Urteil des OLG Düsseldorf vom 07.03.2002

OLG Düsseldorf: gegen die guten sitten, culpa in contrahendo, treu und glauben, gesellschaft, unternehmen, anleger, verfügung, going public, insolvenz, börsengang

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-6 U 45/01
Datum:
07.03.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-6 U 45/01
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 13. Dezember 2000
verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird
zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 470.000,00 EUR abwenden, wenn nicht
der Kläger vor der Vollstre-ckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die
Sicherheiten können auch durch Bürgschaft einer in der Bundesrepublik
Deutschland ansässigen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
T a t b e s t a n d
1
Die Beklagte zu 1) ist als Finanzdienstleisterin tätig. Der Beklagte zu 2) ist ihr
Vorstandsvorsitzender. Zur Geschäftstätigkeit der Beklagten zu 1) gehört u.a. die
Vermittlung von privaten Platzierungen (private placement). Hierbei handelt es sich um
eine Fremdkapitalbeschaffung für in- und ausländische Gesellschaften im Wege der
Ansprache eines begrenzten Personenkreises. Durch Aufbringung des Fremdkapitals
soll den Gesellschaften der Gang an die Börse ermöglicht werden.
2
Der Kläger war Kunde bei der Beklagten zu 1). Er wurde von ihrem Mitarbeiter R., bei
dem es sich um einen Freund des Klägers handelt, auf die von der Beklagten zu 1)
vermittelten Geschäfte hingewiesen. Dabei wurden dem Kläger Gewinne in Aussicht
gestellt, die mit herkömmlichen Finanzmitteln wie Anleihen oder Aktien an deutschen
Märkten nicht vergleichbar seien. Ihm wurde gesagt, die hohen Gewinne seien nur
dadurch möglich, dass im Vorfeld von Börsengängen einem neu aufstrebenden
Unternehmen Kapital zur Verfügung gestellt werde, um bei dem späteren Börsengang
von den zu erwartenden Steigerungen des Börsenkurses profitieren zu können. Dem
Kläger wurde ein Hochglanzprospekt zur Verfügung gestellt, in dem die Beklagten als
kompetente Partner privater Anleger dargestellt werden. Zu Privatplatzierungen ist in
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kompetente Partner privater Anleger dargestellt werden. Zu Privatplatzierungen ist in
dem Prospekt Folgendes ausgeführt:
Wir eröffnen bereits im Vorfeld des Börsenganges wachstumsstarken Unternehmen
zahlreiche Möglichkeiten zur vorbörslichen Kapitalbeschaffung. Börsenerfahrenen
und risikobereiten Anlegern bietet unsere Gruppe die Möglichkeit einer Beteiligung
an Börsenkandidaten bereits vor dem eigentlichen "Going-Public" an. Auch Sie
können Anleger der ersten Stunde sein und ein innovatives Unternehmen auf dem
Weg zum Erfolg begleiten. Das von Ihnen der Gesellschaft zur Verfügung gestellte
Kapital wird in der Regel lukrativ verzinst. Bei solchen Platzierungen erhalten
Anleger zumal oftmals die Chance auf eine garantierte Zuteilung der zu
emittierenden Aktien oder A.. Darüber hinaus können auch Optionsvereinbarungen
Gegenstand der Privatplatzierung sein, die Ihnen das Recht auf Bezug von
weiteren A. zu einem im voraus festgelegten Preis mit einer Laufzeit von bis zu drei
Jahren gewähren.
4
Unter dem 3. August 1998 unterzeichnete der Kläger das Formular der Beklagten
"Hinweise zur Kontoeröffnung", wonach er die Beklagte zu 1) formularmäßig
beauftragte, die durch Ankreuzen gemachten Angaben zu seinen Anlageerfahrungen,
seinen Anlagewünschen sowie seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen an
die N. Inc. oder andere Depotstellen weiterzugeben. Unter den Überschriften "Meine
Anlageerfahrung:" und "Gewünschte Anlage:" sind jeweils die Rubriken "Aktien" und
"Anleihen" angekreuzt. In dem Formular "Angaben nach § 31 Abs. 2
Wertpapierhandelsgesetz" ist zusätzlich bei der Frage "Seit wie viel Jahren tätigt der
Kunde diese Geschäfte?" das Feld "seit mehr als 5 Jahren" und bei der Frage nach den
künftig verfolgten Anlagezielen das Feld "spekulativ: Hohen Ertragschancen stehen
hohe Risiken gegenüber" angekreuzt, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob der
Kläger dieses Formular überhaupt ausfüllte.
5
Durch Vermittlung der Beklagten zu 1) unterzeichnete der Kläger einen auf den 2.
Dezember 1998 datierten Vertrag mit der C.. Danach sollte der Kläger ihr 300.000,00
DM als Fremdkapital zur Verfügung stellen. Nach Börseneinführung der Gesellschaft
sollte der Kläger den eingezahlten Betrag nebst 10 % Zinsen zurückerhalten. Zusätzlich
hatte der Kläger die Option zum Erwerb eines entsprechenden Aktienpakets zu 120 %
des Emissionskurses. Der Kläger überwies den Betrag von 300.000,00 DM auf ein
Konto der Beklagten zu 1), die den Geldbetrag an die C. übermittelte. Zu einer
Börseneinführung dieser Gesellschaft kam es nicht.
