Urteil des OLG Düsseldorf vom 05.06.2002

OLG Düsseldorf: due diligence prüfung, adr, börsengang, unternehmen, erwerb, bonität, anleger, empfehlung, sicherheitsleistung, kaufpreis

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-15 U 167/01
Datum:
05.06.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-15 U 167/01
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12. Juni 2001 verkündete
Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert und
unter Zu-rückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Beklagten
zu 1) insge-samt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 6.310,42 EUR (=
12.342,11 DM) nebst 5 % Zinsen seit dem 10. Juni 1999 zu zahlen.
Die weitergehende Klage des Klägers gegen die Beklagten wird
abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtstreits trägt der Kläger 88 % der
Gerichtskosten,
76 % seiner eigenen außergerichtlichen Kosten und der
außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) sowie die
außergerichtlichen Kosten des Beklag-ten zu 2) im vollen Umfang.
Der Beklagten zu 1) werden 12 % der Gerichtskosten sowie 24 % ihrer
eige-nen außergerichtlichen Kosten und der außergerichtlichen Kosten
des Klägers auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten zu 1) wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des
Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 8.800,00 EUR
abzuwenden, wenn nicht zuvor der Kläger in gleicher Höhe Sicherheit
leistet.
Dem Kläger wird nachgelassen, im Fall einer Zwangsvollstreckung
durch die Beklagten zu 1) wegen der Kosten diese gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 3.500,00 EUR und im Falle einer
Zwangsvollstreckung durch den Beklagten zu 2) diese gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000,00 EUR abzuwenden, wenn nicht
zuvor die Beklagten in der jeweils angegebenen Höhe Sicherheit
zuvor die Beklagten in der jeweils angegebenen Höhe Sicherheit
leisten.
Die Parteien dürfen die Sicherheitsleistung auch durch die
selbstschuldneri-sche Bürgschaft einer in der Bundesrepublik
Deutschland geschäftsansässi-gen Bank oder Sparkasse erbringen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Beklagte zu 1), deren Vorstandsvorsitzender der Beklagte zu 2) ist, ist ein im
Bereich der Finanzdienstleistungen tätiges Unternehmen. Unter anderem betreut die
Beklagte zu 1) Neuimmissionen deutscher und ausländischer Unternehmen an der US-
Börse Nasdaq und bietet in diesem Zusammenhang einem begrenzten Kreis von
Anlegern die Vermittlung von sogenannten Privatplazierungen an. Zweck solcher
Vermittlungen ist es, den Gesellschaften mit dem Fremdkapital den Börsengang zu
ermöglichen. Für den Fall des erfolgreichen Börsengangs wird den Anlegern im
Gegenzug von diesen Gesellschaften die Rückzahlung der Darlehenssumme nebst
Zinsen und/oder die Beteiligung an der jeweiligen Gesellschaft durch Erwerb von Aktien
zugesagt.
2
Der Kläger, von Beruf Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, wurde im September 1998
durch seinen Freund und zugleich Mitarbeiter der Beklagten zu 1), den Zeugen R., dazu
veranlasst, Gelder im Wege der Privatplazierung in den geplanten Börsengang der
T.GmbH &Co KG (im weiteren Darlehensnehmerin genannt) zu investieren. Bereits vor
Begründung der Geschäftsbeziehung zur Beklagten zu 1) hatte der Kläger spekulative
Wertpapapiertransaktionen durchgeführt. Dementsprechend hatte er in dem Formular
"Angaben nach § 31 Abs. 2 Wertpapierhandelsgesetz" der Beklagten zu 1) unter den
Übehrschriften "Bisheriges Anlageverhalten" jeweils die Rubriken "Aktien", "seit
weniger als 5 Jahren", "bis zu 50.000,00 DM" bei "bis zu 5" Wertpapierkäufen pro Jahr
angekreuzt und bei der Frage nach den künftig verfolgten Anlagezielen das Feld
"spekulativ: Hohen Ertragschancen stehen hohe Risiken gegenüber" markiert. Durch
schriftlichen Darlehensvertrag vom 29. September 1998 gewährte der Kläger der
Darlehensnehmerin ein Darlehen in Höhe von 50.000,00 DM, welches von der
Emittentin im Fall der erfolgreichen Durchführung der Emission durch die Beklagte zu 1)
nebst 7 % Zinsen spätestens 7 Tage nach der Emission an den Kläger zurückgezahlt
werden sollte. Unabhängig von der Verzinsung des Darlehens räumte die
Darlehensnehmerin dem Kläger unter der aufschiebenden Bedingung der erfolgreich
durchgeführten Emission ein Optionsrecht auf Erwerb von "Optionen" Stück Aktien der
Emittentin ein, die in börsendotierte American Depository Shares (ADS) umgetauscht
werden konnten.
