Urteil des OLG Düsseldorf vom 05.02.2007

OLG Düsseldorf: zwangsvollstreckung, vollstreckbares urteil, sicherheit, vollstreckungskosten, prozesskosten, abgrenzung, kostenverteilung, einfluss, bürgschaft, rücknahme

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-16 W 40/06
Datum:
05.02.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-16 W 40/06
Vorinstanz:
Landgericht Wuppertal, 4 O 1172/97
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 2. März 2006 wird der
Be-schluss der Rechtspflegerin der 4. Zivilkammer des Landgerichts
Wupper-tal vom 20. Februar 2006 dahingehend abgeändert, dass
aufgrund des
Urteils des Landgerichts Wuppertal vom 29. November 2000 und des
Be-schlusses des Senats vom 11. November 2005 – I-16 U 22/01 – von
dem Beklagten an Kosten weitere 17.444,56 Euro (in Buchstaben:
siebzehn-tausendvierhundertvierundvierzig und 56/100 Euro) nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach §
247 BGB seit dem 14. Dezember 2005 an den Kläger zu erstatten sind.
Die Berechnung ist bereits übersandt.
Der dieser Kostenfestsetzung zugrunde liegende Titel ist vollstreckbar.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens, dessen Wert auf 17.445,-- Euro
festgesetzt wird, werden dem Beklagten auferlegt.
Die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung wird zugelassen.
G r ü n d e:
1
Die zulässige Beschwerde des Klägers gegen den seinen Antrag auf Festsetzung von
ihm aufgewendeter Avalzinsen für eine Prozessbürgschaft in Höhe von 17.444,56 Euro
zurückweisenden Beschluss des Landgerichts Wuppertal vom 20. Februar 2006 ist
zulässig und begründet.
2
I.
3
Der Kläger hat bei dem angerufenen Landgericht die Festsetzung von Avalzinsen in
Höhe von 17.444,56 Euro beantragt. Sie beruhen auf einer Sparkassenbürgschaft, die
der Kläger als Sicherheit zum Zwecke der Zwangsvollstreckung aus dem für vorläufig
vollstreckbar erklärten und damals noch nicht rechtskräftigen Urteil des Landgerichts
4
vom 29. November 2000 (Bl. 389 ff. GA) beschafft hat. Daraufhin hat der Beklagte die
ihm durch das Urteil auferlegten Zahlungen an den Kläger erbracht, ohne dass dieser
konkrete Vollstreckungsmaßnahmen ergreifen musste. Das Urteil ist seit der
Berufungsrücknahme des Beklagten am 11. November 2005 rechtskräftig (Bl. 701 GA).
Im Rahmen des Festsetzungsverfahrens nach §§ 103 ff. ZPO streiten die Parteien über
die Berechtigung des Ansatzes der Avalzinsen. Ihre Auseinandersetzung konzentriert
sich auf die Frage, ob die vorgetragenen Aufwendungen bei dem Prozessgericht des
ersten Rechtszuges oder stattdessen allein als Vollstreckungskosten gemäß § 788 Abs.
2 ZPO bei dem Vollstreckungsgericht angemeldet werden können. Das Landgericht hat
seine Zuständigkeit verneint und die Festsetzung abgelehnt. Hiergegen wendet sich der
Kläger mit der fristgerecht eingelegten Beschwerde.
5
II.
6
Die aufgezeigten Fragen sind im Sinne des klägerischen Begehrens zu beantworten.
Kosten, die – wie vorliegend – lediglich im Rahmen der Vorbereitung der
Zwangsvollstreckung entstanden sind, ohne dass es nachfolgend noch zu einer
Vollstreckungshandlung kommt, sind im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff.
ZPO anzumelden und festzusetzen.
7
1. Der Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten kann nur auf Grund eines zur
Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden. Der Antrag auf
Festsetzung des zu erstattenden Betrages ist bei dem Gericht des ersten Rechtszuges
anzubringen (§ 103 Abs. 1 und 2 Satz 1 ZPO).
8
Demgegenüber sind die Kosten der Zwangsvollstreckung zugleich mit dem zur
Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch beizutreiben. Auf Antrag setzt aber auch das
Vollstreckungsgericht, bei dem zum Zeitpunkt der Antragstellung eine
Vollstreckungshandlung anhängig ist, und nach Beendigung der Zwangsvollstreckung
das Gericht, in dessen Bezirk die letzte Vollstreckungshandlung erfolgt ist, die Kosten
gemäß § 103 Abs. 2, §§ 104, 107 ZPO fest (§ 788 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO).