6
Außerdem hatte der Kläger durch Vermittlung der Beklagten zu 1) der T. AG ein
Darlehen über 300.000,00 DM gewährt. Nach § 2 des vom Kläger am 21. September
1998 unterzeichneten Vertrages sollte der Darlehensbetrag nebst 7 % Zinsen
spätestens sieben Tage nach der Emission an den Kläger zurückgezahlt werden.
Zusätzlich wurde dem Kläger die Option zum Erwerb eines bestimmten Aktienpakets
eingeräumt. Die Gesellschaft wurde von der Beklagten zu 1) tatsächlich an der Börse
emittiert, und dem Kläger wurden 22.000 A. (A.) zum Kurs von 7 US$ gutgeschrieben,
für die er sich anstelle der Rückzahlung des Darlehens entschieden hatte. Nachdem der
Kurs zunächst gestiegen war und am 5. Juni 1999 mit 9,5 US$ seinen Höchststand
erreicht hatte, lag er im Februar 2000 bei 5,5 US$. Ein Mitarbeiter der Beklagten zu 1)
empfahl dem Kläger den Verkauf der A., weil mit einem Fallen der Kurse bzw. mit einem
Totalverlust zu rechnen sei. Der Kläger sah aber von einem Verkauf der Aktien ab.
Nachdem die T. AG im März 2000 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt
hatte, wurden die A. wertlos.
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Ferner beteiligte sich der Kläger durch Vermittlung der Beklagten zu 1) an der
Privatplatzierung der Q. durch Gewährung eines Darlehens über 52.000,00 DM. Er
unterzeichnete einen entsprechenden Vertrag mit der Q. und überwies das Geld
spätestens zum 28. Februar 1999 zunächst an die Beklagte zu 1), die es an diese
Gesellschaft weiterleitete. Ein Börsengang der Q. scheiterte ebenfalls. Nach § 2 Ziffer 2
des Vertrages sollte der Darlehensbetrag nebst 10 % Zinsen spätestens am 31. März
2000 zurückgezahlt werden. Eine Rückzahlung des Darlehens erfolgte nicht. Vielmehr
bat die Q. den Kläger mit Schreiben vom 31. März 2000, bis zum 31. Dezember 2001
von der Geltendmachung der Forderung abzusehen. Gleichzeitig bot sie ihm an, seine
Rückzahlungsforderung in Aktien umzuwandeln, was der Kläger ablehnte.
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Schließlich kaufte der Kläger von der Beklagten 432 als Inhaberaktien bezeichnete
vinkulierte Namensaktien der I. AG für insgesamt 100.000,00 DM. Ursprünglich sollten
die vinkulierten Namensaktien in Inhaberaktien umgewandelt werden. Dies unterblieb
jedoch, ebenso der für Anfang 2000 vorgesehene Börsengang der Gesellschaft.
9
Der Kläger hat behauptet, er sei in Geschäften der vorliegenden Art völlig unerfahren.
Dies habe er im Rahmen von Gesprächen bei der Beklagten zu 1 ) sowohl mit deren
Mitarbeiter R. als auch mit deren Mitarbeiter Ü. betont. Ihm sei lediglich mitgeteilt
worden, dass er aufstrebenden Unternehmen für eine gewisse Zeit vor der
Börseneinführung Gelder zur Verfügung stelle, um an den dann zu erwartenden
außerordentlichen Gewinnen teilhaben zu können. Über mit diesen Geschäften
verbundene Risiken sei nicht gesprochen worden. Wäre er ordnungsgemäß aufgeklärt
worden, hätte er die Geschäfte nicht abgeschlossen.
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Der Kläger hat beantragt,
11
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 752.000,00 DM nebst 10
% Zinsen von 300.000,00 DM seit dem 15.12.1998, 10 % Zinsen von 52.000,00 DM
seit dem 28.02.1999, 5 % Zinsen von 100.000,00 DM seit dem 05.02.1999 und 7 %
Zinsen von 300.000,00 DM seit dem 01.10.1998 zu zahlen, Zug um Zug gegen
Abtretung aller Schadensersatz- bzw. Rückzahlungsansprüche gegen die C., die
Q. und die I. AG und gegen Übertragung der 22.000 A.'s an der XY. AG auf die
Beklagten.
12
Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie haben behauptet, ihr Mitarbeiter Ü., der Gruppenleiter von Herrn R., habe vor
Abschluss von Private Placement-Verträgen selbst mit den Kunden ein Gespräch
geführt, in dem er sich davon überzeugt habe, dass der Kundenbetreuer die
Risikoaufklärung ordnungsgemäß durchgeführt habe. Nach Feststellung des
Gruppenleiters Ü. und der übrigen Mitarbeiter dieser Gruppe habe der Mitarbeiter R., der
den Kläger beraten habe, seine Aufklärungspflichten immer ordnungsgemäß erfüllt. Der
Kläger sei vor Unterzeichnung des Vertrages mit der C. in einem ausführlichen
Gespräch auf alle Chancen und Risiken des Finanzengagements hingewiesen worden,
insbesondere auch über das Risiko einer nicht erfolgenden Rückzahlung durch die C..
