Urteil des OLG Düsseldorf vom 14.01.2009

OLG Düsseldorf: gas, öffentliche bekanntmachung, zustellung, sperrung, meldung, grundversorgung, unverzüglich, internetseite, kenntnisnahme, belastung

Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-3 Kart 213/07 (V)
Datum:
14.01.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Kartellsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VI-3 Kart 213/07 (V)
Nachinstanz:
Bundesgerichtshof, EnVR 14/09
Tenor:
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss der
Beschlusskammer 7 der Bundesnetzagentur vom 20. August 2007 (BK
7-06-067) wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens
einschließlich der notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur zu
tragen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 25.000,00
€ festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e:
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A.
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Die Beschwerdeführerin ist in ihrem Gasversorgungsgebiet der Grundversorger i. S.
d. § 36 Abs. 2 S. 1 EnWG.
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Mit Beschluss vom 20. August 2007 (BK 7-06/067) hat die Bundesnetzagentur die
"Geschäftsprozesse Lieferantenwechsel Gas (GeLi Gas)" zur Anwendung ab dem 1.
August 2008 festgelegt. Die GeLi Gas wurde der A als Netzbetreiber am 27. August
2007 zugestellt und im Amtsblatt der Bundesnetzagentur vom 29. August 2007
"zustellungshalber" und unter Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung veröffentlicht.
Eine förmliche Zustellung an die Beschwerdeführerin ist nicht erfolgt.
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Die GeLi Gas regelt in Unterabschnitt C.1.3. der Anlage Prozesse für
Entnahmestellen, die keinem Lieferanten zugeordnet sind, wie folgt:
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"Zunächst prüft der Netzbetreiber, ob sich die Entnahmestelle im Niederdruck
befindet (Unterabschnitt 1.3.1). Ist dies der Fall, so meldet er die Entnahmestelle
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an den Grundversorger unter Mitteilung des Zuordnungswechsels sowie der
Namen und Adressen des Anschlussnehmers und des Anschlussnutzers,
sofern diese ihm bekannt sind (Unterabschnitt 1.3.2). Unverzüglich nach
Eingang der Meldung des Netzbetreibers prüft der Grundversorger u.a., ob es
sich bei den Entnahmestellen um Grund- oder Ersatzversorgung handelt.
Spätestens bis zum Ablauf des 5. Werktages nach Eingang der Meldung des
Netzbetreibers meldet er dem Netzbetreiber, ob und ggf. für welchen Zeitraum
die Entnahmestelle der Ersatz- oder Grundversorgung zuzuordnen ist
(Unterabschnitt 1.3.4). Gemäß der Meldung ordnet der Netzbetreiber die
Entnahmestelle unverzüglich zu. Die Zuordnung hat ggf. rückwirkend auf den
mitgeteilten Termin zu erfolgen. Meldet sich der Grundversorger nicht
fristgerecht, ordnet der Netzbetreiber die Entnahmestelle dem Grundversorger
zu (Unterabschnitt 1.3.5)."
Diese Regelung hat zur Folge, dass Entnahmestellen, die nicht nur keinem
Lieferanten, sondern auch keinem Anschlussinhaber zugeordnet sind, ebenfalls
dem Grundversorger zugeordnet werden. Solche nicht belegten Entnahmestellen
entstehen, wenn eine Wohneinheit nach dem Auszug des bisherigen Bewohners
und Anschlussnehmers leer steht, aber auch wenn der neue Bewohner den Bezug
nicht offenbart.
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Die Beschwerdeführerin hält die Regelung für nicht gesetzeskonform. Der Begriff
der Liefer- oder Entnahmestelle finde sich im Gesetz nicht, es werde durchgehend
auf die Energieentnahme abgestellt. Erst mit dieser entstehe eine
Versorgungspflicht des Grundversorgers, eine Zuordnung entnahmeloser
Entnahmestellen entbehre schon von daher jeder Grundlage. Die Zuordnung sei
auch nicht nur datentechnisch relevant. Das vom Versorger für jede Entnahmestelle
zu zahlende Netznutzungsentgelt enthalte einen verbrauchs-unabhängigen
Grundbetrag. Ihr würden daher Kosten aufgebürdet, für die sie keine Gegenleistung
erhalte. Dem Wesen nach handele es sich um allgemeine Netzkosten, die auf alle
Netznutzer umzulegen seien. Im Übrigen könne der Grundversorger bei einer
verwaisten Entnahmestelle dem Netzbetreiber zwangsläufig keinen
Letztverbraucher und keinen prognostizierten Verbrauch benennen. Werde an der
verwaisten Entnahmestelle doch Gas entnommen, dann habe sie dieses infolge der
Zuordnung zwar zu liefern, sie könne es aber nicht abrechnen, weil ihr die Person
des Verbrauchers unbekannt sei. Ihr werde eine Verpflichtung zur Ermittlung der
eventuellen Anschlussnutzer und im Falle der Feststellung einer Nichtnutzung die
Beantragung einer Sperrung des Anschlusses auferlegt. Dies setze aufwendige
Ermittlungen voraus, für die sie keinen wirtschaftlichen Gegenwert erhalte. Dabei sei
all dies Angelegenheit des Netzbetreibers. Er sei für den Netzbetrieb verantwortlich.
