Urteil des OLG Düsseldorf vom 21.04.2005

OLG Düsseldorf: internationale zuständigkeit, arglistige täuschung, absicht, aktie, anleger, gesellschaft, vermittler, schadenersatz, form, defizit

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-6 U 162/04
21.04.2005
Oberlandesgericht Düsseldorf
6. Zivilsenat
Urteil
I-6 U 162/04
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25. Juni 2004 verkündete
Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise
geändert.
Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an
den Klä-ger 15.750,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basis-zinssatz seit dem 2. Juli 2003 Zug um Zug gegen
Übertragung von 4.500 Stück Inhaberstammaktien der Beklagten -
Wertpapierkennnummer: ............. - zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits - beider Rechtszüge - werden der
Beklagten auf-erlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
A.
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache nur zu einem ganz geringen Teil Erfolg. Die
Klage ist zulässig und, wenngleich mit der Einschränkung einer vom Kläger Zug um Zug zu
erbringenden Gegenleistung, begründet.
1.
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist jedenfalls infolge rügeloser
Einlassung der Beklagten gegeben, Art. 24 EuGVVO.
2.
Die schuldrechtlichen Beziehungen der Parteien beurteilen sich nach deutschem
materiellen Recht. Die Parteien haben sich zumindest in schlüssiger Form mit der
Anwendung deutschen Rechts auf ihre Rechtsbeziehungen einverstanden erklärt (Art. 27
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Abs. 2, Abs. 1 EGBGB), denn das Landgericht hat deutsches Recht angewendet, und im
Berufungsrechtszug haben die Parteien hiergegen keine Einwände erhoben.
3.
Die Klage ist begründet, weil dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch aus
Verhandlungsverschulden nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 278 Satz 1 BGB auf
Schadenersatz zusteht. Danach hat die Beklagte den Kläger so zu stellen, als wäre es zu
den hier in Rede stehenden Zeichnungsverträgen über 4.500 Stück Aktien nicht
gekommen.
a)
Für das Vorliegen dieses Schadenersatzanspruches ist es ohne Belang, dass der Kläger
die Geschäfte unter Berufung auf eine arglistige Täuschung angefochten hat (vgl. BGH WM
1995, S. 263/264; BGH VersR 2000, S. 511/512 f.; BGH NJW 2001, S. 2163/2164).
b)
Der Senat hat, wie der Beklagten bekannt, bereits entschieden (Urteil vom 5. August 2004
in Sachen I-6 U 195/03) und hält hieran nach Überprüfung fest, dass die von der Beklagten
zu leistende vorvertragliche Aufklärung denjenigen Anforderungen genügen muss, die die
ständige höchstrichterliche Rechtsprechung - wie auch die Rechtsprechung des Senats -
an Vermittler von ungewöhnlichen Anlagegeschäften stellt, die mit besonderen, über das
übliche Maß hinausgehenden Risiken behaftet sind. Nach diesen Grundsätzen, die nicht
nur für Börsentermingeschäfte, sondern auch für die Vermittlung hochspekulativer Aktien
gelten, hat der Vermittler den potentiellen Kunden über die wirtschaftlichen
Zusammenhänge und Risiken des Geschäfts aufzuklären und ihm ein zutreffendes Bild von
den Gefahren und Chancen der vermittelten Geschäfte in der Weise zu verschaffen, dass
der Kunde seine Investitionsentscheidung sachgerecht treffen kann. Dabei sind an die
Aufklärung hohe Anforderungen zu stellen, insbesondere muss sie schriftlich erfolgen, weil
sie bei schwierigen wirtschaftlichen Zusammenhängen nur dann ihren Zweck erfüllen
kann; die Darstellung muss namentlich zutreffend und vollständig sein und dem
unbefangenen Leser einen realistischen Eindruck von der Eigenart des Geschäfts
vermitteln (Senat a.a.O. m. zahlr. Nachw.). Diese Grundsätze bei den hier in Rede
stehenden Anlagegeschäften anzuwenden, rechtfertigt sich daraus, dass es sich
vorliegend um eine Art von Privatplatzierungen handelt, bei denen nicht nur die
wirtschaftlichen Zusammenhänge schwierig - unter anderem hinsichtlich bestehender
Möglichkeiten der Manipulation des Wertes der Anlegeransprüche sowie hinsichtlich der
Aufbringung des Kapitals und der Fähigkeit der Gesellschaft zur Rückerstattung der
Einlagen -, sondern die auch mit erheblichen Gefahren und Risiken verbunden sind.
Hingegen steht der Anwendung der genannten Grundsätze nicht entgegen, dass die
Beklagte nicht als Vermittlerin, sondern - durch Telefonverkäufer handelnd - als Verkäuferin
aufgetreten ist, weil der Anleger in beiden Fällen gleichermaßen schutzbedürftig ist (zu
Vorstehendem: Senat a.a.O.).
Im Streitfall wurde, wie im Senatstermin erörtert, dem Kläger in schriftlicher Form ein
zutreffendes Bild von den durch ihn abzuschließenden Geschäften nicht vermittelt.
