Urteil des OLG Düsseldorf vom 23.02.2010

OLG Düsseldorf (höhe, jura novit curia, haftpflichtversicherer, gesetzliche erbfolge, tatsächliche vermutung, persönliches interesse, gesetzlicher vertreter, fristlose kündigung, zpo, deckung)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 99/08
Datum:
23.02.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-24 U 99/08
Vorinstanz:
Landgericht Duisburg, 10 O 50/07
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 18. April 2008 verkündete
Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg -Einzelrichterin-
wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen
Sicherheits-leistung in Höhe von 120% des jeweils beizutreibenden
Betrages abzuwenden, es sei denn, die Gegenseite leistet vorher
Sicherheit in gleicher Höhe.
G r ü n d e
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A.
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Die beklagten Eheleute wurden durch gerichtlichen Beschluss vom 10. Dezember 2003
(14 XVII 307/2003 AG Dinslaken) zur Betreuerin (Erstbeklagte) bzw. zum Ersatzbetreuer
(Zweitbeklagter) ihres am 04. November 1924 geborenen und am 15. April 2005
verstorbenen Vaters bzw. Schwiegervaters (künftig: Betreuter) bestellt. Auf der
Grundlage des Heimvertrags vom 05. November 2003, den die Beklagten namens des
Betreuten mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin abgeschlossen hatten, bewohnte der
nach einem am 23. September 2003 erlittenen Verkehrsunfall pflegebedürftig
gewordene Betreute das jetzt von der Klägerin betriebene Seniorenwohnheim St. in V. .
Zugleich unterzeichnete die Erstbeklagte namens des Betreuten eine
"Abtretungserklärung", nach der "Forderungen gegen … Versicherungsgesellschaften
…, deren Höhe den geltend gemachten Schonbetrag nach den Bestimmungen des
BSHG übersteigt…, mit sofortiger Wirkung und unwiderruflich bis zur Höhe des in § 4
des Heimvertrags vereinbarten und geschuldeten Heimentgelts … zur Deckung der
Heimkosten" abgetreten werden.
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In der Zeit von November 2003 bis zum Tod des Betreuten entstanden Heimkosten in
Höhe von 44.585,06 EUR entstanden, die in Höhe von 18.206,79 EUR von der
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Pflegekasse übernommen wurden. Der wegen der ungedeckten Heimkosten am 28.
Oktober 2003 gestellte Antrag auf Gewährung von Hilfe in Einrichtungen (§§ 68 ff, 100
BSHG) wurde durch Bescheid vom 18. August 2004 mit der Begründung abgelehnt, der
Betreute sei wegen erheblicher Schadensersatzansprüche gegenüber dem
Unfallverursacher nicht hilfsbedürftig. Der dagegen gerichtete Widerspruch wurde mit
Bescheid vom 01. September 2005 zurückgewiesen, weil ein allfälliger Hilfeanspruch
nach dem Tod des Betreuten kraft Gesetzes gemäß § 28 Abs. 2 BSHG auf die Klägerin
als Erbringerin der Leistungen, derentwegen Sozialhilfe beantragt worden sei,
übergegangen sei.
Namens des Betreuten, an den wegen der erlittenen Unfallverletzungen bereits am 20.
Februar 2004 abschlagsweise ein Schmerzensgeld von 4.500,00 EUR gezahlt worden
war, beantragte die Erstbeklagte die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung eines
Abfindungsvergleichs mit dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners (künftig:
Haftpflichtversicherer). Nach vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung am 18. Mai
2004 zahlte der Haftpflichtversicherer das Guthaben aus dem Abfindungsvergleich
(15.000,00 EUR), mit dem sich der Betreute wegen aller Ansprüche aus dem
Verkehrsunfall, soweit sie nicht auf Dritte übergegangen sind, als abgefunden erklärte,
am 01. Juni 2004 auf das Konto der Rechtsanwälte des Betreuten. Von dort floss es am
