Urteil des OLG Düsseldorf vom 25.08.2005

OLG Düsseldorf: stand der technik, form, stift, isolierung, erfindung, orange, eigenschaft, entladung, behandlung, fig

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-2 U 56/04
Datum:
25.08.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-2 U 56/04
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. April
2004 verkündete Urteil der 4 b Zivilkammer des Land-
gerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfah-
rens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung
der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von € 25.000,00 abwenden, wenn nicht die Be-klagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf
€ 250.00,00 festgesetzt.
G r ü n d e
1
I.
2
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 195 32 412 (Anlage L 8;
nachfolgend: Klagepatent ). Dieses Patent beruht auf einer Anmeldung vom 1.
September 1995, die am 6. März 1997 offengelegt worden ist. Der Veröffentlichungstag
der Patenterteilung ist der 30. September 1999. Das Klagepatent steht in Kraft.
3
Eine von der Beklagten erhobene Nichtigkeitsklage betreffend das Klagepatent (Anlage
B 4) ist vom Bundespatentgericht mit Urteil vom 10. Februar 2005 (Anlage L 28)
abgewiesen worden. Gegen dieses Urteil ist Berufung eingelegt worden (vgl. Schriftsatz
der Beklagten vom 28. Juni 2005 S. 9 – Bl. 180 GA).
4
Der Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:
5
"Vorrichtung zur Oberflächen-Vorbehandlung von Werkstücken (36) oder zur
Oberflächenbeschichtung, mit einem Strahlgenera- tor (10) in der Form einer länglichen,
wirbelförmig von einem Ar- beitsgas durchströmten Düse, die von einer Ringelektrode
(22) umgeben ist und in der koaxial zur Ringelektrode eine Stiftelek- trode (18)
angeordnet ist, deren Spitze in Strömungsrichtung des Arbeitsgases axial gegenüber
der Ringelektrode (18) zurückver- setzt ist,
dadurch
Stiftelektrode (18) und die Ringelektrode (22) an einen Hochfrequenzgenerator (26)
angeschlossen sind, der Hochfrequenzspannung von mindestens 5 kV erzeugt, daß
zwischen der Stiftelektrode (18) und der Ring- elektrode (22) ein die Stiftelektrode
umgebendes elektrisch isolie- rendes Düsenrohr (16) angeordnet ist, daß an der
Düsenöffnung (24) durch die Ringelektrode (22) eine Einschnürung gebildet wird, und
daß der axiale Abstand zwischen der Spitze der Stift- elektrode (18) und der
Ringelektrode (22) wenigstens das Zweifa- che des Innendurchmessers des
Düsenrohres (16) beträgt.”
6
Die nachfolgend wiedergegebenen beiden Figuren zeigen bevorzugte
Ausführungsbeispiele der Erfindung, wobei die Figur 1 einen schematischen
Längsschnitt durch einen erfindungsgemäßen Strahlgenerator und Figur 2 eine
Stirnansicht eines Arbeitskopfes mit mehreren Strahlgeneratoren zeigt.
7
Die Beklagte stellt her und vertreibt unter der Bezeichnung "Aspot X" einen
Plasmagenerator und bewirbt ihn mit der aus Anlage L 13 ersichtlichen
Produktbeschreibung. Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung ihrer Rechte aus dem
Klagepatent. Zur Veranschaulichung der angegriffenen Ausführungsform der Beklagten
sind von der Klägerin neben der Anlage L 13 die Anlagen L 14, L 15 (Foto von Details)
sowie L 19 und von der Beklagten die Anlagen B 2 und WKS 5 zu den Akten gereicht
worden. Nachstehend sind in Schwarz-Weiß verkleinert die Anlagen L 14 und L 19
wiedergegeben.
8
Die Klägerin hat geltend gemacht, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche mit
Ausnahme des Merkmals, wonach das zwischen der Stiftelektrode und der
Ringelektrode angeordnete und die Stiftelektrode umgebende Düsenrohr elektrisch
isolierend zu sein habe, sämtliche Merkmale des Patentanspruches 1 des Klagepatents
wortlautgemäß. Das vorgenannte Merkmal sei nicht wortlautgemäß verwirklicht, weil
das Düsenrohr (in Anlage L 14 blau und in Anlage L 19 grün hervorgehoben) nicht
elektrisch isolierend ausgeführt sei, sondern aus Metall bestehe. Die bei der
angegriffenen Ausführungsform erforderliche Isolierung werde aber äquivalent von
einem besonderem Bauteil übernommen, nämlich von einem die Stiftelektrode
umgebenden isolierenden Rohr, welches in der Anlage L 14 gelb und in Anlage L 19
orange gekennzeichnet sei.
9
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, bei der angegriffenen
Ausführungsform sei die Düse schon nicht, wie im Oberbegriff des Patentanspruches 1
des Klagepatents vorausgesetzt, von einer Ringelektrode umgeben. Auch sei das
Merkmal des Patentanspruches 1 des Klagepatents nicht verwirklicht, das den
Anschluss der Stift- und der Ringelektrode an einen Hochfrequenzgenerator
voraussetze, der Hochfrequenzspannung von mindestens 5 kV erzeuge. Schließlich
gebe es bei der angegriffenen Vorrichtung auch nicht entsprechend der Lehre des
Klagepatents ein zwischen der Stift- und der Ringelektrode angeordnetes und die
Stiftelektrode umgebendes Düsenrohr, welches elektrisch isolierend sei. Dies räume die
10
Klägerin selbst ein. Die von der Klägerin insoweit behauptete patentrechtliche
Äquivalenz durch das in Anlage L 14 gelb und in Anlage L 19 orange gekennzeichnete
Bauteil sei nicht gegeben.
