Urteil des OLG Düsseldorf vom 08.06.2006

OLG Düsseldorf: ordentliche kündigung, mietvertrag, rückbau, mahnkosten, vorsteuer, mieter, streichung, eigentum, verzicht, vorrang

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 189/05
Datum:
08.06.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-24 U 189/05
Vorinstanz:
Landgericht Duisburg, 3 O 99/05
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des
weitergehenden Rechtsmittels das am am 13. Dezember 2005
verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg
teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt,
an den Kläger 7.532,31 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 888,47
EUR seit dem 04.12.2004, 06.01., 04.02. und 04.03.2005 und aus
weiterem 3.773,00 EUR seit dem 01. Januar 2005 zu zahlen.
2. Die Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger zu 40%, die
Beklagte zu 60%, die des zweiten Rechtszuges der Kläger zu 30%, die
Beklagte zu 70%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
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Das zulässige Rechtsmittel, mit welchem die Beklagte ihre Verurteilung zur Zahlung von
Miete für die Zeit von Dezember 2004 bis März 2005 (4 Mon x 888,47 EUR/Mon =
3.553,88 EUR), Verzugszinsen daraus (50,23 EUR), Schadensersatz wegen
unterbliebener Schönheitsreparaturen (2.594,04 EUR) und unterbliebenen Rückbaus
der Mietsache nach beendetem Mietverhältnis (3.773,00 EUR) jeweils nebst
gesetzlicher Zinsen sowie Verzugsschaden (230,40 EUR) bekämpft, hat hinsichtlich der
Position "Schönheitsreparaturen" vollen, hinsichtlich der Positionen "Rückbau" und
"Verzugsschaden" einen Teilerfolg; im Übrigen bleibt es ohne Erfolg. Im Einzelnen gilt
das Folgende:
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I. Forderungsabrechnung
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Spalte► I
II
Zeile▼ Position/Beträge
Beträge/EUR
01
Mieten 12/03 – 03/05 (4 Mon x 888,47 €)
3.553,88
02
Verzugszinsen lt. Klageschrift (S. 6, GA 14)
50,23
03
Schönheitsreparaturen lt. Rg. v. 25.01.05 (GA 111f) brutto
2.594,04 €,
0,00
04
Rückbaukosten lt. Rg. v. 01.12.04 (GA 47) brutto 4.376,68 €,
netto
3.773,00
05
Vorgerichtl. Mahnkosten nach RVG/Gegenstandswert:
5.621,09 €, netto
155,20
06
Restforderung
7.532,31
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II. Erläuterungen
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1. Der Senat folgt der Rechtsauffassung des Landgerichts, dass die Parteien nicht nur
durch ein (faktisches) Nutzungsverhältnis, sondern durch ein Mietverhältnis (bewusste
Gebrauchsüberlassung der gewerblichen Räume gegen Entgelt) mit gesetzlicher
Kündigungsfrist miteinander verbunden gewesen sind, § 535 BGB. Es gibt keine
Veranlassung, das im ersten Rechtszug gewonnene und vom Landgericht als
mietvertragliche Bindung beurteilte Beweisergebnis abweichend zu würdigen. Dabei
kommt es auf die Frage, ob eine Übernahme des Mietvertrags vom 18. Oktober 1993
(nachfolgend Altmietvertrag genannt) stattgefunden hat oder ob ein neuer Mietvertrag
(nachfolgend Neumietvertrag genannt) zustande gekommen ist, nicht entscheidend an.
Auch wenn sich die Parteien (nur) auf den Neumietvertrag verständigt haben sollten,
dann jedenfalls konkludent zu den (der Beklagten bekannten) konstitutiven Konditionen
des Altmietvertrags, also auch mit der dort zugrunde gelegten Miete zzgl.
Betriebskostenvorauszahlung und Mehrwertsteuer (Zeile 01).
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a) An dieser Beurteilung ändert auch nichts der Umstand, dass der Altmietvertrag
gemäß § 2 Nr. 2 zeitlich bis zum 31. Dezember 2003 befristet worden ist. Hatten sich die
Parteien auf eine Vertragsübernahme verständigt, endete das Mietverhältnis zwar zum
genannten Termin und es konnte auch durch die bloße (widerspruchslose)
Gebrauchsfortsetzung nicht gemäß § 545 Satz 1 BGB (früher § 568 BGB) neu begründet
werden; denn die Anwendung dieser Bestimmung war mietvertraglich abbedungen (§ 2
Nr. 6 Mietvertrag). Das hinderte die Parteien aber nicht daran, nach Ablauf des
schriftlichen Mietvertrags durch neue Vereinbarung stillschweigend den Altvertrag
unbefristet zu verlängern. Die bewusste Fortsetzung der Nutzung unter bewusster
Fortentrichtung des Entgelts ist nämlich gemäß §§ 133, 157 BGB als Angebot der
Beklagten auf Abschluss eines neuen unbefristeten Mietvertrags zu den im übrigen
alten Konditionen auszulegen. Dieses Angebot hat der Kläger durch bewusste
Belassung der Gebrauchsmöglichkeit unter bewusster Entgegennahme des Entgelts
konkludent angenommen. Mit dem Vollzug ist es zum Abschluss eines neuen
Mietvertrags ab 01. Januar 2004 gekommen, wenn sich die Parteien nicht schon
anlässlich des Mieterwechsels mündlich auf den Abschluss eines neuen unbefristeten
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Mietvertrags zu den essentiellen Konditionen des Altmietvertrags geeinigt hatten.
b) Daran waren sie auch nicht durch die Schriftformklausel (§ 21 Mietvertrag) gehindert.
