Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.06.2007

OLG Düsseldorf: mangel des verfahrens, grundstück, verstopfung, drohende gefahr, pos, firma, beweisverfahren, akte, terrasse, grenzbereich

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-22 U 6/07
Datum:
22.06.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
22. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-22 U 6/07
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 30.11.2006 verkündete Urteil
des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld – 3 O
354/05 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu
vollstreckenden Betrages abwen-den, wenn nicht die Beklagten vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
G r ü n d e
1
A.
2
Die Parteien sind benachbarte Hauseigentümer. Der Kläger macht gegenüber den
Beklagten Schadensersatz- bzw. Aufwendungsersatzansprüche wegen
Wurzeleinwuchses in das Regenabflussrohr seines Hauses geltend.
3
Hierzu hat der Kläger behauptet: Es sei am 20.6.2002 nach starken Regenfällen zu
massivem Wassereintritt im Keller seines Hauses gekommen. Die Regenfallrohre seien
infolge Verstopfung des Regenkanalabflussrohres übergelaufen. Grund für die
Verstopfung sei ein Wurzeleinwuchs gewesen, welcher von einer auf dem Grundstück
der Beklagten stehenden Lärche gestammt habe. Infolge des Rückstaus sei das
Regenwasser aus den Bodenstutzen der zwei Fallrohre im Garten sowie über die
überlaufenden Dachrinnen in die Kellerschächte gelaufen und von dort in den Keller
eingedrungen.
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Die besagte Lärche habe – insoweit unstreitig - der frühere Eigentümer gepflanzt, und
zwar in nur einem Meter Abstand von der Grundstücksgrenze. Der Baum sei mindestens
25 Jahre alt und 20 m hoch.
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Der Kläger hat zu den Maßnahmen, die er infolge des Wassereintritts in seinen Keller
am 20.6.2002 ergriffen hat, Folgendes behauptet: Er habe zunächst die Kellerräume
freigeräumt. Sodann habe er mit der Stadt W. die Organisation der Zufahrtswege über
das städtische Grundstück geklärt sowie Containerdienst und Bagger bestellt. Am 21.
und 22.6.2002 sei dann der Gartenzaun zum städtischen Grundstück entfernt worden,
um mit Baggern, Container und LKW zu seinem Haus zu gelangen. Insofern habe die
dortige Grenzbepflanzung entfernt werden müssen. Sodann sei der Bereich um das
Haus herum beginnend von dem an der Terrasse gelegenen Regenfallrohr bis zur
Garage hin ausgebaggert worden, der Aushub auf die Gartenfläche umgesetzt und die
Terrasse des dortigen Regenfallrohres ebenfalls geöffnet worden. Nachdem dann der
Regenkanal von der Terrasse beginnend freigeschachtet gewesen sei, habe die Firma
G. am 27.6.2002 die Spirale einführen können und die Blockierung des
Regenkanalrohres festgestellt. Daraufhin sei an den vermuteten Blockierungsstellen
des Regenkanalrohres die Anfahrt geöffnet worden, wobei am Anfang der Einfahrt die
Verstopfung durch Wurzeleinwuchs hätte festgestellt werden können. Des weiteren sei
dann der alte Zustand wiederhergestellt worden durch das Schließen der
Ausschachtungen im Einfahrtsbereich sowie den Rückbau der Ausschachtungen auf
der Gartenseite um das Haus des Klägers. In diesem Zusammenhang sei es dann
erforderlich gewesen, auch die freigebaggerten Wege am Haus sowie die Terasse
wieder in Ordnung zu bringen. Die Wege- und Gartenflächen hätten planiert werden und
die Lichtschächte neu eingebaut werden müssen. Ebenso habe der Zaun erneuert
werden müssen. Der Rasen im Garten hätte erneuert werden müssen, da im dortigen
Bereich Erdaushub sowie Material zwischengelagert worden sei und zudem die
Baumaschinen bis in den hinteren Gartenbereich hin bewegt worden seien und
aufgrund der Schwere der Fahrzeuge der Boden und Rasen zerfahren worden sei.