Das Landgericht hat die mit der Klage geltend gemachten Unterlassungs- und
Rechnungslegungsansprüche sowie den mit ihr geltend gemachten Antrag auf
Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten abgewiesen. Zur Begründung hat
es ausgeführt, die angegriffene Ausführungsform verfüge über kein elektrisch
isolierendes Düsenrohr im Sinne der erfindungsgemäßen Lehre oder ein hierzu als
patentrechtlich äquivalent zu betrachtendes Mittel.
11
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz
wiederholen die Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen und ergänzen es.
12
Die Klägerin macht geltend, das Landgericht habe zu Unrecht eine Verletzung des
Klagepatents verneint. Das Landgericht habe bei seiner Auslegung der
Merkmalsgruppe 4 der landgerichtlichen Merkmalsanalyse, wonach zwischen der Stift-
und der Ringelektrode ein die Stiftelektrode umgebendes Düsenrohr angeordnet sei,
das elektrisch isolierend sei, die im Klagepatent enthaltene Differenzierung zwischen
der von einem Arbeitsgas durchströmten länglichen Düse einerseits und dem die
Stiftelektrode umgebenden Düsenrohr andererseits übergangen. Die Merkmalsgruppe 4
fordere lediglich, dass überhaupt ein Düsenrohr vorhanden sei, welches zwischen den
Elektroden angeordnet sei, um einen unkontrollierten Kurzschluss bei Anlegen von
Spannung zu verhindern. Nur diese Funktion komme mit dem Merkmal 4 b) zum
Ausdruck, wonach das Düsenrohr elektrisch isolierend zu sein habe. Es werde mit
diesem Merkmal das Düsenrohr nicht hinsichtlich seiner Ausgestaltung oder gar
Anordnung beschrieben. Es sei vielmehr in das Belieben des Fachmanns gestellt, wie
er den Zwischenraum ausgestalte, der sich an das die Stiftelektrode umgebende
Düsenrohr anschließe und bis zur Ringelektrode reiche. Soweit das Landgericht dem
erfindungsgemäßen Düsenrohr die Funktion zuweise, die Luft drallförmig zu führen und
so Einfluss auf die Entwicklung und Ausgestaltung des Lichtbogens nehmen zu können,
beruhe diese Auslegung auf einem technischen Fehlverständnis der
erfindungsgemäßen Funktion des Düsenrohrs. Das Düsenrohr habe tatsächlich nur mit
dem Einleiten des Arbeitsgases in die Düse und im Zusammenhang mit der Zündung
des Lichtbogens seine technischen Funktionen, nicht aber mit der Führung des
Gaswirbels selbst. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass im besonderen
Teil des Klagepatents unter Bezugnahme auf Fig. 1 eine Vorrichtung beschrieben sei,
bei der ein aus Keramik gefertigtes Düsenrohr sich bis zur Ringelektrode hin erstrecke.
Denn hierbei handele es sich um ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel. Die
Beschreibung eines bevorzugten Ausführungsbeispieles sei aber nicht geeignet, den
Schutzbereich des allgemeiner gehaltenen Patentanspruchs einzuengen. - Bei diesem
zutreffenden Verständnis von der patentgemäßen Lehre verwirkliche die angegriffene
Ausführungsform aber die Merkmalsgruppe 4 . Die angegriffene Ausführungsform weise
ein in Anlage L 14 gelb und in Anlage L 19 orange eingezeichnetes, sich verjüngendes
Element auf, das die Stiftelektrode (in Anlage L 19 rot dargestellt)) umgebe. Dieses
isolierende Bauteil (Isolator) sei das erfindungsgemäße Düsenrohr im Sinne der
Merkmalsgruppe 4, die durch dieses Rohr wortsinngemäß verwirklicht werde. Diese
Merkmalsgruppe gebe bei einer am Sinngehalt des Patentanspruches orientierten
Auslegung nicht vor, dass das elektrisch isolierende Düsenrohr die Stiftelektrode
(vollständig) umgebe und sich längs bis hin zur Ringelektrode erstrecke. Es reiche aus,
wenn es sich wie bei der angegriffenen Ausführungsform vom linken Bereich der
13
Vorrichtung bis zur Stiftelektrode in dem Bereich hineinerstrecke, wo das Arbeitsgas in
die Vorrichtung eingeleitet werde. An das isolierende Düsenrohr schließe sich ein
elektrisch leitfähiger Mantel an, der sich zu einer anspruchsgemäßen Ringelektrode
verjünge. Nehme man jedoch zu Argumentationszwecken und damit entgegen den
tatsächlichen Verhältnissen an, dass der Wortsinn des Hauptanspruches auf eine
Längserstreckung des Düsenrohrs bis zur Ringelektrode hin beschränkt sei, so liege
jedenfalls eine Benutzung des Klagepatents mit äquivalenten Mitteln vor. Die
Ausgestaltung der Verletzungsform sei gleichwirkend, für den Durchschnittsfachmann
bei einer Orientierung an der unter Schutz gestellten Erfindung auffindbar und der unter
Schutz gestellten Lehre gleichwertig.
