Urteil des OLG Düsseldorf vom 12.04.2007

OLG Düsseldorf: beweisverfahren, vertretung, ausnahmefall, saldo, einzelrichter, vergleich, datum, hauptsache

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-5 W 46/06
Datum:
12.04.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-5 W 46/06
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 1.) gegen den
Kostenfestsetzungsbe-schluss II. des Landgerichts Duisburg –
Rechtspflegerin – vom 16.10.2006 wird zu-rückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beklagten zu 1.)
auferlegt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Die Beschwerdeführerin hatte ihrem Prozessbevollmächtigten vor dem 1. 7. 2004 den
Auftrag zur Vertretung im selbständigen Beweisverfahren erteilt und nach dem 30. 6.
2004 den Auftrag zur Vertretung im nachfolgenden Hauptsacheverfahren. Sie hat im
Kostenfestsetzungsverfahren anschließend sowohl eine Prozessgebühr nach § 31 Abs.
1 S. 1 BRAGO für das selbständige Beweisverfahren angemeldet als auch eine
Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG für das Hauptsacheverfahren. Das LG hat
beide Gebühren berücksichtigt, allerdings die im selbständigen Beweisverfahren
entstandene Prozessgebühr (§ 31 Abs. 1 S. 1 BRAGO) auf die im selbständigen
Beweisverfahren angefallene Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) analog Vorbem. 3
Abs. 5 VV RVG angerechnet.
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Mit ihrer sofortigen Beschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen diese
Anrechnung.
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II.
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Das gemäß §104 Abs. 3 ZPO als sofortige Beschwerde statthafte Rechtsmittel ist
zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt (§ 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2
ZPO). In der Sache hat es keinen Erfolg.
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Die Festsetzung des LG ist nicht zu beanstanden. Den Beschwerdeführern steht keine
weitere Kostenerstattung zu.
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Nach überwiegender Rechtsprechung ist in Übergangfällen, in denen der Auftrag für
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das selbständige Beweisverfahren vor dem 1. 7. 2004 und der Auftrag für das
nachfolgende Hauptsacheverfahren nach dem 30. 6. 2004 erteilt worden ist, gem. § 61
Abs. 1 S. RVG das selbständige Beweisverfahren nach der BRAGO abzurechnen,
während für das Hauptsacheverfahren bereits das RVG gilt (so bereits OLG München
AGS 2006, 245 = OLGR 2006, 494 = AnwBl. 2006, 498 = RVG-Letter 2006, 62 =
RVGreport 2006, 262= RVG professionell 2006, 153; OLG Köln AGS 2006, 241 =
JurBüro 2006, 256 = RVGreport 2006, 141; OLG Koblenz AGS 2006, 61 = JurBüro 2006,
134 = Info M 2005, 323= RVGreport 2006, 59 = RVG-Letter 2006, 18 = BauR 2006, 420
= MietRB 2006, 165; OLG Hamm AGS 2006, 62 = IBR 2006, 106 = Info M 2005, 323;
siehe auch AnwK-RVG/N. Schneider, 3. Aufl. § 61 Rn. 87 ff.; ausführlich Hansens
RVGreport 2004, 322).
Anderer Auffassung ist lediglich das OLG Zweibrücken (AGS 2006, 293 = OLGR 2006,
654 = JurBüro 2006, 368 = AnwBl. 2006, 499), das insgesamt nur eine Angelegenheit
nach der BRAGO annimmt. Würde man dieser Auffassung folgen, wäre hier im
Hauptsachenverfahren erst gar keine Verfahrensgebühr entstanden, so dass der
Beschwerdeführerin schon aus diesem Grunde keine weitere Erstattungsforderung
zustünde.
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Zutreffend geht jedoch das Landgericht davon aus, dass für das Hauptsacheverfahren
das RVG anzuwenden ist, da es sich um eine neue Angelegenheit i. S. d. § 15 Abs. 1
RVG handelt und somit für diese neue Angelegenheit gem. § 61 Abs. 1 S. 1 RVG das
RVG anzuwenden ist. In diesem Fall ist aber die Prozessgebühr des § 31 Abs. 1 S. 1
BRAGO auf die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) des Hauptsacheverfahrens
anzurechnen.