17. Juni 2004 auf das von der Erstbeklagten bei der V. verwaltete Konto des Betreuten.
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Im Februar 2005 veranlassten die Beklagten eine einmalige Zahlung von 3.000,00 EUR
an die Klägerin und in den Monaten Februar bis April 2005 weitere monatliche
Ratenzahlungen in Höhe von jeweils 500,00 EUR. Diese Leistungen, die nach
Kündigung des Heimvertrags und nach einem Besuch der Inhaberin R. des mit der
außergerichtlichen Forderungseintreibung beauftragten Inkassobüros am 04. Februar
2005 erbracht wurden, verrechnete die Klägerin in erster Linie auf die geschuldeten
Entgelte der Monate Februar bis April 2005. Weitere Leistungen erhielt sie nicht, so
dass Heimkosten von 24.438,72 EUR (44.585,06 EUR - 18.206,79 EUR -3.000,00 EUR
- 1.500,00 EUR) ungedeckt blieben. Der Nachlass des Betreuten, der kein Testament
hinterlassen hat, ist überschuldet; alle seine für die gesetzliche Erbfolge in Betracht
kommenden Angehörigen haben die Erbschaft ausgeschlagen. Der von der Klägerin bei
der Sozialhilfebehörde gestellte Antrag, den auf sie übergegangenen
Sozialhilfeanspruch des verstorbenen Betreuten auszuzahlen, wurde bestandskräftig
abgelehnt; der Betreute sei mit Blick auf die Abfindung von 15.000,00 EUR, die zur
Deckung der Heimkosten bevorzugt habe eingesetzt werden müssen, nicht
hilfsbedürftig gewesen.
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Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen der ungedeckten Heimkosten in Anspruch. Sie
hat behauptet, die Beklagten hätten anlässlich eines am 09. März 2005 geführten
Gesprächs die persönliche Haftung für diese Verbindlichkeit übernommen. Hilfsweise
hat sie die Beklagten wegen deliktischen Verhaltens in Anspruch genommen: Bei dem
Gespräch am 09. März 2005 hätten diese nämlich die - mit Blick auf den verheimlichten
Abfindungsvergleich - unhaltbare Auffassung vertreten, der Betreute habe wegen des
Verkehrsunfalls Anspruch auf Erstattung der Heimkosten gegen den
Haftpflichtversicherer. Hätten die Beklagten am 09. März 2005 wahrheitsgemäß über
den Abschluss des Abfindungsvergleichs informiert, hätte sie, die Klägerin, den
Heimvertrag unverzüglich fristlos gekündigt, um die Entstehung weiterer Kosten zu
vermeiden. Ferner hätte sie den Betreuten unverzüglich wegen der offenen Heimkosten
gerichtlich in Anspruch genommen, so dass ihre Forderung, die zu dessen Lebzeiten
noch werthaltig gewesen sei, hätte durchgesetzt werden können. Schließlich hätten die
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Beklagten das Vermögen des Betreuten für eigene Zwecke verwendet, statt es in
dessen Interesse zur Deckung der offenen Heimkosten einzusetzen.
Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 24.438,72 EUR nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
29. Mai 2005 zuzüglich 911,80 EUR außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
seit Eintritt der Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagten haben um
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Klageabweisung gebeten.
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Sie haben geltend gemacht, nicht die persönliche Haftung für die Heimkosten
übernommen, sondern stets nur im Namen des Betreuten gehandelt und nur in dessen
Namen rechtsgeschäftliche Erklärungen abgegeben zu haben. Die Abfindung sei nicht
Gesprächsthema gewesen, vielmehr sei die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass
bei dem Haftpflichtversicherer möglicherweise noch die Heimunterbringungskosten
realisiert werden könnten. Die zur Auszahlung gebrachte Abfindung sei im Interesse des
Betreuten verwendet worden, worüber gegenüber dem Vormundschaftsgericht
Rechenschaft abgelegt worden sei; dieses habe keine Ausgabe beanstandet.
