Urteil des OLG Düsseldorf vom 02.05.2007

OLG Düsseldorf (daten, höhe, entgelt, datenbank, betrag, auslegung, eugh, bundesrepublik deutschland, abgrenzung zu, zahlung)

Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-U (Kart) 31/06
Datum:
02.05.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Kartellsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
VI-U (Kart) 31/06
Tenor:
I.
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des weiterge-
henden Rechtsmittels das am 28. Juni 2006 verkündete Teil-Urteil des
Landgerichts Köln teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu ge-
fasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 111.688,62 € zuzüglich Zin-
sen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
15.12.2004 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin und die Be-
klagte zu jeweils 50 %.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten und die Beklagte die
Vollstreckung der Klägerin jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die
jeweils gegnerische Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird zugelassen.
V.
Wert des Berufungsverfahrens: 227.274,01 €.
Wert des Berufungsverfahrens: 227.274,01 €.
Gründe
1
I.
2
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus eigenem und aus abgetretenem Recht der Fa. B.
D. S. GmbH (nachfolgend: Fa. B.) auf Rückzahlung von Nutzungsentgelten für die
Überlassung von Teilnehmerdaten für das Vertragsjahr 2002/2003 in Anspruch.
3
Die Klägerin betreibt einen Auskunftsdienst und gibt darüber hinaus
Telefonverzeichnisse in Print- und elektronischen Medien heraus.
4
Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin des ehemaligen Monopolunternehmens D. T..
Sie betreibt in der Bundesrepublik Deutschland ein Teilnehmernetz und ist auf dem
Markt für die Bereitstellung von Teilnehmernetzanschlüssen marktführend. Im Rahmen
ihrer Tätigkeit als Telefondienst- und Teilnehmernetzbetreiberin erhebt und verwaltet sie
Kundendaten, die sie für die Erbringung ihrer Dienstleistungen und deren Abrechnung
benötigt. Es handelt sich hierbei vornehmlich um den Namen, die Anschrift und die
Telefonnummer des Kunden (sog. Basisdaten), weitere Zusatzdaten (z.B. Beruf,
Branche) sowie andere notwendige Vertragsdaten. Diese Kundendaten verwaltet die
Beklagte in ihrer Datenbank A.. Darüber hinaus unterhält die Beklagte eine Datenbank
mit Namen D., die sie zu dem Zweck aufgebaut hat, Teilnehmerdaten für Verzeichnis-
und Auskunftsdienste bereitstellen zu können. In D. enthalten sind die
Kundenteilnehmerdaten aus A., soweit die Kunden einer Aufnahme ihrer Daten in ein
Teilnehmerverzeichnis nicht widersprochen haben, sowie sog. Carrier. Hierbei handelt
es sich um Kundendaten, die von Wettbewerbern der Beklagten zur Verfügung gestellt
werden, die selbst kein eigenes Teilnehmerverzeichnis herausgeben oder keinen
eigenen Auskunftsdienst betreiben. Als Anbieter von
Sprachkommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit bietet die Beklagte die ihr
verfügbaren Teilnehmerdaten überdies Herausgebern und Verlegern von
Telekommunikationsverzeichnissen und Auskunftsdiensten an. Über
Tochtergesellschaften ist die Beklagte gleichfalls als Auskunftsdienstleister und
Herausgeberin von Telefonverzeichnissen tätig.
5
Die Klägerin schloss mit der Beklagten am 15.04.1999 einen Vertrag über die
Überlassung von Teilnehmerdaten, den die vertragsschließenden Parteien Ende des
Jahres 2001 hinsichtlich der in § 4 des Vertrages vorgesehenen Entgeltvereinbarung
abänderten. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Vertragsänderung vom
16./22.11./06.12.2001 (Bl. 16-18 GA) Bezug genommen.
6
Im Mai 2002 erhielt die Klägerin von der Beklagten die Teilnehmerdaten für das
Vertragsjahr 2002/2003, das vom 01.08.2002 bis zum 31.07.2003 lief. Hiefür berechnete
die Beklagte unter dem 21.05.2002 ein (vorläufiges) Mindestentgelt in Höhe von
438.991,98 € incl. MwSt.. Die Klägerin zahlte hierauf lediglich einen Betrag von
298.050,00 €. Dies nahm die hiesige Beklagte zum Anlass, die Klägerin im Juli 2003 vor
dem Landgericht Bonn auf Zahlung restlicher 140.942,00 € in Anspruch zu nehmen. Die
Klägerin verteidigte sich gegen die Klage, indem sie vorrangig das berechnete Entgelt
7
als überhöht kritisierte und hilfsweise mit etwaigen Schadensersatzansprüchen wegen
Mängel der überlassenen CDs aufrechnete. Der Rechtsstreit endete durch Abschluss
eines Prozessvergleichs am 11.12.2003. Die hiesige Klägerin verpflichtete sich "zur
Abgeltung aller Ansprüche, die Gegenstand dieses Rechtsstreits sind", an die Beklagte
einen Betrag von 80.000 € nebst Zinsen zu zahlen.
Im September 2002 hatte das Bundeskartellamt gegen die Beklagte ein Verfahren
wegen des Verdachts des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (§ 20
GWB) wegen überhöhter Entgelte für die Datenüberlassung eingeleitet. Das Verfahren
wurde im September 2003 eingestellt, nachdem sich die Beklagte damit einverstanden
erklärt hatte, ab dem 01.01.2003 der Berechnung der Entgelte nur noch jährliche
Gesamtkosten von maximal 49 Mio. Euro anstelle von bisher 89,9 Mio. Euro zu Grunde
zu legen.
8
Die Fa. B. schloss mit der Beklagte am 08.09.2000 einen Datenüberlassungsvertrag,
der zum 31.09.2003 endete. Die Teilnehmerdaten für das Vertragsjahr 2002/2003 erhielt
die Fa. B. im September 2002. Die Beklagte berechnete hierfür unter dem 25.09.2002
ein (vorläufiges) Mindestentgelt in Höhe von 375.513,48 € zzgl. MwSt., das die Fa. B. in
vollem Umfang bezahlte. Unter dem 14.10./18.10.2004 schloss die Klägerin mit der Fa.
