Urteil des OLG Düsseldorf vom 17.12.2008

OLG Düsseldorf: mietvertrag, bad, wirkung ex nunc, auflösende bedingung, grundstück, mitbewerber, verfügung, markt, unternehmen, wettbewerber

Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-U (Kart) 15/08
Datum:
17.12.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Kartellsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
VI-U (Kart) 15/08
Leitsätze:
OLG Düsseldorf, 1. Kartellsenat
Urt. v. 17.12.2008, VI – U (Kart) 15/08
Schlagwort: Vertragsnichtigkeit beim Schilderprägermietvertrag
§ 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 GWB; § 134 BGB
1. Blockiert der Schilderpräger, der sein Gewerbe in den Räumen der
örtlichen Kfz-Zulassungsstelle betreibt, durch den Abschluss eines
mehrjährigen Mietvertrages das einzige für einen Konkurrenzbetrieb zur
Verfügung stehende Grundstück, missbraucht er dadurch im Sinne von §
19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 GWB seine marktbeherrschende Stellung auf
dem örtlichen Schilderprägemarkt.
2. Der Kartellrechtsverstoß führt gemäß § 134 BGB zur
Gesamtnichtigkeit des Miet-vertrages.
3. Ist der Tatbestand des Marktbeherrschungsmissbrauchs erst im
Verlaufe der Mietzeit verwirklicht worden, führt dies zur Nichtigkeit des
Mietvertrages mit Wir-kung ex nunc.
Tenor:
I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 8. Februar 2008 ver-kündete
Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird auf ihre
Kosten zurückgewiesen.
II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Voll-
streckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert der Berufung und die Beschwer der Klägerin wer-den
auf jeweils 53.000 € festgesetzt.
G r ü n d e
1
I.
2
Die Klägerin ist eine bundesweit mit rund 150 Filialen tätige gewerbliche
Schilderprägerin. Sie betreibt seit dem 1. Januar 2004 unter anderem eine
Schilderprägestelle in den Räumen der dortigen Kfz-Zulassungsstelle in Bad Salzuflen.
Der entsprechende Mietvertrag mit dem Kreis Lippe datiert vom 30. Oktober 2003, hat
eine fest vereinbarte Laufzeit bis zum 31. Dezember 2008 und sieht eine einjährige
Vertragsverlängerung für den Fall vor, dass das Mietverhältnis nicht vorher unter
Einhaltung einer neunmonatigen Kündigungsfrist von einer der Vertragsparteien
gekündigt wird.
3
Im vorliegenden Prozess nimmt die Klägerin die Beklagte aus einem Mietvertrag in
Anspruch, den die Parteien am 14. April 2003 abgeschlossen und - so die Behauptung
der Klägerin - am 19. Mai 2005 hinsichtlich der zum Aufstellen eines Verkaufscontainers
vermieteten Standfläche von circa 25 qm konkretisiert haben. Der Mietvertrag hat eine
knapp einjährige Laufzeit bis zum 31. März 2004, sieht eine jeweils einjährige
automatische Vertragsverlängerung für den Fall vor, dass keine der Vertragspartner dem
widerspricht, und räumt der Klägerin das Optionsrecht ein, das Vertragsverhältnis drei
Mal um jeweils 3 Jahre zu verlängern. Der Mietvertrag regelt in § 7 außerdem die
Verpflichtung der Beklagten, während der Mietdauer kein Konkurrenzunternehmen zu
betreiben, sich weder unmittelbar noch mittelbar an einem Konkurrenzunternehmen zu
beteiligen sowie einem mit der Klägerin konkurrierenden Schilderprägeunternehmen
Räumlichkeiten oder Flächen auf dem Grundstück zu überlassen.
4
Aufgrund Vertrages vom 4. September 2005
erster Linie in Anspruch genommene) Teilfläche ihres Grundstücks an die "W......" -
einem Wettbewerber der Klägerin - vermietet, die die Fläche ihrerseits zum Betrieb einer
Schilderprägestelle untervermietete. Die Beklagte räumte die - bis dahin mit eigenen
Gerätschaften belegte - Mietfläche am 21. Dezember 2005; am Folgetag wurde ein
Verkaufscontainer aufgestellt, in dem seither eine Schilderprägestelle betrieben wird.