Die Klägerin beantragt,
14
auf ihre Berufung das Urteil der 4 b Zivilkammer des Landgerichts
Düsseldorf (Patentstreitkammer) vom 22. April 2004 abzuändern und
15
I. die Beklagte zu verurteilen,
16
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwider- handlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00,
ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft
bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu 2 Jahren, wobei
die Ordnungshaft an den jeweiligen Geschäftsführenden zu
vollziehen ist, zu unterlassen,
17
Vorrichtungen zur Oberflächen-Vorbehandlung von Werkstücken
(36) oder zur Oberflächen-Beschich-tung mit einem
Strahlgenerator (10) in der Form ei-ner länglichen, wirbelförmig
von einem Arbeitsgas durchströmten Düse, die von einer
Ringelektrode (22) umgeben ist und in der koaxial zur
Ringelektrode eine Stiftelektrode (18) angeordnet ist, deren
Spitze in Strömungsrichtung des Arbeitsgases axial gegenüber
der Ringelektrode zurückversetzt ist,
18
herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu brin- gen, zu gebrauchen oder zu den
genannten Zwe- cken entweder einzuführen oder zu besitzen, bei denen
19
die Stiftelektrode (18) und die Ringelektrode (22) an einen Hochfrequenzgenerator (26)
angeschlossen sind, der eine Hochfrequenzspannung von mindes- tens 5 kV erzeugt,
20
zwischen der Stiftelektrode (18) und der Ringelek- trode (22) ein die Stiftelektrode
umgebendes elek- trisch isolierendes Düsenrohr (16) angeordnet ist,
21
an der Düsenöffnung (24) durch die Ringelektrode (22) eine Einschnürung gebildet wird,
22
der axiale Abstand zwischen der Spitze der Stift- elektrode (18) und der Ringelektrode
(22) wenigs- tens das 2-fache des Innendurchmessers des Dü- senrohres (16) beträgt;
23
hilfsweise,
24
2. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwider- handlung
25
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00,
ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft
bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu 2 Jahren, wobei
die Ord- nungshaft an den jeweiligen Geschäftsführenden zu
vollziehen ist, zu unterlassen,
Vorrichtungen zur Oberflächen-Vorbehandlung von Werkstücken
(36) oder zur Oberflächen-Beschich-tung mit einem
Strahlgenerator (10) in der Form ei-ner länglichen, wirbelförmig
von einem Arbeitsgas durchströmten Düse, die von einer
Ringelektrode (22) umgeben ist und in der koaxial zur
Ringelektrode eine Stiftelektrode (18) angeordnet ist, deren
Spitze in Strömungsrichtung des Arbeitsgases axial gegenüber
der Ringelektrode zurückversetzt ist,
26
herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu brin- gen, zu gebrauchen oder zu den
genannten Zwe- cken entweder einzuführen oder zu besitzen, bei denen
27
die Stiftelektrode (18) und die Ringelektrode (22) an einen Hochfrequenzgenerator (26)
angeschlossen sind, der eine Hochfrequenzspannung von mindes- tens 5 kV erzeugt,
28
zwischen der Stiftelektrode (18) und der Ringelek- trode (22) ein die Stiftelektrode
umgebendes elek- trisch isolierendes Düsenrohr (16), welches in dem sich zwischen
Stiftelektrode und Ringelektrode er- streckenden Bereich elektrisch leitfähig ist, ange-
ordnet ist,
29
an der Düsenöffnung (24) durch die Ringelektrode (22) eine Einschnürung gebildet wird,
30
der axiale Abstand zwischen der Spitze der Stift- elektrode (18) und der Ringelektrode
(22) wenigs- tens das 2-fache des Innendurchmessers des Dü- senrohres (16) beträgt;
31
3. ihr Rechnung zu legen , in welchem Umfang die Beklagte die zu
Ziff. I.1 bzw. I.2 bezeichneten Handlungen seit dem 30. Oktober
1999 begangen hat, und zwar unter Angabe
32
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Er- zeugnisse sowie der Namen und
Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
33
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen
unter Ein- schluss von Typenbezeichnungen sowie den Na- men und Anschriften der
jeweiligen Abnehmer,
34
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen
und Typen- bezeichnungen sowie den Namen und Anschrif- ten der
Angebotsempfänger,
35
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe,
Verbrei- tungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
36
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufge- schlüsselten Gestehungskosten und
des erziel- ten Gewinns,
37
II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden
zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer. I. 1. bzw. I .2. bezeichneten ,
seit dem 30. Oktober 1999 begangen Handlungen ent- standen ist
und noch entstehen wird.