Dieses Gespräch habe der Gruppenleiter Ü. selbst mit dem Kläger in dessen Wohnung
unmittelbar vor Unterzeichnung des Subscription-Agreements geführt. Dem Kläger
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seien die Zusammenhänge des Private Placements erläutert worden. Der Gruppenleiter
Ü. habe den Kläger darauf hingewiesen, dass die Beteiligung an einem Private
Placement eine hochspekulative Angelegenheit sei, und ihm die Einzelheiten, weshalb
den hohen Ertragschancen ein hohes Risiko gegenüber stünde, mitgeteilt,
insbesondere, dass im Extremfall mit einem Totalverlust der investierten Summe
gerechnet werden müsse. Der Kläger habe deutlich gemacht, dass ihm dieses Risiko
bewusst sei, zumal er sich bei der Beklagten zu 1) bereits an anderen
Privatplatzierungen beteiligt habe.
Ferner haben die Beklagten geltend gemacht, eine schriftlich Aufklärung der Kunden
hätte in allgemein verständlicher Form nicht erbracht werden können, da die Geschäfte
derart individuell seien, dass für jedes Geschäft eine eigene schriftliche Aufklärung
erstellt werden müsste.
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Zudem haben sie behauptet, der Kläger habe gegenüber ihren Mitarbeitern immer
wieder auf seine Erfahrungen im Bereich hochspekulativer Wertpapiertransaktionen
hingewiesen. Auch das gesamte Anlageverhalten des Klägers zeige, dass er
hochspekulativ gehandelt habe. So habe er u.a auch Penny-Stocks erworben.
Außerdem habe der Kläger erklärt, er unterhalte Depots bei verschiedenen Banken und
handele hier ebenfalls spekulativ. Im Wege der Selbsteinschätzung habe er angegeben,
spekulative Anlagestrategien zu verfolgen.
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Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben: Es
hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 752.000,00 DM nebst 5
% Zinsen aus 300.000,00 DM seit dem 15.12.1998, aus 52.000,00 DM seit dem
28.02.1999, aus 100.000,00 DM seit dem 05.02.1999 und aus 300.000,00 DM seit dem
01.10.1998 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung aller Schadensersatz- bzw.
Rückzahlungsansprüche des Klägers gegen die C., die Q. und die I. AG und gegen
Übertragung der 22.000 A. des Klägers an der XY. AG auf die Beklagten. Zur
Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe gegen die Beklagte zu 1) einen
Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung des zwischen ihnen
geschlossenen Anlageberatungs- und Anlagevermittlungsvertrages in Form eines
Geschäftsbesorgungsvertrages. Den übereinstimmenden Vorträgen der Parteien sei zu
entnehmen, dass die Beklagte zu 1) für Anlagen bei verschiedenen Unternehmen
geworben und diese dann auch vermittelt habe. Ein Anlageberatungs- und
Anlagevermittlungsvertrag liege auch in Bezug auf die Anlage bei der Q. vor. Es
handele sich nicht lediglich um die Vermittlung eines Darlehens. Denn die
Darlehensgewährung habe ebenfalls die Emission der Gesellschaft bezweckt. Ihre
Pflichten aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag habe die Beklagte zu 1) verletzt. Sie
habe den Kläger über die besonderen Risiken der hier vorliegenden Anlageform nicht
ordnungsgemäß aufgeklärt. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Beklagte zu 1) den
Kläger umfassend mündlich über die mit Privatplatzierungen verbundenen Risiken
aufgeklärt habe. Denn eine ordnungsgemäße Aufklärung hätte nur schriftlich erfolgen
können, weil mit Privatplatzierungen besondere Risiken für den Anleger verbunden
seien. Der Kläger sei auch aufklärungsbedürftig gewesen. Dem stehe insbesondere die
vom Kläger bestrittene Behauptung der Beklagten nicht entgegen, der Kläger habe in
dem Befragungsbogen zu seiner Person angegeben, er sei ein spekulativer Anleger,
denn dies sage nichts darüber aus, ob ihm die speziellen Risiken von
Privatplatzierungen wirklich bewusst gewesen seien. Die Kausalität des Fehlverhaltens
sei hier zu vermuten. Die Beklagte zu 1) habe die Pflichtverletzung auch zu vertreten.
Ein Mitverschulden falle dem Kläger nicht zur Last, auch wenn er sich entgegen der
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Empfehlung der Beklagten zu 1) entschieden habe, seine 22.000 A. zu halten. Denn er
sei über die Risiken nicht hinreichend aufgeklärt gewesen. Schließlich habe der Kläger
gegen den Beklagten zu 2) ebenfalls einen Schadensersatzanspruch. Dieser habe ihn
in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich geschädigt.