Der Gesetzgeber habe nicht ihr als Grundversorger, sondern dem Netzbetreiber in §
4 Abs. 1 GasNDAV die Möglichkeit zur Identifikation des Anschlussnutzers gegeben
und diesen in § 3 Abs. 3 GasNDAV zur Anzeige der Nutzungsaufnahme gegenüber
dem Netzbetreiber verpflichtet. Von daher dürften ihr nur solche Entnahmestellen
zugeordnet werden, bei denen der Netzbetreiber ihr die Person des
Anschlussinhabers benennen könne. Die Kosten entnahmeloser Anschlüsse und
das Risiko der Entnahme durch unbekannte Personen hätten beim Netzbetreiber zu
verbleiben, der diese Kosten als Netzkosten auf alle Nutzer umlegen könne.
Ansonsten werde sie als Grundversorger auch gegenüber anderen
Erdgaslieferanten unangemessen benachteiligt.
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Die Beschwerdeführerin beantragt,
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die Festlegung GeLi Gas insoweit aufzuheben, als darin
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dem Grundversorger Lieferstellen zugeordnet werden sollen, welche nicht belegt
sind,
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der Grundversorger verpflichtet wird, im Falle fehlender Kenntniss von
Anschlussnehmer und Anschlussnutzer diese zu ermitteln und an den
Netzbetreiber zu melden,
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dem Grundversorger die faktische Verpflichtung auferlegt wird, im Falle der
Nichtnutzung des Anschlusses die Sperrung zu beantragen.
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Die Bundesnetzagentur beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie hält die Beschwerde für unzulässig, es fehle an der Beschwerdebefugnis. Sie
macht geltend, dass die Zuordnung einer nicht belegten Entnahmestelle beim
Grundversorger der gesetzlichen Wertung der §§ 36 Abs. 1, 38 Abs. 1 Satz 2 EnWG
entspreche. Werde an der Entnahmestelle doch Gas entnommen, beispielsweise
durch den Makler, löse dies die Ersatzversorgung aus, zu der der Grundversorger
verpflichtet sei. Wegen dieser Pflicht zur Ersatzversorgung sei es sachgerecht, die
Entnahmestelle gleich dem Grundversorger zuzuordnen. Der Grundversorger
verfüge in seinem Gebiet über eine überragende Marktstellung, weshalb es
gerechtfertigt sei, ihm zusätzliche Pflichten aufzuerlegen. Eine Zuordnung erst mit
der Entnahme sei oft gar nicht möglich. Die Entnahme werde unter Umständen erst
geraume Zeit später bekannt. Eine Koppelung der Zuordnung an die Entnahme liefe
daher auf eine nachträgliche Zuordnung hinaus, die für den Bilanzkreis irrelevant
sei. Die Kosten seien dann bereits umgelegt.
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Die Beschwerdeführerin ist am 26. November 2008 fernschriftlich darauf
hingewiesen worden, dass Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde
bestehen. Die zum Zwecke der Zustellung erfolgte Veröffentlichung der Festlegung
sei geeignet gewesen, eine Heilung der Zustellungsmängel durch Kenntnisnahme
zu bewirken. Auf den Hinweis, Bl. 97 f d. A., wird Bezug genommen.
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Die Beschwerdeführerin hat diesbezüglich vorgetragen, sie erhalte das Amtsblatt
der Bundesnetzagentur nicht. Ihr Mitarbeiter B habe am 25. oder 26. September
2007 durch ein Gespräch mit einem Mitarbeiter der A von der Entscheidung erfahren
und daraufhin den Beschluss von der Internetseite der Bundesnetzagentur
heruntergeladen. Die Geschäftsleitung habe er am 8. Oktober 2007 unterrichtet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die
Schriftsätze der Parteien mit Anlagen, das Protokoll der Senatssitzung sowie auf die
beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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B.