38
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
39
Sie macht geltend, das Vorbringen der Klägerin sei nicht geeignet, Zweifel an der
Richtigkeit des sorgfältig begründeten Urteils erster Instanz zu wecken. Zudem seien
erstinstanzlich weitere Gründe unberücksichtigt geblieben, die das Ergebnis der
angefochtenen Entscheidung rechtfertigten. Bei der Auslegung des Hauptanspruches
des Klagepatents sei zunächst zu berücksichtigen, dass aus der "länglichen Düse" des
Standes der Technik, die im Oberbegriff in Merkmal 2 Eingang gefunden habe, also
einem Strömungskanal mit stetig veränderlichem Querschnitt zur Erhöhung der
Geschwindigkeit des durchströmenden Gases, nach der Erfindung gemäß der
Merkmalsgruppe 4 ein "Düsenrohr" geworden sei, also ein Hohlkörper mit
gleichbleibendem Querschnitt. Zwar werde nicht verkannt, dass auch bei einem
Hohlkörper mit sich verjüngendem Querschnitt gelegentlich von einem "Rohr"
gesprochen werde, dies jedoch dann nur mit dem Zusatz "Venturi-Rohr". Das Merkmal
"Düsenrohr" im vorgenannten Sinne zu verstehen, mache auch angesichts des
Merkmals 5, welches davon spreche, dass an der Düsenöffnung durch die
Ringelektrode eine Einschnürung gebildet werde, Sinn. Mit einer solchen durch die
Ringelektrode an der Düsenöffnung gebildeten Einschnürung könne nicht bloß eine
durch die Ringelektrode gebildete Düsenöffnung am Ende eines sich im Querschnitt
stetig verändernden (d. h. konisch zulaufenden) Strömungskanals gemeint sein, weil
dann erstens nichts anderes beschrieben wäre als eben die landläufige Form einer
Düse mit stetig veränderlichem Querschnitt, und zweitens nichts anderes als ein durch
die Ringelektrode gebildetes Düsenende, wie es bereits aus dem Stand der Technik
(DE-PS 6855 455) bekannt sei. Die Formulierung des Merkmals 5 mache technisch nur
dann Sinn, wenn man diese Formulierung ernst nehme, d. h. eine Düsenöffnung
dergestalt annehme, dass diese eben erst durch eine Art Einschnürung durch die
Ringelektrode selbst gebildet werde, nicht aber bereits durch eine konische Form
(stetige Verjüngung) des Düsenkörpers. Dies ergebe sich auch Sp. 3, Z. 2 – 6. Die
Auslegung, dass der Düsenkörper in der Tat in der Form eines rohrförmigen Zylinders
zu bilden sei, ergebe sich nicht nur aus der Fig. 1 und der Beschreibung eines
bevorzugten Ausführungsbeispiels, sondern auch aus Sp. 2, Z. 7 – 20, Sp. 3, Z. 32 – 38
und Sp. 4, Z. 48 – 51. Auch das Merkmal 6, wonach der axiale Abstand zwischen der
Spitze der Stiftelektrode und der Ringelektrode wenigstens das Zweifache des
Innendurchmessers des Düsenrohrs betragen solle, mache deutlich, dass der
Düsenkörper ein regelrechtes "Düsenrohr" im oben erläuterten Sinne zu sein habe. Das
Merkmal 4 b, wonach das Düsenrohr elektrisch isolierend sein solle, bedeute, dass sich
die Isolierung über die gesamte Länge des Düsenrohrs bis hin zur Ring-elektrode
tatsächlich erstrecke. Wäre das nämlich nicht der Fall und befände sich die Isolierung
nur im Bereich der Stiftelektrode, wäre der "Witz" der vermeintlichen Erfindung, nämlich
die Kanalisierung des scharf begrenzten Lichtbogens bis zur Düsenöffnung, wo er sich
erst in die radialen Teiläste verzweigen solle, nicht ausreichend sichergestellt. Es sei im
übrigen bezeichnend, dass die Klägerin im Erteilungsverfahren genau diese
Erfindungswesentlichkeit der durchgehenden Isolierung des Düsenrohres
hervorgehoben habe, um sich vom Stand der Technik abzugrenzen. - Bei der
angegriffenen Ausführungsform seien schon nicht die Merkmale 4 a, 5 und 6 der
40
landgerichtlichen Merkmalsanalyse verwirklicht, da sie über keinen Düsenkörper in
Form eines "Düsenrohres", also eines Hohlkörpers mit gleichbleibenden Querschnitt,
verfüge. Überdies sei aber auch, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt habe, das
Merkmal 4 b) nicht verwirklicht. Äquivalenz scheide schon deshalb aus, weil das
Merkmal 4 b) bei der angegriffenen Ausführungsform überhaupt nicht durch irgendeine
gleichwirkende Maßnahme ersetzt sei. Da nämlich der Düsenkörper überhaupt keine
wie auch immer geartete Isolierung aufweise, fehle dieses Merkmal offensichtlich
ersatzlos.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf ihre
Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften des Landgerichts und
des Senats verwiesen.
41
II.
42
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die mit der Klage
angegriffene Vorrichtung der Beklagten macht nämlich von der technischen Lehre des
Patentanspruches 1 keinen Gebrauch. Dies gilt bereits deshalb, weil, wie auch schon
das Landgericht zutreffend erkannt hat, die angegriffene Ausführungsform über kein
elektrisch isolierendes Düsenrohr im Sinne des Patentanspruches 1 des Klagepatents
verfügt und auch nicht über ein hierzu patentrechtlich äquivalentes Mittel.
43
1. Die technische Lehre des Klagepatents gemäß Anlage L 8 bezieht sich auf eine
Vorrichtung zur Oberflächen-Vorbehandlung von Werkstücken (Sp. 1, Z. 3,4). Die
Klagepatentschrift spricht einleitend davon, dass dann, wenn Werkstückoberflächen
beschichtet, lackiert oder geklebt werden sollen, häufig eine Vorbehandlung erforderlich
sei, durch die Verunreinigungen von der Oberfläche entfernt würden und durch die –
insbesondere bei Werkstücken aus Kunststoff – die Molekülstruktur so verändert werde,
dass die Oberfläche mit Flüssigkeiten wie Kleber, Lacken und dergleichen benetzt
werden könne (Sp. 1, Z. 6 – 12 ).