9
2. Im vorliegenden Fall geht es entscheidend um die Frage, ob die dem Kläger
entstandenen Kosten für die Beschaffung einer Sicherheit, nach deren Beibringung er
nach dem Urteil des Landgerichts vom 29. November 2000 die Vollstreckung betreiben
durfte, bereits Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 ZPO sind, wenn –
wie es hier tatsächlich geschehen ist – der Schuldner die Beibringung der Sicherheit
genügen lässt und zum Zwecke der Abwendung der Zwangsvollstreckung den nach
dem (nicht rechtskräftigen) Titel geschuldeten Betrag freiwillig leistet.
10
Eine diesen Fall erfassende obergerichtliche oder höchstrichterliche Entscheidung liegt
– soweit ersichtlich – bislang nicht vor. Der Senat entscheidet die Rechtsfrage
dahingehend, dass solche im Rahmen einer beabsichtigten Zwangsvollstreckung
entstehenden Kosten, der eine bestimmte Vollstreckungshandlung des Gläubigers nicht
mehr nachfolgt, im Rahmen des dem Erkenntnisverfahren nachfolgenden
Kostenfestsetzungsverfahrens angemeldet werden können.
11
a. Der Kläger beruft sich – zumindest im Ansatz – zu Recht auf die Entscheidung des
Bundesgerichtshofs vom 17. Januar 2006 – VI ZB 46/05 – (MDR 2006, 886), wonach die
zur Abwehr der Zwangsvollstreckung aufgewendeten Kosten als Verfahrenskosten im
12
weiteren Sinne anzusehen sind, die wie Kosten des Erkenntnisverfahrens der
Kostenausgleichung durch das Prozessgericht nach § 104 ZPO zugänglich sind.
Mit dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof sich gegen eine in Rechtsprechung
und Literatur vertretene Auffassung gestellt, nach welcher auch die Kosten der Abwehr
der Zwangsvollstreckung zu den Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788
Abs. 1 ZPO gehören sollen. Zwar hat der Bundesgerichtshof konkret nur zu
Abwehrkosten entschieden, die dem Schuldner entstanden sind, während es vorliegend
um Kosten zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung durch den Gläubiger geht, zu der
es dann nicht kommt, weil der Schuldner zur Abwehr von Vollstreckungsmaßnahmen
freiwillig leistet. Der BGH-Entscheidung sind jedoch auch diesen Fall betreffende und
für ihn entscheidungsrelevante Ausführungen zu entnehmen. So hat der
Bundesgerichtshof darauf abgestellt, dass die Leistungen des Schuldners zur Abwehr
der Zwangsvollstreckung im Erkenntnisverfahren erbracht werden; sie fallen zeitlich
während der Dauer des Erkenntnisverfahrens an und sind bei natürlicher
Betrachtungsweise Kosten des Verfahrens im weiteren Sinne. Ferner hat der
Bundesgerichtshof ausgeführt, dass die zur Abwehr der Vollstreckung entstehenden
Kosten den wirtschaftlichen Prozesserfolg sicherstellen; sie dienen der
Rechtsverteidigung während des laufenden Rechtsstreits. Und schließlich liegt der
Vorschrift des § 91 ZPO die allgemeine gesetzgeberische Entscheidung zugrunde, dass
die obsiegende Partei auch die notwendigen Kosten der ihr gegen ein vorläufig
vollstreckbares Urteil eröffneten Maßnahmen zur Rechtsverteidigung und damit zur
Verteidigung gegen den geltend gemachten Anspruch von dem Unterlegenen
zurückfordern kann. All dies trifft – zumindest nach Sinn und Zweck – auch auf die
vorliegend geltend gemachten Avalkosten des mit der Sicherheitenbeschaffung die
Vollstreckung vorbereitenden Gläubigers zu; auch sie sind während des laufenden
Rechtsstreits entstanden und resultieren aus dem Bestreben, mit der Durchführung der
Zwangsvollstreckung den wirtschaftlichen Prozesserfolg sicherzustellen. Es lassen sich
daher in der Begründung wie auch im Ergebnis durchaus Gemeinsamkeiten feststellen,
die es rechtfertigen könnten, den vorliegenden Fall grundsätzlich ebenso zu beurteilen
wie es der Bundesgerichtshof hinsichtlich der ihm vorgetragenen Avalkosten des zur
Abwehr der Zwangsvollstreckung Sicherheit leistenden Schuldners getan hat.