Mit der Berufung machen die Beklagten geltend, der Ausgangspunkt des Landgerichts,
dass zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) ein Anlageberatungsvertrag
zustande gekommen sei, sei unzutreffend. Zudem vertreten die Beklagten die Ansicht,
die Beklagte zu 1) sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger schriftlich über die Risiken
der Privatplatzierungen aufzuklären. Die Risiken von Privatplatzierungen seien nicht mit
denen von Warenterminoptionen, Aktien- und Aktienindex-Optionen, Stillhalteroptionen
sowie Penny Stocks vergleichbar. Auch seien die wirtschaftlichen Zusammenhänge
nicht so schwierig zu verstehen wie bei den vorgenannten Anlageformen. Zudem wäre
eine schriftliche Aufklärung nicht möglich gewesen. Ihre Prüfungen hätten zwar zu dem
Ergebnis geführt, dass die von den Gesellschaften vorgelegten Wirtschaftspläne
plausibel und umsetzbar seien. Diese Bewertung und die Begründung dafür hätten aber
wegen der Komplexität nicht in allgemein verständlicher Form dargestellt werden
können. Abgesehen davon wäre eine etwaige Verletzung der Aufklärungspflichten nicht
von der Beklagten zu 1) zu vertreten, weil der Kläger bereits vor Aufnahme der
Geschäftsbeziehungen zu der Beklagten zu 1) von dem Zeugen R. in
Anlageangelegenheiten beraten worden sei.
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Ferner sei im Hinblick auf das Projekt XY. AG eine etwaige Verletzung von
Aufklärungspflichten für den Eintritt des Schadens nicht kausal. Mit der Insolvenz der
XY. AG habe sich nicht das besondere Insolvenzrisiko von Start-up-Unternehmen
verwirklicht. Hintergrund der Insolvenz seien offenbar strafrechtliche Handlungen des
Vorstands gewesen. Ferner sei dem Kläger hier ein Mitverschulden zur Last zu legen,
weil er dem von der Beklagten zu 1) erteilten Rat, die A. der XY. AG zu verkaufen, nicht
gefolgt sei.
20
Schließlich entfalle auch eine Haftung des Beklagten zu 2). Die vom Landgericht
angeführten Umstände ließen nicht den Schluss darauf zu, der Beklagte zu 2) habe
vorsätzlich gehandelt.
21
Die Beklagten beantragen,
22
das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 13.12.2000 abzuändern und die Klage
abzuweisen.
23
Der Kläger beantragt,
24
die Berufung zurückzuweisen,
25
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen in der
Berufungsbegründung entgegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug
genommen auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Rechtszügen zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das angefochtene Urteil.
27
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
28
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Der Kläger kann von beiden
Beklagten Schadensersatz in Höhe des von ihm gezahlten Anlagebetrages von
insgesamt 384.491,49 EUR (= 752.000,00 DM) verlangen.
29
1.
30
Gegen die Beklagte zu 1) steht dem Kläger ein Schadensersatzanspruch in Höhe von
384.491,49 EUR (= 752.000,00 DM) aus culpa in contrahendo zu, weil sie ihre im
Hinblick auf die Private Placement-Geschäfte bestehenden vorvertraglichen
Aufklärungspflichten verletzt hat. Deshalb kommt es nicht mehr darauf an, ob zwischen
den Parteien zusätzlich ein Beratungsvertrag zustande kam.
31
a)
32
Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung sowie der ständigen
Rechtsprechung des Senats muss der Vermittler von ungewöhnlichen
Anlagegeschäften, die mit besonderen, über das übliche Maß hinausgehenden Risiken
behaftet sind, seinen Kunden über die wirtschaftlichen Zusammenhänge und Risiken
des Geschäfts aufklären. Diese Grundsätze gelten sowohl für Warentermingeschäfte, für
Börsentermingeschäfte sowie für die Vermittlung von Aktien, die am US-amerikanischen
OTC-Markt gehandelt werden (u.a. BGH NJW 1991, 1108; BGH WM 1991, 127, 128;
BGH WM 1991, 1410, 1411; BGH NJW 1992, 1879, 1880; BGH NJW 1994, 512; BGH
NJW 1994, 979; Urteile des Senats vom 07.09.1995 - 6 U 166/94 - und vom 04.09.1997
- 6 U 163/96 - ). Nach diesen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen hat der
Vermittler solcher Geschäfte dem potentiellen Kunden ein zutreffendes Bild von den
Gefahren und Chancen der vermittelten Geschäfte in der Weise zu verschaffen, dass der
Kunde seine Investitionsentscheidung sachgerecht treffen kann. An die Aufklärung sind
hohe Anforderungen zu stellen. Insbesondere muss sie schriftlich erfolgen. Denn bei
schwierigen wirtschaftlichen Zusammenhängen kann die Aufklärung ihren Zweck nur
dann erfüllen, wenn sie schriftlich erteilt wird (BGH NJW 1991, 1947, 1948; NJW 1992,
1879, 1880; BGHZ 105, 108, 110 f.; Urteil des Senats vom 07.09.1995 - 6 U 166/94 -).