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Das Landgericht hat Beweis erhoben über Verlauf und Inhalt des Gesprächs vom 09.
März 2005 und es hat antragsgemäß die Betreuungsakten beigezogen. Es hat die
Parteien am 27. Februar 2008 dahin unterrichtet, dass sich "aus der Betreuungsakte …
keine relevanten Tatsachen für die Entscheidung des Rechtsstreits ergeben [haben]",
hat die Beiakte vom Verfahren wieder getrennt und mit Beschluss vom 11. März 2008
unter Zustimmung der Parteien das am 26. März 2008 zu schließende schriftliche
Verfahren angeordnet. Durch das angefochtene Urteil hat es die Klage abgewiesen. Die
Erklärung der Beklagten vom 09. März 2005, "für die Verbindlichkeiten des Bewohners
‚einstehen‘ zu wollen", stelle zwar eine persönliche Schuldverpflichtung dar, sei aber
rechtlich nicht als formfrei wirksamer Schuldbeitritt, sondern als Bürgschaft zu
qualifizieren, die mangels Einhaltung der gesetzlich gebotenen Schriftform unwirksam
sei. Deliktische Ansprüche scheiterten daran, dass nicht festgestellt werden könne, die
Beklagten hätten über Ansprüche des Betreuten gegenüber dem Haftpflichtversicherer
getäuscht; viel näher liege es, dass es zwischen den Parteien insoweit zu
Missverständnissen gekommen sei.
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Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest,
die Beklagten seien der Verbindlichkeit des Betreuten beigetreten, was formlos möglich
sei. Daneben hafteten sie auch deliktisch; insoweit bekämpft die Klägerin die
Beweiswürdigung des Landgerichts als fehlerhaft. Ergänzend behauptet sie, die
Beklagten hätten dem Vermögen des Betreuten mehr als 33.000,00 EUR in
eigennütziger Weise in bar entnommen und die Erstbeklagte habe sich den Pkw des
Betreuten im Wert von mindestens 3.000,00 EUR angeeignet, statt dessen Vermögen in
dessen Interesse zu verwalten, es also insbesondere zur Deckung seines laufenden
Lebensunterhalts in Gestalt der Heimkosten einzusetzen.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner
an sie 24.438,72 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29. Mai 2005 zuzüglich 911,80 EUR
außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Eintritt der
Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagten, die das erstinstanzliche Urteil für richtig halten, bitten um
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Zurückweisung der Berufung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags wird auf den Akteninhalt Bezug
genommen. Der Senat hat die Betreuungsakte, auf deren Inhalt verwiesen wird, erneut
beigezogen.
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B.
20
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Das angefochtene Urteil ist im Ergebnis
richtig, so dass das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen ist.
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I. Der Senat vermag schon nicht die Rechtsauffassung des Landgerichts zu teilen, die
Beklagten hätten sich wegen der ungedeckten Heimkosten gegenüber der Klägerin
durch eine am 09. März 2005 mündlich abgegebene und von der Klägerin
angenommene Willenserklärung persönlich verpflichtet, sei es in Gestalt eines (vom
Landgericht verneinten, von der Klägerin aber unverändert vertretenen) Schuldbeitritts,
sei es in Gestalt einer (vom Landgericht bejahten) Bürgschaft. Zu dieser rechtlichen
Beurteilung der Sachlage gelangt der Senat, ohne dass es einer erneuten Vernehmung
der vom Landgericht dazu gehörten Zeugen U. und T. bedürfte.
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1. Der Beurteilung des Landgerichts, aus der Erklärung der Zeugen, "für die
Verbindlichkeiten des Bewohners ‚einstehen‘ zu wollen", sei eine persönliche
Verpflichtung abzuleiten, kann aus rechtlichen Gründen nicht gefolgt werden. Dabei
kommt es auf die (unter den Parteien umstrittene) Beweiswürdigung des Landgerichts
nicht entscheidend an. Es kann zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, dass die
Parteien am 09. März 2005 die offenen Heimkosten erörtert haben und dass die
Beklagten die vom Landgericht zitierte Äußerung gemacht haben. Das landgerichtliche
Auslegungsergebnis verstößt gegen das sich aus §§ 133, 157 BGB ergebende Verbot
einer sich ausschließlich am gesprochenen Wort orientierenden Interpretation (vgl.
