
dargelegt und vergeblich um eine Vorabzahlung von 3.000,00 € auf den Kfz-Schaden –
"gegebenenfalls auch als Darlehen unter Rückforderungsvorbehalt" – gebeten, um in
die Lage versetzt zu werden, den Reparaturauftrag zu erteilen (Bl. 22/26 d.A.).
76
b)
77
Es bedarf keiner weiteren Ausführungen dazu, dass der Kläger aus dem ihm
verbleibenden monatlichen Einkommen von 864,00 € noch nicht einmal die Kosten für
die Anschaffung der zur Reparatur erforderlichen Ersatzteile in Höhe von – folgt man
dem Schadensgutachten U. vom 10. März 2004 – mehr als 1.900,00 € zzgl.
Mehrwertsteuer bestreiten konnte.
78
c)
79
Ohne Erfolg wendet die Beklagte in diesem Zusammenhang ein, es sei nicht erklärbar,
wie sich der Kläger mit Rücksicht auf seine schlechten finanziellen Verhältnisse sofort
noch am Unfalltag einen Mietwagen habe leisten können (Bl. 154 d.A.). Zu
berücksichtigen ist, dass der Kläger bei der Anmietung des Ersatzfahrzeuges von der
Annahme ausging, die Beklagte werde die erforderlichen Mietkosten ersetzen.
Tatsächlich hat sie dies auch für einen Zeitraum von vier Kalendertagen im Umfang von
383,12 € getan. Im Übrigen trägt der Kläger unwidersprochen vor, er habe den
Mietwagen auf Anraten seines Prozessbevollmächtigten bereits nach 13 Tagen
zurückgegeben, nachdem dieser ihn darauf hingewiesen habe, dass er – zumindest
vorläufig – selbst für die Mietkosten aufkommen müsse (Bl. 47 d.A.). Sofern der Kläger
zwischenzeitlich für einen Ausgleich der Rechnungsforderung des
Mietwagenunternehmens in der klagegegenständlichen Resthöhe von 799,78 €,
gegebenenfalls im Ratenzahlungswege, gesorgt hat, reichte dieser Umstand nicht für
die Feststellung, dass er auch zur Eigenfinanzierung der kostenaufwendigen
Fahrzeugreparatur in der Lage gewesen wäre. Zumindest fehlt es diesbezüglich an
einem schlüssigen Tatsachenvortrag der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten
Beklagten.
80
d)
81
In Widerspruch zu ihrem Vorbringen und der Darlegung im angefochtenen Urteil wäre
82
der Kläger angesichts seines beengten finanziellen Spielraumes und mit Rücksicht auf
sein um mehr als 5.200,00 € überzogenes Girokonto (Bl. 6 d.A.) aller Wahrscheinlichkeit
nach nicht – auch nicht in Höhe des durch ihn mit ca. 2.250,00 € bezifferten
tatsächlichen Instandsetzungsaufwandes – in der Lage gewesen, ein Bank- oder
Sparkassendarlehen mit nicht überteuerten marktüblichen Zinsen eingeräumt zu
bekommen. Das Vorbringen der Beklagten lässt keinen gegenteiligen Rückschluss zu.
Der Schädiger hat zu beweisen, dass dem Geschädigten die Aufnahme eines Kredites
zumutbar gewesen wäre (ständige Rechtsprechung des Senats; so auch OLG Frankfurt
ZfS 1984, 328; KG VM 1994, 5).
9. a)
83
Eine Pflicht des Geschädigten, zur Schadensbeseitigung einen Kredit aufzunehmen,
kann ohnehin nur unter besonderen Umständen angenommen werden (Senat, Urteil
vom 29. Oktober 2001, Az.: 1 U 211/00 mit Hinweis auf BGH NJW 1989, 290, 291 und
weiteren Nachweisen unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung im Urteil vom
3. Februar 1997, Az.: 1 U 68/96 – OLGR Düsseldorf 1997, 107). Die Rechtsprechung
bejaht eine solche Pflicht nur ausnahmsweise (BGH NJW 1989, 290, 291 mit Hinweis
auf BGH VersR 1963, 1161, 1162 sowie BGH BB 1965, 926, 927). Es ist grundsätzlich
Sache des Schädigers, die vom Geschädigten zu veranlassende Schadensbeseitigung
zu finanzieren. Der Geschädigte hat Anspruch auf sofortigen Ersatz und ist nicht
verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder zur
Vermeidung von Folgeschäden Kredit aufzunehmen. Vielmehr hat der Schädiger
grundsätzlich auch die Nachteile zu ersetzen, die daraus herrühren, dass der Schaden
mangels sofortiger Ersatzleistung nicht gleich beseitigt worden ist und sich dadurch
vergrößert hat (Senat mit Hinweis auf BGH NJW 1989, 290, 291 und weiteren
Nachweisen). Es ist das Risiko des Schädigers, wenn er auf einen Geschädigten trifft,
der finanziell nicht in der Lage ist, die zur Ersatzbeschaffung notwendigen Mittel
vorzustrecken und sich hierdurch der Zeitraum des Nutzungsausfalls und der Umfang
der damit einhergehenden Schäden vergrößert.