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Der Kläger hat behauptet, infolge der Verstopfung des Regenfallrohres einen
Gesamtschaden in Höhe von 23.351,66 € erlitten zu haben. Er hat diesen Anspruch im
einzelnen wie folgt berechnet:
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1.) Sanierung Keller netto: 4.170,00 € Zur Begründung hat er insoweit Bezug
genommen auf das im selbständigen Beweisverfahren vor dem Landge- richt Krefeld – 3
OH 4/03 – eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. B. vom 2.8.2004, Bl. 109 ff.
der beigezogenen Akte,
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2.) Kostenpauschale: 25,00 €
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3.) Arbeitsaufwand für die Beseitigung der Schäden: insge- samt 547 Arbeitsstunden zu
jeweils 10,00 €, also ins- gesamt 5.470,00 € entsprechend einer zur Akte gereichten
Zusammen- stellung, aus welcher sich ergibt, an welchen Tagen welche Personen
welche Arbeiten durchgeführt ha- ben (GA 33-35).
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4.) Rechnung G. vom 30.6.2002: 220,40 €
11
5.) Rechnung Fa. H. vom 6.7.2002 260,30 € (GA 16)
12
6.) Rechnung W. vom 22.7.2002: 1.253,07 €
13
(GA 17)
14
7.) Rechnung B. & S. vom 31.7.2002: 32,68 € (GA 18)
15
8.) Rechnung Fa. H. vom 15.10.2002: 1.553,24 € (GA 19)
16
9.) Rechnung Fa. H. vom 8.8.2002: 637,84 € (GA 20)
17
10.) Rechnung Fa. H. vom 6.8.2002: 5.615,12 € (GA 21)
18
11.) Rechnung Fa. H. vom 9.8.2002: 321,60 € (GA 23)
19
12.) Rechnung Fa. H. vom 23.10.2002: 375,19 € (GA 24)
20
13.) Rechnung Fa. HSB vom 26.8.2002: 364,73 €
21
(GA 26)
22
14.) Rechnung Fa. H. vom 20.8.2002: 43,21 €
23
15.) Rechnung Fa. K. vom 10.7.2002: 974,40 €
24
16.) Rechnung T. vom 9.7.2002: 1.392,00 € (GA 31)
25
17.) Rechnung Fa. P. vom 11.10.2002: 278,44 € (GA 32)
26
18.) Rechnung Fa. HSB vom 13.8.2002: 177,22 €
27
(GA 36)
28
19.) Rechnung Fa. H. vom 5.9.2002: 187,22 € (GA 37)
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Hierzu hat der Kläger behauptet, bis auf die Pos. 3 seiner Kostenaufstellung seien
sämtliche Kosten bezahlt.
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Bis auf die Pos. 1 und 8 handele es sich bei sämtlichen geltend gemachten
Kostenpositionen um Schäden, die allein zur ordnungsgemäßen Wiederherstellung der
von den Beklagten verursachten Beeinträchtigung seines Grundstücks – Verstopfung
des Regenabflussrohres - erforderlich gewesen seien.
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Überdies hat der Kläger die Ansicht vertreten, auf eine Differenzierung zwischen
solchen Schäden, die gem. § 1004 BGB verschuldensunabhängig zu ersetzen seien
und solchen, die gem. § 823 Abs. 1 BGB nur bei Verletzung einer
Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagten zu erstatten seien, käme es nicht an. Die
Beklagten hätten nämlich, so hat der Kläger gemeint, eine ihnen obliegende
Verkehrssicherungspflicht verletzt. Es sei nämlich zu berücksichtigen, dass das
Wurzelwerk von Bäumen mindestens eine Ausdehnung im Umfang der Baumkrone
habe. Da sich die Lärche auf dem Grundstück der Beklagten in einem Abstand von
lediglich 1 m zur Grundstücksgrenze befunden habe, wären die Beklagten, so hat der
Kläger gemeint, verpflichtet gewesen, eine Sichtung des Wurzelwerks der Lärche im
Grenzbereich vorzunehmen, wodurch sie den Schaden hätten voraussehen und
verhindern können.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn 23.351,66 € nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.9.2005
(Rechtshängigkeit) zu zahlen.
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Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie haben behauptet, der Keller des Objektes des Klägers sei bereits vor dem
behaupteten Schaden ständig feucht gewesen. Sie haben des weiteren in Abrede
gestellt, dass irgendeine der vom Kläger benannten Rechnungen bezahlt worden sei.
Dies gelte insbesondere für die Rechnungen der Firma S. GmbH, deren Geschäftsführer
u.a. der Kläger sei.