B. eine Abtretungsvereinbarung, die auszugsweise wie folgt lautet:
9
"Hiermit tritt B. an k. sämtliche Ansprüche ab, die B. gegen die D. T. AG (D.) wegen
unterlassener Weitergabe von Preissenkungen betreffend die Mindestentgelte für
Datennutzungen besitzt. Es handelt sich dabei um Preissenkungen, die zwischen D.,
dem Bundeskartellamt und der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post
im Jahr 2003 (rückwirkend) für die Zeit ab dem 01.01.2003 vereinbart wurden. .... "
10
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die in Fotokopie bei den Akten befindliche
Abtretungsvereinbarung (Bl. 33 GA) Bezug genommen.
11
Die Klägerin hat beantragt,
12
die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag von 227.274,01 €
zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus einem Teilbetrag von 115.585,38 € seit dem 24.08.2004 und aus
einem weiteren Teilbetrag von 111.688,63 € seit dem 15.12.2004 zu
zahlen.
13
Die Beklagte hat beantragt,
14
die Klage abzuweisen.
15
Widerklagend hat sie beantragt,
16
die Klägerin und Widerbeklagte zu verurteilen, an sie 688.316,52 € nebst
8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
17
Die Klägerin hat beantragt,
18
die Widerklage abzuweisen.
19
Das Landgericht hat mit Teil-Urteil vom 28.06.2006 die Klage abgewiesen. Der Klägerin
stehe aus eigenem Recht ein Anspruch auf Zahlung von 115.585,38 € nicht zu. Der vor
dem Landgericht Bonn am 11.12.2003 geschlossene Vergleich stehe einer
Rückforderung des gezahlten Nutzungsentgelts, sei es auf der Grundlage eines
vertraglichen oder eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs, entgegen. Ob der
Vergleich unwirksam oder gemäß § 313 BGB anzupassen sei, sei nicht im
vorliegenden, sondern in dem Rechtsstreit zu klären, in dem er abgeschlossen worden
sei. Auch aus abgetretenem Recht der Fa. B. könne die Klägerin die Beklagte nicht auf
Zahlung in Anspruch nehmen. Zwar sei die Abtretungsvereinbarung wirksam, jedoch sei
nach dem eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung nur der Anspruch wegen
unterlassener anteiliger Weitergabe der Preissenkung ab dem 01.01.2003 und nicht
auch ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch wegen (Teil-)Nichtigkeit der
Entgeltvereinbarung abgetreten worden. Ein Anspruch der Fa. B. gegen die Beklagte
wegen unterlassener Weitergabe der Preissenkung bestehe indes aus keinem
rechtlichen Gesichtspunkt.
20
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der form- und fristgerecht eingelegten
und begründeten Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Klageziel in vollem Umfang
weiterverfolgt.
21
Die Klägerin beantragt,
22
das am 28. Juni 2006 verkündete Teil-Urteil des Landgerichts Köln
abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag von
227.274,01 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz aus einem Teilbetrag von 115.585,38 € seit dem
24.08.2004 und aus einem weiteren Teilbetrag von 111.688,63 € seit
dem 15.12.2004 zu zahlen.
23
Die Beklagte beantragt,
24
die Berufung zurückzuweisen.
25
II.
26
Die zulässige Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg. Sie ist in Höhe von 111.688,62
€ begründet; im übrigen indes unbegründet.
27
1.
28
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus eigenem Recht keinen Anspruch auf Zahlung
von 115.585,38 €. Sie kann von der Beklagten in dieser Höhe nicht die Rückzahlung
von Entgelten beanspruchen, die sie für die Überlassung von Teilnehmerdaten für das
Vertragsjahr 2002/2003 an die Beklagte gezahlt hat.
29
Die Klägerin hat durch Abschluss des Prozessvergleichs vom 11.12.2003 vor dem
Landgericht Bonn in dem Rechtsstreit umgekehrten Rubrums (D. T. AG ./. K. GmbH, Az.:
14 O 103/03, LG Bonn) auf etwaige Rückzahlungsansprüche wegen überhöhter
Entgelte für das Vertragsjahr 2002/2003 verzichtet (§§ 779, 397 BGB). Der Vergleich
enthält im Rahmen gegenseitigen Nachgebens einen Erlass etwaiger hierauf gerichteter
Ansprüche der Klägerin.
30
a.
31
In Ziffer 1 des Prozessvergleichs vom 11.12.2003 verpflichtete sich die Klägerin, "zur
Abgeltung aller Ansprüche, die Gegenstand dieses Rechtsstreits sind", an die Beklagte
einen Betrag von 80.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Nach dem geltenden Grundsatz
einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (vgl. BGH NJW-RR 1995,
1201; OLG Köln MDR 2000, 140) ist diese Vereinbarung dahingehend auszulegen,
dass die Klägerin an die Beklagte für die im Vertragsjahr 2002/2003 überlassenen
Teilnehmerdaten über den bereits geleisteten Betrag von 298.050,00 € hinaus weitere
80.000 € nebst Zinsen zahlt und damit gleichzeitig Rückforderungsansprüche der
Klägerin wegen etwaig überhöhter Entgelte für diesen Zeitraum ausgeschlossen sind.