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Den Beschwerdeführern ist zwar insoweit Recht zu geben, dass eine ausdrückliche
Anrechnungsvorschrift für diesen Fall fehlt. Die Vorbem. 3 Abs. 5 VV RVG ist dem
Wortlaut nach unmittelbar nicht anwendbar, weil sie nur für die Anrechnung von
Verfahrensgebühren gilt.
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Die Vorschrift ist jedoch nach Sinn und Zweck entsprechend anzuwenden. Sie soll
nämlich verhindern, dass der Anwalt die Betriebsgebühr im selbständigen
Beweisverfahren und im Hauptsacheverfahren zweimal erhält. Richtet sich – wie hier –
die Betriebsgebühr des selbständigen Beweisverfahrens noch nach der BRAGO, ist
also insoweit eine 10/10-Prozessgebühr (§ 31 Abs. 1 S. 1 BRAGO) entstanden, so muss
diese ebenso angerechnet werden wie eine nach dem RVG entstandene
Verfahrensgebühr.
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Dies zeigt auch ein Vergleich der BRAGO-Rechtslage mit der RVG-Rechtslage. Nach
der BRAGO entstand von vorneherein für das selbständige Beweisverfahren und die
Hauptsache nur eine einzige Betriebsgebühr, nämlich eine einzige 10/10-
Prozessgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO (§ 37 Nr. 3 BRAGO).
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Nach dem RVG entstehen zwar zwei Verfahrensgebühren, eine für das selbständige
Beweisverfahren und eine für den nachfolgenden Rechtsstreit. Diese werden aber nach
Vorbem. 3 Abs. 5 VV aufeinander angerechnet, so dass im Ergebnis die Betriebsgebühr
nur einmal geltend gemacht werden kann.
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Dann kann aber nichts anderes gelten, wenn sich das Beweisverfahren noch nach der
BRAGO richtet, während sich das Hauptsacheverfahren nach dem RVG richtet. Auch
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dann kann der Anwalt per Saldo die Betriebsgebühr nur einmal erhalten. Demzufolge ist
also die Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 3 Abs. 5 VV entsprechend anzuwenden (so
auch OLG München aaO.; OLG Köln aaO.; OLG Koblenz aaO.; OLG Hamm aaO.; AnwK-
RVG/N. Schneider, § 61 Rn. 87 ff.; Hansens RVGreport 2004, 322).
Allein dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drucks. 15/1971, S. 261),
der die Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 3 Abs. 5 VV RVG als Ersatz für den
weggefallenen § 37 Nr. 3 BRAGO (§ 19 RVG-E) eingeführt hat.
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Eine vergleichbare Rechtslage ergibt sich auch im Falle der Zurückverweisung. Ist in
einem Verfahren vor Zurückverweisung die Prozessgebühr nach der BRAGO
entstanden und im Falle nach Zurückverweisung eine Verfahrensgebühr nach RVG, so
wird die vergleichbare Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 3 Abs. 6 VV ebenfalls analog
angewandt, obwohl auch hier keine ausdrückliche Anrechnungsbestimmung im Gesetz
vorhanden ist (siehe Enders JurBüro 2005, 24; AnwK-RVG/N. Schneider, § 61 Rn. 125).
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Da auch der Ausnahmefall des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG nicht gegeben ist (siehe hierzu
OLG München AGS 2006, 369 = OLGR 2006, 681 = AnwBl. 2006, 588 = FamRZ 2006,
1561 = RVG-Letter 2006, 87; OLG Zweibrücken AGS 2000, 64 u. 145 = JurBüro 1999,
414 - noch zur Vorgängervorschrift des § 13 Abs. 5 S. 1 BRAGO), war die
Verfahrensgebühr anzurechnen.
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Angesichts der bereits gefestigten Rechtsprechung zu dieser Frage, besteht kein
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Streitwert: 338,00 EUR
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Richter am Oberlandesgericht
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als Einzelrichter
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