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Diese Grundsätze sind auch hier anzuwenden. Insoweit hat das Landgericht diese für
den Handel mit Terminoptionen und für OTC-Markt-Geschäfte entwickelten Grundsätze
zu Recht auf den vorliegenden Fall übertragen. Es handelt sich um vergleichbar
schwierige wirtschaftliche Zusammenhänge, die den Anlegern typischerweise nicht
geläufig sind und nur auf schriftlichem Wege in einer Weise vermittelt werden können,
die nicht nur eine sachgerechte Erfassung und Durchdringung der Eigenheiten eines
solchen Geschäftes gewährleistet, sondern zugleich verhindert, dass die Wirkung der
Aufklärung durch eine beschönigende Darstellung abgeschwächt oder sogar vereitelt
wird (vgl. BGHZ 105, 108, 110 f.). Dass es sich um schwierige wirtschaftliche
Zusammenhänge handelt, zeigt sich bereits daran, dass private placements in
verschiedenen Formen vorkommen können, den Anlegern im Regelfall nicht bekannt
sind und die Beklagten selbst vortragen, die Bewertung der Wirtschaftspläne der
Gesellschaften könnten wegen der Komplexität der Materie nicht in allgemein
verständlicher Form dargestellt werden. Zudem bergen Privatplatzierungsgeschäfte
große Risiken in sich. Insoweit räumen die Beklagten selbst ein, es handele sich um
hochspekulative Geschäfte. Es bestehe das Risiko, dass die jeweilige Gesellschaft das
zur Verfügung gestellte Kapital nicht pünktlich oder überhaupt nicht zurückzahle. Denn
es bestünde die Gefahr, dass nicht genügend Kapital aufgebracht werde und der
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Börsengang scheitere bzw. die Gesellschaft aus anderen Gründen unfähig werde, das
Risikokapital zurückzuerstatten. Bei diesen Start-up-Unternehmen sei die wirtschaftliche
Entwicklung unsicher, so dass auch mit der Möglichkeit der Insolvenz und des
Totalverlustes des eingesetzten Kapitals gerechnet werden müsse. Darüber hinaus
bestehen weitere Risikofaktoren, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat: Bei
Privatplatzierungen besteht kein Handel, so dass der Anleger erheblichen
Manipulationen ausgesetzt ist. Eine Kontrolle betreffend die Wertigkeit seines
Anspruchs gegen die Gesellschaft ist ihm nicht ansatzweise möglich.
Deshalb waren etwaige mündliche Risikobelehrungen der Beklagten zu 1) keineswegs
ausreichend. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 19. Mai 1998 (NJW
1998, 2675 f.) rechtfertigt insoweit keine abweichende Würdigung. Sie nimmt lediglich
den Effektenhandel von Kreditinstituten vom Erfordernis einer schriftlichen Aufklärung
aus, hält jedoch für die Aufklärung von Kunden gewerblicher Vermittler von
Termindirekt- und Optionsgeschäften ausdrücklich an diesem Formerfordernis fest.
Daher bedurfte es einer schriftlichen Aufklärung des Klägers. Eine solche hat die
Beklagte zu 1) nicht erteilt. Insbesondere enthält die Hochglanzbroschüre nicht die
erforderlichen Risikobelehrungen. Dort ist nur von risikobereiten Anlegern die Rede,
ohne dass die allgemeinen Risiken von Private Placement-Geschäften sowie die
besonderen Risiken in Bezug auf die einzelnen Gesellschaften dargestellt werden. Der
Vortrag der Beklagten, die Bewertungen der einzelnen Gesellschaften könnten wegen
der Komplexität nicht in allgemein verständlicher Form schriftlich dargestellt werden,
führt zu keinem anderen Ergebnis. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Aufklärung
nicht in schriftlicher Form soll erfolgen können. Noch in erster Instanz haben die
Beklagten vorgetragen, ihre Mitarbeiter würden umfangreich geschult: Vor Empfehlung
aller streitgegenständlichen private placements an die Kunden würden die Ergebnisse
der Prüfungen ihrer Emissionsabteilung unter Vorlage der erstellten Unterlagen intensiv
in einer Besprechung der Kundenbetreuer dargestellt und diskutiert. Es würde
insbesondere erörtert, welche speziellen Risiken der Emittenten bestünden. Warum trotz
der Möglichkeit der mündlichen Erläuterung nicht einmal die wesentlichen Risiken der
einzelnen Gesellschaften in Schriftform dargestellt werden können, ist daher nicht
verständlich und wird von den Beklagten auch nicht nachvollziehbar dargelegt.