5
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Überlassung
dieser - sowie hilfsweise einer anderen, näher bezeichneten - Grundstücksteilfläche,
ferner das gerichtliche Verbot an die Beklagte, Räumlichkeiten oder Flächen auf dem
Grundstück "Louis-Uekermann-Weg 1 in Bad Salzuflen" an Mitbewerber bzw.
Konkurrenzunternehmen der Klägerin zu überlassen, sowie schließlich die Feststellung
der Schadensersatzpflicht der Beklagten.
6
Das Landgericht hat die Klage mit sämtlichen Anträgen abgewiesen. Es hat
angenommen, dass der am 14. April 2003 abgeschlossene Mietvertrag wegen
7
Verstoßes gegen das kartellrechtliche Boykottverbot des § 21 Abs. 1 GWB in vollem
Umfang nichtig sei. Das Vertragsverhältnis stelle ein als Mietvertrag getarnter
Boykottaufruf in der Form eines Vermietungsboykotts dar.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie greift das landgerichtliche
Urteil im Wesentlichen mit Rechtsausführungen an und beantragt sinngemäß,
8
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
9
1. die Beklagte zu verurteilen, ihr (der Klägerin) die auf dem Grundstück "Louis-
Uekermann-Weg 1 in 32107 Bad Salzuflen" befindliche, in der Anlage zur
Baugenehmigung vom 24. Oktober 2005 schraffiert gekennzeichnete Fläche -
hilfsweise die Fläche gemäß Mietvertrag vom 14. April 2003, § 1 Ziffer 2 i.V.m. der
Lageplanskizze vom 28. Juli 2004, Anlage 3 - zur Nutzung zu überlassen,
10
11
hilfsweise
12
2. die mietvertragliche Überlassung der unter 1. benannten Fläche an einen ihrer
(der Klägerin) Mitbewerber bzw. Konkurrenten zu beenden sowie - unter der
Bedingung, dass die unter 1. bezeichnete Fläche an die Beklagte geräumt
herausgegeben wurde - diese zu verurteilen, ihr (der Klägerin) die unter 1.
bezeichnete Fläche zur Nutzung zu überlassen,
13
14
weiter hilfsweise
15
3. festzustellen, dass die Beklagte zum Ersatz aller Schäden verpflichtet ist, die ihr
(der Klägerin) im Zusammenhang mit der mangelnden Überlassung der Mietfläche
durch sie (die Beklagte) gemäß Mietvertrag vom 14. April 2003 sowie der
Gestattung einer Nutzung bzw. Überlassung von Mietflächen durch die Beklagte
auf dem Grundstück "Louis-Uekermann-Weg 1 in 32107 Bad Salzuflen" an ihre
(der Klägerin) Mitbewerber bzw. Konkurrenzunternehmen entstehen bzw.
entstanden sind,
16
17
und
18
4. es unter Androhung der gesetzlichen Zwangsmittel zu unterlassen, zunächst bis
zum 31. März 2010 Räumlichkeiten oder Flächen selbst oder durch Dritte auf dem
Grundstück "Louis-Uekermann-Weg 1 in 32107 Bad Salzuflen" an ihre (der
Klägerin) Mitbewerber bzw. Konkurrenzunternehmen zu überlassen
19
20
sowie äußerst hilfsweise
21
5. festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat und die
Beklagte aufgrund der Erledigung die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
22
23
Die Beklagte beantragt,
24
die Berufung zurückzuweisen.
25
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt dem Vorbringen der Klägerin im
Einzelnen entgegen.
26
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand
des angefochtenen Urteils sowie auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug
genommen.
27
II.
28
Die Berufung hat keinen Erfolg.