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I.
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Die Beschwerde ist zulässig.
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Die Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerin ist gegeben. Neben den am
Verfahren Beteiligten kommt in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO
jedenfalls demjenigen ein Beschwerderecht zu, der geltend machen kann, durch die
Entscheidung in seinen (subjektiven öffentlichen) Rechten verletzt zu sein (BGH,
NJW 2007, 607, 608 - pepcom), also jedem, den die Entscheidung materiell
beschwert (Saljie, EnWG, § 75 Rn. 26; Schmidt in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4.
Aufl., § 63 Rn 22, Rn 27). Die Beschwerdeführerin ist als Grundversorger i. S. d. §
36 Abs. 2 Satz 1 EnWG formell und materiell beschwert. Die angefochtenen
Geschäftsprozesse legen nicht nur dem Netzbetreiber, sondern auch dem
Grundversorger Handlungspflichten auf.
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Die Beschwerdeführerin hat ihre Beschwerde vom 19. Oktober 2007 auch
rechtzeitig eingelegt. Der Schriftsatz weist in der Faxkennung den 19. Oktober 2007
aus, der Eingangsstempel der Bundesnetzagentur datiert vom 22. Oktober 2007.
Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 EnWG beginnt die einmonatige Frist zur
Beschwerdeeinreichung mit der Zustellung an den Betroffenen. Eine förmliche
Zustellung an die Beschwerdeführerin ist nicht erfolgt. Einer Zustellung durch
öffentliche Bekanntmachung nach § 41 Abs. 3 Satz 2 VwVfG steht § 73 Abs. 1 Satz
1 EnWG entgegen, wonach Entscheidungen der Regulierungsbehörde den
Beteiligten nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes zuzustellen
sind (BGH, Beschluss vom 19. Juni 2007, Az.: KVR 17/06). Die fehlende förmliche
Zustellung kann jedoch nach § 8 VwZG durch Kenntnisnahme von der
veröffentlichten Entscheidung geheilt werden (BGH a.a.O.). Dies ist vorliegend
jedoch frühestens am 25. September 2007 geschehen, an dem der Mitarbeiter der
Beschwerdeführerin die Festsetzung GeLi Gas von der Internetseite der
Bundesnetzagentur heruntergeladen hat. Die Beschwerdefrist endete demnach
nicht vor dem 25. Oktober 2007. Ob der Mitarbeiter der Beschwerdeführerin
Empfangsvollmacht hatte und ob die Beschwerde am 19. oder am 22. Oktober 2007
eingegangen ist, kann daher offen bleiben.
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II.
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In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg.
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Die Zuordnung der nicht belegten Entnahmestellen zum Grundversorger ist nicht zu
beanstanden. Dies hat der Senat bereits mit Beschluss vom 16. Juli 2008, VI-3 Kart
207/07 (V), Versorgungswirtschaft 2008, 286, entschieden. Der vorliegende
Sachverhalt gibt keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
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Die GeLi Gas ist auf der Grundlage des § 42 Abs. 1, 7 Nr. 4 GasNZV zur
"Abwicklung des Lieferantenwechsels nach § 37" ergangen. Der Begriff ist in einem
weiten Sinne zu verstehen. Er umfasst den Lieferantenwechsel im Rahmen der
Ersatz- und Grundversorgung einschließlich des von den angefochtenen
Geschäftsprozessen geregelten Sachverhalts, dass eine weiterhin aktive
Entnahmestelle keinem Gaslieferanten zugeordnet werden kann.
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Der Regulierungsbehörde steht für den Erlass einer Festlegung gemäß § 42 Abs. 7
Nr. 4 GasNZV ein weites, gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbares Ermessen zu.
Die Ermessensausübung kann durch das Beschwerdegericht nur auf
Ermessensfehler überprüft werden, insbesondere dahin, ob die Netzagentur von
einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, die gesetzlichen Grenzen des
Ermessens überschritten hat, ob sie durch die konkrete Ermessenentscheidung
Sinn und Zweck des Gesetzes verfehlt oder bei der Ermessensabwägung
Interessen eines Beteiligten in erheblicher Weise außer Acht gelassen hat. Die in
der GeLi Gas geregelte Zuordnung einer unbelegten aktiven Entnahmestelle zum
Bilanzkreis des Grundversorgers lässt keine Ermessensfehler erkennen.