84
b)
85
Insofern lag es in der Hand der Beklagten, zur Abwendung eines größeren
Nutzungsausfallschadens einen Vorschuss an den Kläger zu leisten, mit dem dieser in
die Lage versetzt wurde, ein Ersatzfahrzeug zu erwerben (Senat, Urteil vom 8. März
2004, Az.: 1 U 134/03 bestätigt durch BGH, Urteil vom 25. Januar 2005, Az.: VI ZR
112/04, veröffentlicht in NJW 2005, 1044). Diese Ausführungen gelten entsprechend für
den vorliegenden Fall. Zur Abwendung eines größeren Nutzungsausfallschadens hätte
die Beklagte als Reaktion auf das Aufforderungsschreiben des Klägers vom 6. April
2004 die erbetene Vorschussleistung von 3.000,00 € tätigen können, um diesem eine
Fahrzeuginstandsetzung zu ermöglichen.
86
10. a)
87
Zahlt der Haftpflichtversicherer trotz Aufforderung keinen Vorschuss zur Auslösung des
Kraftfahrzeuges aus der Reparaturwerkstatt, hat er für eine entsprechend lange Zeit
Nutzungsausfall zu zahlen (OLG Frankfurt ZfS 1984, 328). Gleiches gilt für die erfolglose
Vorschussanforderung eines finanziell nicht leistungsfähigen Geschädigten, der die
Kosten für eine notwendige und noch nicht in Angriff genommene Fahrzeugreparatur
nicht aufbringen kann. Wenn der Schädiger ihm in einem solchen Fall ungeachtet einer
88
Anforderung keinen Vorschuss bewilligt, so hat er auch für die Zeit Nutzungsausfall zu
ersetzen, in welcher der Geschädigte außer Stande ist, die Reparaturkosten zu
bestreiten (KG VM 1994, 5; so auch OLG Nürnberg DAR 1991, 14 im Fall des
Ausbleibens einer angeforderten Vorschussleistung für einen finanziell schlecht
gestellten Geschädigten, der sich ein Ersatzfahrzeug für seinen total beschädigten
Wagen beschaffen wollte).
b)
89
Nachdem der Kläger einen Monat nach dem Unfallereignis die Beklagte unter konkreter
Darlegung seiner angespannten finanziellen Verhältnisse zu einer Vorschussleistung
aufgefordert hatte, lag es in deren Hand, die Entstehung eines größeren
Nutzungsausfallschadens durch die Überweisung der erbetenen Vorschussleistungen
zu verhindern. In diesem Zusammenhang kann die Entscheidung der Rechtsfrage
dahinstehen, ob der Ersatzpflichtige nach einer konkreten Behauptung des
Geschädigten, eine vollständige Reparatur durchführen zu wollen, unabhängig von
dessen finanzieller Leistungsfähigkeit zur Gewährung eines Vorschusses verpflichtet ist
(so Huber, Das neue Schadensersatzrecht, § 1, Rdnr. 69 mit Hinweis auf Haas/Horcher,
DStR 2001, 2118, 2119; Eggert, ZAP 2002, Fach 9, 647, 650 sowie Knütel, ZGS 2003,
17, 20). Jedenfalls ist in einem Fall, in welchem der Ersatzpflichtige das Gesuch eines
finanziell unvermögenden Geschädigten auf Zahlung einer Vorschuss- oder
Abschlagsleistung, notfalls auch wie hier als Darlehen unter Rückforderungsvorbehalt,
zum Zwecke einer notwendigen Fahrzeugreparatur ignoriert, verpflichtet, einen daraus
erwachsenden – gegebenenfalls auch größeren – Nutzungsausfallschaden zu ersetzen.
90
c)
91
Wegen der beengten finanziellen Verhältnisse des Klägers war dieser im Rahmen einer
Schadensminderungsobliegenheit auch nicht gehalten, an seinem Unfallfahrzeug eine
provisorische Reparatur vorzunehmen. Wie bereits ausgeführt, waren zur
Instandsetzung des Pkw Volkswagen Golf L umfangreiche Erneuerungsarbeiten an der
Vorderachse erforderlich, ohne die sich der Wagen in einem verkehrsunsicheren
Zustand befunden hätte. Nach dem seitens des Klägers vorgelegten
Schadensgutachten entfiel allein auf den Austausch der Gelenkwelle vorne links ein
Betrag von 357,00 € netto sowie auf die Erneuerung des Lenkgetriebes ein solcher von
462,00 € netto zuzüglich Montagekosten.