29
Das Landgericht hat die Klage zu Recht mit sämtlichen Anträgen abgewiesen und
angenommen, dass der am 14. April 2003 abgeschlossene Mietvertrag der Parteien
gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot insgesamt nichtig
(geworden) ist. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kann es dabei auf sich beruhen,
ob der Mietvertrag - wie das Landgericht angenommen hat - gegen das kartellrechtliche
Boykottverbot des § 21 Abs. 1 GWB verstößt (vgl. dazu: Senat, Urt. v. 2.8.2007, VI-
U(Kart) 10/07 Umdruck Seite 11 m.w.N.). Die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB ergibt
sich jedenfalls aus dem Umstand, dass der Mietvertrag dem gesetzlichen Verbot des
Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nach § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 GWB
zuwider läuft. Nach der genannten Vorschrift ist die missbräuchliche Ausnutzung einer
marktbeherrschenden Stellung durch ein Unternehmen verboten (§ 19 Abs. 1 GWB),
wobei ein Missbrauch insbesondere dann vorliegt, wenn ein marktbeherrschendes
Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder
gewerblichen Leistungen die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen in einer
für den Wettbewerb auf dem Markt erheblichen Weise ohne sachlich gerechtfertigten
Grund beeinträchtigt (§ 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB).
30
A. Im Entscheidungsfall liegen die genannten Voraussetzungen eines
Marktbeherrschungsmissbrauchs vor.
31
1. Die Klägerin besaß auf dem örtlichen Schilderprägemarkt rund um die Kfz-
Zulassungsstelle in Bad Salzuflen eine marktbeherrschende Stellung. Das gilt
jedenfalls für den Zeitraum zwischen der Eröffnung der eigenen Schilderprägestelle in
Betriebs einer konkurrierenden Schilderprägestelle durch den Untermieter der "W......."
Ende Dezember 2005. Zumindest über jene Zeitspanne war die Klägerin die einzige
Anbieterin auf dem örtlichen Schilderprägemarkt und somit ohne Wettbewerber (§ 19
Abs. 2 Nr. 1 GWB).
32
2. Der Mietvertrag der Klägerin vom 14. April 2003 beeinträchtigt die
Wettbewerbsmöglichkeiten konkurrierender Anbieter auf dem genannten Markt in
erheblicher Weise. Er hat zur Folge, dass über Jahre hinweg jedweder Wettbewerb auf
dem Schilderprägemarkt in Bad Salzuflen unterbunden wird.
33
a) Mit Recht hat das Landgericht angenommen, dass nach dem Sach- und Streitstand
das Betriebsgrundstück der Beklagten der einzige in Betracht kommende Standort für
einen Konkurrenzbetrieb zu derjenigen Schilderprägestelle ist, welche die Klägerin in
der Kfz-Zulassungsstelle in Bad Salzuflen betreibt. Zwar verweist die Klägerin in diesem
Zusammenhang auf weitere zur Vermietung in Betracht kommende Grundstücke. Ihr
diesbezüglicher Sachvortrag ist indes - wie das Landgericht zutreffend erkannt hat -
ohne hinreichende Substanz und aus diesem Grund prozessual unbeachtlich (§ 138
Abs. 1 ZPO). Die Behauptung der Klägerin, der Kreis Lippe biete auf dem Flurstück 297
eine Mietfläche zum Betrieb einer Schilderprägestelle an, ist nach dem Ergebnis der
erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme schon widerlegt. Das Landgericht hat
dazu unter Bezugnahme auf die Aussage der Zeugin M... festgestellt, dass in der Nähe
der Kfz-Zulassungsstelle keine kommunalen Grundstücke zur Anmietung einer
Stellfläche zur Verfügung stehen, auf der eine Schilderprägestelle betrieben werden
könnte. Der weiteren Behauptung, auf den Flurstücken 302, 300 und 255 bestehe
zumindest die "potenzielle Möglichkeit" zu einer entsprechenden Anmietung, ist das
Landgericht mit Recht nicht nachgegangen. Abgesehen davon, dass die Flurstücke 255
und 300 schon aufgrund ihrer räumlichen Entfernung zur Kfz-Zulassungsstelle als
Standort für einen konkurrierenden Schilderprägebetrieb ausscheiden dürften, entbehrt
das gesamte diesbezügliche Vorbringen der erforderlichen Substantiierung. Wie die
Klägerin mit der Formulierung "potenziell" selbst einräumt, besteht auf den genannten
Grundstücken aktuell keine Anmietungsmöglichkeit. Es hätte deshalb der näheren
Darlegung bedurft, ob, wann, auf welchem Grundstücksteil und unter welchen
Bedingungen in Zukunft die Flurstücke 302, 300 und 255 als Mietfläche für einen
Schilderprägebetrieb zur Verfügung stehen sollen. Nur auf der Grundlage eines
dahingehenden detaillierten Sachvortrags können die Markt- und
Wettbewerbsverhältnisse auf dem örtlichen Schilderprägemarkt in Bad Salzuflen sowie
die wettbewerblichen Auswirkungen des Mietvertrages vom 14. April 2003 beurteilt und
kann entschieden werden, ob die Klägerin einem (jederzeit möglichen) Wettbewerb
ausgesetzt ist oder Marktzutrittsschranken bestehen, weil in der Nähe der Kfz-
Zulassungsstelle keine geeigneten Mietflächen bereitstehen.