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Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist eine möglichst durchgängige
Zuordnung einer aktiven Entnahmestelle zum Bilanzkreis des Grundversorgers
nach den Wertungen der §§ 36, 38 EnWG und der auf der Grundlage von § 39 Abs.
2 in Verbindung mit § 115 Abs. 2 S. 3 EnWG ergangenen Verordnung über
Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die
Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz
(Gasgrundversorgungsverordnung – GasGVV) angezeigt.
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Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 EnWG gilt die Energie als von dem Unternehmen
geliefert, das nach § 36 Abs. 1 EnWG als Grundversorger berechtigt und verpflichtet
ist, sofern Letztverbraucher über das Energieversorgungsnetz der allgemeinen
Versorgung in Niederdruck Energie beziehen, ohne dass dieser Bezug einer
Lieferung oder einem bestimmten Liefervertrag zugeordnet werden kann.
Entsprechend kommt gemäß § 2 Abs. 2, 1. HS GasGVV ein
Grundversorgungsvertrag dadurch zustande, dass Gas aus dem
Gasversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung entnommen wird, über das der
Grundversorger die Grundversorgung durchführt. Der Grundversorger ist dann
berechtigt, die nach § 38 Abs. 1 EnWG bezogene Energiemenge zu schätzen und
dem Kunden den ermittelten Verbrauch in Rechnung zu stellen, § 38 Abs. 2 Satz 2
EnWG. Die Regelungen des EnWG und der GasGVV bestimmen somit, dass der
Grundversorger schon dann zur Gaslieferung verpflichtet sein soll, wenn ihm die
Identität des Kunden noch unbekannt ist. Ungeachtet der Meldepflicht des Kunden,
dem Grundversorger die Entnahme des Gases unverzüglich in Textform mitzuteilen
(§ 2 Abs. 2, 2. HS GasGVV), ist der Grundversorger zunächst mit dem
Vergütungsrisiko eines anonymen Gasbezugs belastet.
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Dieser gesetzgeberischen Wertentscheidung würde es widersprechen, aktive
Entnahmestellen, die keinem anderen Lieferanten zugeordnet sind, nicht dem
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Grundversorger zuzuordnen. In diesem Fall könnte es zu einer Belastung der
Transportkunden kommen. Bliebe der entnehmende Kunde unbekannt, ergäbe sich
eine Fehlmenge im Ausspeisenetz, für die Regelenergie beschafft werden müsste.
Die Beschaffung der Regelenergie obliegt dem Bilanzkreisnetzbetreiber, der die
Kosten auf die Transportkunden umlegen kann (§§ 22 Abs. 1, 20 Abs. 1b Satz 7, 23
EnWG). Damit würde das Vergütungsrisiko eines anonymen Gasbezugs vom
Grundversorger über den Netzbetreiber auf die Transportkunden abgewälzt. Die
Risikozuweisung zum Grundversorger in §§ 36, 38 EnWG würde so unterlaufen. Zur
Vermeidung dieses Effekts regelt die GeLi Gas eine möglichst zeitnahe Zuordnung
der unbelegten Entnahmestelle zum Bilanzkreis des Grundversorgers.
Die Zuweisung des Risikos des anonymen Gasbezugs bedingt die generelle
Zuordnung nicht belegter, aber aktiver Entnahmestellen zum Grundversorger. Eine
übermäßige Belastung des Grundversorgers liegt darin nicht. Eine sichere
Voraussage, ob an einer solchen Entnahmestelle Gas entnommen werden wird, ist
nicht möglich. Neben dem von der Bundesnetzagentur angeführten Beispiel des
Maklers, der im Vorfeld eines Besichtigungstermins die Heizung anstellt, ist auch
denkbar, dass neue Bewohner "vergessen", einen Versorgungsvertrag
abzuschließen. Ein solcher Bezug erfolgt zunächst unbemerkt. Ohne die Zuordnung
zum Grundversorger würde er als Verlustenergie auf die Transportkunden umgelegt,
eine rückwirkende Umbuchung auf den Grundversorger ist für abgeschlossene
Bilanzzeiträume praktisch nicht möglich.