92
d)
93
Schließlich darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Kläger mit Schreiben vom
8. September 2004 die Beklagte mit Fristsetzung bis zum 15. September 2004 noch
einmal vergeblich zur Leistung der bereits unter dem Datum des 6. April 2004
angeforderten Zahlungen aufforderte. Spätestens mit dem fruchtlosen Ablauf dieser Frist
geriet die Beklagte in Schuldnerverzug gemäß § 286 Abs. 1 BGB. Nach den Umständen
verstand es sich von selbst, dass der Nutzungsausfallschaden des finanziell
unvermögenden Klägers umso größer wurde, je länger die Beklagte sich Zeit mit der
durch sie geschuldeten Ersatzleistung ließ. Nicht zuletzt der schuldhafte
Leistungsverzug der Beklagten ist ein wesentlicher Gesichtspunkt, der sich bei einer
etwaigen Abwägung nach § 254 BGB zugunsten des geschädigten Klägers auswirkt.
94
11.
95
Die Beklagte hat vorprozessual nicht die Richtigkeit der in dem Anspruchsschreiben des
Klägers vom 6. April 2004 enthaltenen Mitteilung hinsichtlich seiner beengten
finanziellen Verhältnisse in Abrede gestellt. Für ihre nunmehr in dem vorliegenden
Rechtsstreit aufgestellte Behauptung, der Kläger hätte aus eigener Kraft –
gegebenenfalls mittels einer Darlehensaufnahme – die Kosten für die Instandsetzung
des Unfallfahrzeuges bestreiten können, trifft sie die Darlegungs- und Beweislast. Das
Vorbringen der Beklagten lässt jedoch nicht die Feststellung eines hinreichenden
finanziellen Leistungsvermögens des Klägers zu. Die Beklagte versucht nachträglich,
die Schadensfolgen, die sich aus der Tatsache ergeben, dass sie die
Vorschussanforderung vom 7. April 2004 unbeachtet gelassen hat, über § 254 BGB dem
Kläger anzulasten. Damit hat sie indes keinen Erfolg.
96
12.
97
Unbegründet ist auch der Einwand der Beklagten, das Ersatzbegehren des Klägers sei
rechtsmissbräuchlich, weil die Geltendmachung einer Nutzungsausfallentschädigung in
Höhe von über 7.000,00 € außer Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert des
verunfallten Fahrzeugs im Umfang von 3.400,00 € stehe (Bl. 156 d.A.). Die Höhe der
Nutzungsausfallentschädigung ist nicht durch den Wert des Fahrzeuges begrenzt.
Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob die Nutzungsausfallentschädigung in einem
erheblichen Missverhältnis zum Zeitwert des Fahrzeuges steht (Senat, Urteil vom 8.
März 2004, Az.: 1 U 134/03 mit Hinweis auf BGH NJW 1985, 2637, 2639). Dafür, dass
die Höhe der Ausfallentschädigung letztlich den Wert des Fahrzeuges erheblich
übersteigt, ist nicht der Geschädigte, sondern allein der Schädiger dann verantwortlich,
wenn er es unterlassen hat, den Kläger durch eine schnellere Ersatzleistung oder durch
Zahlung eines Vorschusses finanziell in die Lage zu versetzen, eine Reparatur oder
eine Ersatzbeschaffung zu einem früheren Zeitpunkt vorzunehmen (BGH NJW 2005,
1044, 1045).
98
13.
99
In Bezug auf die Höhe des Ersatzverlangens des Klägers dringt die Beklagte nicht mit
ihrem Einwand durch, wegen des Alters seines Fahrzeuges von über 12 Jahren könne
er nur die Vorhaltekosten ersetzt verlangen (Bl. 156 d.A.). Es gibt keinen
überzeugenden rechtlichen Ansatz dafür, bei einem langfristigen ersatzfähigen
Nutzungsausfall die Berechnung der Schadenshöhe nach den einschlägigen
Tabellenwerten insgesamt abzulehnen (Senat, Urteil vom 8. März 2004, Az.: 1 U 134/03,
bestätigt durch BGH NJW 2005, 1044). Der Tatrichter ist, auch bei älteren Fahrzeugen,
nicht gehalten, in jedem Einzelfall bei der Beurteilung der entgangenen
Gebrauchsvorteile eine aufwendige Berechnung anzustellen. Vielmehr darf er im
Rahmen des ihm nach § 287 ZPO bei der Schadensschätzung eingeräumten
Ermessens aus Gründen der Praktikabilität und der gleichmäßigen Handhabung
typischer Fälle auch bei älteren Fahrzeugen mit den in der Praxis anerkannten Tabellen
arbeiten (BGH NJW 2005, 1044 mit Hinweis auf BGH NJW 2005, 277). Dies gilt auch
dann, wenn das Fahrzeug darin altersbedingt nicht mehr aufgeführt ist (BGH NJW 2005,
277).