44
Ein bekanntes Verfahren - so die Klagepatentschrift - zur Vorbehandlung von
Kunststofffolien bestehe darin, dass man eine Korona-Entladung auf die
Folienoberfläche einwirken lasse . Zu diesem Zweck werde die Folie durch einen
schmalen Spalt zwischen den Korona-Elektroden hindurchgeführt. An diesem Verfahren
bemängelt die Klagepatentschrift, dass es nur bei relativ dünnen Folien anwendbar sei.
Außerdem sei es mit dem Nachteil behaftet, dass es zu einer unerwünschten
Vorbehandlung der Rückseite der Folie kommen könne, beispielsweise wenn sich
zwischen der rückseitigen Elektrode und der Folie eine Luftblase befinde, in der eine
weitere Entladung stattfinde (Sp. 1, Z. 13 – 22).
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Die Klagepatenschrift geht im Anschluss daran auf die in der DE 43 25 939 C 1 (Anlage
L 10) beschriebene Korona-Düse ein. Diese Düse, die sie als zum Vorbehandeln der
Oberfläche von dickeren Folien oder massiven Werkstücken bestimmt beschreibt,
würdigt sie dahin, dass bei ihr zwischen den Elektroden ein oszillierend oder umlaufend
geführter Luftstrom austrete, so dass man eine flächige Entladungszone erhalte, in der
die zu behandelnde Oberfläche des Werkstücks mit den Korona-Entladungsbüscheln
überstrichen werden könne. Diese Düse wird von der Klagepatentschrift als für die
Vorbehandlung von Werkstücken, die ein verhältnismäßig tiefes Relief aufweisen, nicht
geeignet kritisiert, da Innenecken, tiefe Nuten und dergleichen mit der flächig
ausgedehnten Entladungszone dieser Düse nicht oder nur schwer zu erreichen seien.
46
Außerdem besitze diese bekannte Korona-Düse eine verhältnismäßig aufwendige und
sperrige Konstruktion, da für die Erzeugung des oszillierenden bzw. umlaufenden
Luftstroms ein Motorantrieb erforderlich sei (Sp. 1, Z. 23 – 38).
Die Klagepatentschrift erwähnt weiter, dass aus der WO 95/017152 A 1 ein Ver-fahren
bekannt sei, bei der die Oberfläche mit Hilfe eines gasförmigen Strahls eines reaktiven
Mediums behandelt werde. Die Reaktionsfähigkeit des Mediums werde durch eine
Plasmaentladung erhöht. In der Veröffentlichung werde jedoch nur das Grundprinzip
des Verfahrens bei der Behandlung von flachen Oberflächen illustriert. Maßnahmen zur
Beeinflussung der Geometrie des Strahls und der Plasmaentladung würden nicht näher
beschrieben. (Sp. 1, Z. 39 – 47).
47
Die Erfindung geht von einer Vorrichtung zur Oberflächen-Vorbehandlung von
Werkstücken gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 aus (vgl. Sp. 1, Z 3 – 5) , also
von einem Gegenstand, der sich merkmalsmäßig gegliedert wie folgt darstellt:
48
1. Vorrichtung zur Oberflächen - Vorbehandlung von Werkstücken (36) oder zur
Oberflächenbeschichtung. 2. Die Vorrichtung weist einen Strahlgenerator (10) in Form
einer länglichen Düse auf, a) die wirbelförmig von einem Arbeitsgas durchströmt , b) von
einer Ringelektrode (22) umgeben und c) in der koaxial zur Ringelektrode eine
Stiftelektrode (18) angeordnet ist, deren Spitze in Strömungsrichtung des Arbeitsgases
axial gegenüber der Ringelek- trode (22) zurückversetzt ist.
49
Nach Sp. 1, Z. 48 – 50 der Klagepatentschrift ist ein die Merkmale nach dem Oberbegriff
des Anspruchs 1 aufweisendes Lichtbogengebläse (nicht eine Vorrichtung zur
Oberflächen-Vorbehandlung von Werkstücken) aus der DE-PS 685 455 (Anlage L 11)
bekannt. Der Fachmann, der in diese Druckschrift schaut, sieht dort ein Isoliergehäuse
1, welches in einer "länglichen" Düse 2, d. h. in einem Hohlkörper, der sich nach außen
hin verjüngt, ausmündet. Auf der Mündung der Düse sitzt die Ringelektrode, die aus
einem Metallring 5 und zwei Gittern 6 und 7 besteht. Koaxial dazu ist eine Stiftelektrode
8 angeordnet, deren Spitze in Strömungsrichtung des Arbeitsgases axial gegenüber der
Ringelektrode zurückversetzt ist. Die Düse 2 wird wirbelförmig von einem Arbeitsgas
durchströmt.