13
b. Der Bundesgerichtshof hat jedoch seine Entscheidung auch damit begründet, es
handele sich bei den ihm zur Beurteilung anstehenden Avalkosten (des abwehrenden
Schuldners) nicht um Kosten, die nach § 788 ZPO vom Vollstreckungsgericht
festzusetzen seien, weil das Festsetzungsverfahren gemäß § 788 Abs. 2 ZPO seinem
Wortlaut entsprechend grundsätzlich nur Kosten zum Gegenstand habe, die dem
Gläubiger durch die Zwangsvollstreckung erwachsen seien, was nicht der Fall sei,
wenn die Kosten dem die Vollstreckung abwehrenden Schuldner entstanden seien. Ob
diese Differenzierung den entscheidenden Gesichtspunkt für die Frage nach der
Zuständigkeit für die Festsetzung entstandener Kosten bilden kann, braucht der Senat
nicht zu entscheiden. Maßgeblich ist jedenfalls, welche Kosten solche des Rechtsstreits
(im Sinne der §§ 91 ff. ZPO) und welche Kosten solche der Zwangsvollstreckung (im
Sinne des § 788 ZPO) sind. Im Unterschied zu der Entscheidung des BGH, dass Kosten
der Abwehr der Zwangsvollstreckung nicht zu den Kosten der Zwangsvollstreckung
gehören, trifft dies auf Kosten der Vorbereitung der Zwangsvollstreckung grundsätzlich
nicht zu.
14
In § 788 Abs. 1 Satz 2 ZPO heißt es, dass als Kosten der Zwangsvollstreckung auch die
Kosten der Ausfertigung und der Zustellung des Urteils gelten. Diese Kosten sind so
15
genannte Vorbereitungskosten. Generell gilt für solche Kosten zur Vorbereitung der
Zwangsvollstreckung, dass sie den Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des §
788 ZPO zugerechnet werden. Der Begriff der Kosten der Zwangsvollstreckung im
Sinne des § 788 ZPO ist in der juristischen Literatur zwar umstritten. Die herrschende
Meinung setzt sich für eine enge Auslegung der Vorschrift ein. Aber auch danach sind
unter den Kosten der Zwangsvollstreckung jedenfalls solche Aufwendungen zu
verstehen, die unmittelbar und konkret zum Zweck der Vorbereitung und Durchführung
der Zwangsvollstreckung gemacht werden (BGH NJW 2005, 2460; BGH MDR 2006,
831). Zu den Vorbereitungskosten gehören auch die Kosten für die Beschaffung einer
nach § 709 ZPO erforderlichen Sicherheit (OLG Dresden JurBüro 2005, 50; OLG
Koblenz MDR 2004, 835; OLG Düsseldorf – 6. Zivilsenat –, JurBüro 2003, 47; OLG
Karlsruhe JurBüro 2001, 371; Musielak-Lackmann, ZPO, 5. Aufl., § 788 Rn 2 und 3;
Zöller-Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 788 Rn 5 mwN). Ob sie im Einzelfall erstattungsfähig
sind, ist eine Frage der Notwendigkeit der konkret entstandenen Kosten; diese
Voraussetzung stellen beide Verfahren – nach §§ 103 ff. wie nach § 788 ZPO –
gleichermaßen auf.
c. Danach könnte man meinen, dass der Kläger die streitgegenständlichen Avalkosten
lediglich bei dem zuständigen Vollstreckungsgericht zur Kostenfestsetzung (§ 788 Abs.
2 ZPO ) anmelden kann. Er hält dem jedoch mit Erfolg entgegen, dass ein förmliches
Vollstreckungsverfahren nicht notwendig gewesen und auch jetzt nicht mehr erforderlich
ist, weil der Beklagte vor Ergreifen von Vollstreckungshandlungen freiwillig gezahlt hat.