32
In dem Vorprozess ging es im Kern um die Frage, in welcher Höhe die Beklagte
berechtigt ist, von der Klägerin eine Vergütung für die für das Vertragsjahr 2002/2003
überlassenen Teilnehmerdaten zu verlangen. Auf der Grundlage der in § 4 des
Datenüberlassungsvertrages vereinbarten Entgeltregelung berechnete die Beklagte der
Klägerin für das Vertragesjahr 2002/2003 unter dem 21.05.2002 einen Betrag von
insgesamt 438.991,98 €, den die Klägerin jedoch nur teilweise bezahlte. Vorprozessual
rechtfertigte sie die Kürzung des Rechnungsbetrages in Höhe von 140.942,00 € damit,
dass ihr durch fehlerhafte oder verspätet gelieferte Daten Kosten in erheblicher Höhe
entstanden seien. Im Rahmen des Prozesses verteidigt sie sich aber vorrangig damit,
dass das verlangte Entgelt um ca. 45 % überhöht sei, nur hilfsweise erklärte sie die
Aufrechnung mit etwaigen Schadensersatzansprüchen wegen Schlechtleistungen der
Beklagten (Seite 2 der Klageerwiderung vom 02.10.2003, Bl. 125 Anlagen-Ordner). Auf
mehr als acht Seiten ihrer Klageerwiderung stellte die Klägerin in Abrede, dass das von
der Beklagten verlangte Entgelt den Anforderungen von § 12 TKG a.F. genüge, wonach
nur ein angemessenes Entgelt für die Überlassung von Teilnehmerdaten beansprucht
werden könne. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf das vom Bundeskartellamt im
September 2002 gegen die Beklagte eingeleitete Verfahren wegen des Verdachts des
Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung gemäss §§ 19, 32 GWB i.V.m. § 12
TKG, das nur deshalb eingestellt worden sei, weil sich die Beklagte bereit erklärt habe,
ab dem 01.01.2003 bei ihrer Kostenkalkulation jährliche Gesamtkosten von 49 Mio. €
anstelle von bisher 89 Mio. € zu Grunde zu legen. Entsprach das von der Beklagten für
das Vertragsjahr 2002/2003 verlangte Entgelte nicht den Anforderungen des § 12 TKG,
war die in § 4 des Datenüberlassungsvertrages enthaltene Entgeltvereinbarung
(teilweise) gemäß § 134 BGB nichtig und die Zahlungsklage unbegründet. Das
Interesse der Parteien war also gerade auf die Klärung der Frage gerichtet, ob die
Entgeltforderung der Beklagten der Höhe nach berechtigt war. Die Wirksamkeit der
Entgeltvereinbarung ist ausdrücklich zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht
worden und hätte im Rahmen des Vorprozesses ohne den Abschluss des Vergleichs
geklärt werden müssen. Wenn sich die Klägerin nun im Rahmen des Vergleichs damit
einverstanden erklärt, an die Beklagte zum Ausgleich der streitgegenständlichen (Rest-
)Forderung über den vorprozessual geleisteten Betrag hinaus weitere 80.000 € zu
zahlen, bringt sie damit zum Ausdruck, für das Jahr 2002/2003 auf den Einwand einer
überhöhten Vergütung und damit gleichzeitig auch auf etwaige hierauf gestützte
Rückforderungsansprüche zu verzichten. Die Ungewissheit, in welcher Höhe die
Entgeltforderung der Beklagten tatsächlich berechtigt ist, sollte durch den Vergleich
beseitigt werden. Die Beklagte wollte und durfte sich daher darauf verlassen, dass mit
Zahlung weiterer 80.000 € durch die Klägerin die Angelegenheit, d.h. die Vergütung der
Datenüberlassung für das Vertragsjahr 2002/2003 erledigt ist und sie sich diesbezüglich
33
zukünftig keinen Rückforderungsansprüchen wegen einer überhöhten Vergütung
ausgesetzt sieht.
b.
34
Soweit die Klägerin im vorliegenden Verfahren geltend macht, der Prozessvergleich sei
nicht wirksam, hat das Landgericht zu Recht ausgeführt, dass diese Frage durch
Fortsetzung des ursprünglichen Rechtsstreits und nicht im Rahmen des hiesigen
Verfahrens zu klären ist.
35
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Verfahren, in dem der
Prozessvergleich geschlossen worden ist, grundsätzlich dann fortzusetzen, wenn die
Wirksamkeit des Prozessvergleichs angegriffen und damit seine den Prozess
beendende Wirkung in Frage gestellt ist (BGHZ 87, 227 m.w.Nachw.). Eine Ausnahme
gilt dann, wenn in dem Prozessvergleich auch Ansprüche geregelt werden, die
ausschließlich Gegenstand eines anderen zwischen den Parteien schwebenden
Rechtsstreits waren und ausschließlich die Unwirksamkeit dieser über den
Streitgegenstand hinausgehenden Regelung geltend gemacht wird (BGHZ 87, 227). Ein
solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht vor. Die Klägerin stellt die prozessbeendende
Wirkung des Vergleichs und nicht eine über den Streitgegenstand hinausgehende
Regelung in Frage. Eine solche Regelung enthält der Vergleich vom 11.12.2003 nicht.
Der Streit geht gerade darum, in welcher Höhe der Beklagten ein Entgelt für die im
Vertragsjahr 2002/2003 überlassenen Teilnehmerdaten gegen die Klägerin zusteht.
36
2.
37
Die Klägerin steht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht der Fa. B. aus § 812
Abs. 1 Satz 1 1. HS BGB ein Anspruch auf Zahlung von 111.688,62 € zu.
38
a.
39
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Entgegen den Ausführungen des Landgerichts umfasst
die Abtretungsvereinbarung zwischen der Klägerin und der Fa. B. vom 14./18.10.2004
(Bl. 33 GA) auch gesetzliche Ansprüche der Fa. B. gegen die Beklagten wegen etwaiger
Teilnichtigkeit der Entgeltvereinbarung in § 4 des Datenüberlassungsvertrages, die der
Höhe nach auf die Differenz zwischen den von der Beklagten vereinnahmten und der
vom Bundeskartellamt ab dem 01.01.2003 für zulässig erachteten Preise beschränkt
sind.
40
Zu diesem Ergebnis führt eine Auslegung der Abtretungsvereinbarung gemäß §§ 133,
157 BGB.
41
aa.