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Im übrigen, so haben die Beklagten gemeint, bestehe ein Anspruch des Klägers schon
dem Grunde nach nicht. In diesem Zusammenhang haben die Beklagten insbesondere
bestritten, dass eine etwaige Verstopfung des Regenfallrohres auf dem Grundstück des
Klägers auf einen Wurzeleinwuchs der auf ihrem Grundstück stehenden Lärche
zurückzuführen sei. Sie haben die Auffassung vertreten, die Feststellungen des
Sachverständigen aus dem selbständigen Beweisverfahren seien nicht bindend, weil
der Sachverständige O. eigenmächtig und ohne Information an sie einen zweiten
Ortstermin abgehalten habe, in dem er sich vom Kläger ein Stück Wurzel habe zeigen
lassen, das angeblich aus dem verstopften Kanalrohr gestammt habe.
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Die Beklagten haben des weiteren den vom Kläger geltend gemachten Schaden auch
der Höhe nach bestritten. Wegen des Vorbringens zu den einzelnen Kostenpositionen
wird Bezug genommen auf ihren Schriftsatz vom 16.2.2006, Seiten 4/5, GA 93/94.
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Die Frage, ob Wurzeleinwuchs von der Bepflanzung des Grundstücks der Beklagten
ursächlich für die Verstopfung des Regenkanalabflussrohres auf dem Grundstück der
Kläger war, war bereits Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens vor dem
Landgericht Krefeld, 3 OH 4/03. Wegen des Inhalts der in diesem Verfahren vom
Sachverständigen O. erstellten Gutachten vom 30.7.2003 und 10.1.2004 wird verwiesen
auf Bl. 35-52 sowie Bl. 90-101 der beigezogenen Akte.
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Durch am 30.11.2006 verkündetes Urteil hat das Landgericht Krefeld die Beklagten zur
Zahlung eines Betrages in Höhe von 263,61 € nebst Zinsen an den Kläger verurteilt und
die Klage im übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, ein Anspruch des
Klägers gem. § 823 Abs. 1 BGB oder gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1004 BGB
bestehe nicht, weil ein erforderliches Verschulden der Beklagten nicht festgestellt
werden könne. Denn die Beklagten seien nicht in der Lage gewesen, eine Schädigung
des dem Kläger gehörenden Grundstücks durch die auf ihrem Grundstück stehende
Lärche vorherzusehen.
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Der Kläger habe allerdings gegen die Beklagten dem Grunde nach einen
Zahlungsanspruch gem. § 812 BGB in Verbindung mit § 1004 BGB, weil die Beklagten
auf Kosten des Klägers dadurch bereichert seien, dass letzterer die Maßnahmen, die zur
Beseitigung der von den Wurzeln des Baumes der Beklagten ausgehenden Störungen
erforderlich gewesen seien, selbst durchgeführt habe. Dass es zu einem
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Wurzeleinwuchs in den Regenkanal von Seiten der auf dem Grundstück der Beklagten
stehenden Lärche gekommen sei, stehe nach dem Ergebnis des selbständigen
Beweisverfahrens fest. Aufgrund dieser Feststellung habe der Kläger gegen die
Beklagten dem Grunde nach auf Basis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
nicht nur einen Anspruch auf Erstattung der Kosten, welche zur Beseitigung der
Eigentumsbeeinträchtigung erforderlich gewesen seien, sondern auch auf Erstattung
solcher Kosten, die zwangsläufig durch die Beseitigung der primären Störung
entstanden seien. Dies seien hier die Kosten für die Erneuerung des Regenkanalrohres
(Nr. 14 der vom Kläger geltend gemachten Positionen) sowie die Kosten für die
Ursachenfindung (Pos. 4).
Hinsichtlich der weiteren, vom Kläger geltend gemachten Schadenspositionen lasse
sich dem Vorbringen des Klägers trotz der Hinweise des Gerichts nicht entnehmen,
welche Kosten insoweit der Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung, konkret der
Beseitigung der Verstopfung des Regenfallrohres, zuzurechnen seien.
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Gegen dieses Urteil, welches seinen Prozessbevollmächtigten am 5.12.2006 zugestellt
wurde, hat der Kläger mit einem am 4.1.2007 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz
Berufung eingelegt und diese mit einem am 2.3.2007 eingegangenen Schriftsatz
begründet, nachdem die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 5.3.2007 verlängert
worden war.
