Urteil des OLG Düsseldorf vom 29.08.2003

OLG Düsseldorf: freiwillige leistung, zwangsvollstreckung, vollstreckbarerklärung, schiedsspruch, zustellung, vollstreckbarkeit, erfüllung, fristablauf, rücknahme, rechtshängigkeit

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-26 Sch 7/03
Datum:
29.08.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-26 Sch 7/03
Leitsätze:
Leitsatz zu I 26-Sch 7/03
Voreilige Vollstreckungsmaßnahmen sind nicht notwendig im Sinne des
§ 91 ZPO.
Das gilt auch für Handlungen zur Vorbereitung der
Zwangsvollstreckung. Dem Schuldner muss die Möglichkeit zur
freiwilligen Leistung eingeräumt werden. Ansonsten trägt der Gläubiger
die entstandenen Kosten.
Tenor:
Der Antragstellerin werden, nachdem sie den Antrag, den
Schiedsspruch des Schiedsgerichts der Industrie- und Handelskammer
Düsseldorf vom 24.03.2003 für vollstreckbar zu erklären,
zurückgenommen hat, die Kosten des Verfahrens nach einem Streitwert
in Höhe von 122.083,92 EUR auferlegt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
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I.
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Der im Beschlusstenor genannte Schiedsspruch vom 24.03.2003 wurde der
Schiedsbeklagten am 07.04.2003 zugestellt. Mit Schreiben vom 11.04.2003 forderte die
Schiedsklägerin die Schiedsbeklagte zur Zahlung der nach dem Inhalt des
Schiedsspruchs geschuldeten Summe bis zum 23.04.2003 auf, anderenfalls die
Zwangsvollstreckung betrieben würde. Mit Schriftsatz vom 14.04.2003 stellte die
Schiedsklägerin an den Senat den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des
Schiedsvergleichs. Mit Fax-Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom
22.04.2003 teilte die Schiedsbeklagte der Schiedsklägerin mit, dass die "Urteilssumme
heute per Blitzgiro" überwiesen sei. Mit Schriftsatz vom 10.06.2003 hat die
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Schiedsklägerin den Antrag vom 14.04.2003 für erledigt erklärt, "nachdem die
Schiedsbeklagte Zahlung geleistet" habe. Sie beantragt, der Schiedsbeklagten die
Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
II.
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Nach Antragsrücknahme sind der Schiedsklägerin die Kosten des Verfahrens
entsprechend § 269 Abs. 3, 4 ZPO aufzuerlegen. Die entsprechende Anwendung der
Vorschrift des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Nach
dieser Vorschrift bestimmt sich die Kostentragungspflicht nach dem bisherigen Sach-
und Streitstand, wenn der Anlass zur Klageerhebung vor Rechtshängigkeit weggefallen
ist und die Klage daraufhin unverzüglich zurückgenommen wird.
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1. Die formellen Voraussetzungen für die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift
liegen vor. Die Schiedsbeklagte hat die Schiedsurteilssumme am 22.04.2003 und damit
vor Zustellung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung am 02.06.2003 gezahlt.
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2. Die Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands führt indessen nicht zur
Kostentragungspflicht der Schiedsbeklagten. Es bleibt bei der Verpflichtung der
Schiedsklägerin, die Kosten entsprechend § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO nach Antrags-
rücknahme zu tragen.
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a) Der Schiedsklägerin ist zuzugeben, dass die Zwangsvollstreckung aus einem
Schiedsspruch die in einem besonderen gerichtlichen Verfahren herbeizuführende
Vollstreckbarerklärung voraussetzt. Dadurch unterscheidet sich dieses Verfahren von
dem der Zwangsvollstreckung aus einem Urteil, mit dem in der Regel gleichzeitig über
die Vollstreckbarkeit entschieden wird. Auch in dem zuletzt genannten Verfahren stellt
sich indessen die Frage, ob und inwieweit Vorbereitungskosten, also Kosten, die der
Vorbereitung der Zwangsvollstreckung dienen, wie etwa die in § 788 Abs. 1 ZPO
ausdrücklich genannten Kosten für die Ausfertigung und die Zustellung des Urteils, von
dem Schuldner zu erstatten sind. Auch durch diese Vorbereitungshandlungen wird die
Zwangsvollstreckung erst ermöglicht. Deshalb ist es gerechtfertigt, die zu § 788 Abs. 1
ZPO geltenden Grundsätze auf den vorliegenden Fall entsprechend anzuwenden.
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Grundsätzlich fallen nach dieser Vorschrift die Kosten der Zwangsvollstreckung
einschließlich der Vorbereitungskosten dem Schuldner zur Last. Aus § 788 Abs. 1 S.1
ZPO in Verbindung mit § 91 ZPO ergibt sich allerdings die Einschränkung, dass nur die
notwendigen Kosten zu erstatten sind. Auch in der Zwangsvollstreckung, und auch bei
deren Vorbereitung, hat der Gläubiger (wie jede Partei) seine Maßnahmen zur Wahrung
seiner Rechte so einzurichten, dass die Kosten möglichst gering gehalten werden. Ob
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (einschließlich der Vorbereitungsmaßnahmen)
notwendig sind, bestimmt sich danach, ob der Gläubiger die Maßnahme zu diesem
Zeitpunkt bei objektiver und redlicher Betrachtung für erforderlich halten durfte (
Musielak-Lackmann, § 788 RdNr.7 m.w.N.; Zöller-Stöber, § 788 RdNrn. 9 ff. m.w.N.).
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Voreilige Vollstreckungsmaßnahmen sind nicht notwendig. Voreilig ist die
Vollstreckung, wie auch die Vorbereitung der Vollstreckung, wenn eine freiwillige
Leistung des Schuldners nicht abgewartet wird. Dem Schuldner muss die Möglichkeit
gegeben werden, die Zwangsvollstreckung durch freiwillige Leistung innerhalb
angemessener Frist, die sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet, abzuwenden
(BVerfG 84, 6; 99, 338). Erst bei nicht freiwilliger rechtzeitiger Leistung ist die
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Notwendigkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einschließlich der
Vorbereitungshandlungen zu bejahen.
b) Im vorliegenden Fall ist der Schiedsspruch vom 24.03.2003 der Schiedsbeklagten am
07.04.2003 zugestellt worden. Die Schiedsklägerin hat Zahlungsfrist bis zum
23.04.2003 gesetzt, innerhalb derer die Schiedsbeklagte die geschuldete Summe auch
überwiesen hat. Diese -angemessene- Leistungsfrist musste die Schiedsklägerin zwar
nicht abwarten, ehe sie den Antrag auf Vollstreckbarerklärung stellen konnte. Der Antrag
war nach Zustellung des Schiedsspruchs umgehend zulässig, und seinerzeit auch
begründet. Eine andere Frage ist es aber, ob die Verursachung der dadurch
entstandenen Kosten seinerzeit notwendig war. Das ist nicht der Fall. Das (Kosten-
)Risiko der rechtzeitigen Erfüllung konnte die Schiedsbeklagte erst nach Fristablauf
treffen.
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3. Die Streitwertbestimmung beruht auf § 3 ZPO.
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4. Ein gerechtfertigter Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 ZPO
besteht nicht.
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