35
Die Pflicht zur schriftlichen Aufklärung bestand in Bezug auf alle hier in Rede stehenden
Geschäfte. Dies gilt zunächst betreffend die Q., der der Kläger ein Darlehen zur
Verfügung stellte, sowie betreffend die C. und die XY. AG, bei denen der Kläger
zusätzlich zu dem Darlehensrückzahlungsanspruch die Option zum Erwerb eines
bestimmten Aktienpaktes hatte. Diesen drei jungen Unternehmen stellte der Kläger
durch Vermittlung der Beklagten zu 1) Kapital zur Verfügung, um den geplanten
Börsengang zu unterstützen. Auch im Hinblick auf die I. AG oblag der Beklagten zu 1)
die Pflicht, schriftlich aufzuklären. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger die als
Inhaberaktien bezeichneten vinkulierten Namensaktien nicht durch Vermittlung, sondern
unmittelbar von der Beklagten zu 1) erwarb. Denn es wäre ein nicht angemessenes
Ergebnis, die Verantwortlichkeit der Beklagten zu 1) für die Aufklärung ihrer Kunden
verschieden bemessen zu wollen, je nachdem, ob das Geschäft die Form der
Kommission oder des unmittelbaren Kaufs angenommen hat (vgl. BGHZ 80, 80, 82;
BGH VersR 1986, 1242, 1243), zumal für den Kläger hier ein besonderes
Informationsbedürfnis bestand, da die Übertragung der Aktien noch von der Zustimmung
der I. AG abhängig war, die nicht vorlag.
36
b)
37
Die Beklagte zu 1) kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, der Kläger habe sich im
Bereich hochspekulativer Wertpapiertransaktionen als erfahren geriert. Allerdings dient
die vertragliche Aufklärungspflicht nicht dem Zweck, einen Kunden, der sich nicht
ersichtlich unglaubwürdig als erfahren geriert und eine Aufklärung ausdrücklich nicht
wünscht, vor sich selbst zu schützen (vgl. BGH NJW-RR 1996, 947, 948; BGH NJW-RR
1997, 176 , 177; BGH NJW 1998, 2675, 2676). Die Beklagten haben indes nicht
hinreichend dargetan, dass der Kläger sich unter Hinweis auf vorhandene Kenntnisse
und Erfahrungen als nicht aufklärungsbedürftig darstellte. Nach dem Vortrag der
Beklagten ist es bereits zweifelhaft, ob der Kläger eine ausdrückliche Aufklärung
tatsächlich nicht gewünscht hat oder lediglich mit besonderen Erfahrungen geprahlt hat.
Abgesehen davon machen die Beklagten nicht geltend, dass die tatsächlichen oder
behaupteten Kenntnisse und Erfahrungen des Klägers sich auch auf die
Besonderheiten von Privatplatzierungen erstreckten. Wenn der Kläger auf Erfahrungen
im Bereich hochspekulativer Wertpapiere und auf die Unterhaltung von Depots bei
verschiedenen Banken hinwies, folgt daraus keineswegs, dass er auch die
Besonderheiten von Privatplatzierungen kannte. Auch der Umstand, dass der Kläger bei
der Beklagten zu 1) an weiteren private placements beteiligt war, rechtfertigt kein
anderes Ergebnis. Denn es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger
insoweit ordnungsgemäß, also schriftlich, aufgeklärt worden war. Im Gegenteil: Unter
Berücksichtigung des Aufklärungsverhaltens der Beklagten zu 1) muss auch insoweit
angenommen werden, dass der Kläger lediglich in mündlicher Form belehrt wurde.
Soweit die Beklagten in zweiter Instanz sich auf ihren erstinstanzlich Vortrag im
Schriftsatz vom 27.09.2000 beziehen und behaupten, sie hätten bereits seinerzeit
vorgetragen, dass der Kläger gegenüber dem Zeugen Ü. behauptet habe, umfassend
über die Risiken von Privatplatzierungen aufgeklärt worden zu sein, haben sie auch
damit keinen Erfolg. Denn der Vortrag als solcher ist nicht hinreichend schlüssig. Ihm
lässt sich nicht entnehmen, wann, wo und aus welchen Gründen der Kläger eine solche
Erklärung abgegeben haben soll, und erstinstanzlich haben die Beklagten lediglich
vorgebracht, der Kläger habe auf Erfahrungen im Bereich hochspekulativer Wertpapiere
und die Unterhaltung von Depots bei verschiedenen Banken hingewiesen. Daraus
ergibt sich aber gerade nicht, dass er die Besonderheiten von Privatplatzierungen
kannte.
38
c)
39
Die Verletzung der Aufklärungspflichten erfolgte schuldhaft, und zwar zumindest
fahrlässig. Die Mitarbeiter der Beklagten zu 1) wurden von dem verantwortlichen Organ,
dem Vorstand, insbesondere von dem Beklagten zu 2) als dem Vorstandsvorsitzenden,
nicht mit den erforderlichen Aufklärungsbroschüren versehen. Für dieses
Organisationsverschulden hat die Beklagte zu 1) einzustehen (§ 31 BGB).