42
Nach dem Wortlaut der Vereinbarung wird nicht zwischen Ansprüchen unterschieden,
die sich aus dem Datenüberlassungsvertrag ergeben, und solchen, die aus allgemeinen
Rechtsvorschriften, hier insbesondere aus ungerechtfertigter Bereichung folgen. Es ist
vielmehr von "sämtlichen", d.h. nach allgemeinem Sprachverständnis von allen in
Betracht kommenden Ansprüchen die Rede, die der Fa. B. gegen die Beklagte
zustehen, weil sie für die überlassenen Daten höhere Preise berechnet hat, als es das
Bundeskartellamt im Hinblick auf einen Verstoß gegen § 19, 20 GWB i.V.m. § 12 TKG
43
für den Zeitraum ab dem 01.01.2003 für zulässig erachtet hat. Für eine Beschränkung
der Abtretung auf vertragliche Anspruchsgrundlagen spricht auch nicht die nähere
Beschreibung der abgetretenen Ansprüche. Nach dem Wortlaut der Erklärung werden
all die Ansprüche abgetreten, die der Fa. B. gegen die Beklagte "wegen unterlassener
Preissenkungen betreffend die Mindestentgelte für Datennutzungen" zustehen. Um
welche Preissenkungen es sich handelt, wird anschließend unter Bezugnahme auf das
gegen die Beklagte eingeleitete Preismissbrauchsverfahren näher erläutert. Es ging den
vertragsschließenden Parteien also um Rückzahlungsansprüche der Fa. B. gegen die
Beklagte wegen vermeintlicher Überzahlung der tatsächlich für die Datenüberlassung
ab dem 01.01.2003 geschuldeten Entgelte. Hierbei kann es sich um vertragliche, aber
genauso gut auch um gesetzliche Ansprüche handeln.
Gegen eine Beschränkung der Abtretungsvereinbarung auf vertragliche Ansprüche
sprechen neben dem Wortsinn auch die Begleitumstände und die Interessenlage. Nach
dem in erster Instanz unstreitigen Vortrag haben sich die Klägerin und die Fa. B. bei
Abschluss der Abtretungsvereinbarung keine Gedanken darüber gemacht, aus welchem
Rechtsgrund die Rückforderung überzahlter Entgelte gerechtfertigt sein könnte, so dass
der Wille, bei der Abtretung nach Anspruchsgrundlagen zu trennen, schon in
tatsächlicher Hinsicht gar nicht vorhanden war. Anlass für die Abtretungsvereinbarung
war ein außergerichtlicher Vergleich über Regressansprüche der Klägerin gegen die
Fa. B.. Die Abtretung erfolgte zur Abgeltung dieser Regressansprüche, weshalb es den
vertragsschließenden Parteien vor allem um die Werthaltigkeit der abgetretenen
Ansprüche und nicht darum ging, aus welchem Rechtsgrund sie gerechtfertigt sein
könnten (Bl. 516). Soweit die Beklagte diesen Vortrag der Klägerin erstmals in der
Berufungsinstanz bestreitet (vgl. Bl. 852 GA), ist dieses Bestreiten verspätet. Für eine
Zulassung dieses neuen Verteidigungsmittels gemäß § 531 Abs. 2 ZPO besteht keine
Veranlassung.
44
bb.
45
Aus dem Wortlaut der Abtretungsvereinbarung ergibt sich ferner mit der für eine
wirksamen Abtretung erforderlichen Bestimmtheit, dass der Rückforderungsanspruch
der Fa. B. wegen Zahlung überhöhter Mindestentgelte nach dem Willen der
vertragsschließenden Parteien in zeitlicher Hinsicht und auch der Höhe nach
beschränkt ist. Die in der Abtretungsvereinbarung angesprochenen und von der
Beklagten nicht umgesetzten Preissenkungen werden weiter danach konkretisiert, dass
es sich um die Preissenkungen handelt, "die zwischen D., dem Bundeskartellamt und
der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post im Jahr 2003 (rückwirkend)
für die Zeit ab dem 01.01.2003 vereinbart wurden". Hieraus folgt zum einen, dass sich
der Rückforderungsanspruch nur auf den Vertragszeitraum ab dem 01.01.2003 (bis zur
Beendigung des Datenüberlassungsvertrages zum 30.09.2003) bezieht. Zum anderen
folgt hieraus, dass der Anspruch der Höhe nach beschränkt ist auf die Differenz
zwischen dem tatsächlich von der Fa. B. für diese Zeitspanne (01.01. – 31.09.2003)
gezahlten Nutzungsentgelt und dem Entgelt, dass auf der Grundlage der vom
Bundeskartellamt für zulässig erachteten Kostenkalkulation zu zahlen wäre.
46
b.
47
Die Beklagte hat von der Fa. B. für die im September 2002 überlassenen
Teilnehmerdaten jedenfalls einen Betrag von 111.688,63 € ohne Rechtsgrund erlangt.
48
Die Beklagte hat der Fa. B. gemäß § 4 des geschlossenen Datenüberlassungsvertrages
für das Vertragsjahr 2002/2003 gemäß Rechnung vom 25.09.2002 einen Betrag von
375.513,48 € zzgl. 16 % MwSt. berechnet. Diesen Betrag hat die Fa. B. an die Beklagte
gezahlt.
49
Jedoch ist die Zahlung in Höhe von 96.283,30 € zzgl. 16 % MwSt., also in Höhe von
111.688,62 €, ohne Rechtsgrund erfolgt.
50
Die in § 4 des Datenüberlassungsvertrages vom 08.09.2000 enthaltene
Entgeltvereinbarung ist gemäß § 134 BGB insoweit nichtig, als hierdurch der nach § 12
TKG in der Fassung vom 25. Juli 1996 (nachfolgend: TKG a.F.) zulässige Preis für die
Überlassung von Teilnehmerdaten im Sinne der genannten Vorschrift überschritten
wird.
51
aa.
52
Soweit § 12 TKG a. F. die Höhe des Entgelts konkretisiert, das für die Bereitstellung der
Teilnehmerdaten zu zahlen ist, handelt es sich um ein Verbotsgesetz im Sinne von §
134 BGB. Nach § 12 TKG a.F. hat sich das Entgelt an den Kosten der effizienten
Bereitstellung zu orientieren (Abs. 1 S. 2 TKG a.F.) bzw. sind die Teilnehmerdaten
gegen ein angemessenes Entgelt zugänglich zu machen (Abs. 2 TKG a.F.). Hieraus
ergibt sich das gesetzliche Verbot, das Entgelt abweichend von diesen Vorgaben zu
bestimmen.
53
bb.