50
Die Klagepatentschrift würdigt diese bekannte Vorrichtung dahin, dass mit ihr möglichst
hohe Temperaturen erzeugt werden sollen, wie sie zum Beispiel zum
Diamantschmelzen geeignet seien. Zum Zünden des Lichtbogens werde die stiftförmige
Elektrode in die Nähe der Gitterelektrode gebracht, und anschließend werde der
Lichtbogen "gezogen", indem die stiftförmige Elektrode zurückgezogen werde. Der
Lichtbogen könne die gitterförmige Elektrode nicht durchdringen und bleibe somit auf
die Strecke zwischen den beiden Elektroden beschränkt. Das durch die Düse
ausgeblasene Gas diene dazu, den Lichtbogen zu umhüllen und ein seitliches
Ausweichen des Lichtbogens zu verhindern. Durch Verdrallung des Gasstrahls solle der
Lichtbogen weitgehend auf die Achse der Düse konzentriert bleiben. Durch diese
Maßnahmen solle die Temperatur des durch die Gitterelektrode austretenden
Plasmastrahls erhöht werden (Sp. 1, Z. 48 – 67).
51
Ausgehend von dem zuvor dargestellten Stand der Technik liegt der Erfindung die
Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung gemäß den vorgenannten Merkmalen des
Oberbegriffs des Patentanspruches zur Vorbehandlung von Werkstücken zu schaffen,
die die Erzeugung eines gut gebündelten Strahls gestattet, mit dem auch
52
Werkstückoberflächen mit einem relativ komplizierten Relief behandelt werden können
(vgl. Sp. 1, Z. 68 – Sp. 2, Z. 4).
Zur Lösung dieser Aufgabe wird eine Vorrichtung vorgeschlagen, die neben den oben
genannten Merkmalen 1 – 2 c sich durch die folgenden Merkmale auszeichnet:
53
3. Die Stiftelektrode (1) und die Ringelektrode (22) sind an einen Hochfrequenz-
generator (26) angeschlossen, der eine Hochfrequenzspannung von mindestens 5 kV
erzeugt.
54
4. Zwischen der Stiftelektrode (18) und der Ringelektrode (22) ist ein Düsenrohr (16)
angeordnet, das a) die Stiftelektrode umgibt und b) elektrisch isolierend ist.
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5. An der Düsenöffnung (24) wird durch die Ringelektrode (22) eine Einschnürung
gebildet. 6. Der axiale Abstand zwischen der Spitze der Stiftelektrode (18) und der
Ringelek- trode (22) ist wenigstens das Zweifache des Innendurchmessers des
Düsenroh- res (16).
56
Von dieser Lösung heißt es in der Klagepatentschrift, dass bei ihr das Arbeitsgas in
Höhe einer Stiftelektrode so in das Düsenrohr eingeleitet werde, dass es drallförmig
durch die Düse ströme. In der Düse bilde sich dann ein einheitlicher Wirbel, dessen
Wirbelkern den Lichtbogen kanalisiere. Selbst bei nicht genau koaxialer Ausrichtung der
Stiftelektrode in dem Düsenrohr erhalte man so einen sehr stabilen Lichtbogen, der sich
in Form eines einzigen scharf begrenzten Astes längs der Achse des Düsenrohres von
der Spitze der Stiftelektrode bis etwa zur Mündung der Düse erstrecke und sich erst
dann in mehrere Teiläste auffächere, die radial zu einer Ringelektrode führten. Der
Punkt, an dem sich der Lichtbogen in die Teiläste auffächere, bilde eine nahezu
punktförmige Quelle für den reaktiven Strahl. Die "Fokussierung" und Divergenz des
Strahls ließen sich durch Variieren des Arbeitsgas-Durchsatzes beeinflussen, ohne
dass die geometrische Konfiguration des Generators geändert werden müsse (Sp. 2,
Zeilen 7 – 23). - Die Vorrichtung eigne sich zur Behandlung sowohl von leitenden als
auch von nichtleitenden Werkstücken, insbesondere von Werkstücken aus Kunststoff.
Weiterhin habe sich gezeigt, dass sich auf die oben beschriebene Weise ein Strahl
erzeugen lasse, der einerseits chemisch so aktiv sei, dass eine wirksame Oberflächen-
Vorbehandlung erreicht werde, andererseits jedoch eine so niedrige Temperatur
besitzen könne, dass auch empfindliche Oberflächen nicht beschädigt würden (Sp. 2, Z.
34 – 42). Weitere Vorteile bestünden darin, dass eine praktisch ozonfreie
Vorbehandlung durchgeführt werden könne und sich eine unerwünschte
Vorbehandlung der Rückseite zuverlässig ausschließen lasse. Bei nichtleitenden
Werkstücken werde auch eine unerwünschte Oberflächenaufladung vermieden (Sp. 2,
Z. 43 – 47).
57
Die erfindungsgemäße Vorrichtung zeichnet sich also gemäß Merkmal 2 durch einen
Strahlgenerator in Form einer länglichen "Düse" aus. Funktion und Ausgestaltung der
"Düse" ergeben sich für den von der Klagepatentschrift angesprochenen
Durchschnittsfachmann, einen Diplomingenieur mit Fachhochschulabschluss der
Fachrichtung Elektrotechnik, der über die notwendigen physikalischen, konstruktiven
und anwendungstechnischen Kenntnisse und Erfahrungen von
Plasmastrahleinrichtungen verfügt (so auch das Bundespatentgericht in seinem Urteil
vom 10. Februar 2005 Seite 5 oben – Anlage L 28), aus den Merkmalen 2 a – c, der
Merkmalsgruppe 4 und den Merkmalen 5 und 6. Die erfindungsgemäße "Düse" besteht
58
insbesondere aus einem Rohr, welches in der Merkmalsgruppe 4 "Düsenrohr" genannt
wird. Die so beschriebene "Düse" wird nach der Vorgabe des Merkmals 2 a)
wirbelförmig von einem Arbeitsgas durchströmt. Was darunter zu verstehen ist, wird dem
Durchschnittsfachmann im allgemeinen Beschreibungsteil der Klagepatentschrift in
Spalte 2, Zeilen 7 ff. mit den Worten erläutert: "Das Arbeitsgas... wird in Höhe einer
Stiftelektrode so in das Düsenrohr eingeleitet, daß es drallförmig durch die Düse strömt."
