Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.09.2005

OLG Düsseldorf: culpa in contrahendo, gerichtsstand, eigentumswohnung, abgabe, bezirk, entziehen, gefahr, darlehensvertrag, rückabwicklung, verzug

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-5 SA 71/05
Datum:
22.09.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-5 SA 71/05
Tenor:
Das Landgericht Karlsruhe wird als zuständiges Gericht bestimmt.
1) Dem Antragsteller ist 1993/94 von der A... - eine Wohnung im ersten Obergeschoss
rechts der Wohnungseigentumsanlage ... in ... aufgelassen worden. Der Kaufpreis in
Höhe von 126.603 DM für diese Wohnung ist über die Antragsgegner finanziert worden.
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a) Der Antragsteller will die Rückgängigmachung dieses Rechtsgeschäftes
einschließlich der mit ihm verbundenen Geschäfte. Zur Begründung trägt er vor, im
Oktober 1993 sei ein Vermittler R... unbestellt an ihn herangetreten und habe ihn dazu
bewogen, eine Vollmacht zum Kauf der Eigentumswohnung zu erteilen, mit der
Antragsgegnerin zu 1) zur Finanzierung des Kaufvertrages zwei Bausparverträge
abzuschließen und bei der Antragsgegnerin zu 2) ein Vorausdarlehen zur
Zwischenfinanzierung dieser Bausparverträge zu beantragen.
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Der Antragsteller macht geltend, er habe gegen die Beteiligten einen
Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo wegen Verletzung von
Aufklärungspflichten in Bezug auf das finanzierte Geschäft und den Kredit. Ausweislich
ihres einheitlichen Darlehensvertrages hafteten die Antragsgegner wegen
gemeinschaftlicher Mitverursachung gemäß §§ 421, 427 BGB als Gesamtschuldner.
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Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 11.08.2005 beim Landgericht Wuppertal um
Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren nachgesucht, in dem er folgende Anträge
verfolgen will:
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(1) Beide Antragsgegner sollen verurteilt werden, dem Antragsteller die Zinsen des
Vorausdarlehens über 55.999,80 EUR zu erstatten bzw. sie an ihn zu zahlen,
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(2) die Antragsgegnerin zu 1) soll verurteilt werden, den Antragsteller von den
Verpflichtungen aus dem Vertrag vom 23.12.1993 betreffend das Vorausdarlehen
freizustellen,
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(3) die Antragsgegnerin zu 1) soll ferner verurteilt werden, das Bausparguthaben des
Klägers nebst Zinsen aus dem Bausparvertrag Nr. ... abzurechnen und den sich aus der
Abrechnung ergebenden Betrag an den Antragsteller zu zahlen,
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Zug um Zug gegen Auflassung der vom Antragsteller erworbenen Wohnung.
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Ferner soll durch Urteil festgestellt werden, dass sich die Antragsgegner mit der
Annahme eines Anspruchs des Antragstellers auf Rückgängigmachung der Auflassung
in Verzug befinden, dass die Antragsgegnerin zu 2) keine Ansprüche aus dem Vertrag
vom 23.12.1993 betreffend das Vorausdarlehen hat und dass die Antragsgegner dem
Antragsteller gesamtschuldnerisch den gesamten Schaden und alle Kosten zu ersetzen
haben, die durch die Abwicklung des Darlehensvertrags und Übereignung der
Eigentumswohnung noch entstünden.
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b) Für beide Antragsgegner hat sich Rechtsanwältin D..., Karlsruhe, bestellt.
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Mit Schriftsatz vom 13.04.2005 hat der Antragsteller Abgabe des Verfahrens an das
Landgericht Karlsruhe beantragt. Dem haben die Antragsgegner mit Schriftsatz vom
26.04.2005 widersprochen, weil das Landgericht Wuppertal ausschließlich zuständig
sei. Jedenfalls würden sie sich als Beklagte auf eine Verhandlung vor diesem Gericht
rügelos einlassen.
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Mit Beschluss vom 6.5.2005 hat sich das Landgericht Wuppertal für örtlich unzuständig
erklärt und das PKH-Verfahren gemäß § 281 ZPO an das örtlich zuständige Landgericht
Karlsruhe verwiesen.
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Mit Schreiben vom 6.6.2005 hat das Landgericht Karlsruhe beim Landgericht Wuppertal
angefragt, ob sich die Verweisung des "Rechtsstreits" auf beide Antragsgegner
beziehen solle. Das hat das Landgericht Wuppertal unter dem 13.06.2005 mit der
Begründung bejaht, laut Antrag beabsichtige der Antragsteller, beide Antragsgegner vor
dem Landgericht Karlsruhe als Streitgenossen zu verklagen.
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Mit Beschluss vom 5. Juli 2005 hat das Landgericht Karlsruhe die Übernahme des
Verfahrens bezüglich der Antragsgegnerin zu 2) abgelehnt.
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Unter dem 11.07.2005 hat das Landgericht Wuppertal das Oberlandesgericht
Düsseldorf um Bestimmung des zuständigen Gerichts ersucht.