54
Die in § 4 Abs. 1 des Vertrages enthaltene Preisvereinbarung verstößt gegen § 12 TKG
a.F., soweit die Beklagte der Fa. B. (auch) Teilnehmerdaten im Sinne der genannten
Vorschrift überlassen hat. Die Preisvereinbarung ist hinsichtlich dieser Daten nicht an
den Kosten der effizienten Bereitstellung orientiert, weil die Beklagte in das Entgelt die
jährlichen Kosten für den Aufbau und die Unterhaltung der Datenbank D. sowie die
Kosten für die Pflege des Datenbestandes jeweils gekürzt um den Anteil der nur von ihr
und ihren Tochtergesellschaften genutzten sog. Exklusivdaten einbezogen hat.
55
(1)
56
Es kommt vorliegend nicht darauf an, ob die Fa. B., obwohl sie selbst keine
Sprachkommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbietet, als
Lizenznehmerin im Sinne von § 12 Abs. 1 TKG a.F. zu behandeln ist. Selbst wenn § 12
Abs. 2 TKG a.F. einschlägig sein sollte, weil ihr die Teilnehmerdaten als Dritte im Sinne
der Vorschrift zugänglich gemacht worden sind, hat dies keinen Einfluss auf den
gesetzlich zulässigen Kostenmaßstab. In beiden Fällen erfordert die Preisgestaltung
eine Kostenorientierung. Zwar kann nach dem Wortlaut von § 12 Abs. 2 TKG a.F. für die
Bereitstellung der Teilnehmerdaten an einen Dritten ein angemessenes Entgelt verlangt
werden, während sich nur das von einem Lizenznehmer nach § 12 Abs. 1 Satz 2 TKG
a.F. zu zahlende Entgelt an den Kosten der effizienten Bereitstellung zu orientieren hat.
Dies bedeutet aber nicht, dass von dem Dritten der marktübliche Preis für die
Bereitstellung von Kundendaten für gewerbliche Zwecke verlangt werden kann, es also
auf die tatsächlich für die Bereitstellung anfallenden Kosten nicht ankommt. Eine
richtlinienkonforme Auslegung des Begriffes "angemessenes Entgelt" kommt vielmehr
zu dem Ergebnis, dass gegenüber sämtlichen Telefonauskunftbetreibern nur die Kosten
57
der effizienten Bereitstellung umgelegt werden dürfen (so auch Gärtner TMR 2002, 48;
Maier K&R 2005, 362, 365; Wilms MMR 2006, 74, 77; offen gelassen BGH Urteil v. 11.
Juli 2006, KZR 29/05).
Ein mitgliedstaatliches Gericht hat gemäß Art. 249 EG das nationale Recht im Lichte
des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen. Dabei muss das Gericht die
Auslegung unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihm das
nationale Recht einräumt, in Übereinstimmung mit den Anforderungen des
Gemeinschaftsrechts vornehmen. In zeitlicher Hinsicht kommt es weder darauf an, ob
das auszulegende Recht vor oder nach der Richtlinie, noch ob es speziell zur
Umsetzung der Richtlinie erlassen wurde (Ruffert in Callies/Ruffert, EUV/EGV, 2. Aufl.,
Art. 249 EGV Rn. 106; Schroeder in Streinz, EUV/EGV, Art. 249 EGV Rn. 125 f.; EuGH
Urteil v. 27.06.2000, Slg. 2000, I-04941, Tz. 30-32 – Quintero; EuGH, Urteil v.
11.07.1996, Slg. 1996, I-0603, Tz.26 – Eurim Pharma/Beiersdorf AG; EuGH, Urteil vom
10.04.1984, Slg. 1984, 01891, Tz. 26 – Colson und Kamann/Land NRW). Eine Grenze
findet die richtlinienkonforme Auslegung in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des
Gemeinschaftsrechts, insbesondere in den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des
Rückwirkungsverbots (Ruffert in Callies/Ruffert, EUV/EGV, 2. Aufl., Art. 249 EGV Rn.
106 m.w.Nachw.).
58
Der in § 12 Abs. 2 TKG a.F. gewählte Begriff "angemessenes Entgelt" ist der Auslegung
zugänglich. Der Begriff hat keinen eindeutigen Inhalt. Es handelt sich vielmehr um einen
unbestimmten Rechtsbegriff, der im Wege der Auslegung konkretisiert und ausgefüllt
werden muss. So kann die Höhe eines Entgelts dann angemessen sein, wenn sich der
Preis im Rahmen dessen bewegt, was für die in Rede stehende Leistung als
marktüblich angesehen wird. Der angemessene Preis kann aber auch derjenige sein,
der sich an den Kosten für die entgeltpflichtige Leistung orientiert. Ist aber der Wortlaut
der Auslegung fähig, so ist § 12 Abs. 2 TKG a.F. mit Rücksicht auf Art. 6 Abs. 3 der
Richtlinie 98/10/EG vom 26. Februar 1998 über die Anwendung des offenen
Netzzugangs (ONP) beim Sprachtelefondienst und den Universaldienst im
Telekommunikationsbereich in einem wettbewerbsorientierten Umfeld (ONP-
Sprachtelefondienstrichtlinie II) richtlinienkonform dahin auszulegen, dass sich das
Entgelt auch bei der Bereitstellung von Teilnehmerdaten an einen Dritten an den Kosten
der effizienten Bereitstellung zu orientieren hat. Nach dem Wortlaut der Richtlinie haben
die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass "alle Organisationen, die Telefonnummern an
Teilnehmer vergeben, jedem vertretbaren Antrag stattgeben, die entsprechenden
Informationen in einer vereinbarten Form zu gerechten, kostenorientierten und
nichtdiskriminierenden Bedingungen zur Verfügung zu stellen". Eine Differenzierung
nach der Art der Datenabnehmer ist nicht vorgesehen, so dass die vom nationalen
Gesetzgeber vorgesehene Differenzierung zwischen lizenzierten
Sprachtelefonieanbietern und sonstigen Dritten ein Verstoß gegen die ONP-
Sprachtelefondienstrichtlinie II darstellt. Anders als die Beklagte meint, steht die vom
nationalen Gesetzgeber bewusst vorgenommene Differenzierung einer Auslegung nicht
entgegen. Bei richtlinienkonformer Auslegung einer nationalen Vorschrift geht es darum,
der Verpflichtung aus Art. 249 Abs. 3 EG nachzukommen und alle geeigneten
Maßnahmen zur Verwirklichung der Richtlinie zu ergreifen. Der tatsächliche Wille des
nationalen Gesetzgebers ist nicht maßgeblich. Ohne Erfolg macht die Klägerin darüber
hinaus geltend, das Auslegungsergebnis führe zu einer unzulässigen horizontalen
Wirkung im Verhältnis zwischen zwei Privaten. Zwar ist zutreffend, dass der EuGH eine
unmittelbare Verpflichtung Privater durch Richtlinienbestimmungen für unzulässig
erachtet. Ein Verpflichtung der Beklagten wird hier aber nicht unmittelbar aufgrund der
59
Richtlinie begründet. Bei richtlinienkonformer Auslegung entsteht die Verpflichtung
vielmehr aufgrund des richtlinienkonform ausgelegten nationalen Recht. Eine
unzulässige unmittelbare Verpflichtung aus der Richtlinie wird daher nicht begründet
(Ruffert in Callies/Ruffert, aaO., Art. 249 EGV Rn. 111 m.w.Nachw.).