Die in Rede stehende Klausel in Satz 1 des Mietvertrags, wonach "nachträgliche
Änderungen und Ergänzungen … der schriftlichen Vertragsform (bedürfen)", wird durch
§ 4 AGBG (jetzt § 305 b BGB) verdrängt, wonach entsprechend dem im Zivilrecht
geltenden Grundsatz der Privatautonomie mündliche Vereinbarungen vorrangig sind.
Wenn die Parteien also, wie es hier geschehen ist, einen schriftlichen Vertrag mündlich
abändern, dann hat diese aktuelle Vereinbarung stets Vorrang vor einer früher
vereinbarten Schriftformklausel, die gleichsam mit der aktuellen mündlichen
Vereinbarung abbedungen wird (vgl. zuletzt BGH NJW 2006, 138). An diesem Ergebnis
ändert auch nichts die in Satz 2 des § 21 Mietvertrag vereinbarte Klausel, wonach das
Schriftformgebot "auch für einen teilweisen Verzicht auf das Schriftformerfordernis (gilt)."
Ob es sich dabei um eine "qualifizierte" Schriftformklausel handelt, für die ein Vorrang
mündlicher Abreden nicht angenommen werden könnte (vgl. BGH a.a.O.; BGHZ 66,
378, 381), kann dahinstehen. Nach ihrem Wortlaut gilt die Klausel nur für einen
"teilweisen Verzicht". Um einen solchen handelt es sich im Streitfall aber nicht. Denn die
Parteien haben im Falle der vereinbarten Vertragsübernahme auf die Einhaltung der
Schriftform nicht nur teilweise, sondern vollständig verzichtet.
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2. Hat sich aber die Beklagte mietvertraglich an den Kläger gebunden, so folgt daraus,
dass sie gemäß § 535 Abs. 2 BGB die vereinbarte Miete schuldet, und zwar bis zur
Beendigung des Mietvertrags. Durch eine ordentliche Kündigung des unbefristet
abgeschlossenen Mietvertrags kann das Mietverhältnis nur zum Ablauf der
Kündigungsfrist beendet werden, §§ 542, 580a Abs. 2 BGB. Die dem Kläger vor dem 03.
September 2004 zugegangene Kündigung beendete das Mietverhältnis deshalb erst mit
Ablauf des 31. März 2005. Die Beklagte schuldet daher die bis dahin offenen Mieten
(Zeile 01).
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3. Die Miete ist vorschüssig zu zahlen, und zwar entweder gemäß § 7 Nr. 1
Altmietvertrag oder (bei Abschluss eines Neumietvertrags) kraft Gesetzes gemäß §§ 579
Abs. 2, 556b Abs. 1 BGB, so dass die Beklagte ohne Mahnungen mit ihren
Mietzahlungen von Januar 2004 bis Oktober 2004 in Verzug geraten ist. Sie hat daher
die vom Kläger kapitalisierten Verzugszinsen zu zahlen, die sie der Höhe nach nicht
angreift (Zeile 02).
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4. Allerdings schuldet die Beklagte mangels einer entsprechenden Vereinbarung
keinerlei Schönheitsreparaturen, und zwar weder auf der Grundlage des Altmietvertrags
(vgl. die Streichung der Klausel § 12 Nr. 3 Abs. 1) noch auf der Grundlage des
Neumietvertrags (vgl. § 535 Abs. 1 Satz 2, Halbs. 2 BGB) (Zeile 03). Ohne rechtliche
Relevanz ist, dass in § 19 Nr. 2 Abs. 1 Mietvertrag auf die gestrichene
Schönheitsreparaturklausel (§ 12 Nr. 3 Abs. 1 Mietvertrag) Bezug genommen wird. Die
unterbliebene Streichung der Bezugnahme ist offenbar versehentlich geschehen. Wollte
man darin jedoch einen Widerspruch erkennen, ginge er zu Lasten des Klägers als
Verwender des Formulars (§ 305c Abs. 2 BGB).