Es liegen daher die Voraussetzungen des § 788 Abs. 2 ZPO für die Bestimmung des
zuständigen Vollstreckungsgerichts nicht vor. Weder gibt es eine anhängige
Vollstreckungshandlung des Klägers noch lässt sich eine "letzte"
Vollstreckungshandlung im Sinne des § 788 Abs. 2 Satz 1 ZPO feststellen. Das allein
zum Zwecke der Kostenfestsetzung angerufene Gericht könnte somit nur hypothetisch –
für den Fall einer etwa notwendig gewesenen Vollstreckung - bestimmt werden. Dies
kann jedoch für die Feststellung seiner Zuständigkeit nicht genügen und würde auch
Unwägbarkeiten in sich tragen, weil die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts von
der jeweiligen Vollstreckungshandlung abhängt (§ 764 Abs. 2 ZPO). Unter Berufung auf
den eindeutigen Wortlaut des § 788 Abs. 2 ZPO könnte daher jedes angerufene
Amtsgericht seine Zuständigkeit verneinen.
16
Unter diesen Umständen kommt aber im Ergebnis nur die Zuständigkeit des Gerichts
des Erkenntnisverfahrens für die Kostenfestsetzung in Betracht (so wohl auch Musielak-
Lackmann aaO, Rn 3 mit Hinweis auf KG JurBüro 1987, 390 und OLG Frankfurt NJW
1953, 671, 672). Wenn auch die Kosten für die Beibringung einer zur Vollstreckung
erforderlichen Sicherheit grundsätzlich Vorbereitungskosten und damit Kosten der
Zwangsvollstreckung sind, kann dies zur Anwendbarkeit des § 788 ZPO erst dann
führen, wenn es nachfolgend tatsächlich zu Vollstreckungshandlungen im Sinne der
Vorschrift kommt, weil nur sie die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts begründen.
17
Der Kläger ist auch nicht gehalten, die ihm entstandenen Kosten außerhalb jeden
Festsetzungsverfahrens im Wege einer eigenständigen Klage (sofern der Beklagte den
Anspruch nicht wiederum freiwillig erfüllt) geltend zu machen. Die Vollstreckungskosten
(im Sinne des § 788 ZPO) sind von den (allgemeinen) Prozesskosten, für die §§ 91 ff.
ZPO gelten, abzugrenzen (Musielak-Lackmann aaO). Steht nach einer solchen
Abgrenzung fest, dass es sich um Vollstreckungskosten handelt, ist auch für den
festsetzenden Rechtspfleger klar, dass eine etwaige Kostenquote, die nach dem
Ergebnis des Erkenntnisverfahrens die Kostenverteilung unter den Parteien regelt, für
18
die Verteilung der Vollstreckungskosten nicht maßgeblich ist. Entscheidend ist vielmehr
allein, ob die geltend gemachten Kosten tatsächlich notwendig gewesen sind, wie es
auch § 788 Abs. 1 ZPO ausdrücklich voraussetzt. Im Übrigen ist der vorliegende Fall in
dieser Hinsicht nicht entscheidungserheblich anders gelagert als der vom
Bundesgerichtshof zu den Kosten der Abwehr einer Zwangsvollstreckung entschiedene
Fall. Auch dort ist das Prozessgericht für die Festsetzung von Kosten zuständig, auf
welche die im Erkenntnisverfahren maßgebliche Kostenquote keinen Einfluss hat.
3. Die Höhe der dem Kläger entstandenen Kosten steht nicht im Streit. Sie ist durch
Vorlage aussagekräftiger Unterlagen belegt. Auch die rechtliche Voraussetzung der
Notwendigkeit dieser Kosten kann nicht angezweifelt werden. Sie entfällt erst, wenn der
Gläubiger imstande ist, die Bürgschaft seiner Bank zurückzugeben (OLG Karlsruhe
NJW-RR 1987, 128; OLG Koblenz JurBüro 1998, 494). Vorliegend ist die Rechtskraft
des mit der Berufung angefochtenen Urteils des Landgerichts mit der wirksamen
Rücknahme des Rechtsmittels am 11. November 2005 eingetreten (Bl. 701 GA).
Entsprechend hat der Kläger die Avalkosten nur für den Zeitraum bis einschließlich
November 2005 geltend gemacht.
19
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Beschwerdewert entspricht
der Höhe der zur Festsetzung angemeldeten Kosten.
20
Die Rechtsbeschwerde hat der Senat zugelassen, weil die Rechtssache durchaus
grundsätzliche Bedeutung hat und darüber hinaus die Fortbildung des Rechts und die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Rechtsbeschwerdegerichts erfordern.
21
R… S… F…
22