(2)
60
Das von der Beklagten verlangte Entgelt verstößt gegen den in § 12 TKG a.F.
vorgesehenen Kostenmaßstab, soweit es um die Bereitstellung der von § 12 TKG a.F.
erfassten Teilnehmerdaten geht. Die Preisgestaltung der Beklagten ist nicht an den
Kosten der effizienten Bereitstellung der Teilnehmerdaten orientiert und daher
unzulässig. Sie hat in das Entgelt für die Bereitstellung der in Rede stehenden Daten
die Kosten für den Aufbau und die Unterhaltung der Datenbank D. einbezogen.
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(a)
62
Der zwischen der Parteien geschlossene Datenüberlassungsvertrag umfasst unstreitig
(auch) die Überlassung von Teilnehmerdaten im Sinne von § 12 TKG a.F., so dass es
keiner Entscheidung bedarf, ob hierzu nur die sog. Basisdaten (Telefonnummer,
Anschrift, Wohnort, Postleitzahl) zählen, die für das Erbringen von Auskunfts- und
Teilnehmerverzeichnisdienstleistungen zwingend erforderlich sind, oder ob hierzu auch
sog. Zusatzdaten wie z.B. Beruf und Branche gehören (vgl. § 47 Abs. 2 TKG n.F.). Die
Beklagte behauptet selbst nicht, dass sie der Fa. B. außer den sog. Carriern
ausschließlich Zusatzdaten und keine Basisdaten überlassen hat. Überdies hat die
BNetzA in ihrem Beschluss vom 17.08.2006 eine umfassende Untersuchung der
Schnittstellenbeschreibung in Anhang C des Vertrages zur Überlassung von
Teilnehmerdaten vorgenommen und festgestellt, dass allenfalls bei sieben von
insgesamt 75 Datenfeldern in Rede stehen könnte, dass es sich um zusätzliche Daten
handelt.
63
(b)
64
Die Beklagte hat die im Zusammenhang mit dem Aufbau und die Unterhaltung der
Datenbank D. sowie der Pflege des Datenbestandes stehenden Aufwendungen in die
Kalkulation des Entgelts für die Überlassung sämtlicher Daten und damit auch für die
Überlassung der Teilnehmerdaten i.S.v. § 12 TKG a.F. einbezogen. Die Kosten für D.
dürfen dem Datenabnehmer aber nicht in Rechnung gestellt werden, soweit es die
Überlassung der von § 12 TKG a.F. erfassten Teilnehmerdaten betrifft. Eine solche
Preisgestaltung ist nicht an den Kosten der effizienten Bereitstellung der
Teilnehmerdaten orientiert.
65
Was unter den Kosten der effizienten Bereitstellung im Sinne von § 12 TKG a.F. zu
verstehen ist und ob hierzu insbesondere auch die Kosten für die Erstellung und
Unterhaltung einer Datenbank gehören, ist anhand der einschlägigen
Richtlinienvorschrift zu ermitteln. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 6 Abs. 3
RL 98/10/EG, soweit er vorsieht, dass Dritten Teilnehmerdaten zu gerechten,
kostenorientierten und nichtdiskriminierenden Bedingungen zur Verfügung gestellt
werden, so auszulegen, dass Dritten nur die Kosten für das tatsächliche
Zurverfügungstellen dieser Daten in Rechnung gestellt werden kann und für zusätzliche
Daten, die den Dritten nicht zur Verfügung gestellt werden müssen, nur die zusätzlichen
Kosten, die der Datenlieferant selbst für den Erhalt dieser Daten aufwenden muss, nicht
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aber die Kosten für dieses Zurverfügungstellen, abverlangt werden können (EuGH Urteil
v. 25.11.2004, Rs. C. 109/03, MMR 2005, 227).
Die Aufwendungen für den Aufbau und die Unterhaltung der Datenbank D. gehören
nicht zu den Kosten für das tatsächliche Zurverfügungstellen der Teilnehmerdaten. Was
der EuGH unter den Kosten für das tatsächliche Zurverfügungstellen der Daten in
Abgrenzung zu anderen damit in Zusammenhang stehenden Kostenpositionen versteht,
ergibt sich aus den Gründen der zitierten Entscheidung in Verbindung den
Schlussanträgen des Generalanwalts. So führt der EuGH in den Urteilsgründen unter
Bezugnahme auf die Schlussanträge des Generalanwalts, dort Nummer 49, aus, dass
die Kosten, die mit dem Erhalt oder der Zuordnung der Daten verbunden sind (bzw. mit
der Erhebung und Führung einer Datenbank mit den im Verzeichnis aufgeführten und
vom Verzeichnis ausgeschlossenen Informationen, Nr. 48, 49 der Schlussanträge des
Generalanwalts), anders als die Kosten, die berechnet werden, um diese Daten Dritten
zur Verfügung zu stellen, jedenfalls vom Anbieter eines Sprachtelefoniedienstes zu
tragen und bereits in den Kosten und Einnahmen eines solchen Dienstes enthalten sind
(EuGH, aaO, Rn. 39). Wie sich aus den Schlussanträgen des Generalanwalts ergibt
(Rn. 48, 51), ist für die Abgrenzung entscheidend, ob die kostenverursachenden
Maßnahmen zuerst als eine Tätigkeit angesehen werden muss, die mit der
Bereitstellung der Sprachtelefoniedienste verbunden ist, oder ob es sich um eine
gesonderte Tätigkeit handelt, durch die zusätzliche, mit der Verpflichtung zur Erhebung
und Lieferung von Informationen an Dritte verbundene Kosten entstehen, die der
Sprachtelefonieanbieter sonst nicht hätte tragen müssen (Rn. 48, 51).
