Urteil des OLG Düsseldorf vom 25.06.2004

OLG Düsseldorf: treu und glauben, balkon, duldungspflicht, wohnung, auflage, sicherheit, fassade, holz, zusammenwirken, test

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-3 Wx 148/04
Datum:
25.06.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-3 Wx 148/04
Tenor:
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde trägt
die Beteiligte zu 1.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 2.000,- EUR.
G r ü n d e:
1
I.
2
Die Beteiligten zu 1 bis 4 sind Mitglieder der o.a. Wohnungseigentümergemeinschaft,
die der Beteiligte zu 5 verwaltet.
3
Die Beteiligte zu 1, deren Wohnung im Erdgeschoss der Wohnungseigentumsanlage
gelegen ist, hatte zunächst um Zustimmung der Eigentümergemeinschaft zur
Anbringung von Gittern an ihre zur Straße K. hin befindlichen Fenster gebeten. Dieser
Antrag wurde durch Beschluss zu TOP 7 in der Eigentümerversammlung vom 11. März
2003 auf Grund der Gegenstimme der Beteiligten zu 2 abgelehnt. Auch ein danach
eingeleiteter Umlaufbeschluss bezüglich der Vergitterung lediglich des von der
Straßenseite aus gesehen rechts vom Eingang gelegenen Fensters des Vorratsraumes
kam nicht zustande.
4
Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, ein einstimmiger Beschluss der
Wohnungseigentümergemeinschaft sei nicht erforderlich. Das vorgesehene
Fenstergitter stelle eine optische Beeinträchtigung nicht dar, außerdem sei eine solche
in Hinblick auf ihr Sicherungsinteresse hinzunehmen. In der Wohngegend bestehe eine
hohe Einbruchsgefährdung.
5
Sie hat beantragt,
6
1. den in der Wohnungseigentümergemeinschaft der WEG K. 17, in Mülheim an der
Ruhr vom 11.03.03 gefassten Beschluss zu TOP 7, mit dem der Antrag der
Antragstellerin‚ die Fenster zur K. hin mit Gittern zu versehen, abgelehnt wurde, für
ungültig zu erklären.
2. der Antragstellerin zu gestatten, das zur K. hin befindliche Fenster vom
Vorratsraum (von der Straße aus gesehen rechts neben der Haustür) mit einem
verzinkten Gitterschutz von 1 mal 1 m als Einbruchschutz zu versehen.
7
Das Amtsgericht hat nach mündlicher Verhandlung mit am 18. Dezember 2003
verkündetem Beschluss den Anträgen stattgegeben.
8
Mit der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde haben die Beteiligten zu 2 die
Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses und Ablehnung der Anträge der
Beteiligten zu 1 begehrt, weil die Vergitterung des Fensters den Gesamteindruck der
Fassade störe und das Schutzbedürfnis der Antragstellerin auch durch anderweitige
Sicherungsmaßnahmen gewahrt werden könne.
9
Das Landgericht hat nach mündlicher Verhandlung mit am 31. März 2004 verkündetem
Beschluss die Entscheidung des Amtsgerichts geändert und die Anträge der Beteiligten
zu 1 zurückgewiesen.
10
Gegen die Entscheidung des Landgerichts wendet sich die Beteiligte zu 1 mit der
sofortigen weiteren Beschwerde, der die Beteiligten zu 2 entgegentreten.
11
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
12
II.
13
Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere
Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
14
1.
15
Das Landgericht hat ausgeführt, der amtsgerichtliche Beschluss sei zu ändern. Der
Antragstellerin stehe ein einklagbarer Anspruch auf positive Beschlussfassung
dahingehend, dass alle anderen Wohnungseigentümer einem Fenstergitter vor ihrem
Vorratsraum zustimmen, nicht zu. Der ablehnende Beschluss zu TOP 7 der
Eigentümerversammlung vom 11. März 2003 sei daher auch nicht dieses Fenster
betreffend für ungültig zu erklären.
16
Die nachträgliche Montage eines Fenstergitters an die Hausfassade stelle eine bauliche
Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG dar. Dies habe zur Folge, dass
grundsätzlich auch die hier fehlende Zustimmung der Antragsgegner erforderlich sei.
Diese sei auch nicht gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG entbehrlich, denn die
beabsichtigte bauliche Veränderung - das Fenstergitter - beeinträchtige die Rechte der
Beteiligten zu 2 über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus. Unter einem
Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG sei jede nicht ganz unerhebliche konkrete und
objektive Beeinträchtigung zu verstehen. Entscheidend sei, ob ein
17
Wohnungseigentümer sich nach der Verkehrsanschauung in der entsprechenden Lage
verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann.