(Unterstreichungen sind hinzugefügt) An dem zweitinstanzlichen Vorbringen der
Klägerin mag zwar richtig sein, dass "Düse" und "Düsenrohr" keine völligen Synonyme
sind, doch wird der Durchschnittsfachmann keinen ernsthaften Zweifel haben, dass die
erfindungsgemäße "Düse" keine weiteren Bestandteile als das "Düsenrohr" und die
"Düsenöffnung" hat.
Zur erfindungsgemäßen "Düse" gehört, wie der Durchschnittsfachmann dem Merkmal 5
entnimmt, neben dem "Düsenrohr" eine "Düsenöffnung", durch die das durch
Lichtbogenentladung behandelte Arbeitsgas aus dem Inneren der Düse austreten kann.
Danach begrenzt die im Merkmal 2 b) genannte Ringelektrode eine Düsenöffnung,
deren Durchmesser etwas kleiner ist als der Innendurchmesser des Düsenrohres, so
dass an dessen Auslass eine Einschnürung gebildet wird (vgl. Sp. 3, Z. 2 – 6).
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Eine Bestätigung für diese am Anspruchswortlaut orientierte Überlegung, dass die
erfindungsgemäße "Düse" nur das in der Merkmalsgruppe 4 genannte "Düsenrohr" und
die "Düsenöffnung", welche nach Maßgabe des Merkmals 5 ausgestaltet ist und das
Ende des "Düsenrohres" bestimmt, umfasst und keine weiteren Bestandteile, findet der
Durchschnittsfachmann nicht nur im besonderen Ausführungsbeispiel der
Klagepatenschrift, sondern auch im allgemeinen Teil der Beschreibung des
Klagepatents. So heißt es in Sp. 2, Z. 12 ff: " Selbst bei nicht genau koaxialer
Ausrichtung der Stiftelektrode in dem Düsenrohr erhält man so einen sehr stabilen
Lichtbogen, der sich in Form eines einzigen scharf begrenzten Astes längs der Achse
des Düsenrohres von der Spitze der Stiftelektrode bis etwa zur Mündung der Düse
erstreckt und sich erst dann in mehrere Teiläste auffächert , die radial zu der
Ringelektrode führen." (Unterstreichungen hinzugefügt).
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Auch deshalb kommt der Durchschnittsfachmann zu dem Ergebnis, dass die Merkmale
4 und 4 a) die Anweisung geben, das zwischen der Stiftelektrode und der Ringelektrode
angeordnete "Düsenrohr" jedenfalls von der Spitze der Stiftelektrode, die vom Rohr
umgeben sein soll, bis zu der in Merkmal 5 genannten "Düsenöffnung" reichen zu
lassen. Der Durchschnittsfachmann hat auch keinen Anlass, in Sp. 3, Z. 3 – 6 und 17 –
20 bloße Besonderheiten des Ausführungsbeispiels zu sehen. Vielmehr wird er diese
Beschreibungsstellen als Wiederholung und Bestätigung der vorerwähnten Aussage im
allgemeinen Beschreibungsteil werten.
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Das Landgericht hat auf den Seiten 15 und 16 des angefochtenen Urteils nach allem
völlig zu Recht ausgeführt, im Zwischenraum zwischen Stift- und Ringelektrode werde
das "Düsenrohr" erfindungsgemäß benötigt, um das Arbeitsgas wirbelförmig zu führen
und um so Einfluss auf die Ausgestaltung des Lichtbogens nehmen zu können.
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Dieses Ergebnis hat auch Konsequenzen für die Auslegung des Merkmals 4 b), wonach
das "Düsenrohr" elektrisch isolierend sein soll. Der Durchschnittsfachmann hat keinen
Anlass zu der Annahme, dass Düsenrohr solle nur zum Teil diese Eigenschaft
aufweisen, also nur etwa auf Höhe der Spitze der Stiftelektrode. Dafür gibt der technisch
verstandene Wortsinn des Patentanspruches 1 des Klagepatentes nichts her. Auch die
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Beschreibung gibt keinen Hinweis, die isolierende Eigenschaft könne auf Teilbereiche
des Düsenrohres beschränkt werden.
Ein (nur) zusätzliches Indiz für die Richtigkeit der vorstehenden Überlegungen und für
das Verständnis des Durchschnittsfachmannes von der patentgemäßen Lehre sind die
Ausführungen des fachkundigen Anmelders im an das DPMA gerichteten Schreiben
vom 16. Juli 1996 im Erteilungsverfahren (Anlage WKS 4, Bl. 39, 40), wonach das
elektrisch isolierende und die Stiftelektrode umgebende Düsenrohr für die Kanalisierung
des Lichtbogens im Wirbelkern wesentlich sei und durch das zwischen der Stiftelektrode
und der als Ringelektrode ausgebildeten Gegenelektrode verhältnismäßig lange
isolierende Düsenrohr dafür gesorgt werde, dass der Lichtbogen durch die drallförmige
Gasströmung im Wirbelkern gehalten und an einer radialen Ausbreitung gehindert
werde.