BGHZ 86, 41, 45; BGH NJW 2002, 1260, 1261). Die aus der fehlerhaften Interpretation
der in Rede stehenden Erklärung rechtsirrtümlich gezogenen Schlussfolgerungen
können im Übrigen nicht Gegenstand einer Beweisaufnahme sein (vgl. Zöller/Greger,
ZPO, 28. Aufl., § 286 Rn 9 und § 288 Rn 1a jew. m. w. Nachw.; Senat, Urt. v. 20. 12.
1999, Az. 24 U 186/98 sub Nr. I, juris, OLGR Düsseldorf 2001, 97, insow. in NJW-RR
2001, 641 nicht abgedr.). Nach dem alten Grundsatz "jura novit curia" ist es die Aufgabe
des Gerichts, die festgestellten Tatsachen rechtlich richtig zu beurteilen (vgl. BGH NJW
2004, 2751, 2752 f und 2006, 3777, 3778 sub Nr. 4).
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2. Handelt ein gesetzlicher Vertreter für den Vertragspartner erkennbar im Rechtskreis
des Vertretenen, besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er nicht im eigenen,
sondern im Namen des Vertretenen auftritt, es sei denn, es gibt besondere
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Anhaltspunkte dafür, er wolle für sich persönlich handeln (vgl. BGH NJW-RR 2004,
1017; Senat OLGR Düsseldorf 2007, 540 m.w.Nachw.).
a) Im Streitfall handelten die Beklagten auch bei dem Gespräch am 09. März 2005
ersichtlich im Rechtskreis des Betreuten. Sie hatten den Heimvertrag vom 05. November
2003 als dessen "gesetzliche Vertreter" unterzeichnet, ohne es - mit Blick auf die erst
später erfolgte Bestellung zu Betreuern - zu diesem Zeitpunkt tatsächlich zu sein, so
dass der anfänglich schwebend unwirksame Heimvertrag gleichsam erst durch die
Erstbeklagte gemäß §§ 177 Abs. 1, 184 Abs. 1, 1902 BGB konkludent genehmigt
worden ist, und zwar nach ihrer Bestellung zur Betreuerin durch den mit ihrem Willen
fortgesetzten Vertragsvollzug. Die Klägerin hatte, wenn es um die Interessen des
Betreuten ging, wegen dessen Hilflosig- und Handlungsunfähigkeit nur die Beklagten
als Ansprechpartner. Um dessen Interessen ging es ersichtlich auch bei dem Gespräch
am 09. März 2005. Die Klägerin, die zum Ablauf des 28. Februar 2005 den Heimvertrag
fristlos gekündigt hatte, wünschte die Beendigung der seit November 2003 geführten
Auseinandersetzung um die Frage, ob vorhandenes und ihr (wenigstens zum Teil)
bekanntes Vermögen des Betreuten zur Deckung der Heimkosten vor der angestrebten
Inanspruchnahme der Sozialhilfe einzusetzen sei.
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Beide Zeugen haben zwar bekundet, dass insbesondere der Zweitbeklagte erklärt habe,
für die ungedeckten Heimkosten einstehen zu wollen. Er hat in diesem Zusammenhang
aber nicht ausdrücklich erklärt, für diese Verbindlichkeit auch mit seinem eigenen
Vermögen einstehen zu wollen. Die im Zuge der Beweisaufnahme zutage getretenen
Umstände des Gesprächs vom 09. März 2005 sprechen nicht für, sondern gegen ein
solches Verständnis. So haben die Beklagten ihrer Überzeugung Ausdruck verliehen,
für die rückständigen Heimkosten hafte der Haftpflichtversicherer und für die künftigen
Heimkosten trete der Sozialhilfeträger ein. Anlässlich der Anfang Februar 2005 erzielten
Einigung über eine monatliche Ratenzahlung in Höhe von 500,00 EUR sowie der
Einmalzahlung in Höhe von 3.000,00 EUR haben die Beklagten nicht erklärt, diese
Leistungen aus ihrem eigenen Vermögen aufbringen zu wollen. Eine solche Erklärung
ist auch nicht am 09. März 2005 abgegeben worden.