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Anfang Juni 1999 erfolgte der Börsengang der Darlehensnehmerin, die fortan den
Namen T. AG (im weiteren T.AG) führte. Das der Darlehensnehmerin gewährte
Darlehen über 50.000,00 DM wurde dem Kläger vereinbarungsgemäß von der T. AG
zuzüglich der bis zum 9. Juni 1999 aufgelaufenen Zinsen in Höhe 2.772,22 DM
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zurückgezahlt und seinem angegebenen Konto gutgeschrieben. Auf Vorschlag des
Zeugen R. erwarb der Kläger mit diesem Guthaben 3.800 der über die T. Aktien für den
US-amerikanischen Kapitalmarkt ausgegebenen A. (ADR) zu einem Stückpreis von 7
USD. (Bei der Angabe der Beklagten, der Kläger habe 2.800 ADR zu einem Stückpreis
von 7 USD, insgesamt somit zu einem Kaufpreis von 26.600 USD erworben (Bl. 34 GA),
handelt es sich bezüglich der Stückzahl erkennbar um einen Schreib-/Rechenfehler).
Unmittelbar nach dem Börsengang der T. AG stieg der Kurswert der über die T. Aktien
ausgegebenen Hinterlegungsscheine (ADR) auf einen Höchstwert von 9,5 USD am 5.
Juni 1999 an und fiel in den folgenden Monaten bis zu seinem Tiefststand von 1,625
USD am 3. Februar 2000 stetig ab. Grund für den kurze Zeit nach der Emission
einsetzenden Kursverfall war, dass die T. AG mit falschen Bilanzen an die Börse
gegangen war und unmittelbar nach der Emission ihren einzigen Großkunden, die D. ,
mit dem sie 1998 70 % ihres Umsatzes machte, verloren hatte. Nach dem von der T. AG
in Auftrag gegebenen Sonderprüfungsbericht der Prüfer E. &Y. vom 14. März 2000 war
es bei der Aufstellung des Jahresabschlusses und des Lageberichts für das
Geschäftsjahr 1998 zu zahlreichen Unregelmäßigkeiten gekommen, diverse Projekte
und strategische Allianzen waren durch Managementfehler gekennzeichnet, die die
Gesellschaft mit mehreren Mio DM belasteten. Hinzu kamen in erheblichem Umfang die
Gesellschaft schädigende, unrechtmäßige Bereicherungen und Veruntreuungen durch
den T. Firmengründer T. und ihm nahestehende Dritte. Statt der beim Börsengang der T.
AG vom Vorstand verkündeten Umsatzsteigerung um 128 % auf 14,3 Mio DM in 1998
und einem für 1999 prognostiziertem anhaltendem Wachstum erzielte die T. AG per 31.
Dezember 1999 einen Jahresfehlbetrag von 13,1 Mio DM. Der Umsatz betrug im
Geschäftsjahr 1999 nur 9,3 Mio DM und ging gegenüber 1998 um 35 % zurück. Nach
Erreichen des Tiefststandes erholte sich plötzlich der Kurs der T. ADR und stieg
innerhalb weniger Tage auf 5,5 USD an. Grund für diese Kurserholung war, dass im
Vorfeld von Übernahmeverhandlungen ein Kaufinteressent ADR der T. AG aufgekauft
hatte, um entsprechende Mehrheiten in der Hauptversammlung zu erhalten. Über diese
Tatsache unterrichtete die Beklagte zu 1) den Kläger und empfahl diesem ausdrücklich
den unverzüglichen Verkauf der T. ADR, auch wenn durch den Verkauf im Verhältnis
zum Emissionskurs ein Verlust realisiert werde, da die Kurserholung mit hoher
Wahrscheinlichkeit ausschließlich auf die Übernahmeaktivitäten zurückzuführen sei und
deshalb kurzfristig mit einem erneuten Kurseinbruch gerechnet werden müsse. Der
Kläger entschied sich trotz dieser eindeutigen Empfehlung der Mitarbeiter der Beklagten
zu 1) zum Halten seiner T. ADR, da er sich nach seinem eigenen Eingeständnis nicht
damit abfinden wollte, dass die ihm von der Beklagten zu 1) mitgeteilten euphorischen
Gewinnaussichten allesamt nicht wahr gewesen sollten und er auf Anraten der
Beklagten zu 1) alle ADR mit einem sicheren Verlust verkaufen sollte. Am 28. März
2000 stellte die T. AG Insolvenzantrag, nachdem die Übernahmeverhandlungen mit
einem amerikanischen börsengelisteten Investor wegen der sich abzeichnenden
Ergebnisse durch die Sonderprüfung gescheitert waren.
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Mit der vorliegenden Klage nimmt der Kläger die Beklagten auf Schadensersatz in Höhe
der bei der T. AG angelegten Beträge in Anspruch.
6
Der Kläger hat behauptet,
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die Beklagte zu 1) habe ihm vorgespiegelt, die wirtschaftliche Potenz und Bonität der T.
