Urteil des OLG Düsseldorf vom 27.07.2005

OLG Düsseldorf: auszahlung, vertreter, rückzahlung, amtspflicht, geschäftsführer, kauf, bestandteil, deckung, provision, ausführung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-18 U 22/05
Datum:
27.07.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
18. Senat für Zivilsachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-18 U 22/05
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 18. Januar
2005 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Land-
gerichts Duisburg (6 O 261/04) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die zulässige Berufung des Beklagten bleibt in der Sache erfolglos. Der Beklagte
schuldet der Klägerin aus § 19 Abs. 1 BNotO Schadensersatz in der von der Klägerin
verlangten Höhe. Der Beklagte bzw. sein Vertreter hat im Rahmen der Ausführung des
Treuhandauftrages vom 6. März 2002 seine notariellen Amtspflichten verletzt, wodurch
der Klägerin ein Schaden in Höhe von 20.450,- € entstanden ist.
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A.
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Auf der Grundlage des Vorbringens der Klägerin zum Inhalt und Zweck des erteilten
Treuhandauftrages hat der Beklagte (beziehungsweise ihm gemäß § 46 Satz 1 BNotO
zurechenbar sein Vertreter) seine notariellen Amtspflichten aus dem Treuhandauftrag
verletzt, weil er es unterlassen hat, zu prüfen, ob die Voraussetzungen, an die die
Auszahlung des hinterlegten Geldbetrages geknüpft war, tatsächlich vorlagen.
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Hätte er diese Prüfung pflichtgemäß vorgenommen, hätte er festgestellt, dass die
Voraussetzungen nicht gegeben waren, so dass das von der Klägerin hinterlegte Geld
auf dem Notaranderkonto verblieben wäre.
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Wäre das Geld dort verblieben, hätte sich die Vermögenslage der Klägerin günstiger
dargestellt. Weil die ... GmbH finanziell nicht in der Lage war, sich das im
Mietkaufvertrag vorgesehene Leasingobjekt zu verschaffen, ist die Durchführung des
Immobilien-Mietkauf-Vertrags endgültig gescheitert. Weil die Vertragserfüllung am
finanziellen Unvermögen der ... GmbH gescheitert ist, ist der Anspruch der ... GmbH auf
die hinterlegte Vertragsgebühr (Provision) untergegangen. Mithin wäre der Geldbetrag
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bei pflichtgemäßem Handeln des Beklagten von seinem Anderkonto wieder an die
Klägerin geflossen.
Infolge der pflichtwidrig ausgeführten Überweisung hat die Klägerin demgegenüber nur
noch einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die ... GmbH auf Rückzahlung dieses
Geldbetrages. Dieser schuldrechtliche Anspruch ist gegenüber dem Anspruch auf
Auszahlung des auf dem Notaranderkonto hinterlegten Geldbetrages wirtschaftlich nicht
gleichwertig, denn bei dem letztgenannten Anspruch handelt es sich um einen
Anspruch, dessen Erfüllung gesichert ist, weil das Notaranderkonto eine entsprechende
Deckung aufweist. Demgegenüber ist der Rückzahlungsanspruch gegen die ... GmbH
ein völlig ungesicherter Anspruch, der zudem noch dadurch entwertet ist, dass die ...
GmbH zahlungsunfähig ist.
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Mithin ist die Klägerin durch die vom Beklagten beziehungsweise seinem Vertreter
vorgenommene Auszahlung geschädigt worden.
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Auf eine anderweitige Ersatzmöglichkeit gegen die ... GmbH beziehungsweise gegen
deren betrügerischen Geschäftsführer kann der Beklagte die Klägerin nicht verweisen,
weil im vorliegenden Fall eine Verletzung einer notariellen Amtspflicht aus §§ 23, 24
BNotO in Rede steht.
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B.
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Die vom Beklagten vertretene Auslegung des Treuhandauftrages, wonach die
Auszahlung lediglich von der Mitteilung der ... GmbH abhängen solle, sie habe die
Finanzierungszusage, erscheint dem Senat – ebenso wie dem Landgericht - nach der
Sachlage eher fernliegend zu sein.