Dass die Vergitterung eines Fensters eine optische Veränderung gegenüber dem
früheren Zustand bewirke, reiche zwar allein nicht aus. Auf der Grundlage der
vorgelegten Fotos sehe die Kammer aber in der Anbringung des vorgesehenen
Fenstergitters im Gegensatz zum Amtsgericht eine Beeinträchtigung des
architektonisch-ästhetischen Gesamteindruckes der Wohnanlage. Das entsprechende
Fenster werde durch die davor befindlichen Büsche nur aus bestimmten Blickwinkeln
verdeckt. Darüber hinaus sei die rechte Seite des Hauses, von der Straße aus
betrachtet, durch Eingang, Balkon und Garage ohnehin schon unruhig gestaltet. Dies
würde durch ein Gitter vor dem Fenster, das bislang als einziges eine Einheit zwischen
linker und rechter Seite herstelle, da es symmetrisch zu dem Fenster auf der anderen
Seite des Einganges angeordnet sei, noch verstärkt. Hinzu komme, dass das
vorgesehene Gitter farblich und auch gestalterisch nicht zu den ohnehin schon
verschiedenen Gittern am Eingangsbereich und Balkon passe, wodurch ein unruhiger,
unharmonischer Anblick der Hausfront entstehen würde. Das Fenstergitter würde daher
eine nicht unerhebliche objektive optische Beeinträchtigung darstellen, die die
Beteiligten zu 2 bei jedem Betreten des Hauses vor Augen hätten.
18
Es bestehe auch keine Duldungspflicht der Beteiligten zu 2 hinsichtlich der Vergitterung.
Eine solche Duldungspflicht könne sich trotz Benachteiligung aus dem
Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer nach den Grundsätzen von Treu
und Glauben (§ 242 BGB) herleiten lassen. Auf Grund besonderer Umstände des
Einzelfalls, die mit den Interessen der Gemeinschaft auf Bestandsschutz abzuwägen
seien, könne die Gemeinschaft zur Duldung verpflichtet sein, so dass ein Nachteil im
Sinne des § 14 Nr. 1 WEG insoweit zu verneinen wäre. Dies werde teilweise bei
besonderer Einbruchgefahr hinsichtlich der Anbringung von Fenstergittern bejaht. Ein
genereller Anspruch auf Anbringung von Fenstergittern vor Erdgeschosswohnungen
bestehe jedoch nicht. Es bedürfe vielmehr konkreter Feststellung einer Risikoerhöhung
und einer sorgfältigen Abwägung der gegenläufigen Interessen.
19
Zwar habe die Beteiligte zu 1 vorgetragen, dass in der Nachbarschaft bereits mehrfach
eingebrochen worden sei, vermehrt in den letzten zwei Jahren. Diese generelle
Einbruchsgefährdung könne indes - den entsprechenden Vortrag als wahr unterstellt -
allein nicht die Anbringung eines Fenstergitters rechtfertigen. In der Wohnungsanlage
selbst seien keine Einbrüche erfolgt und die Vorfälle in den letzten zwei Jahren hätten
hauptsächlich nachts stattgefunden. Nachts sei das streitgegenständliche Fenster
jedoch durch die sich davor befindliche Rollladeneinrichtung zu sichern. Hinzu komme,
dass tagsüber die zur Straßenfront befindlichen Fenster weniger einbruchgefährdet
seien und auch andere für die Miteigentümer weniger nachteilige Maßnahmen zur
Sicherheit ergriffen werden könnten, so z.B. ein Zurückschneiden der vor dem Fenster
befindlichen Büsche und insbesondere die Anbringung von Sicherheitsbeschlägen und
sogenannter Pilzköpfe. Auf diese Weise habe die Antragstellerin selbst das ebenfalls zu
ihrer Wohnung gehörende, auf der anderen Seite des Eingangs gelegene und je nach
Blickwinkel ebenfalls teilweise durch Büsche verdeckte Fenster gesichert. Die
Antragstellerin hat auch nicht vorgetragen, inwieweit die des weiteren von den
Antragsgegnern vorgetragenen Sicherungsmöglichkeiten konkret nicht möglich oder
tauglich seien. Darüber hinaus könne ein Gitter vor dem Vorratsraumfenster auch
eventuell als Kletterhilfe zu dem darüber gelegenen Balkon genutzt werden.
20
2.
21
Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung stand.
22
Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend einen Anspruch der Beteiligten zu 1 auf
positive Beschlussfassung dahingehend, dass die anderen Wohnungseigentümer,
insbesondere die Beteiligten zu 2, der Anbringung eines Fenstergitters vor dem
Vorratsraum der Antragstellerin zustimmen, verneint.
23
a)
24
Zunächst ist nicht zu beanstanden, dass die Kammer in der beanspruchten Vergitterung
des von der Straße aus gesehen rechts neben der Haustür gelegenen Fensters des
Vorratsraumes zum Zwecke des Einbruchschutzes eine bauliche Veränderung im Sinne
des § 22 Abs. 1 WEG gesehen hat, mit der Folge, dass grundsätzlich die - hier fehlende
- Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer erforderlich wäre. Dass die
Anbringung eines Fenstergitters an der Außenwand des Gebäudes über die
ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen
Eigentums hinausgeht, bedarf keiner weiteren Darlegung.