AG überprüft und mit der T. ADR eine werthaltige Aktie in ihr Anlageangebot
aufgenommen zu haben, deren Kurs nach der Börseneinführung enorm steigen würde,
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obwohl ihr die mangelnde Emissionswürdigkeit der T. AG bekannt gewesen sei, oder
sie die Tatsachen, die einem Börsengang entgegengestanden hätten, bei den von ihr
angeblich durchgeführten Überprüfungen bewusst übersehen hätte, um ihr eigenes
Emissionsgeschäft durchführen zu können. Als nach Börseneinführung der T. AG die
Kurse der T. ADR leicht angestiegen seien, hätte der Beklagte zu 2) durch seine
Anweisung an die Kundenberater, die Verkaufsaufträge der Kunden nicht
durchzuführen, verhindert, dass er die T. ADR zu dem höheren Kurswert hätte verkaufen
können. Hätte ihn die Beklagte zu 1) pflichtgemäß über die tatsächlichen Verhältnisse
bei der T. AG aufgeklärt, hätte er von einer Investition in T. ADR Abstand genommen.
Für den ihm entstandenen Totalverlust seines eingesetzten Kapitals hafte darüber
hinaus auch der Beklagte zu 2), weil dieser die Kundenberater dazu bestimmt hätte, die
Kunden zur Investition in T. ADR um jeden Preis zu überreden, ohne durch
ausreichende Vorkehrungen sicherzustellen, dass die Kunden über die Risiken bei
einer Investition in T. Aktien ausreichend informiert wurden.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 52.772,22 DM nebst 7 %
Zinsen seit dem 10. Juni 2002 zu zahlen,
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hilfsweise,
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die Beklagten zur vorgenannten Zahlung Zug um Zug gegen Rückübertragung der
3.800 ADR der T AG zu verurteilen.
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Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten haben behauptet,
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dass die T. AG vor Durchführung der Emission durch interne und externe Berater
intensiv überprüft worden sei. Im Rahmen der Durchführung der Due Diligence Prüfung
hätte die Beklagte zu 1) nicht nur eigene Mitarbeiter eingesetzt, sondern auch externe
Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte hinzugezogen. Die Einreichung der US-
amerikanischen Prospekte sei von der amerikanischen Rechtsanwaltskanzlei G. &T.
aus Miami vorbereitet worden. Der dort verantwortliche Seniorpartner, Herr B.
beschäftige sich anwaltlich ausschließlich mit Nasdaq-Einführungen US-
amerikanischer und insbesondere auch ausländischer Unternehmen. Auch die von ihr
intern eingesetzten Prüfer hätten über jahrelange Erfahrungen im
Investmentbankingbereich verfügt. Im Rahmen der umfassenden Financial Due
Diligence hätte sich nicht einmal ansatzweise ein Anhaltspunkt dafür ergeben, dass die
T. AG im Zeitpunkt der Emission überschuldet gewesen sei. Ebensowenig seien im
Zeitpunkt des Börsengangs den eingeschalteten Wirtschaftsprüfern und
Rechtsanwälten die Betrügereien des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der T. AG,
der es verstanden hätte, die Kündigung wesentlicher Verträge vor den übrigen
Vorstandsmitgliedern, dem Aufsichtsrat und allen Due Diligence-Prüfern geheim zu
halten. erkennbar gewesen. Der Businessplan der T. AG sei aufgrund der vorgelegten
und von externen Wirtschaftsprüfern geprüften Aufträge plausibel gewesen. Vor
Empfehlung der Zeichnung der T. ADR seien in einer Kundenbetreuerbesprechung die
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Ergebnisse der Due Diligence Prüfung unter Vorlage der von der Emissionsabteilung
erstellten Unterlagen dargestellt und diskutiert worden. Auch sei besprochen worden,
um welche Produkte es sich handle, wie sich die Unternehmensprofile und
Erfolgsaussichten der T. AG dargestellt und welche speziellen Risiken sich hieraus für
den Kunden ergeben hätten. Der Zeuge S., der als Gruppenleiter den Zeugen R.
überwachte, hätte sich auch im Fall des Klägers davon überzeugt, dass dieser in dem
von der Beklagten zu 1) vorgegeben und besprochenen Umfang über die Risiken beim
Erwerb von T. ADR informiert worden sei.
Das Landgericht hat der Schadensersatzklage bis auf einen Teil des geltend gemachten
Zinssatzes stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Beklagten schuldeten dem
Kläger Schadensersatz wegen unzureichender Aufklärung über die Risiken des
abgeschlossenen Geschäfts. Die Privatplazierungen begründeten für den Anleger
Gefahren, die den Risiken von Warentermindirekt, Optionserwerb- und
Stillhalteroptionsgeschäften vergleichbar seien. Bei diesen Geschäften bestehe nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Pflicht zur schriftlichen Aufklärung.