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Auch die dem Grundversorger aufgegebene Prüfung der Verhältnisse an der
Entnahmestelle begegnet keinen Bedenken. Die GeLi Gas belastet nicht einseitig
den Grundversorger, sondern sieht eine Arbeitsteilung zwischen Grundversorger
und Netzbetreiber vor. Die Feststellung und Meldung einer nicht belegten
Lieferstelle im Niederdruckbereich obliegt dem Netzbetreiber; erst nach der Meldung
des Netzbetreibers an den Grundversorger schließt sich die Prüfung des
Grundversorgers an. Ihm wird keine Ermittlungspflicht auferlegt, von ihm wird nur
eine Prüfung verlangt. Wie intensiv diese ausfällt, bleibt ihm überlassen,
einschließlich der Entscheidung für eine Ermittlung vor Ort. Diese Prüfungspflicht ist
ebenfalls Ausfluss der gesetzgeberischen Risikozuweisung, nach der der
Grundversorger für einen ungeklärten Gasbezug an einer unbelegten
Entnahmestelle einzustehen hat. Die Prüfung dient der Vermeidung eines solchen
ungeklärten Gasbezugs, es ist daher sachgerecht, sie dem Grundversorger
aufzuerlegen. Er kann und muss beurteilen, ob sich aufwendige Ermittlungen vor Ort
lohnen oder ob die Inkaufnahme eines anonymen Bezugs letztendlich
wirtschaftlicher ist. Eine Verlagerung der Prüfungskosten auf den Netzbetreiber und
damit letztendlich auf die Transportkunden liefe daher der Wertung der §§ 36, 38
EnWG ebenfalls entgegen. Im Übrigen ist zweifelhaft, ob der Netzbetreiber
tatsächlich die besseren Prüfmöglichkeiten hätte, weil ihm aus dem
Anschlussverhältnis ein Auskunftsanspruch gegen den Anschlussnehmer zustehe.
Ob ein solcher Auskunftsanspruch im Einzelfall zum Erfolg führt, ist ungewiss;
möglicherweise ist auch der Anschlussnehmer über die Nutzungsverhältnisse nicht
informiert.
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Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sprechen auch die strengen
Voraussetzungen für die Erreichung einer Anschlusssperrung nicht für eine
Unverhältnismäßigkeit der Regelung. Im Gegenteil deckt sich die Auferlegung der
Prüfung auf den Grundversorger mit den gesetzlichen Vorgaben für eine
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Anschlusssperrung in § 19 Abs. 2 GasGVV. Gerade der Umstand, dass der
Grundversorger den Anschluss nur bei Zahlungsverzug sperren lassen kann, zeigt,
dass die Prüfung der Verhältnisse vor Ort in seinem eigenen Interesse liegt. Nur
durch die Identifizierung des anonymen Nutzers kann er diesen in Verzug setzen
und über die dann mögliche Sperrung das ihm durch die §§ 36, 38 EnWG
zugewiesene Risiko begrenzen.
Soweit die Beschwerdeführerin als alternative Lösung der Problematik eine
Verpflichtung des Netzbetreibers zur Sperrung von Entnahmestellen, für die kein
Liefervertrag besteht, vorschlägt, wird dadurch die getroffene Regelung nicht
rechtswidrig. Bei Ermessensentscheidungen ist es Sache der Behörde, aus
verschiedenen sachgerechten Lösungen eine auszuwählen. Davon abgesehen
begegnet die von der Beschwerdeführerin in den Raum gestellte Lösung aber auch
rechtlichen Bedenken. Durch eine Verpflichtung der Netzbetreiber zur generellen
Sperrung nicht belegter Entnahmestellen würde die Risikozuweisung anonymen
Gasbezugs zum Grundversorger faktisch abgeschafft. Stattdessen fielen beim
Netzbetreiber Kosten für die Sperrung der Entnahmestellen an. Diese dürften nicht
unbeträchtlich sein, da in allen Fällen, in denen bei einem Bewohnerwechsel keine
unmittelbare Übernahme der Lieferbeziehung stattfindet, die Entnahmestellen
zunächst gesperrt werden müssten. Dies, obwohl in den meisten Fällen kurze Zeit
später ein neuer Liefervertrag vorliegen dürfte und der Anschluss wieder entsperrt
werden müsste. Diese Kosten würde der Netzbetreiber auf die Transportkunden
umlegen. Die Sperrverpflichtung liefe daher im Ergebnis ebenfalls auf eine
Verlagerung von Kosten vom Grundversorger auf die Transportkunden hinaus, die
mit der gesetzgeberischen Wertentscheidung in §§ 36, 38 nicht zu vereinbaren
wäre.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 S. 2 EnWG. Die Festsetzung des
Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 50 Abs. 1 Nr. 2 GKG, §
3 ZPO.
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Der Senat hat die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof gegen diese
Entscheidung zugelassen, weil die streitgegenständlichen Fragen grundsätzliche
Bedeutung i. S. d. § 86 Abs. 2 Nr. 1 EnWG haben.
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