67
Ausgehend hiervon handelt es sich bei den Kosten, die mit dem Aufbau und der Pflege
der Datenbank D., insbesondere mit der Implementierung und Pflege der
Teilnehmerdaten aus A., den Carrier-Daten und sog. Mehrwertdaten verbunden sind,
nicht um Kosten für das tatsächliche Zurverfügungstellen von Teilnehmerdaten im Sinne
von § 12 TKG a.F.. Die Einrichtung und das Betreiben der Datenbank D. ist zuvorderst
eine Tätigkeit der Beklagten, die hinsichtlich der aus A. übernommenen
Teilnehmerdaten mit der Bereitstellung des Sprachtelefoniedienstes und hinsichtlich der
übrigen Daten mit ihrer Tätigkeit als Anbieter von Auskunftsdiensten und als
Herausgeber von Telefonverzeichnissen verbunden ist. Es werden nur die Daten aus A.
in D. übertragen und dort aktualisiert, deren Eintrag in ein öffentliches Verzeichnis der
Kunde nicht widersprochen hat. Nach § 89 Abs. 8 TKG a.F. unterliegt die Eintragung der
Daten in öffentliche Teilnehmerverzeichnisse sowohl hinsichtlich der einzelnen
Merkmale als auch hinsichtlich der Form der Veröffentlichung (Printmedien, Datenträger
usw.) dem Zustimmungsvorbehalt des Kunden. Da der Kunde von seinem
Sprachtelefoniediensteanbieter gemäß § 21 Abs. 1 TKV verlangen kann, dass seine
Daten in ein allgemein zugängliches Teilnehmerverzeichnis eingetragen werden, ist die
Trennung der zur Veröffentlichung bestimmten Teilnehmerdaten von den übrigen
Informationen durch ihre Übertragung in eine spezielle Datenbank (hier: D.) eine
Tätigkeit, die mit der Bereitstellung der Sprachtelefonie verbunden ist. Soweit die
Klägerin außerdem Informationen in D. einpflegt und verwaltet, die über die von § 12
TKG a.F. erfassten Teilnehmerdaten hinausgehen - so vor allem die Carrier-Daten -,
haben die hierdurch verursachten Kosten mit ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur
Datenüberlassung (§ 12 TKG a.F.) nichts zu tun. Schon aus diesem Grund können die
mit diesen Daten verbundenen Kosten nicht in das Entgelt für die Überlassung der
Teilnehmerdaten einbezogen werden. Es handelt sich nicht um Kosten, die der Klägerin
aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung zur Erhebung und Lieferung dieser Daten
zusätzlich entstanden sind und die sie andernfalls nicht hätte tragen müssen. Vielmehr
68
stehen die hiermit verbundenen Kosten in untrennbarem Zusammenhang mit ihrer
eigenen bzw. von ihren Konzernunternehmen erbrachten Tätigkeit als Herausgeberin
von Teilnehmerverzeichnissen und Anbieterin von Auskunftsdiensten. Hierfür benötigt
sie nicht nur die über die Teilnehmerdaten hinausgehenden Informationen, sondern
auch die Aufbereitung sämtlicher in D. eingespeister Daten in der Form, dass sie auch
und vor allem von ihrem eigenen Auskunftsdienst und Herausgebern des
Teilnehmerverzeichnisses genutzt werden können.
Die Kosten der Datenbank D. sind auch nicht deshalb Kosten für das tatsächliche
Zurverfügungstellen der Teilnehmerdaten, weil die Beklagte gemäß § 12 TKG a.F.
verpflichtet ist, die Teilnehmerdaten in "kundengerechter Form" zur Verfügung zu
stellen. Die gesetzliche Verpflichtung, die Daten in kundengerechter Form zugänglich
zu machen, ist schon dann erfüllt, wenn die Daten dem nachfragenden Interessenten so
überlassen werden, dass sie ohne Schwierigkeiten in eine eigene Datenbank
übernommen und weiterverarbeitet werden können (BGH Urteil vom 11.07.2006, Az.:
KZR 29/05, Umdruck Seite 8 m.w.Nachw.). Eine über die Bereitstellung
weiterverarbeitungsfähiger Rohdaten hinausgehende Pflicht besteht nicht. Die Beklagte
geht also über ihre gesetzliche Verpflichtung hinaus, wenn sie die Teilnehmerdaten -
zusammen mit anderen Daten – in Form einer bereits aufgearbeiteten Datenbank
überlässt. Der nach § 12 TKG a.F. Verpflichtete kann sich aber nicht der dort
vorgesehenen Preisbegrenzung dadurch entziehen, dass er die Teilnehmerdaten nur im
Zusammenhang mit weiteren, der Preisregulierung nicht unterfallenden Leistungen
anbietet (BGH aaO., Umdruck Seite 11).
69
(c)
70
Ein solches Verständnis von § 12 TKG a.F. ist auch mit Art. 14 GG und Art. 12 GG
vereinbar.