Diese sei auf den vorliegenden Fall übertragbar.
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Gegen dieses ihnen am 29. Juni 2001 zugestellte Urteil haben die Beklagten am
Montag, den 30. Juli 2001 Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 30.
Oktober 2001 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.
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Mit ihrer Berufung erstreben die Beklagten die vollständige Abweisung der
Schadensersatzklage und weisen zur Begründung darauf hin, dass eine Verpflichtung
der Beklagten zu 1) zur schriftlichen Aufklärung des Klägers über die Risiken des
abgeschlossenen Geschäfts nicht bestanden habe und dieser mündlich ausreichend
belehrt worden sei. Im Übrigen wiederholen und ergänzen die Beklagten ihr
erstinstanzliches Vorbringen und beantragen,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
22
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Er wiederholt und vertieft ebenfalls sein erstinstanzliches Vorbringen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug
genommen auf den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Inhalt
der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den
Tatbestand und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung.
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Entscheidungsgründe
26
Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1) ist teilweise, die des Beklagten zu 2) in
vollem Umfang begründet.
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I.
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Zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) ist ein wirksamer Beratungsvertrag über
die Wiederanlage des zurückgezahlten Darlehensbetrages nebst Zinsen aus dem von
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dem Beklagten zu 1) vermittelten Darlehensvertrag mit der T. Präzisionselektronik
GmbH &Co KG zustande gekommen. Tritt nämlich ein Anlageinteressent an den
Anlagevermittler nach dessen Angebot oder von sich aus heran und macht deutlich,
dass er auf eine (bestimmte) Anlageentscheidung bezogen die besonderen
Kenntnissee und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will, so wird das
darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch
die Aufnahme des Beratungsgespräches angenommen (BGH NJW 1987, 1815, 1816;
BGHZ 123, 126, 128; BGH WM 2000, 426, 427). Danach ist es für den Abschluss des
Beratungsvertrages ohne Bedeutung, ob der Kläger von sich aus bei seiner Geldanlage
die Dienste und Erfahrungen der Beklagten zu 1) in Anspruch nehmen wollte oder ob
wie hier der Vorschlag zur Wiederanlage des fällig gewordenen Darlehensbetrages von
dem Anlagevermittler ausgegangen ist. Die sich anschließenden Verhandlungen hatten
in jedem Fall eine konkrete Anlageentscheidung zum Gegenstand. Denn der Zeuge R.
stellte dem Kläger die in das Anlageprogramm der Beklagten aufgenommene T. ADR
vor und unterstützte diesen bei dessen Entscheidung zum Erwerb dieses Wertpapiers.
Die sich aus diesem Beratungsvertrag ergebenen Pflichten hat die Beklagte zu 1) in
einer zum Schadensersatz verpflichtenden Weise verletzt.
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Inhalt und Umfang der Beratungspflicht sind von einer Reihe von Faktoren abhängig,
die sich einerseits auf die Person des Kunden und andererseits auf das Anlageobjekt
beziehen (BGHZ 123, 126, 128; BGH WM 2000, 1441, 1442). Dabei sind einerseits der
Wissensstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen
Risikobereitschaft entscheidend, wobei das vom Kunden vorgegebene Anlageziel zu
berücksichtigen ist, und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa Konjunkturlage
und Entwicklung des Kapitalmarkts, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den
besonderen Gegebenheiten des Anlageobjekts ergeben. Für den Umfang der Beratung
ist hier insbesondere von Bedeutung, dass die Beklagte zu 1) als emittierende Bank den
Börsengang der T. AG begleitet und die Bewertung der T. ADR zur Grundlage ihrer
Beratung gemacht hat. Eine Bank, die für ihre Anlageentscheidung das Vertrauen ihres
Kunden in Anspruch nimmt und sich in Bezug auf eine konkrete Anlageentscheidung
als kompetent geriert, muss sich selbst aktuelle Informationen über das Anlageobjekt
verschaffen. Dazu gehört bei Effekten, die zum amtlichen Handel an einer Börse
zugelassen sind, die eigene Unterrichtung über die für die Beurteilung des Risikos
wesentliche Bonität des Emittenten. Denn ohne zutreffende Angaben über die hierfür
maßgeblichen Umstände kann der Anlageinteressent sein Engagement nicht
zuverlässig beurteilen und keine sachgerechte Anlageentscheidung treffen. Die
Anforderungen an die Prüfungspflicht der Bank sind nicht deshalb geringer, weil es sich
bei der empfohlenen Anlage um ein ausländisches Wertpapier handelt. Bei einem
solchen Wertpapier ist der Beratungsbedarf des Kunden wegen der erschwerten
Zugänglichkeit der Quellen eher höher. Wenn eine Bank den mit der
Informationsbeschaffung im Ausland verbundenen gesteigerten Aufwand und die
Gefahren einer lückenhaften Unterrichtung scheut, muss sie auf eine Empfehlung
verzichten und entsprechende Fragen des Kunden nach diesem Wertpapier mit dem
Hinweis auf das Risiko der von ihr nicht einzuschätzenden Bonität des Emittenten
beantworten. Sie kann die Folgen ihrer eigenen Versäumnisse nicht auf den Kunden
abwälzen, der auf ihre Beratung vertraut (BGHZ 123, 126, 131; BGH WM 2000, 426,
427).