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Zur Begründung seiner Berufung führt der Kläger an, seiner Meinung nach hafteten die
Beklagten nicht nur gem. § 812 BGB i.V.m. § 1004 BGB, sondern auch gem. § 823
Abs.1 BGB auf Schadensersatz, weil sie eine Verkehrssicherungspflicht verletzt hätten.
Denn sie hätten, so meint der Kläger, Anlass gehabt, das Wurzelwerk der Lärche im
Grenzbereich zu sichten. Im übrigen vertritt der Kläger weiter die Ansicht, dass sich auch
aus § 812 BGB i.V.m. § 1004 BGB ein Anspruch auf Erstattung sämtlicher geltend
gemachter Kosten ergebe.
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Krefeld vom 30.11.2006 die
Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 23.351,66 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.9.2005 zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
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Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil, weisen insbesondere nochmals darauf hin,
dass sich die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch sie aus dem Vorbringen
des Klägers nicht ergebe.
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B.
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Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet, weil ihm unter keinem rechtlichen
Gesichtspunkt über den vom Landgericht bereits zuerkannten Betrag von 263,61 € nebst
Zinsen hinaus ein weitergehender Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten
zusteht.
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1. Der Senat hat allerdings bei seiner Beurteilung für sämtliche Anspruchsgrundlagen
davon auszugehen, dass die Verstopfung des Regenabflussrohres auf dem Grundstück
des Klägers durch eine eingedrungene Baumwurzel der auf dem Grundstück der
Beklagten stehenden Lärche verursacht wurde. Zwar hat es der im selbständigen
Beweisverfahren 3 OH 4/03 LG Krefeld beauftragte Sachverständige O., wie sich aus
seinem Gutachten vom 30.7.2003 ergibt (Seite 3, Bl. 37 der beigezogenen Akte),
verabsäumt, die Beklagten zum – entscheidenden – zweiten Ortstermin vom 4.7.2003 zu
laden. Dieser Umstand stand einer Verwertung des Sachverständigengutachtens als
Beweismittel im Sinne des § 493 Abs. 1 ZPO entgegen, § 493 Abs. 2 ZPO. Gleichwohl
steht die verabsäumte Ladung der Beklagten zum zweiten Ortstermin in zweiter Instanz
einer Verwertung der Gutachten aus dem selbständigen Beweisverfahren nicht
entgegen. Denn auf diesen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens war das Urteil des
Landgerichts vom Senat gem. § 529 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht zu überprüfen. Nach dieser
Vorschrift wird das angefochtene Urteil auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von
Amts wegen zu berücksichtigen ist, nur überprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 ZPO
geltend gemacht ist. Da der Verstoß gegen § 493 Abs. 2 ZPO nicht von Amts wegen zu
berücksichtigen ist, weil es sich bei der Nichtberücksichtigung von Beteiligungsrechten
der Parteien – wie hier – um verzichtbare Verfahrensfehler handelt (vgl. Zöller, ZPO, 26.
Aufl., § 493 Rdnr. 3) und der Mangel des Verfahrens im zweiten Rechtszug von den
Beklagten in ihrer Berufungserwiderung nicht mehr geltend gemacht wurde, besteht
eine Bindung des Senats an die landgerichtlichen Feststellungen ungeachtet der
Nichtberücksichtigung von § 493 Abs. 2 ZPO.
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2. Verschuldensabhängige deliktsrechtliche Ansprüche des Klägers gem. § 823 Abs. 1
BGB bestehen nicht, weil den Beklagten ein schuldhaftes Verhalten, namentlich die
schuldhafte Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht, nicht nachzuweisen ist. Zwar
hat derjenige, der die Verfügungsgewalt über eine Sache hat – wie hier die Beklagten
über die auf ihrem Grundstück stehende Lärche – eine von der Sache drohende Gefahr
tunlichst abzuwenden. Eine Verkehrssicherung, die jede Gefahr ausschließt, ist aber
nicht erreichbar. Daher muss nicht für alle denkbaren, entfernten Möglichkeiten eines
Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es genügen vielmehr diejenigen
Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr
erforderlich und zumutbar sind (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl., § 823 Rdnr. 51).