40
d)
41
Vor dem geschilderten Hintergrund ist darauf rückzuschließen, dass der Kläger von der
Durchführung der Geschäfte abgesehen hätte, wenn er ordnungsgemäß aufgeklärt
worden wäre. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist derjenige,
der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt, dafür beweispflichtig,
dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte,
der Geschädigte also den Rat oder Hinweis nicht befolgt hätte (BGH NJW 1994, 512,
513 m.w.N.). Diese Kausalitätsvermutung ist hier von der Beklagten zu 1) nicht widerlegt
42
worden. Der Behauptung der Beklagten, der Kläger sei über die Risiken von
Privatplatzierungen mündlich aufgeklärt worden, ist in diesem Zusammenhang nicht
nachzugehen. Da nur eine schriftliche Aufklärung ein hinreichendes Verständnis der
Zusammenhänge gewährleisten und die Wirkung der Aufklärung beeinträchtigende
Beschönigungen ausschließen kann (vgl. BGHZ 105, 108, 110 f.), ließe eine etwaige
mündliche Aufklärung keine Rückschlüsse auf das Verhalten des Klägers im Falle
ordnungsgemäßer schriftlicher Erläuterungen zu.
Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es zudem nicht darauf an, ob sich mit der
Insolvenz der XY. AG nicht das besondere Insolvenzrisiko von Start-up-Unternehmen
verwirklicht hat, weil Hintergrund der Insolvenz möglicherweise strafrechtliche
Handlungen des Vorstandes waren. Selbst wenn dies zutrifft, folgt daraus nicht, dass
der Schaden des Klägers nicht eingetreten wäre, wenn er ordnungsgemäß beraten
worden wäre.
43
Entsprechend der Behauptung des Klägers verbleibt es deshalb dabei, dass er die
Geschäfte bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht abgeschlossen hätte.
44
e)
45
Der Kläger ist so zu stellen, wie er ohne die mit der Beklagten zu 1) abgeschlossenen
Geschäfte gestanden hätte (BGH NJW 1991, 1108, 1109). Sie hat dem Kläger deshalb
alle Verluste zu ersetzen, die ihm durch die Private Placement-Geschäfte entstanden
sind. Der zu ersetzende Schaden errechnet sich auf dieser Grundlage wie folgt:
46
1.
47
1. 300.000,00 DM
2. 52.000,00 DM
48
49
50
1.
51
1. 100.000,00 DM
2. 300.000,00 DM
52
53
54
____________
55
752.000,00 DM = 384.491,49 EUR
56
f)
57
Ein Mitverschulden gemäß § 254 BGB ist dem Kläger nicht zur Last zu legen. Er hat es
zwar unterlassen, die Aktien der XY. AG auf den Rat der Beklagten zu 1) hin im Februar
2000 zu verkaufen, wofür er 121.000,00 US$ erlangt hätte (22.000 Stück x 5,5 US$). Der
Kläger hat insoweit aber nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Die
Annahme eines Pflichtenverstoßes würde darauf hinauslaufen, dass der Kläger im
Ergebnis an dem ihm von der Beklagten zu 1) rechtswidrig und schuldhaft vermittelten
Privatplatzierungsgeschäft mit der XY. AG festgehalten würde. Dies wäre mit dem Sinne
und Zweck des § 254 BGB nicht vereinbar. § 254 BGB beruht auf dem Rechtsgedanken,
dass derjenige, der die Sorgfalt außer Acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich
erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, den Verlust oder die Kürzung
seines Schadensersatzanspruchs hinnehmen muss. Die Vorschrift ist damit also
zugleich eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (Palandt-Heinrichs,
BGB, 61. Aufl., § 254 Rn. 2). Hier war es jedoch nicht der Kläger, der Sorgfalt
aufzuwenden hatte. Vielmehr hat sich allein die Beklagte zu 1) treuwidrig verhalten.
Obwohl sie besonderes Vertrauen in Anspruch nahm, weil sie sich in ihrem
Hochglanzprospekt sogar als kompetente Partnerin privater Anleger bezeichnete, hat
sie den Kläger nicht oder jedenfalls nicht ordnungsgemäß über die Risiken aufgeklärt.
Dem Kläger könnte allenfalls dann eine Verletzung der Schadensminderungspflicht
vorgehalten werden, wenn die Beklagte zu 1) ihm nicht nur zum Verkauf geraten,
sondern zugleich die Erstattung seines Verlustes angeboten hätte, z.B. durch Ankauf
dieser Aktien zum "Einstandspreis" von 7 US$. Dies hat sie aber nicht getan. Deshalb
ist der Kläger so zu stellen, als hätte er das Geschäft niemals abgeschlossen.
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2.
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Der Beklagte zu 2) haftet dem Kläger gemäß § 826 BGB ebenfalls auf Schadensersatz,
und zwar - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - als Gesamtschuldner neben
der Beklagten zu 1) (§§ 840, 421 BGB).