71
(aa)
72
Es bedarf keiner Entscheidung, ob es sich bei D. um eine dem Sonderrechtsschutz des
§ 87 a UrhG unterliegende Datensammlung handelt, die dem Schutzbereich der
Eigentumsgarantie des Art. 14 GG unterfällt. Jedenfalls wäre ein Eingriff in das
Eigentum der Beklagten an der Datenbank durch die gesetzliche Verpflichtung zum
Bereitstellen der Teilnehmerdaten an Dritte sachlich gerechtfertigt. Das Eigentum wird
nicht schrankenlos gewährleistet. Vielmehr werden nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt
und Schranken durch das Gesetz bestimmt. Eine solche Inhalts- und
Schrankenbestimmung stellt § 12 TKG a.F. dar. Anders als die Beklagte meint, wird ihr
durch die gesetzliche Verpflichtung zur Bereitstellung der Teilnehmerdaten auch keine
Rechtsposition entzogen. Die Voraussetzungen eines enteignungsgleichen Eingriffs
sind nicht erfüllt. Soweit die gesetzliche Verpflichtung zur Bereitstellung der
Teilnehmerdaten an Dritte die Nutzung und Verwertung der Datenbank einschränkt, ist
dieser Eingriff aus Gründen des Gemeinwohls sachlich gerechtfertigt. § 12 TKG a.F.
dient dem Ziel, einen chancengleichen Wettbewerb herzustellen. In einem zunächst
noch durch monopolistische Strukturen gekennzeichneten Markt sollen neu in den Markt
eintretende Unternehmen die Möglichkeit erhalten, ihre Dienstleistungen zu
vergleichbaren Qualitäten anzubieten, wie das Unternehmen, das in diesem Markt
bisher ausschließlich tätig war und deshalb über den größten Kundenstamm
einschließlich der entsprechenden Daten verfügt. Demgegenüber ist die Beklagte nicht
unverhältnismäßig belastet. Sie erhält für die Verpflichtung zur Bereitstellung der Daten
73
einen adäquaten Ausgleich. Sie muss die Teilnehmerdaten nicht kostenlos zur
Verfügung stellen, sondern sie kann hierfür ein Entgelt verlangen, dass sich an den
Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung orientiert. Sie wird damit finanziell so
gestellt, als ob die Verpflichtung nicht besteht.
(bb)
74
Auch ein Verstoß gegen Art. 12 GG liegt nicht vor. Zwar stellt die aus § 12 TKG a.F.
folgende Verpflichtung einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 GG dar, weil die
Klägerin hierdurch gehindert ist, die Teilnehmerdaten exklusiv oder nach ihren eigenen
Preisvorstellungen zu verwerten. Jedoch ist die hier in Rede stehende Regelung der
Berufsausübung durch hinreichende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Zur
Vermeidung von Wiederholungen kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen
werden.
75
cc.
76
Ist somit die Entgeltvereinbarung in § 4 des Datenüberlassungsvertrages teilweise
nichtig, ist der geltend gemachte Anspruch der Fa. B. aus ungerechtfertigter
Bereicherung in Höhe von 111.688,62 € begründet. Insoweit kann dahin stehen,
welches Entgelt die Fa. B. bei Beachtung der in § 12 TKG a.F. vorgesehenen
Preisregulierung für die für das Vertragsjahr 2002/2003 insgesamt überlassenen Daten
zu zahlen hat. Die Beklagte ist bereits dann um einen Betrag von 111.688,62 €
rechtgrundlos bereichert, wenn sie ihrer Entgeltberechnung auf der Grundlage der vom
Bundeskartellamt vorgeschlagenen und von ihr akzeptierte Reduzierung der
Gesamtkosten auf 49 Mio. Euro vorgenommen hätte. Da das Bundeskartellamt die
Kosten der Datenbank D. insgesamt für umlagefähig gehalten hat, ist die Beklagte erst
Recht in der genannten Höhe ungerechtfertigt bereichert, wenn für die Überlassung der
Teilnehmerdaten im Sinne von § 12 TKG a.F. die Kosten der Datenbank nicht
berücksichtigt werden dürfen.
77
Die Beklagte ist auch in Höhe der geltend gemachten Umsatzsteuer ungerechtfertigt
bereichert. Zwar hat sie die Umsatzsteuer zwischenzeitlich an den Staat abgeführt.
Jedoch kann sie sich nicht mit Erfolg auf § 818 Abs. 3 BGB berufen. Anstelle des von
der Fa. B. ohne Rechtsgrund vereinnahmten und an den Staat abgeführten
Mehrwertsteuerbetrages steht ihr gemäß § 37 Abs. 2 AO i.V.m. §§ 14 c Abs. 1 Satz 1
und 2 , 17 Abs. 1 UStG ein Erstattungsanspruch gegen den Staat zu, dessen Wert sie an
die Klägerin herauszugeben hat.
78
Die in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 24.04.2007 zitierten
Urteile des Bundesgerichtshofs aus den Jahren 1972 und 1980 sind nicht einschlägig,
weil sie auf altem Umsatzsteuerrecht basieren und dementsprechend nicht die mit
Wirkung zum 01.01.2004 eingeführte Vorschrift des § 14 c UStG berücksichtigen.
79
c.
80
Der Anspruch der Fa. B. ist nicht verjährt.
81
Der dreijährige Verjährungsfrist (§§ 195, 199 BGB i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB) ist
wirksam durch Erhebung der Klage gemäss (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) gehemmt worden.
82
Die Verjährungsfrist begann gemäß § 199 Abs. 1 BGB frühestens Ende des Jahres
2002 zu laufen. Ungeachtet der Kenntnis der Fa. B. von den anspruchsbegründenden
Tatsachen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) ist ihr Anspruch aus ungerechtfertigter
Bereicherung frühestens im Zeitpunkt der Leistung, hier also bei Bezahlung der
Rechnung der Beklagten im September 2002, entstanden. Die Zustellung der
vorliegenden Klage erfolgte am 15.12.2004 und damit weit vor Ablauf der
Verjährungsfrist zum 31.12.2005.
83
3.
84
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 2 BGB.
85
III.
86
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 ZPO.
87
Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
88
IV.
89
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen.
90
V.
91
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO i.V.m. § 39 Abs. 2 GKG n.F..
92
K. Dr. M. A.
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