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Nach diesen Grundsätzen haben die Beklagten den Wurzeleinwuchs auf dem
Grundstück des Klägers nicht durch Verletzung einer ihnen obliegenden
Verkehrssicherungspflicht verursacht: Bei der Beurteilung ist zunächst davon
auszugehen, dass das Schadensereignis als solches nicht ohne weiteres das
Verschulden der Beklagten indiziert. Dies gilt umso mehr, als vorliegend nicht die
Beklagten selbst, sondern der Voreigentümer ihres Grundstücks die
streitgegenständliche Lärche gepflanzt hat. Gegen ein Verschulden der Beklagten
spricht überdies, dass vor dem Schadensereignis keine konkreten Anhaltspunkte für
eine drohende Beschädigung des Regenabflussrohres auf dem Grundstück des Klägers
durch die Wurzeln der auf dem Grundstück der Beklagten stehenden Lärche bestanden.
Ohne entsprechende konkrete Anhaltspunkte war es jedoch den Beklagten nicht
zumutbar, vorsorglich Maßnahmen zur Vermeidung von Störungen zu treffen, die von
den Wurzeln ihres Baumes ausgehen könnten. Von ihnen im Hinblick auf mögliche
Gefährdungen des Nachbargrundstückes ein vorsorgliches Fällen des Baumes zu
verlangen, würde die Grenzen der Zumutbarkeit überschreiten. Ebensowenig konnte
von ihnen eine vorbeugende Sichtung des Wurzelwerkes im Grenzbereich verlangt
werden, denn auch eine solche Maßnahme war für sie ohne konkrete Anhaltspunkte für
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eine Gefährdung des Nachbargrundstücks unzumutbar. Soweit Wurzeln auf das
Nachbargrundstück herrüberreichen, wäre es den Beklagten ohnehin aus
Rechtsgründen verwehrt gewesen, auch dieses freizulegen. Erst recht war von den
Beklagten nicht zu fordern, dass sie vorsorglich das Wurzelwerk der Lärche kappten;
eine solche Maßnahme wäre schon im Hinblick auf die damit verbundene Schädigung
des Baumes unzumutbar.
Im übrigen spricht gegen die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch die
Beklagten der Umstand, dass ein Wurzeleinwuchs in Rohre nur bei entsprechender
Vorschädigung möglich ist, so dass ein etwaiger Rohrschaden für die Beklagten ohne
konkrete, dahingehende Anhaltspunkte nicht vorhersehbar war. Dass Wurzeln keine
Möglichkeit haben, aktiv in Leitungen einzudringen (Bohrfunktion), sondern nur in der
Lage sind, für sich auch kleinste Risse in Rohren für die Erschließung ihrer
Wasserversorgung durch Eindringen zu nutzen, hat der Sachverständige O. in seinem
Gutachten aus dem selbständigen Beweisverfahren vom 30.7.2003 nachvollziehbar
ausgeführt (Seite 7, Bl. 41 der beigezogenen Akte). Dass diese Feststellung des
Sachverständigen zutreffend ist, ist dem Senat aus Gutachten in vergleichbaren Fällen
bekannt, so dass die Einholung eines vom Kläger in seiner Berufungsschrift beantragten
ergänzenden Sachverständigengutachtens nicht erforderlich ist.
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Nach alledem scheiden deliktsrechtliche Ansprüche des Klägers aus (ebenso OLG
Düsseldorf 9. Zivilsenat, NJW 1986, 2648, 2649).
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3. Über den vom Landgericht zuerkannten Betrag hinaus hat der Kläger gegen die
Beklagten auch keinen Erstattungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt., 818 Abs. 2
BGB wegen Bereicherung in sonstiger Weise.
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a) Zu Recht hat das Landgericht allerdings festgestellt, dass dem Kläger gegenüber den
Beklagten dem Grunde nach ein Bereicherungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 BGB
zusteht, soweit er Maßnahmen zur Beseitigung der durch die eingewachsenen
Baumwurzeln verursachten Beeinträchtigung seines Eigentums vorgenommen hat.
Denn der Kläger hatte gegen die Beklagten gem. § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB einen
Anspruch auf Beseitigung der Baumwurzeln, die auf sein Grundstück eingedrungen
waren: Die Beklagten sind nach den Feststellungen des Landgerichts, an welche der
Senat gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden ist, Zustandsstörer im Sinne des § 1004
BGB wegen der Unterhaltung der streitgegenständlichen Lärche (vgl. BGH, Urteil vom
28.11.2003, V ZR 99/03, zitiert nach juris Rdnr. 12).