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Tatsächlich sind auch sämtliche Zahlungen in Höhe von insgesamt 4.500,00 EUR in der
Zeit zwischen dem 10. Februar 2005 und dem 12. April 2005 aus dem Vermögen des
Betreuten geleistet worden. Die Beklagten hatten aus der der Klägerin erkennbar
gewordenen Interessenlage auch kein persönliches Interesse daran, mit ihrem eigenen
Vermögen für die Heimkosten zu haften. Sie haben gegenüber den Zeugen
unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, der Betreute habe noch Ansprüche gegen den
Haftpflichtversicherer bzw. gegen den Sozialhilfeträger. Ob diese Überzeugung rechtlich
zu begründen war, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Maßgeblich ist vielmehr
nur, dass die Beklagten die Klägerin auf Vermögenswerte des Betreuten verwiesen und
damit hinreichend zum Ausdruck gebracht haben, nicht persönlich für dessen
Verbindlichkeiten einstehen zu wollen. Dass beide Zeugen nach ihrer Bekundung die
Erklärungen als persönliche Verpflichtung wenigstens des Zweitbeklagten verstanden
haben wollen, ist für die Annahme einer rechtlichen Verpflichtung nicht hinreichend; es
fehlt für ein solches Verständnis aus der maßgeblichen objektiven Sicht (§§ 133, 157
BGB) an hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten.
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II. Der Umstand, dass die der Klägerin abgetretene Forderung des Betreuten gegen den
Haftpflichtversicherer von den Beklagten namens des Betreuten selbst eingezogen und
nicht unverzüglich an die Klägerin weitergeleitet worden ist, mag eine Pflichtverletzung
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des Betreuten als Vertragspartner der Klägerin begründet haben. Die Beklagten als
Vertreter des Betreuten haften für Pflichtverletzungen aber nur dann, wenn sie
besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen haben, § 311 Abs. 3, 241
Abs. 2 BGB. Die Tätigkeit des Betreuers für den Betreuten im Sinne des § 1902 BGB
fällt regelmäßig nicht darunter (vgl. BGH NJW 1995, 1213). Besondere Umstände, die
ein Abweichen vom Regelfall rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Im Gegenteil, die
Klägerin wusste bereits im Dezember 2004, dass der Betreute vom
Haftpflichtversicherer Schadensersatz in einer Höhe erhalten hatte, die den
Sozialhilfeanspruch (vorläufig) entfallen ließ. Das veranlasste sie nicht, ihre Rechte aus
der Abtretung geltend zu machen.
III. Der Klägerin stehen auch deliktische Ansprüche nicht zu.
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1. Es kann offen bleiben, ob mit Blick auf das Wissen der Klägerin vom ausgezahlten
Schmerzensgeld bereits eine Täuschungshandlung der Beklagten ausgeschlossen ist.
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a) Es spricht allerdings sehr viel für die Annahme des Landgerichts, dass ein
Missverständnis zwischen den Parteien vorliegt. Von der Abfindungsvereinbarung
ausgeschlossen waren u. a. sämtliche Ansprüche, die auf Sozialhilfeträger
übergegangen sind. Es ist zweifelhaft, ob die Beklagten als juristische Laien die
rechtlich durchaus anspruchsvolle Frage richtig beantworten konnten, dass die
Heimkosten nicht darunter fallen. Für deren rechtlich zwar falsche, aber nicht dolose
Sichtweise spricht ferner der Umstand, dass sie auch gegenüber dem
Vormundschaftsgericht die falsche Ansicht vertreten haben, die Heimkosten habe (noch)
der Haftpflichtversicherer zu tragen und im Übrigen habe der Sozialhilfeträger für sie
aufzukommen (BA 64).