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Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Beklagte zu 1) ihre aus dem
Beratungsvertrag folgende Pflicht zur richtigen und vollständigen Anlageberatung
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gegenüber dem Kläger verletzt. Zwar hat die Beklagte zu 1) vorgetragen, sie habe die T.
AG aus Anlass des von ihr begleiteten Börsengangs der Emittentin im Rahmen einer
umfassenden Due Diligence Prüfung in betriebswirtschaftlicher und juristischer Hinsicht
analysiert und die von ihr ermittelte positive Bewertung der wirtschaftlichen Lage der
Emittentin und deren Bonität zum Gegenstand des mit dem Kläger durch den Zeugen R.
geführten Beratungsgesprächs gemacht. Bei dieser Überprüfung hätten jedoch der
Beklagten zu 1) als emissionsbegleitender Bank die zahlreichen Unregelmäßigkeiten
bei der Aufstellung des Jahresabschlusses und des Lageberichts für das Geschäftsjahr
1998, die die Gesellschaft in erheblichem Umfang schädigenden unrechtmäßigen
Bereicherungen und Veruntreuungen durch den T. Firmengründer T. und ihm
nahestehende Dritte sowie die die Gesellschaft mit mehreren Mio DM belastenden und
durch Managementfehler gekennzeichneten Projekte und strategische Allianzen, die
bereits kurze Zeit nach dem Börsengang der T. AG zur Insolvenz des Unternehmens
führten, auffallen müssen. Dass ihr diese Umstände auch bei Beachtung der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt nicht erkennbar waren, hat die Beklagte zu 1) im Rahmen der ihr
obliegenden sekundären Darlegungslast trotz ständiger Rügen des Klägers nicht
substantiiert vorgetragen.
Bei einer Due Diligence Prüfung handelt es sich um eine besonders genaue
Grundanalyse der Firmengegebenheiten und Potentiale, die auch die potentielle
Zukunftsentwicklung eines Unternehmens mit einbezieht und die deswegen weit über
eine formale Überprüfung der Jahresabschlüsse hinausgeht. So wird bei dem nach
Darstellung der Beklagten zu 1) durchgeführten finanziellen Due Diligence nicht nur
eine ausführliche Bilanzanalyse erstellt. Ziel ist vielmehr eine exakte Durchleuchtung
der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, um sich diesbezüglich ein lückenloses Bild
des Unternehmens machen zu können. Dazu ist es wichtig, den jeweils tatsächlich vom
Unternehmen in den letzten Jahren erwirtschafteten Gewinn und Cash flow zu ermitteln,
da dies für den Wert des Unternehmens von wesentlicher Bedeutung ist ( L..
Management Buy In, Existenzgründung durch Firmenübernahme, 3. Phase II Due
Diligence, www.mbi-consulting.de/duedi.html ) Insoweit erschöpft sich der Sachvortrag
der Beklagten zu 1) jedoch in der bloßen Behauptung, im Rahmen der umfassenden
Financial Due Diligence hätten sich nicht einmal ansatzweise Anhaltspunkte dafür
ergeben, dass die T. AG im Zeitpunkt der Emission überschuldet gewesen sei,
ebensowenig seien im Zeitpunkt des Börsengangs den eingeschalteten
Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten die Betrügereien des ehemaligen
Vorstandsvorsitzenden der T. AG erkennbar gewesen. Eine nachvollziehbare Erklärung
dafür, warum dem nach Darstellung der Beklagten zu 1) im Rahmen der Due Diligence
Prüfung eingeschaltetem Team, bestehend aus mit Börseneinführungen erfahrenden
Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und den über jahrelange Erfahrungen im
Investmentbankingbereich verfügenden Bankern der Beklagten zu 1) die zahlreichen
Unregelmäßigkeiten bei der Erstellung des Jahresabschlusses und des Lageberichtes
für das Kalenderjahr 1998 sowie die vorgenommenen Unterschlagungen des
ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der T. AG vor dem Börsengang der Emittentin nicht
erkennbar gewesen sein sollten, während eine von der T. AG wenige Monate nach dem
Börsengang eingeschaltete Sonderprüfung die Unregelmäßigkeiten aufzudecken
vermochte, hat die Beklagte zu 1) indes nicht vorgetragen. Ebenso wenig plausibel ist
die Behauptung der Beklagten zu 1), der ehemalige Vorstandsvorsitzende der T. AG
habe es verstanden, die Kündigung wesentlicher Verträge vor den übrigen
Vorstandsmitgliedern, dem Aufsichtsrat und allen Due Diligence-Prüfern geheim zu
halten. Denn beim wirtschaftlichen Due Diligence wird das Marktumfeld bewertet, wozu
auch die Untersuchung der Marktstrategie des Unternehmens in Bezug auf Absatz,
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Auswirkungen von konjunkturell bedingten Absatzschwankungen für das Unternehmen,
Absatzplanungen für die Zukunft, Abhängigkeit des Unternehmens von einzelnen
Kunden und Lieferanten gehört (Lochmann, a.a.O.). Auf welche Weise bei dieser
Überprüfung die unmittelbar nach dem Börsengang der T. AG bekannt gewordene
Kündigung des Vertrages mit ihrem einzigen Großkunden, die D., mit dem sie in 1998
70 % ihres Umsatzes abwickelte, vor der mit dem Due Diligence befassten
Prüfungskommission verheimlicht werden konnte, hat die Beklagte zu 1) nicht
nachvollziehbar vorgetragen. Dies gilt umso mehr, als nach dem Vorbringen der
Beklagten zu 1) bei der Überprüfung des Businessplans der T. AG die vorhandenen
Aufträge vorgelegt und von externen Wirtschaftsprüfern überprüft worden sein sollen.