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Aufgrund dieser Eigenschaft der Beklagten als Zustandsstörer im Sinne des § 1004
BGB hat der Kläger gegen die Beklagten wegen der Kosten, die ihm durch die
Beseitigung der Eigentumsstörung entstanden sind, einen Anspruch gem. § 812 Abs. 1
BGB wegen Bereicherung in sonstiger Weise. Denn es entspricht gefestigter
Rechtsprechung des BGH, dass der durch von dem Nachbargrundstück
hinübergewachsene Baumwurzeln gestörte Grundstückseigentümer die von dem Störer
geschuldete Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung selbst vornehmen und die
dadurch entstehenden Kosten nach Bereicherungsgrundsätzen erstattet verlangen kann
(BGH NJW 1986, 2640, 2641; NJW 1991, 2826, 2827; NJW 1995, 395, 396; NJW 2004,
603, 604; NJW 2005, 1366, 1367). Dabei ist der Störer nach der ständigen
Rechtsprechung des BGH auch zur Beseitigung solcher Eigentumsbeeinträchtigungen
verpflichtet, die zwangsläufig durch die Beseitigung der primären Störung entstehen
(BGH NJW 2005, 1366, 1368). Hingegen werden Beeinträchtigungen, die als weitere
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Folge der primären Störung entstanden sind, vom Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB
nicht erfasst (BGH, a.a.O.).
b) Ein (weiterer) Bereicherungsanspruch des Klägers besteht hier nicht. Er hat trotz des
gerichtlichen Hinweises auf die notwendige Differenzierung der angefallenen
Aufwendungen in der Verfügung des Landgerichts vom 6.6.2006 (Bl. 106, 108 Nr. 3 GA)
nicht im einzelnen aufgeschlüsselt, welche Kosten von ihm zur Beeinträchtigung der
primären Störung (eingedrungenes Wurzelwerk in das Regenabflussrohr) aufgewandt
wurden. Deshalb steht ihm über die vom Landgericht zuerkannten Kostenpositionen Nr.
4 und Nr. 14 aus seiner Schadensaufstellung kein weiterer Anspruch zu. Der Senat
vermag dem Kläger, der in seiner Berufungsschrift eine (weitere) Differenzierung nicht
vorgenommen hat, keine weiteren Positionen aus seiner Schadensaufstellung gem.
Klageschrift vom 13.7.2005, Seite 5 zuzusprechen:
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Pos. 1 und 8 sind nicht erstattungsfähig, wie der Kläger zu Recht selbst erkannt hat.
Ebenso wenig erstattungsfähig ist die Pos. Nr. 2 (Kostenpauschale), weil ein
Schadensersatzanspruch des Klägers nicht besteht.
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Hinsichtlich der Pos. 3 (Arbeitsaufwand: 5.470,00 €) gilt, dass aus der Aufstellung (GA
33-35) ggfs. einzelne Arbeitsleistungen des Klägers selbst erstattungsfähig wären.
Erbringt nämlich der Geschädigte zur Schadensbeseitigung eigene Arbeitsleistungen,
ist der Wert zu ersetzen, soweit sie – wie hier – nach der Verkehrsanschauung einen
Marktwert haben (vgl. Palandt/Heinrichs, 66. Aufl., vor § 249 Rdnr. 37). Von vornherein
nicht erstattungsfähig wären allerdings Arbeitsleistungen der Bekannten des Klägers,
weil insoweit mangels Darlegung eines entgeltlichen Vertragsverhältnisses seitens des
Klägers von einer Gefälligkeit der in der Aufstellung des Klägers aufgeführten Personen
auszugehen ist.
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Der Kläger hat allerdings trotz der Hinweise des Landgerichts keine Differenzierung
zwischen den Aufwendungen vorgenommen, die er zur Beseitigung der primären
Störung aufgewandt hat und denjenigen, die zur Beseitigung der weiteren Folgen, z.B.