Dabei kann auf sich beruhen, ob der dem Kläger zugänglich gemachte Prospekt allgemein
hinsichtlich der mit dem fehlenden Börsenhandel verbundenen hohen Risiken die
gebotene Aufklärung leistete oder ob in ihm das besonders gravierende
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Manipulationsrisiko wegen der extremen Marktenge nicht hinreichend herausgestellt und
als bloßes "Basisrisiko" (Liquiditätsrisiko) verharmlost und damit die Risikolage insgesamt
verschleiert wurde.
Jedenfalls war der Prospekt bezüglich der Fortdauer der vorstehend genannten Risiken
unrichtig. Der Kläger hat in erster Instanz (Schriftsatz vom 14. Dezember 2003, Seite 3)
unwidersprochen vorgetragen, dass bei der Beklagten die Absicht eines Börsenganges in
Wahrheit nicht bestanden habe. Diesen Standpunkt hat auch das Landgericht im
angefochtenen Urteil (Seite 5) eingenommen, ohne dass dies mit der
Berufungsbegründung angegriffen wird. Der Prospekt der Beklagten hingegen erweckt an
mehreren Stellen den Eindruck, dass ein Börsengang beabsichtigt sei (nachfolgende
Hervorhebungen durch das Gericht): Auf Seite 25, zu Ziff. IX Nr. 19 wird ausgeführt, die
Wertpapiere seien zum Zeitpunkt der Prospekterstellung noch nicht börsennotiert, die Aktie
könne derzeit nur auf dem freien Markt verkauft werden; auf Seite 29, zu Ziff. XII Nr. 6 heißt
es, die Gesellschaft sei bemüht, die Aktie bei einem vorbörslichen Makler listen zu lassen
(was für den unbefangenen Anleger zumindest den Anschein der Vorbereitung eines
Börsenganges erweckt); auf Seite 30, zu Ziff. XII Nr. 9 schließlich wird gesagt, die Aktie
werde zunächst nicht an einer Börse gehandelt. Diese Passagen konnten bei einem
unbefangenen Verständnis vom Anleger nur so aufgenommen werden, dass der Emittent,
also die Beklagte, bestrebt sei, die Zeit des fehlenden Börsenhandels ihrer Aktien zu
beenden. Bestand diese Absicht nicht, war der Prospekt unrichtig, jedenfalls wegen des
durch ihn hervorgerufenen Eindrucks in einer der Unrichtigkeit gleichstehenden Weise
unklar.
Selbst wenn jedoch in Bezug auf den Gesichtspunkt der Absicht des Börsenganges eine
mündliche Aufklärung des Klägers als Anlegers für ausreichend gehalten würde, führte
dies hier zu keinem anderen Ergebnis. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dem
Kläger von den Telefonverkäufern die fehlende Absicht des Börsenganges und damit das
diesbezügliche Defizit des Prospektes vor Augen geführt wurde.
c)
Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hätte, § 280
Abs. 1 Satz 2 BGB, liegen nicht vor.
d)
Der schuldhafte Pflichtverstoß der Beklagten war für die Zeichnungsverträge über die
Aktien ursächlich.
Wer vertragliche oder - wie hier - vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, ist
darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem
Verhalten, wegen Nichtbefolgung der Hinweise, entstanden wäre. Es besteht die
Vermutung, dass sich der Geschädigte "aufklärungsrichtig" verhalten hätte (Palandt-
Heinrichs, BGB, 64. Aufl., 2005, § 280 Rdnr. 39 m.w.N.).
Abgesehen davon, dass der Kläger hier die ausschlaggebende Bedeutung des Prospektes
für die Zeichnung der Aktien ausdrücklich geltend gemacht hat, greift jene Vermutung
aufklärungsrichtigen Verhaltens zu seinen Gunsten ein. Die Beklagte hat sie in keiner
Weise erschüttert.
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Der von der Beklagten zu leistende Schadenersatz besteht darin, den Kläger so zu stellen,
wie er ohne das schädigende Verhalten gestanden hätte, mithin die Verträge über den
Erwerb der Aktien rückgängig zu machen.
Könnte der Kläger hingegen die Aktien, für deren völlige Wertlosigkeit nichts ersichtlich ist,
behalten, stünde er sich ungerechtfertigterweise besser als vor Abschluss der Geschäfte.
Im Wege des Vorteilsausgleichs hat er daher die Wertpapiere auf die Beklagte zurück zu
übertragen. Insofern ist das landgerichtliche Urteil zu ändern.
4.
Die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen ist nicht zu
beanstanden; sie wird auch nicht gesondert angegriffen. Diese Verzinsungspflicht besteht
auch bei einem Schadenersatzanspruch, der - wie hier - auf Zahlung Zug um Zug gegen
Vorteilsausgleichung gerichtet ist (BGH MDR 2005, S. 322).
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; es ist nicht ersichtlich, dass die
Aktien der Beklagten einen Wert hätten, dessen Höhe es gebieten würde, ihre Zug um Zug
zu erbringende Rückübertragung bei der Kostenentscheidung durch eine Quote zu
berücksichtigen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO.
Ein Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.750,00 € festgesetzt.