34
Ob - wie die Berufung reklamiert - das Landgericht die Klägerin gemäß § 139 Abs. 1
Satz 2 ZPO auf die unzureichende Substantiierung ihres Sachvortrags habe hinweisen
35
müssen, kann auf sich beruhen. Selbst wenn das erstinstanzliche Verfahren insoweit
fehlerhaft gewesen sein sollte, verhilft dies der Berufung nicht zum Erfolg. Denn die
Klägerin hat auch in zweiter Instanz ihren diesbezüglichen Sachvortrag nicht
substantiiert, sondern begnügt sich mit einem bloßen Verweis auf ihr unzureichendes
Vorbringen im landgerichtlichen Verfahren (vgl. § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
b) Der Mietvertrag vom 14. April 2003 verschafft der Klägerin die Möglichkeit, über Jahre
das Entstehen von Wettbewerb auf dem örtlichen Schilderprägemarkt rund um die Kfz-
Zulassungsstelle in Bad Salzuflen zu verhindern. Vermöge des mietvertraglich
vereinbarten Optionsrechts und der in § 7 vorgesehenen umfassenden
Konkurrenzschutzklausel ist die Klägerin in der Lage, das Betriebsgrundstück der
Beklagten als die einzige für einen Konkurrenzbetrieb in Betracht kommende Fläche bis
mindestens Ende März 2013 für eigene Zwecke zu reservieren und auf diesem Weg
jedwede Konkurrenz auf dem Schilderprägemarkt in Bad Salzuflen zu unterbinden. Im
Ergebnis ist damit zunächst bis zum vereinbarten Ende der Mietzeit der Klägerin in den
Räumen der Kfz-Zulassungsstelle am 31.12.2008 - mithin für einen Zeitraum von 5
Jahren - ein Wettbewerb auf dem örtlichen Schilderprägemarkt ausgeschaltet. Sollte der
Klägerin auch die Folgeanmietung der Räumlichkeit in der Zulassungsstelle gelingen,
kann sie mit Hilfe des Mietvertrages vom 14. April 2003 diese Monopolstellung
anschließend sogar um weitere 4 Jahre bis zum 31. März 2013 verlängern. Es bedarf
keiner näheren Darlegung, dass der genannte Mietvertrag die
Wettbewerbsmöglichkeiten konkurrierender Schilderprägeunternehmen in massiver Art
und Weise - nämlich vollständig und über einen langen Zeitraum - beeinträchtigt.
36
Die Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf dem örtlichen Schilderprägemarkt ergibt sich
dabei nicht nur - wie die Klägerin im Senatstermin reklamiert hat - aus der in § 7 des
Mietvertrages vereinbarten Konkurrenzschutzklausel. Sie besteht vielmehr auch in der
Anmietung selbst. Das gilt schon deshalb, weil den Wettbewerbern der Klägerin
hierdurch ebenfalls ein geeigneter Standort für einen Konkurrenzbetrieb vorenthalten
wird. Der Mietvertrag lässt sich deshalb auch nicht in eine kartellrechtlich unbedenkliche
Mietkomponente und eine kartellrechtlich zu beanstandende Konkurrenzschutzklausel
aufteilen. Die Wettbewerbsmöglichkeiten konkurrierender Schilderprägeunternehmen
werden vielmehr durch den Mietvertrag als Ganzes beschränkt.