Feuchtigkeitsschaden im Keller, vorgenommen wurden. Bereits aus der vom Kläger
vorgelegten Liste ergibt sich, dass die Arbeiten jeweils sowohl auf die Beseitigung der
primären Störung als auch auf die Beseitigung des Folgeschadens (Kellerschaden)
entfielen. Dabei enthält das Feld: Tätigkeit am 20.6.2002 einerseits die Fehlersuche,
andererseits die Leerräumung der Kellerräume. Auch bei den Aushubarbeiten mit
Minibagger (Tätigkeit am 21. und 22.6.2002) handelte es sich um Arbeiten sowohl zur
Beseitigung der primären Störung als auch zur Beseitigung der Folgestörung (zum
Beispiel Entfernung der Fenstergitter), so dass es dem Senat verwehrt ist, ohne nähere
Darlegungen des Klägers, die trotz Hinweises nicht erfolgt sind, einen Teil des
aufgeführten Arbeitsaufwandes ausschließlich der Beseitigung der primären Störung
zuzurechnen. Infolgedessen können dem Kläger mangels hinreichend spezifizierter
Darlegungen aus der gesamten vorgelegten Liste keine Kosten für eingesetzte eigene
Arbeitskraft zugesprochen werden.
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Auch ein Anspruch auf Begleichung der Rechnung der Firma H. vom 6.7.2002 über
260,30 € (GA 16, Kostenposition 5) besteht nicht. Hier handelt es sich offensichtlich,
weil Kippgebühren für 13,70 t abgerechnet werden, um Kosten für die Freilegung des
gesamten Hauses. Eine Freilegung des Hauses war nicht erforderlich, um die primäre
Störung – Baumwurzeleinwuchs – zu beseitigen, sondern, wie die Beklagten zu Recht
geltend machen, nur die Entfernung eines schmalen Streifens Pflaster auf der
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Garagenzufahrt auf der Seite, die an ihr Grundstück grenzt und nicht an das Haus des
Klägers.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten aus der Rechnung W. -
Bau- und Dämmstoffhandel GmbH vom 22.7.2002 (GA 17, Kostenposition 6). Denn die
Neulieferung von 33 cbm an Pflastersteinen war nicht erforderlich, um die primäre
Störung zu beseitigen; eine Differenzierung nach erstattungsfähigen und nicht
erstattungsfähigen Teilen dieser Rechnung hat der Kläger nicht vorgenommen.
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Ebenso wenig kommt eine Erstattung der Rechnung B. & S. vom 31.7.2002 über einen
Betrag von 32,68 € in Betracht, weil eine Zuordnung zu dem Baumwurzelschaden nicht
erkennbar ist.
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Es ist auch nicht ersichtlich, geschweige denn vom Kläger dargelegt, dass die in den
Rechnungen der Firma des Klägers, der HSB, vom 8.8.2002 (GA 20, 637,84 €),
6.8.2002 (GA 21, 5.615,12 €), 9.8.2002 (GA 23, 321,60 €), 23.10.2002 (GA 24, 375,19 €)
und 26.8.2002 (GA 26, 364,73 €) aufgeführten Waren ausschließlich angeschafft
wurden, um die störenden Baumwurzeln zu beseitigen. Eine Zuordnung der in den
Rechnungen aufgeführten Materialien bzw. der Baggerkosten (Rechnung vom
26.8.2002) zu der primären Störung hat der Kläger nicht vorgenommen.
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Auch bezüglich der Containerrechnung des Herrn K. vom 10.7.2002 über 974,40 € (GA
30) ist eine Darlegung des Rechnungsanteils, der auf die Beseitigung des
Baumwurzelschadens entfällt, unterblieben. Die Anschaffung der neuen Zaunanlage
gem. Rechnung T. vom 9.7.2002 über 1.392,00 € (GA 31) steht ersichtlich in keinem
Zusammenhang mit der Beseitigung der Baumwurzeln. Gleiches gilt für die Kosten für
den neuen Spielrasen (Rechng. P. v. 11.10.2002 über 278,44 €, GA 32).
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Schließlich weisen auch die beiden Rechnungen der Firma H. vom 13.8.2002 über
177,22 € sowie vom 5.9.2002 über 187,22 € (Bl. 36/37 GA) keinerlei Bezug zur
Beseitigung der Störung auf, die von den Beklagten gem. § 1004 Abs. 1 BGB zu
beseitigen war.
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Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO
zurückzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10,
711 ZPO.
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Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil die Voraussetzungen des § 543
Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Bei der Beurteilung der Frage, ob bei einem
Baumwurzelschaden die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch den
jeweiligen Baumhalter vorliegt, kommt es jeweils – wie auch hier – auf die Umstände
des Einzelfalles an; Rechtsfragen grundsätzlicher Art sind in diesem Rahmen nicht zu
beantworten und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.
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Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 23.088,05 € festgesetzt.
74
R. F. G.
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