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Letztendlich kann diese zwischen den Parteien streitige Frage jedoch auf sich beruhen,
weil der Beklagte auch in diesem Fall seine notariellen Amtspflichten verletzt hat.
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Zwar hatte der Beklagte dann im Ausgangspunkt vor der Auszahlung an sich nur zu
prüfen, ob die ... GmbH die besagte Mitteilung gemacht hat. Aber selbst dann musste der
Beklagte (beziehungsweise sein Vertreter) jedenfalls davon ausgehen, dass die ... diese
Mitteilung nur machen durfte, wenn sie tatsächlich auch eine Finanzierungszusage
eines Finanzierungsinstituts hatte, das die von den Vertragsparteien festgelegten
Kriterien erfüllte. Mit anderen Worten: Er musste davon ausgehen, dass die ... nicht
wahrheitswidrig behaupten durfte, eine solche Finanzierungszusage zu haben.
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Im vorliegenden Fall hatte die ... sich jedoch nicht darauf beschränkt, diese Mitteilung zu
machen. Vielmehr hat sie darüber hinaus in ihrem Schreiben vom 20. März 2002 nebst
Anlagen im Einzelnen dargelegt, worin die von ihr mitgeteilte Finanzierungszusage
bestehen soll.
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Aus dem Vorbringen der ... in diesem Schreiben vom 20. März 2002 nebst Anlagen
ergab sich jedoch – für jeden Leser sofort und auf den ersten Blick erkennbar –, dass die
Mitteilung vom 25. März 2002, die Finanzierungszusage liege vor, nicht der Wahrheit
entsprach. Den Anlagen des Schreibens vom 20. März 2002 ist nämlich zu entnehmen,
dass die Finanzierungszusage darin bestand, dass die H. der ... aus einem
Industriekredit-Beteiligungsvertrag die Rückzahlung der Beteiligung schuldete, wobei
dieser Zahlungsanspruch durch irgendwelche hinterlegten Sicherheiten im Wert von
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mehr als 25 Mio. $ abgesichert ist. Dass es sich bei diesem Rückzahlungsanspruch
nicht um eine Finanzierungszusage für den Kauf des Leasingobjekts (eines 391.223 qm
großen Grundstücks) handeln konnte, war mithin offensichtlich.
Weil das Schreiben vom 25. März 2002 mit der Einleitung "wir haben Ihnen bereits
schriftlich mitgeteilt…." auf das Schreiben vom 20. März 2002 Bezug nahm, hatte die ...
dieses Schreiben vom 20. März 2002 selbst zum Bestandteil ihrer am 25. März 2002
abgegebenen Mitteilung gemacht. Deswegen war der Beklagte (beziehungsweise sein
Vertreter) auch verpflichtet, auch das Schreiben vom 20. März 2002 zu lesen, bevor er
den hinterlegten Geldbetrag zur Auszahlung an die B.I.V. freigab.
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Hätte er dies getan, hätte er erkannt, dass die Miteilung vom 25. März, die vereinbarte
Finanzierungszuge liege vor, nach dem eigenen Vorbringen der ... nicht der Wahrheit
entsprach. Dies wiederum hätte ihn gemäß § 54 d BeurkG veranlassen müssen, von der
Auszahlung abzusehen und die Klägerin und die ... hiervon zu unterrichten.
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Hätte er diesen Hinweis erteilt, hätte die Klägerin sich mit der ... in Verbindung gesetzt
und die ... hätte dann eingeräumt und auch einräumen müssen, dass ihre Mitteilung vom
25. März 2002 nicht der Wahrheit entsprach. (Denn dies hat die ... nach der Auszahlung
unstreitig auf Vorhalt ebenfalls eingeräumt).
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Hätte die ... dies eingeräumt, wäre der Geldbetrag wiederum letztendlich auf dem
Notaranderkonto verblieben und im weiteren Verlauf ebenfalls der Klägerin wieder
zugeflossen.
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C.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.
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Ein Anlass, zugunsten des Beklagten die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 543
Abs. 2 ZPO.
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Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer des Beklagten: 20.450,- €.
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