37
3. Diese Wettbewerbsbeeinträchtigung ist sachlich nicht gerechtfertigt. Das ergibt die
gebotene Abwägung der widerstreitenden Interessen der Klägerin einerseits und ihrer
(potenziellen) Konkurrenten andererseits vor dem Hintergrund der auf die Freiheit des
Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Kartellgesetzes (vgl. dazu: BGH, WuW/E DE-
R 2268 ff. – Soda-Club II; BGH, WuW/E DE-R 1726 ff. – Stadtwerke Dachau). Der
Klägerin stehen berechtigte Belange dafür, den Wettbewerb auf dem örtlichen
Schilderprägemarkt über viele Jahre auszuschließen, nicht zur Seite.
38
Ohne Erfolg macht die Berufung hierzu geltend, durch den Abschluss des Mietvertrages
habe im Jahre 2003 lediglich Vorsorge für den Fall getroffen werden sollen, dass die
Räumlichkeiten in der Kfz-Zulassungsstelle nicht an die Klägerin vermietet werden.
Hierdurch wird nämlich nicht in Frage gestellt, dass der Mietvertrag seit Eröffnung der
klägerischen Schilderprägestelle in der Kfz-Zulassungsstelle die vorstehend
festgestellte wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfaltet und über viele Jahre das
Entstehen von Wettbewerb verhindert, ohne dass die damit verbundene
Monopolisierung des örtlichen Schilderprägemarktes durch schutzwürdige Interessen
der Klägerin gerechtfertigt ist. Die Rechtslage wäre nur dann anders zu beurteilen, wenn
39
die Klägerin den behaupteten Vertragszweck auch umgesetzt und den Mietvertrag zum
Beispiel unter die auflösende Bedingung einer Anmietung von Räumlichkeiten in der
Zulassungsstelle gestellt hätte. Dies ist indes nicht geschehen. Die Klägerin hat im
Gegenteil das Betriebsgrundstück der Beklagten für die Dauer von insgesamt 10 Jahren
dem Vermietungsmarkt für Schilderprägebetriebe entzogen und damit jedwede
Konkurrenz auf dem örtlichen Schilderprägemarkt unterbunden, obschon sie bereits bei
Abschluss des Mietvertrages mit der ernsthaften Möglichkeit rechnen musste, ihr
Schilderprägegewerbe ab 2004 in den Räumen der Zulassungsstelle ausüben zu
können und folglich die von der Beklagten angemietete Fläche zur Ausübung ihres
Gewerbes nicht zu benötigen.
B. Der Verstoß gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot des § 19 Abs. 1, Abs. 4
Nr. 1 GWB führt gemäß § 134 BGB zur Gesamtnichtigkeit des Mietvertrages vom 14.
April 2003. Dabei ist unerheblich, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der
genannten Kartellrechtsnorm - namentlich die Normadressatenschaft der Klägerin - erst
im Verlauf der Mietzeit dadurch eingetreten ist, dass die Klägerin mit Vertrag vom 30.
Oktober 2003 Räumlichkeiten in der Kfz-Zulassungsstelle zum Betrieb einer
Schilderprägestelle anmieten und hierdurch ab Januar 2004 eine marktbeherrschende
Stellung erlangen konnte.
