Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.12.2004

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Oberlandesgericht Düsseldorf, I-4 W 66/04
Datum:
22.12.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-4 W 66/04
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den
Prozesskostenhilfe verweigernden Beschluss der 12. Zivilkammer des
Landgerichts Duisburg – Einzelrich-ter – vom 6. September 2004 wird
zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e
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I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der W... F… GmbH & Co. KG,
D... (7 IN 8/99 AG Duisburg).
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Sein Vorgänger im Amt war der zwischenzeitlich selbst in Insolvenz gefallene
Rechtsbeistand Sp..., der bei der Beklagten eine Berufshaftpflichtversicherung
abgeschlossen hatte. Im Insolvenzverfahren Sp... sind Forderungen in Höhe von
193.790,61 € zur Tabelle festgestellt (§ 178 Abs. 3 InsO), die Schadenersatzansprüche
gem. § 61 InsO betreffen und daher rühren, dass Sp... im Zuge der Fortführung des
Betriebs der Firma F... KG Masseverbindlichkeiten eingegangen war, die aus der
Insolvenzmasse F... nicht erfüllt werden konnten. Wegen dieser
Schadenersatzansprüche will der Kläger die Beklagte gem. § 157 VVG gerichtlich auf
Haftpflichtversicherungsschutz für Sp... – in Form der Erfüllung von dessen
Schadenersatzverpflichtungen – in Anspruch nehmen. Er hat um Prozesskostenhilfe
nachgesucht für eine auf Zahlung von 193.790,01 € nebst 4 % Zinsen seit dem
19. September 2000 gerichtete Klage (GA 6).
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Das Landgericht hat Prozesskostenhilfe mit der Begründung verweigert, die
beabsichtigte Klage biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil sich die Beklagte
mit Recht auf den Risikoausschluss des § 4 Nr. 5 AVB (Leistungsfreiheit bei
Schadenstiftung durch wissentliche Pflichtverletzung) stütze. Sp... habe den Betrieb
fortgeführt, ohne sich zuvor fundiert über die Fortführungswürdigkeit informiert gehabt zu
haben. Einer solchen Notwendigkeit sei er sich als erfahrener Insolvenzverwalter
bewusst gewesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Prozesskostenhilfe
versagenden Beschluss (GA 47 ff.) nebst Nichtabhilfebeschluss (GA 143 ff.) Bezug
genommen.
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Mit seiner sofortigen Beschwerde greift der Kläger die Würdigung des Landgerichts an.
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II. Die Beschwerde ist nicht begründet; das Landgericht hat Prozesskostenhilfe im
Ergebnis zu Recht versagt.
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1. Der Senat teilt zwar nicht die Auffassung, dass die beabsichtigte Klage keine
hinreichenden Erfolgsaussichten (§ 114 ZPO) biete, weil sich aus den objektiven
Pflichtverstößen des früheren Insolvenzverwalters Sp..., die diesem im Zusammenhang
mit seiner Entscheidung, den Betrieb der Firma F... KG fortzuführen, vorzuwerfen seien,
der Schluss auf zur Leistungsfreiheit der Antragsgegnerin führende wissentliche
Verstöße i.S. des § 4 Nr. 5 AVB (GA 33) zu ziehen sei. Vor dem Hintergrund auch der
unter Beweis gestellten Umstände (GA 45, 71 ff.) ist diese Beurteilung des komplexen
Sachverhalts nicht zweifelsfrei. Die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg ist schon dann zu bejahen, wenn die
Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Tat- oder Rechtsfragen abhängt (vgl.
BGH NJW-RR 2003, 1438 m.w.N.).
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2. Prozesskostenhilfe kann dem Kläger gleichwohl nicht bewilligt werden, weil den
wirtschaftlich Beteiligten zuzumuten ist, die Kosten der beabsichtigten Rechtsverfolgung
aufzubringen (§ 116 Nr. 1 ZPO).
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Entgegen der Auffassung des Antragstellers sind Massegläubiger als wirtschaftlich
Beteiligte anzusehen, weil ihnen und im vorliegenden Fall nur ihnen (vgl. GA 2/3) der
Erlös aus der Klageforderung zugute kommen soll (vgl. Uhlenbruck 12. Aufl., § 8 InsO
Rdn. 80, Zöller/Philippi, 25. Aufl., § 116 ZPO Rdn. 6; Steenbuck MDR 2004, 1155/1158
m.w.N.).
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Den Massegläubigern ist die vorschussweise Übernahme der Prozesskosten nach
Auffassung des Senats auch zumutbar: Auch wenn die Ansprüche der Massegläubiger
auf Vorgängen zugunsten der Insolvenzmasse beruhen, die sich zum Vorteil der
Insolvenzgläubiger auswirken (vgl. Philippi, a.a.O., Rdn. 10 b); OLG Köln ZIP 1994, 724;
wegen der Privilegierung eigener Vergütungsansprüche des Insolvenzverwalters vgl.
BGH r+s 1998, 264), handelt es sich doch um normale Forderungen der Gläubiger,
deren Realisierung einschließlich der Realisierung daran anknüpfender
Schadenersatzforderungen grundsätzlich deren Sache ist. Jedenfalls bei im Rahmen
der Fortführung des Insolvenzbetriebs eingegangenen Masseverbindlichkeiten muss
den Vertragspartnern des Insolvenzverwalters von vornherein das damit möglicherweise
verbundene Risiko bewusst gewesen sein. Den Massegläubigern die wirtschaftlichen
Vorteile der von ihnen im Eigen- und nicht im Interesse der Insolvenzmasse
eingegangenen Geschäfte auf Kosten der Allgemeinheit dadurch zu erschließen, dass
dem Insolvenzverwalter Prozesskostenhilfe zur Durchsetzung von den Massegläubigern
zugute kommenden Forderungen bewilligt wird, sieht der Senat keinen ausreichenden
Grund (vgl. Steenbuck a.a.O.). Die aus der Gesetzgebungsgeschichte hergeleitete
Auffassung, die Versagung von Prozesskostenhilfe für den Insolvenzverwalter mit Blick
auf solvente wirtschaftlich Beteiligte solle die Ausnahme sein, ist von BGH VersR 1999,
206 mit überzeugender Begründung aufgegeben worden. Es muss dabei verbleiben,
dass im Fall der Massearmut Prozesse des Insolvenzverwalters in erster Linie von an
dem Prozessergebnis wirtschaftlich Beteiligten zu finanzieren sind (BGH a.a.O.). Den
Umstand, dass es organisatorisch aufwendig ist und vielleicht auch nicht vollständig
gelingen wird, die Massegläubiger sämtlich ihren Forderungsanteilen entsprechend zu
Zahlungen auf die Prozesskosten zu veranlassen, hält der Senat für nicht hinreichend
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gewichtig, die Zumutbarkeit eines finanziellen Engagements der Massegläubiger zu
verneinen. Dies gilt umso mehr, als sich hier der Großteil der durch die Fortführung des
Betriebs seitens des früheren Insolvenzverwalters veranlassten Masseschulden (rd.
170.000 € von insgesamt rd. 194.000 €, vgl. Anl. W 2 zum Klageentwurf) auf nur fünf
Großgläubiger konzentriert und im Falle des Prozesserfolgs die Massegläubiger mit
voller Befriedigung rechnen können.
Wegen der unter II.2. behandelten Frage, die der Senat für rechtsgrundsätzlich und noch
nicht geklärt hält, lässt der Senat die Rechtsbeschwerde zu (§ 574 ZPO).
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Dr. R... Dr. W... H...
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