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b) Diese Frage kann deshalb letztlich unbeantwortet bleiben, weil eine in Betracht
kommende Offenbarungspflicht der Beklagten über den Abschluss des
Abfindungsvergleichs und die Zahlung der Abfindungssumme am 01. Juni 2004 nach
den feststellbaren Umständen nicht ursächlich werden konnte dafür, dass der Klägerin
wegen der in der Zeit vom 10. März bis zum Tod des Betreuten am 15. April 2005
fortgesetzt erbrachten Dienstleistungen überhaupt ein Schaden entstanden ist. Wenn
die Klägerin die bereits vor dem 09. März 2005 ausgesprochene fristlose Kündigung
(vgl. dazu GA 124, 127) bei Offenbarung des Abfindungsvergleichs durchzusetzen
versucht hätte, hätte sie die Räume nicht vor dem 15. April 2005 zurückbekommen. Sie
hätte auch nicht die Pflege des Betreuten eingestellt. Dagegen spricht einerseits die
vereinbarungsgemäß aufgenommene Ratenzahlung auf den Rückstand, andererseits
die Tatsache, dass die Klägerin trotz der Abtretung und des Wissens um Auszahlungen
des Haftpflichtversicherers und trotz des hohen Rückstands in der Vergangenheit nicht
auf die ihr abgetretenen Rechte zugegriffen hat. Auch erscheint aussichtslos, dass die
Klägerin vor dem Tod des Betreuten noch einen Titel gegen diesen hätte erwirken und
noch zu dessen Lebzeiten erfolgreich vollstrecken können.
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2. Die Kläger können einen deliktischen Schadensersatzanspruch auch nicht auf die im
zweiten Rechtszug erstmals aufgestellte Behauptung stützen, die Beklagten hätten sich
rechtswidrig um mehr als 33.000,00 EUR aus dem Vermögen des Betreuten bereichert,
so dass die den Betreuten aus dem Heimvertrag treffenden Pflichten aus diesem
Grunde nicht hätten erfüllt werden können.
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a) Die Klägerin ist mit diesem Vortrag im Berufungsrechtszug präkludiert, §§ 529, 531
34
Abs. 2 ZPO. Sie hat nicht dargelegt, dass sie diesbezüglichen Vortrag erstinstanzlich
schuldlos unterlassen hat. Nachdem die Betreuungsakten beigezogen waren, hatte die
Klägerin ausreichend Gelegenheit, durch die zu beantragende Akteneinsicht ihren
diesbezüglich bis dahin unsubstanziierten Vortrag in der erforderlichen Weise zu
ergänzen. Sie durfte sich nicht mit der ihr mitgeteilten Nachricht des Landgerichts
begnügen, aus der Betreuungsakte ergäben sich keine für die Entscheidung relevanten
Tatsachen. Das ist eine Bewertung, auf die sich die Partei in der Tatsacheninstanz nicht
verlassen kann.
b) Doch selbst dann, wenn die Klägerin mit diesem Vortrag nicht präkludiert wäre, ergibt
sich kein Anspruch. Trifft nämlich ihre Prämisse zu, hätten allenfalls die Erben des
Betreuten, zuletzt der Fiskus einen gegen die Beklagten zu richtenden
Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB bzw. aus § 823 Abs. 2 BGB in
Verbindung mit § 266 StGB, den die Klägerin auf der Grundlage eines gegen die Erben
zu erwirkenden Titels pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen könnte. Sie
haben mangels eines vertraglichen Anspruchs gegen die Beklagten persönlich
keinesfalls einen Durchgriffsanspruch.
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IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Rechtstreit gibt keine hinreichende
Veranlassung, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO.
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