40
Zwar bestimmt sich die Wirksamkeit eines Vertrages grundsätzlich nach dem zum
Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Recht. Gleichwohl können
Verbotsgesetze im Einzelfall auch wirksam begründete Dauerschuldverhältnisse in der
Weise erfassen, dass diese ex nunc unwirksam werden. Das ist der Fall, wenn das
Verbotsgesetz nach seinem Sinn und Zweck die für die Zukunft eintretende Nichtigkeit
erfordert. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat eine solche Fallkonstellation
beispielsweise für wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen im Sinne von § 1 GWB
bejaht, deren Inhalt erst nach der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden
Normlage gegen das Kartellgesetz verstieß (BGH, WuW/E DE-R 1119 ff. – Verbundnetz
II m.w.N.). Für den Streitfall kann nichts anderes gelten. Der von § 19 GWB bezweckte
Wettbewerbsschutz bliebe unzureichend, wenn man Dauerschuldverhältnisse wie den
in Rede stehenden Mietvertrag nur deshalb von der Nichtigkeitsfolge ausnehmen wollte,
weil der Vertrag bei seinem Abschluss noch einen kartellrechtlich unbedenklichen Inhalt
hatte. Sinn und Zweck der genannten Kartellrechtsnorm gebieten es vielmehr, einem
solchen Vertrag die rechtliche Wirksamkeit zu versagen, sobald sein Inhalt gegen das
kartellrechtliche Missbrauchsverbot verstößt und den freien Wettbewerb in unzulässiger
Weise beeinträchtigt. Der Mietvertrag der Parteien vom 14. April 2003 ist infolge dessen
mit Wirkung vom 1. Januar 2004 - dem Zeitpunkt der Eröffnung einer Schilderprägestelle
in den Räumen der Kfz-Zulassungsstelle durch die Klägerin - unwirksam geworden.
41
C. Im Ergebnis führt diese Rechtslage zur Abweisung aller Klageanträge.
42
Die Klägerin kann von der Beklagten weder die mietvertragliche Überlassung näher
bezeichneter Teilflächen des Betriebsgrundstücks "Louis-Uekermann-Weg 1 in 32107
Bad Salzuflen" noch verlangen, dass die Beklagte die der "W..." eingeräumte
Grundstücksnutzung beendet (Klageanträge zu Ziffer 1. und 2.).
43
Die Beklagte ist der Klägerin aus dem Mietvertrag vom 14. April 2003 auch nicht dazu
verpflichtet, Teile ihres Betriebsgrundstücks nicht an konkurrierende
Schilderprägeunternehmen zu überlassen (Klageantrag zu Ziffer 4.).
44
Ebenso wenig ist die Schadensersatzpflicht der Beklagten festzustellen (Klageantrag zu
Ziffer 3.). Es fehlt an der Wahrscheinlichkeit eines ersatzfähigen Schadens der Klägerin
(vgl. dazu: BGH, NJW 2006, 830, 832 m.w.N.). Bis zum Eintritt der Vertragsnichtigkeit
am 1. Januar 2004 hatte die Klägerin von der Beklagten weder die Überlassung der
angemieteten Grundstücksteilfläche beansprucht noch irgendeine Verwendung für den
Grundstücksteil. Ebenso wenig hatte die Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt anderweitig
über die von der Klägerin gemietete Fläche disponiert. Die Besitzüberlassung an die
"W....." erfolgte erst im Dezember 2005. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erkennen,
dass der Klägerin aus der "Zweitvermietung" an die "W....." ein ersatzfähiger Schaden
entstanden sein könnte.
45
Damit erweist sich schließlich auch der Hilfsantrag auf Feststellung der Erledigung des
Rechtsstreits (Klageantrag zu Ziffer 5.) als erfolglos. Ungeachtet der Frage, ob eine
hilfsweise Erledigungserklärung prozessual überhaupt statthaft ist (vgl. dazu:
Vollkommer in Zöller, Zivilprozessordnung, 27. Aufl., § 91 a Rdnr. 35 m.w.N.), bleibt der
Klageantrag jedenfalls in der Sache erfolglos. Denn die Klage war von Beginn an
unbegründet, weshalb im Verlauf des Prozesses keine Erledigung eingetreten ist.
46
III.
47
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
48
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
49
IV.
50
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen
nicht vor. Die streitentscheidenden Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt. Das gilt
auch, soweit es um die mit Wirkung ex nunc eintretende Vertragsnichtigkeit gemäß §
134 BGB geht. Dass die vom Bundesgerichtshof insoweit geforderten Voraussetzungen
nicht nur bei einem Verstoß gegen das Kartellverbot des § 1 GWB, sondern
gleichermaßen auch bei einer Zuwiderhandlung gegen das kartellrechtliche
Missbrauchsverbot des § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 GWB erfüllt sind, wirft keine
rechtsgrundsätzlichen Fragen auf.
51