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2. Von der sich so darstellenden technischen Lehre des Patentanspruches 1 des
Klagepatentes wird bei der angegriffenen Ausführungsform kein Gebrauch gemacht.
Unbeschadet der Frage, ob die angegriffene Ausführungsform auch die weiteren
Merkmale, deren Verwirklichung die Beklagte in Abrede stellt, verwirklicht, ist jedenfalls
festzustellen, dass die angegriffene Ausführungsform das Merkmal 4 b) nicht
verwirklicht, wie dies auch vom Landgericht zutreffend gesehen worden ist.
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Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich zwar ausweislich der
Produktbeschreibung gemäß Anlage L 13 um eine Vorrichtung zur Oberflächen-
Vorbehandlung von Werkstücken mit einem Strahlgenerator in der Form einer
länglichen Düse, die eine Düsenöffnung besitzt, doch ist der erfindungsgemäß allein
noch die Düse ausmachende Teil, nämlich das zwischen der Stiftelektrode und der
Ringelektrode, sieht man einmal mit der Klägerin die Einschnürung am Austrittsende der
Düsenöffnung als Ringelektrode an, angeordnete Düsenrohr, nicht elektrisch isolierend,
sondern besteht aus Metall, wie die Klägerin zutreffend erstinstanzlich selbst
vorgetragen hat (vgl. Seite 19 der Klageschrift vom 23. Juni 2003 – Bl. 20 GA), wobei an
dieser Stelle die Frage dahingestellt bleiben kann, ob die erfindungsgemäße "Rohrform"
des Düsenkörpers einen gleichbleibenden Innendurchmesser voraussetzt, wofür (u.a.)
das Merkmal 6 des Patentanspruches sprechen könnte, das im Hinblick auf die
Bemessung des axialen Abstands zwischen der Spitze der Stiftelektrode und der
Ringelektrode auf den Innendurchmesser des Düsenrohrs abstellt.
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Soweit die Klägerin zweitinstanzlich geltend macht, bei der angegriffenen
Ausführungsform sei die Merkmalsgruppe 4 bereits wortsinngemäß durch das Bauteil
(Isolator) verwirklicht, welches in der Anlage L 14 gelb und in der Anlage L 19 orange
gekennzeichnet sei, kann ihr schon deshalb nicht gefolgt werden, weil dieses Bauteil
nicht wie das erfindungsgemäße Düsenrohr im Sinne des Merkmals 4 a) zwischen der
Stiftelektrode und der Ringelektrode angeordnet ist, was, wie oben im einzelnen
dargelegt worden ist und worauf auch im angefochtenen Urteil auf den Seiten 15,16
zutreffend abgestellt wird, voraussetzt, dass es im Zwischenraum von Stift- und
Ringelektrode angeordnet ist und es nicht ausreicht, wenn es lediglich in Höhe der
Stiftelektrode bzw. entlang der Stiftelektrode vorhanden ist.
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Das Landgericht hat in dem dem angefochtenen Urteil auch mit völlig zutreffender
Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, das
Vorliegen patentrechtlicher Äquivalenz verneint. Es ist nicht ersichtlich, wieso der
Durchschnittsfachmann bei Orientierung am Sinngehalt der Ansprüche auf den
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Gedanken verfallen könnte, anstelle eines elektrisch isolierenden Düsenrohres,
welches zwischen der Stiftelektrode und der Ringelektrode angeordnet ist, genau das
Gegenteil zu machen, nämlich ein elektrisch leitendes Metallrohr anzuordnen und diese
Maßnahme durch die Anordnung eines im Anspruchswortlaut und in der
Klagepatentschrift überhaupt nicht erwähnten zusätzlichen rohrförmigen Isolators
zwischen dem elektrisch leitenden Metallrohr und der Stiftelektrode in Höhe der
Stiftelektrode zu ergänzen.
Hierzu kann der Durchschnittsfachmann, wie das Landgericht völlig zutreffend
ausgeführt hat, nur gelangen, wenn er sich gerade nicht an der Lehre des Klagepatents
orientiert, sondern sich von ihr abwendet und – allein aufgrund seines Fachwissens -
erkennt, dass die in Merkmal 4 b) geforderte elektrische Isolierung durch das Düsenrohr
nicht bis zur Ringelektrode hin erforderlich ist.
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Das Landgericht hat auch mit zutreffender Begründung auf den Seiten 17, 18 des
angefochtenen Urteils ausgeführt, dass auch aus Spalte 2, Zeilen 49 – 53 der
Klagepatentschrift sowie dem Patentanspruch 2 des Klagepatents der
Durchschnittsfachmann keine Anregung erhalte, die patentgemäße Lehre in dieser
Weise abzuwandeln. Entsprechendes gilt auch für Spalte 4, Zeilen 30 – 55 der
Klagepatentschrift. Der Patentbeschreibung und den Unteransprüchen ist lediglich die
bevorzugte Auswahl eines bestimmten Isoliermaterials, nämlich Keramik, zur
Ausbildung des Düsenrohrs zu entnehmen, nicht jedoch, auf die elektrisch isolierende
Eigenschaft des Düsenrohrs im Bereich zwischen Stiftelektrode und Ringelektrode zu
verzichten.
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Nach alledem hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1
S. 2 ZPO.
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Es bestand kein Anlass, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die
Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts
oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts nicht erfordert.
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