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Die Antragsgegner sind der Auffassung, für sie bestehe ein gemeinsamer Gerichtsstand
beim Landgericht Wuppertal. Ansonsten komme eine Zuständigkeit des Landgerichts
Dortmund in Betracht.
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2) Dem Ersuchen des Landgerichts Wuppertal vom 11.07.2005 ist zu entsprechen.
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a) Zwar ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nicht unmittelbar anwendbar. Das Landgericht
Wuppertal hat sich nicht in Bezug auf einen Rechtsstreit, sondern in Bezug auf ein
Prozesskostenhilfeverfahren für unzuständig erklärt. Der Antragsteller will auch nicht
beide Antragsgegner vor dem allgemeinen Gerichtsstand eines von ihnen verklagen,
sondern lediglich, dass über sein Prozesskostenhilfegesuch von einem Gericht
entschieden wird.
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Indessen ist es geboten, auf § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zurückzugreifen, weil der
Anspruchsteller einen Anspruch auf Bescheidung seines Gesuches hat. Will er aber
zwei Antragsgegner als Streitgenossen verklagen, dann dient es der Vermeidung
widersprechender Entscheidungen über die Erfolgsaussichten eines solchen Gesuches,
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wenn sich mit ihm lediglich ein Gericht befasst, und damit letztlich auch der Vermeidung
widersprechender Entscheidungen in der Sache selbst.
b) Das Landgericht Karlsruhe hat sich nicht "rechtskräftig für unzuständig" erklärt,
sondern die Übernahme des Verfahrens bezüglich der Antragsgegnerin zu 2) abgelehnt.
Auch das ist dem in § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO geregelten Fall gleich zu erachten. Denn das
Landgericht Karlsruhe hat eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass es sich mit den
Erfolgsaussichten einer Klage gegen die Antragsgegnerin zu 2) nicht befassen will.
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3) Das Oberlandesgericht Düsseldorf ist entsprechend § 36 Abs. 2 ZPO zur
Gerichtsstandsbestimmung berufen, weil das zuerst mit dem Prozesskostenhilfegesuch
befasste Landgericht Wuppertal in seinem Bezirk liegt.
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4) Das Landgericht Karlsruhe ist als das für die Entscheidung über die Frage, ob auch
die Rechtsverfolgung gegen die Antragsgegnerin zu 2) hinreichende Aussicht auf Erfolg
bietet, zuständige Gericht zu bestimmen.
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Der Beschluss des Landgerichts Wuppertal vom 6.5.2005 bindet das Landgericht
Karlsruhe hinsichtlich beider Antragsgegner entsprechend § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO,
weil er nicht willkürlich, sondern sachgerecht begründet ist.
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Es macht wenig Sinn, dass das Landgericht Karlsruhe über das
Prozesskostenhilfegesuch des Antragstellers lediglich unter dem Aspekt entscheidet, ob
eine Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1) hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
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So betreffen jedenfalls einige der Anträge, die im Wege der Klage verfolgt werden
sollen, beide Antragsgegner. Vor allem schließt die Prüfung der Frage, inwieweit eine
Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1) Aussicht auf Erfolg hat – ihrer Beantwortung will
sich das Landgericht Karlsruhe auch nicht entziehen –, die Klärung der Frage ein,
inwieweit sie – gleichfalls - gegen die Antragsgegnerin zu 2) erhoben werden kann.
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In der Sache geht es um die Rückabwicklung eines finanzierten Grundstückskaufs, bei
dem sich der Antragsteller in einer Gesamtschau aller Konditionen als übervorteilt
ansieht. Die Besonderheit der Finanzierung bestand darin, dass der Antragsteller bei
der Antragsgegnerin zu 1) zwei nacheinander gestaffelte Bausparverträge abschloss,
die Erstfinanzierung aber über ein Vorausdarlehen erfolgte.
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Beantragt hat der Antragsteller dieses Vorausdarlehen auf einem Vordruck, auf dem es
eingangs heißt: "Darlehensvertrag zwischen der B...,...., teils auch handelnd im Namen
und für Rechnung der B..., Filiale D...".
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Die Antragsgegnerin zu 2) ist Rechtsnachfolgerin der B.... Bevor der Frage
nachgegangen werden kann, inwieweit sie auf Grund der Ausgestaltung des
Vordruckes haftet, ist deshalb zu klären, inwieweit die Antragsgegnerin zu 1) im Namen
der B... gehandelt hat und inwieweit sich das die Antragsgegnerin zu 2) zurechnen
lassen muss.
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D. h., die vom Landgericht Karlsruhe praktizierte Verfahrensweise birgt die Gefahr, dass
der gesamte Streitstoff zunächst in zwei Prozesskostenhilfeverfahren und sodann in
zwei Prozessen anfällt und – unter Verdoppelung der Akten - erledigt werden muss.
Demgegenüber ist es allein ökonomisch, wenn das Landgericht Karlsruhe sich im
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Rahmen der Frage, ob und inwieweit die Antragsgegnerin zu 1) haftet, - auch – mit der
Frage befasst, inwieweit neben der Antragsgegnerin zu 1) auch die Antragsgegnerin zu
2) involviert ist.
J... Dr. C... B...
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