100
IV.
101
Teilweise unbegründet ist das Rechtsmittel des Klägers jedoch hinsichtlich der Höhe
102
der durch ihn verlangten Nutzungsausfallentschädigung. Ihm steht nicht der geltend
gemachte Betrag von 7.256,25 € zu, sondern die begründete
Schadensersatzverpflichtung der Beklagten stellt sich auf 6.235,00 €. Die Differenz
erklärt sich aus dem Umstand, dass der Kläger mit 33,75 € einen zu hohen Tagessatz
für den unfallbedingt ausgefallenen PKW Marke VW Golf GL zugrunde legt. Der
berücksichtigungsfähige Tagessatz macht nur den Betrag von 29,00 € aus, so dass für
215 Kalendertage die Summe von 6.235,00 € erreicht wird.
1.
103
Bei der Bemessung der Höhe der Nutzungsausfallentschädigung besteht ein
Schätzungsermessen nach § 287 ZPO. Auch bei älteren Fahrzeugen darf, wie bereits
ausgeführt, aus Gründen der Praktikabilität und gleichmäßigen Handhabung typischer
Fälle weiterhin mit den in der Praxis anerkannten Tabellen gearbeitet werden, selbst
wenn das Fahrzeug darin nicht mehr aufgeführt ist (BGH NJW 2005, 277, 278). Der
Kläger muss sich also entgegen der Rechtsansicht der Beklagten nicht auf eine
Berechnung seines Ausfallschadens anhand der Vorhaltekosten seines Fahrzeuges
verweisen lassen. Dem Alter des Fahrzeuges ist durch eine Herabstufung in der für den
PKW einschlägigen tabellarischen Entschädigungsgruppe Rechnung zu tragen (BGH
NJW 2005, 277; BGH NJW 2005, 1044). So hat der Bundesgerichtshof für einen 9 ½
Jahre alten PKW die durch den Senat ausgesprochene Mindereinstufung um eine
Gruppe akzeptiert (Senat, Urteil vom 8. März 2004, Az.: 1 U 134/03; BGH NJW 2005,
1044). In Bezug auf einen 16 Jahre alten PKW hat der Bundesgerichtshof eine
Herabstufung um zwei Gruppen in den Tabellen von Sanden/Danner/Küppersbusch
unbeanstandet gelassen (BGH NJW 2005, 277, 279).
104
2.
105
Im vorliegenden Fall geht es um eine PKW-Marke VW Golf GL mit einem Hubraum von
1.781 Kubikzentimetern und einer Leistung von 66 KW, der zum Zeitpunkt des Unfalls –
bezogen auf das Datum der Erstzulassung am 23. April 1992 – knappe 12 Jahre alt war.
Nach dem durch den Kläger überreichten Schadensgutachten wies das Fahrzeug eine
– angesichts seines Alters und der Anzahl von zwei Vorbesitzern auf Bedenken
stoßende – Laufleistung von 45.695 km laut Tachostand bei einem durchschnittlichen
Erhaltungszustand auf (Bl. 10 d.A.).
106
a)
107
Nach der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch ist bei einem Fahrzeugalter von
mehr als 10 Jahren eine Mindereinstufung um zwei Gruppenwerte vorzunehmen. Im
Hinblick auf den Erhaltungszustand des klägerischen Fahrzeuges und seiner
mutmaßlichen Laufleistungen bestehen hier keine Bedenken gegen eine doppelte
Herabstufung bezogen auf den aktuellen Tabellenwert.
108
b)
109
Dem klägerischen Fahrzeug am nächsten kommt in der Tabelle von
Sanden/Danner/Küppersbusch für das Schadensjahr 2004 ein PKW Marke VW Golf
Edition mit einem Hubraum von 1.595 kcm und einer Leistung von 75 KW. Da eine
Rückstufung um zwei Gruppen vorzunehmen ist, kommt nicht die tabellarisch
ausgewiesene Entschädigungsgruppe D in Ansatz, sondern die Gruppe B mit dem
110
bezeichneten Tagessatz von 29,00 €.
V.
111
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
112
Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in
§§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
113
Der Gegenstandwert für den Berufungsrechtszug beträgt 8.056,03 €.
114
Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543
Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
115
Dr. E K E
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