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Als Vorstandsvorsitzender der Beklagten zu 1) hatte der Beklagte zu 2) dafür Sorge zu
tragen, dass die Gesellschaft die insoweit typischerweise unerfahrenen Kunden über
die wirtschaftlichen Zusammenhänge und die Risiken der vermittelten und getätigten
Geschäfte schriftlich aufklärte. Ein Vorstandsvorsitzender, der Spekulationsgeschäfte
der vorliegenden Art ohne gehörige Aufklärung der Kunden abschließt, den Abschluss
veranlasst oder bewusst nicht verhindert, missbraucht seine geschäftliche
Überlegenheit in sittenwidriger Weise und haftet den Kunden deshalb gemäß § 826
BGB auf Schadensersatz (vgl. BGHZ 105, 108, 109 f.; BGH NJW 1994, 997; BGH WM
1994, 1746, 1747; jeweils zur Vermittlung von Terminoptionsgeschäften). Der Beklagte
zu 2) hat zumindest nicht verhindert, dass die Geschäfte ohne die erforderliche
schriftliche Aufklärung abgeschlossen würden.
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Das Landgericht hat zu Recht auch die subjektiven Voraussetzungen dieser
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Haftungsnorm als gegeben angesehen. Die Beklagten tragen selbst vor, dass vor
Empfehlung aller private placements an die Kunden die Ergebnisse der Prüfung ihrer
Emissionsabteilung unter Vorlage der erstellten Unterlagen intensiv in einer
Besprechung der Kundenbetreuer dargestellt worden seien. Es sei ausführlich erörtert
worden, welche speziellen Risiken der Emittenten bestünden. Die Kundenbetreuer
seien in die Lage versetzt worden, den Inhalt der Verträge ihren Kunden zu erklären.
Außerdem sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Kunden über die
Möglichkeit des Scheiterns des Börsenganges und der daraus resultierenden
Unfähigkeit des Emittenten, das Risikokapital zurückzuzahlen, belehrt werden müssten.
Dem Beklagten zu 2) war mithin bekannt, dass er die Anleger über alle für ihre
Entscheidung wesentlichen Eigenschaften und Risiken allgemeiner Art sowie der
konkreten Anlage aufklären musste. Nach diesem Kenntnisstand erscheint es indes
nicht nachvollziehbar, dass er die Schriftform für entbehrlich gehalten haben will. Sein
Verzicht auf schriftliche Risikohinweise trotz positiv erkannten Aufklärungsbedarfs
rechtfertigt vielmehr den Schluss, dass es ihm nicht um eine vorbehaltlose Aufklärung
ging, sondern allenfalls um eine oberflächliche Aufklärung, die die Geschäfte der
Beklagten zu 1) nicht durch eine umfassende Darstellung der Risiken beeinträchtigten.
Die angebliche Weisung der Mitarbeiter zur mündlichen Aufklärung eröffnete
demgegenüber die Möglichkeit, warnende Hinweise - soweit sie überhaupt erfolgten -
durch Verbindung mit werbenden Erklärungen zu verharmlosen, zu relativieren oder
vollständig zu entwerten.
Indem der Beklagte zu 2) von der gebotenen Ausgestaltung der schriftlichen
Risikohinweise absah und die Mitarbeiter nur zur mündlichen Belehrung aufgefordert
wurden, die den Zweck der Aufklärung gefährdeten und für ihn auch nicht zuverlässig zu
kontrollieren waren, nahm er bewusst in Kauf, dass den Kunden der Beklagten zu 1) die
erforderliche Aufklärung vorenthalten wurde. Als Vorstandsvorsitzender, der für die
sachgerechte Information der Kunden verantwortliche ist, missbrauchte er damit seine
geschäftliche Überlegenheit und hat deshalb gemäß § 826 BGB auch persönlich für den
dem Kläger entstandenen Schaden einzustehen.
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3.
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Die Zinsentscheidung des angefochtenen Urteils, die mit der Berufung nicht
ausdrücklich angegriffen wird, rechtfertigt sich aus § 252 BGB. Zur Begründung wird auf
die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Zinshöhe gemäß §
287 ZPO auf 5 % p.a. geschätzt hat.
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4.
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Von dem Zug-um- Zug-Ausspruch kann nicht aufgrund der Abtretungserklärung des
Klägers vom 12. Februar 2001 (Bl. 260 GA) abgesehen werden. Es ist nicht ersichtlich,
dass der Kläger den Beklagten wirksam seine Schadensersatz- und
Rückzahlungsansprüche gegen die Gesellschaften abgetreten und die 22.000 A. der
XY. AG übertragen hat. Der Kläger hat weder dargetan, dass die Beklagten die
Annahme seines Antrags auf Abschluss eines Abtretungs- und Übertragungsvertrages
erklärt hätten, noch dass eine Annahmeerklärung nach § 151 BGB entbehrlich gewesen
sein könnte.
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5.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidungen zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Der Streitwert für den zweiten Rechtszug und die Beschwer der Beklagten betragen
384.491,49 EUR (= 752.000,00 DM). Die mit Schriftsatz vom 16. August 2001 eingelegte
Anschlussberufung führt nicht zu einem höheren Streitwert. Denn die
Anschlussberufung war noch nicht wirksam geworden, da der Klägervertreter den
Antrag aus der Anschließungsschrift in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt hat
(vgl. BGH NJW 1961, 2309).
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO n.F. liegen
nicht vor.
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