Denn für einen bestimmten Zeitraum nach Kündigung konnten keine Aufträge des
Großkunden mehr vorliegen, was der Prüfungskommission im Rahmen der
Plausibilitätsprüfung hätte auffallen müssen.
Hätte sich die Beklagte zu 1) ordnungsgemäß über die Wirtschaftlichkeit der
Kapitalanlage und die Bonität der T. AG informiert und diese Erkenntnisse in dem
Beratungsgespräch mit dem Kläger offenbart, hätte der Kläger bei unterstelltem
aufklärungsrichtigen Verhalten von einem Erwerb von T. ADR Abstand genommen.
Auch bei einem - wie hier nach den eigenen Angaben des Klägers - eine spekulative
Anlagestrategie bevorzugenden Anleger kann nicht davon ausgegangen werden, dass
dieser den nach dem Börsengang der Emittentin zurückgezahlten Darlehensbetrag
erneut in ein Unternehmen investiert hätte, dessen unternehmerische Ergebnisse und
Zukunftspläne durch falsche Bilanzen, Veruntreuungen des ehemaligen
Vorstandsvorsitzungen, Absatzschwierigkeiten durch den Verlust des einzigen
Großkunden und langjährigen gravierenden Managementfehler gekennzeichnet sind.
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Der Kläger kann grundsätzlich verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er sich nicht in
T. ADR engagiert. Ausgangspunkt für die dem Kläger zu erstattenden Aufwendungen
sind daher zunächst die von diesem zum Erwerb der 3.800,00 T. ADR aufgewendeten
Beträge. Ausgehend von einem Stückpreis der ADR von 7 USD und einem Euro/US-$-
Wechselkurs von 1,0378 im Juni 1999 (Monatsberichte der Deutschen Bundesbank,
Wichtige Wirtschaftsdaten für die Europäische Währungsunion, Dezember 2000,
www.bundesbank.de/monatsbericht12/text-teil/00/-mb12.2000pclf) hatte der Kläger im
Juni 1999 für sein T. Engagement (3.800 x 7 USD : 1,0378) 25.631,14 EUR
aufzuwenden.
35
Allerdings hat auf Seiten des Klägers bei der Entstehung des Schadens ein erhebliches
Mitverschulden mitgewirkt, was dieser sich zurechnen lassen muss (§ 254 BGB a.F.).
Zwar gibt derjenige, der einen Sachkundigen hinzuzieht, damit zu erkennen, dass er auf
dem betreffenden Fachgebiet nicht die erforderlichen Kenntnisse hat und auf fremde
Hilfe angewiesen ist, so dass sein Vertrauen besonderen Schutz verdient. Dennoch
kann unter besonderen Umständen der Einwand des Mitverschuldens (§ 254 BGB a.F.)
begründet sein, etwa wenn wie hier Warnungen von dritter Seite oder differenzierende
Hinweise des anderen Teils nicht genügend beachtet wurden (BGH NJW 1982, 1095,
1096; WM 1993, 1038, 1040).
36
Im Streitfall hatte die Beklagte zu 1) den Kläger nach der plötzlichen Kurserholung der T.