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Da die Beklagte nach der Vertragslage keine Schönheitsreparaturen schuldet, hat sie
auch nicht die Kosten in der vom Landgericht zugrunde gelegte Rechnung S. vom 02
Dezember 2004 zu tragen. Diese Rechnung verhält sich nämlich ausschließlich über
Schönheitsreparaturen. Der davon abweichenden Ansicht des Landgerichts ist nicht zu
folgen. Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht die Aussage des Zeugen S., es habe sich
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nicht um Schönheitsreparaturen gehandelt, weil ein Laie diese nicht mehr habe
bewältigen können, zu Grunde gelegt. Denn bei der Begriffsbestimmung ginge es um
Vertragsauslegung, und damit um eine Rechtsfrage. Unter Schönheitsreparaturen sind
die Dekorationsmaßnahmen zu verstehen, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch
der Mietsache und den altersbedingten ihren Verschleiß erforderlich werden. Dazu
gehört u.a. das Tapezieren und Streichen der Decken und Wände, das Streichen von
Türen und Fenstern (innen), von Heizkörpern und die dazu erforderlichen Vorarbeiten
(Abkleben, Beseitigung loser Putzteile, von Unebenheiten und Dübellöchern (vgl Senat
ZMR 2003, 25 = OLGR Düsseldorf 2003, 28). Darüber hinausgehende Maßnahmen,
insbesondere ausscheidbare Sonderkosten, die auf den geschuldeten Rückbau (vgl.
nachfolgend sub lit. dd) entfallen könnten, sind nicht dargelegt.
5. Den Rückbau (Zeile 04) hat die Beklagte entweder auf der Grundlage des
Altmietvertrags (vgl. § 19 Nr. 3 Abs. 1) oder auf der Grundlage des Neumietvertrags kraft
Gesetzes gemäß § 546 Abs. 1 BGB (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 65. Aufl., § 546 Rn.
6 m.w.N.) durchzuführen. Dazu gehört auch die Beseitigung der von der Vorgängerin
übernommenen Fliesen (vgl. Senat MDR 2002, 1244 = ZMR 2003, 23; OLG Hamburg
ZMR 1990, 341).
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a) Die Wegnahmepflicht ist nicht auf Einrichtungen beschränkt, sondern erfasst auch
bauliche Veränderungen. Dabei ist gleichgültig, ob sie gemäß § 94 Abs. 2 BGB als
wesentliche Bestandteile in das Eigentum des Grundstückseigentümers übergehen
oder wegen des nur vorübergehenden Zwecks der Einfügung (§ 95 Abs. 2 BGB) im
Eigentum des Mieters bleiben (vgl. BGH NJW-RR 1997, 1216 m.w.N.; Senat aaO;
Palandt/Weidenkaff, BGB, 65. Aufl., § 546 Rn. 6 m.w.N.). Dass mit der Beseitigung der
Fliesen der darunter liegende Estrich Schaden nehmen wird, ist rechtlich ohne Belang.
Gemäß § 258 BGB ist schon der zur Wegnahme von baulichen Veränderungen
berechtigte Mieter verpflichtet, auf seine Kosten den früheren Zustand wieder
herzustellen. Das gilt erst recht für den Mieter, der zur Beseitigung baulicher
Veränderungen verpflichtet ist (Palandt/Weidenkaff, aaO Rn. 7).
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b) Geschuldet ist jedoch nur Schadensersatz in Höhe von 3.773,00 EUR ohne die
Umsatzsteuer (603,68 EUR). Dem Kläger, der ausweislich des Mietvertrags zur
Umsatzsteuer optiert hat, wird auf Antrag die in der Rechnung Sd.vom 01. Dezember
2004 ausgewiesene Mehrwertsteuer als Vorsteuer daher vom Finanzamt angerechnet
werden, so dass er im Umfange der Mehrwertsteuer keinen Schaden erleidet (vgl.
allgemein Palandt/Heinrichs BGB 65. Aufl. § 249 Rn. 36).
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6. Die Beklagte schuldet aus Verzugsgesichtspunkten dem Grunde nach auch die
vorgerichtlichen Mahnkosten (Zeile 05). Der Gegenstandswert der vorgerichtlich
angefallenen Anwaltskosten beträgt aber nicht 10.181,05 EUR (vgl. die Berechnung im
außergerichtlichen Schriftsatz vom 21. Dezember 2004, Seite 2 -GA 42-]), sondern nur
5.621,09 EUR. Die dortige Position 4 (Schönheitsreparaturen, vgl. oben sub Nr. 4)
entfällt und die Position 5 (Rückbaukosten) ist aus den schon genannten Gründen (oben
sub Nr. 5b) um die Mehrwertsteuer zu bereinigen. Schließlich ist auch die in der
Rechtsanwaltsrechnung vom 21. Dezember 2004 angesetzte Mehrwertsteuer
abzusetzen. Der Kläger erhält sie ebenfalls als Vorsteuer vom Finanzamt vergütet, so
dass er auch insoweit keinen Schaden erleidet. Es verbleiben vorgerichtliche
Mahnkosten in Höhe von 155,20 EUR:
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Gegenstandswert: 5.621,09 EUR
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0,8 Geschäftsgebühr (VV 2400) 135,20 EUR
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Post- und Telekompauschale (VV 7200) 20,00 EUR
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Summe 155,20 EUR
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Es besteht kein Anlass,
die Revision zuzulassen; die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch
erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 ZPO.
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Berufungsstreitwert: (10.574,82 € + 230,40 €) 10.805,22 €
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Z T Hartung
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VROLG ROLG ROLG
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