25
b)
26
Beanstandungsfrei hat die Kammer auch die Zustimmung nicht gemäß § 22 Abs. 1 Satz
2 WEG für entbehrlich gehalten und in diesem Zusammenhang festgestellt, dass die
beabsichtigte bauliche Veränderung - das Fenstergitter - die Rechte der Beteiligten zu 2
über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtige.
27
Die Beantwortung der Frage, ob die bauliche Maßnahme zu einer Beeinträchtigung der
übrigen Wohnungseigentümer führt, ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten
(BayObLG ZWE 2000, 575; MK-Engelhardt 4. Auflage WEG § 22 Rdz. 11). Die
Tatsachenwürdigung des Landgerichts ist vom Senat als Rechtsbeschwerdegericht nur
daraufhin überprüfbar, ob es den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht, bei
Erörterung des Beweisstoffs alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und hierbei
nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen
Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. Keidel/Meyer-Holz
FGG, 15. Auflage § 27 Rdz. 42). Die Überprüfung nach diesen Maßstäben zeigt keine
Rechtsverletzung auf. Das Landgericht hat zwar eine Ortsbesichtigung nicht
durchgeführt; eine solche ist indes auch nicht zwingend erforderlich (vgl. OLG Hamm
NZM 2000, 910; MK-Engelhardt a.a.O.). Denn die Kammer ist anhand der zu den Akten
gereichten durchaus aussagekräftigen Lichtbilder auf einwandfreiem Wege zu der
Bewertung gelangt, dass durch die in Aussicht genommene Veränderung ein unruhiger,
unharmonischer Anblick der Hausfront entstehen würde, das Fenstergitter daher eine
nicht unerhebliche objektive optische Beeinträchtigung darstellen würde, die die
Beteiligten zu 2 bei jedem Betreten des Hauses vor Augen hätten. Hieran ändert sich
nichts dadurch, dass das betreffende Fenster aus bestimmtem Blickwinkel,
insbesondere von der gegenüber liegenden Straßenseite, wegen des derzeit
vorhandenen Bewuchses "äußerst schlecht zu sehen wäre". Ob darüber hinaus ein
Gitter vor dem Vorratsraumfenster auch eventuell als Kletterhilfe zu dem darüber
gelegenen Balkon genutzt werden und hieraus eine zusätzliche Beeinträchtigung in
Gestalt einer Gefährdung der Sicherheit anderer Wohnungseigentümer entstehen
könnte, mag offen bleiben.
28
könnte, mag offen bleiben.
c)
- Wohnung gegen Einbrüche besser abzusichern, ist - so zutreffend die Kammer - eine
Duldungspflicht der Beteiligten zu 2 hinsichtlich der Vergitterung trotz Benachteiligung
aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer nach den Grundsätzen von
Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht herzuleiteten. Die insoweit im Einzelfall zu
fordernde Abwägung der gegenläufigen Interessen (vgl. KG NJW-RR 1994, 401), hat
die Kammer ebenfalls rechtsfehlerfrei vorgenommen.
29
Ergänzend sei hierzu noch ausgeführt, dass die Antragstellerin zum Einen nicht
dargetan hat, dass die geschilderten Einbrüche bzw. Einbruchsversuche an anderen
Objekten überhaupt durch entsprechende - unvergitterte - Fenster der zur Straßenfront
gelegenen Fassade erfolgten. Im Übrigen hat die Antragstellerin auch lediglich
unzulässigerweise mit Nichtwissen bestritten, dass das in Rede stehende Fenster
bereits durch eine Verglasung nach DIN 5290 A3 gesichert ist. Hierbei handelt es sich
um eine durchwurfhemmende Verglasung, deren Prototyp immerhin einen Test zu
bestehen hatte, bei dem eine 4110 g schwere Stahlkugel dreimal aus einer Höhe von
9,50 m auf ein Scheibendreieck mit 130 mm Seitenlänge fällt, wobei die Kugel die
Scheibe nicht durchschlagen darf. Im Zusammenwirken mit einer unter relativ geringem
Aufwand herzustellenden zusätzlichen Sicherung des Fensters gegen Aufhebeln (u.A.
Pilzköpfe) und Sicherung des vorhandenen Rollladens gegen Hochschieben, wäre ein
die übrigen Wohnungseigentümer nicht beeinträchtigender, der in Aussicht
genommenen lediglich angeschraubten Vergitterung vergleichbarer - überdies
preiswerterer - Sicherungserfolg zu erzielen.
30
Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG.
31
Eine Erstattungsanordnung in Bezug auf die notwendigen außergerichtlicher Kosten
war nicht veranlasst.
32