ADR Anfang Februar 2000 auf 5,5 USD angerufen und diesem ausdrücklich den
unverzüglichen Verkauf der ADR empfohlen, auch wenn durch den Verkauf im
Verhältnis zum Emissionskurs ein Verlust realisiert werde, da die Kurserholung mit
hoher Wahrscheinlichkeit ausschließlich auf Übernahmeaktivitäten zurückzuführen sei
37
und deshalb kurzfristig mit einem erneuten Kurseinbruch gerechnet werden müsse.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sich der Kläger in Telefonaten mit
Mitarbeitern der Beklagten zu 1) über den Kursverlauf der T. ADR informiert hatte und
dem Kläger alle Pressemitteilungen und Informationen über die T. AG, in denen über
deren wirtschaftliche Situation berichtet wurde, zugeschickt worden waren. Von einem
spekulativ eingestellten Anleger mit Erfahrungen im Wertpapierhandel, der den Beruf
eines Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers ausübt, kann zudem erwartet werden, dass
er selbstständig den Kursverlauf seiner Anlage beobachtet und Pressemitteilungen über
die wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen, bei denen er engagiert ist, verfolgt. So
wurde bereits am 25. Oktober 1999 im Handelsblatt unter der Überschrift "T. steht kurz
vor dem Konkurs" über die bevorstehende Einleitung des Insolvenzverfahrens über das
Vermögen der T. AG berichtet. Wenn sich der Kläger unter diesen Umständen trotz der
eindeutigen Empfehlung der Mitarbeiter der Beklagten zu 1) zum Halten seiner T. ADR
entschied, da er sich nach seinem eigenen Eingeständnis nicht damit abfinden wollte,
dass die ihm von der Beklagten zu 1) mitgeteilten euphorischen Gewinnaussichten
allesamt nicht wahr gewesen sollten, dann muss er sich den durch den Nichtverkauf
seiner T. ADR im Februar 2000 realisierten Schaden im Wege des Mitverschuldens
selbst zurechnen lassen. Ausweislich der von den Beklagten zur Gerichtsakte
gereichten Kursverlaufsübersicht der T. ADR sank der Kurs der ADR nach dem
Erreichen des Höchststandes von 5,5 USD im Februar 2000 wieder auf 5 USD herunter,
verharrte auf diesem Kurs für einige Tage, sank sodann auf bis zu 3 USD und stieg
wieder auf 5 USD an. In diesem Zeitraum fand nach der Kursverlaufsübersicht ein reger
Handel mit T. ADR statt, der sogar erheblich größer war als der Handel unmittelbar nach
dem Börsengang, als die Prognosen über die wirtschaftliche Entwicklung der T. AG
noch positiv waren. Bei dieser Sachlage geht der Senat davon aus, dass der Kläger,
wenn er sich entsprechend dem Ratschlag der Beklagten zu 1) umgehend zu einem
Verkauf der seiner T. ADR entschlossen hätte, diese zumindest zu einem Preis vom 5
USD hätte verkaufen können. Ausgehend von einem Stückpreis der ADR von 5 USD
und einem Euro/US-$-Wechselkurs von 0,9834 im Februar 2000 (Monatsberichte der
Deutschen Bundesbank, Wichtige Wirtschaftsdaten für die Europäische
Währungsunion, Dezember 2000, www.bundesbank.de/monatsbericht12/text-
teil/00/mb12.2000pclf) hätte der Kläger im Februar 2000 für den Verkauf seines T.
Engagement (3.800 x 5 USD :0,9834) 19.320,72 EUR erzielen können. Die Differenz
von (25.631,14 EUR - 19.320,72 EUR) 6.310,42 EUR (=12.342,11 DM) ist der dem
Kläger von der Beklagten zu 1) zu erstattende Schaden.
Darüber hinaus hat die Beklagte zu 1) dem Kläger gemäß § 252 BGB a.F. den ihm
anderweitig entgangenen Zinsgewinn für sein Kapital, den der Senat in
Übereinstimmung mit dem Landgericht auf 5 % schätzt, zu erstatten.
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Eine Zug-um Zug-Verurteilung gegen Rückübertragung der T. ADR entfällt, weil diese
nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der T. AG unstreitig völlig
wertlos sind und deshalb eine Anrechnung im Wege der Vorteilsausgleichung nicht in
Betracht kommt.
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Die weitergehende Klage des Klägers gegen die Beklagte zu 1) ist demgegenüber
unbegründet.
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II.
41
Die Klage gegen den Beklagten zu 2) ist in vollem Umfang unbegründet.
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Vertragliche Ansprüche gegen den Beklagten zu 2) bestehen schon deshalb nicht, weil
der Beklagte zu 2) mit dem Kläger unstreitig keine Anlagevermittlungsgespräche geführt
hatte.
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Eine Schadensersatzverpflichtung des Beklagten zu 2) ergibt sich auch nicht aus § 826
BGB.
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Dem Beklagten zu 2) kann nicht vorgeworfen werden, dass er dem Kläger bewusst die
für eine Risikoeinschätzung wesentlichen Tatsachen vorenthalten hatte, um unter
gröblichem Missbrauch eines überlegenden Wissensvorsprungs einen bewusst
unwissend gehaltenen Anleger zum Anlagekauf zu veranlassen. Der ihm zu machende
Vorwurf, ohne ausreichende eigene Unterrichtung über die für die Beurteilung der
Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage und der Bonität des Emittenten A. der T. AG in das
Anlageprogramm der Beklagten zu 1) aufgenommen zu haben, reicht für eine
vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nicht aus. Die vom Landgericht herangezogene
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur schriftlichen Aufklärung des Kunden über
die Risiken des abgeschlossenen Anlagegeschäfts und die persönliche Haftung des
gesetzlichen Vertreters der Anlagevermittlungsfirma für eine ordnungsgemäße
schriftliche Aufklärung des Kunden bezieht sich nur auf die gewerbliche Vermittlung von
Börsentermingeschäften, die durch hohe Aufschläge auf die Börsenpreise eine
realistische Gewinnchance für ihren Kunden von vornherein ausschließen (BGH 11.
Zivilsenat, BKR 2002, 393, 394).
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Der Erwerb von über deutsche Aktien für den US-amerikanischen Markt ausgegebenen
Hinterlegungsscheinen ist jedoch kein Börsentermingeschäft. Hierunter werden
standardisierte Verträge verstanden, die von beiden Seiten erst zu einem späteren
Zeitpunkt zu erfüllen sind und einen Bezug zum Terminmarkt haben. Mangels
hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkts fehlt dem Kauf von Hinterlegungsscheinen
jedoch die für Termingeschäfte spezifische Gefährlichkeit. Der Erwerber wird nicht dazu
verleitet, ohne Einsatz eigenen Vermögens und durch Aufnahme eines förmlichen
Kredits auf eine günstige, aber ungewisse Entwicklung des Marktpreises in der Zukunft
zu spekulieren, sondern muss sofort beim Vertragsabschluss den vollen Kaufpreis für
die Hinterlegungsscheine zahlen. Sein Verlustrisiko ist dabei grundsätzlich nicht größer
als beim Direkterwerb von Aktien (BGH, a.a.O.). Dass die Risiken bei einem - wie hier -
start-up-Unternehmen erheblich erhöht sind, versteht sich von selbst. Mangels einer für
einen Laien undurchsichtigen Komplexität der wirtschaftlichen Zusammenhänge bedarf
es deshalb keiner schriftlichen Aufklärung.
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Soweit der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 5. März 1991 (BGH WM
1991, 667, 668) gewerbliche Vermittler sogenannter Penny Stocks als verpflichtet
angesehen hat, ihre Kunden schriftlich über Verlustrisiken aufzuklären, lag dem die
Erwägung zugrunde, dass für den OTC-(Over-the-Counter)Handel mit Penny Stocks
(Billigaktien) eine Marktenge typisch ist, die Kursmanipulationen durch Broker und
Aktieninhaber begünstigt, und dass demzufolge für den Anleger ein unkontrollierbares
zusätzliches Risiko besteht, welches in keinem Zusammenhang mit der Ungewissheit
über den wirtschaftlichen Erfolg der emittierenden Aktiengesellschaft steht. Deshalb ist
über die besonderen Gefahren der Spekulation in Penny Stocks umfassend
aufzuklären, was angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Zusammenhänge
schriftlich zu erfolgen hat. Mit diesem OTC-Markt, der der Entscheidung des
Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1991 zugrunde lag, ist der Nasdaq Stock Market, an
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dem die T. ADR gehandelt wurden, aufgrund der Handelstechnik, der Überwachung
und der Vielzahl professioneller Market Maker (Broker) nicht vergleichbar (BGH, 4.
Zivilsenat, BKR 2002, 397, 398). Darüber hinaus kann im allgemeinen von Penny
Stocks nur gesprochen werden, wenn der Kaufpreis der Aktie weniger als 5 USD beträgt
(Joswig, Aufklärungspflichten bei der Vermittlung amerikanischer Billigaktien, DB 1995,
2253, 2254 f). Hier betrug aber der Kaufpreis, zu dem der Kläger die T. ADR erworben
hatte, bereits 7 USD und wurde mit bis zu 9,50 USD gehandelt.
Berücksichtigt man schließlich, dass es sich beim Kläger um einen in Anlagegeschäften
erfahrenen und spekulativ eingestellten Steuerberater und Wirtschaftsprüfer handelt,
dann ist im Streitfall eine Absenkung der Haftungsanforderungen des § 826 BGB wie
bei unseriös und sozialschädlich auf dem grauen Kapitalmarkt handelnden
Terminoptions- und Warenterminvermittlern mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte
nicht geboten.
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Das Vorbringen des Klägers in seinem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 13. Mai
2002 bietet keine Veranlassung für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4, 708 Nr. 10, 711, 108
ZPO).
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Die Revision wird zugelassen (§ 543 ZPO n.F.).
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 25.564,59 EUR.
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