Urteil des OLG Düsseldorf vom 24.05.2006

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Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-U (Kart) 22/05
Datum:
24.05.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Kartellsenat
Entscheidungsart:
Teilurteil
Aktenzeichen:
VI-U (Kart) 22/05
Tenor:
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27. Oktober 2004
verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düssel-dorf im
Ausspruch zu Ziffer I. und II. abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.332,78 € nebst 8 %
Zinsen über dem Basiszinssatz zu zahlen, und zwar aus 2.863,04 € seit
dem 1. Februar 2002, aus weiteren 3.500 € seit dem 10. Mai 2002 und
aus weiteren 5.969,74 € seit dem 1. Feb-ruar 2002.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleis-tung in
Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwen-den, wenn nicht
die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
G r ü n d e
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I.
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Die Beklagte war im Zeitraum zwischen 1993 und Ende Juni 2001 Lizenznehmerin der
Klägerin. Zuletzt war ihr mit Lizenzvertrag vom 21. Januar 1997 (Anlage K 1, GA 16-23)
das Recht eingeräumt worden, die von der Klägerin unter der Kennzeichnung "D. B." in
deutscher Sprache herausgegebenen Bücher und Softwareprogramme in die
niederländische und flämische Sprache zu übersetzen und diese Produkte sowie
sonstige Zubehörteile anschließend in die Benelux-Staaten zu vertreiben. Der
Lizenzvertrag sieht in § 6 folgende Bestimmungen zur Lizenzgebühr vor:
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1. Als Lizenzgebühr zahlt der Lizenznehmer dem Lizenzgeber für jedes verkaufte
Buch 10 % und für jedes verkaufte Programm 12 % vom empfohlenen bzw.
gebundenen Endverkaufspreis ohne Mehrwert-steuer, mindestens jedoch 10 %
bzw. 12 % vom Endverkaufspreis ohne Mehrwertsteuer des jeweiligen deutschen
Originals.
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6. Der Lizenzgeber ist berechtigt, die Abrechnungsunterlagen des
Lizenznehmers durch einen vereidigten Buchprüfer überprüfen zu lassen. ....
Sind Abrechnungsmängel festzustellen, die sich auf die jährliche
Lizenzgebührenpflicht in Höhe von wenigstens 1.000 DM auswirken, trägt der
Lizenznehmer die Kosten des Buchprüfers.
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Zum Sonderverkauf enthält § 7 Ziffer 1 des Lizenzvertrages die folgende Regelung:
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Beabsichtigt der Lizenznehmer, lizensierte Produkte des Lizenzgebers im
Rahmen des modernen Antiquariats zu einem niedrigeren als dem gebundenen
Preis oder dem empfohlenen Preis anzubieten, so wird er dem Lizenzgeber
eine schriftliche Aufstellung der Produkte zur Genehmigung übermitteln, die
solchermaßen preisreduziert angeboten werden sollen. Der Lizenzgeber wird
die übersandte Aufstellung schriftlich bestätigen. Genehmigt der Lizenzgeber
die Preisreduzierung nicht, hat der Lizenznehmer unbeschadet seiner
Preisgestaltung die im Lizenzvertrag für das jeweilige Produkt vereinbarte
Lizenzgebühr zu entrichten. Bei genehmigt preisreduzierten Produkten beträgt
die vom Lizenznehmer an den Lizenzgeber zu bezahlende Lizenzgebühr 1/3
des Verkaufserlöses von jedem verkauften Vervielfältigungsstück.
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Schließlich enthält der Lizenzvertrag in § 9 Ziffer 1 auszugsweise die folgende
Schriftformklausel:
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Ergänzungen oder Änderungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit
der Schriftform; dies gilt auch für eine Abbedingung des
Schriftformerfordernisses.
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Die Klägerin ließ im Jahre 2002 die Lizenzabrechnungen der Beklagten für das 3. und
4. Quartal 2001 stichprobenweise bei 5 Lizenzprodukten überprüfen. Gestützt auf den
Prüfungsbericht der von ihr beauftragten Wirtschaftsprüfer erhebt sie gegen die Beklagte
den Vorwurf, dass in den Lizenzabrechnungen sowohl zu geringe Verkaufszahlen als
auch zu niedrige Verkaufspreise ausgewiesen seien.
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Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Auskunft über die im Zeitraum zwischen dem 1.
Januar 1999 und dem 30. Juni 2001 vertriebenen Lizenzprodukte unter Angabe des
Produktnamens, der verkauften Stückzahl, der tatsächlich berechneten Verkaufspreise
und der ihrer Lizenzabrechnung zugrunde gelegten Verkaufspreise sowie die
Feststellung, dass die Beklagte zur Zahlung der sich aus der Auskunft ergebenden
Lizenzgebühren verpflichtet ist. Darüber hinaus beansprucht sie für die überprüften 5
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Lizenzprodukte restliche Lizenzgebühren in Höhe von 3.781,92 €, ferner Erstattung der
Kosten der Wirtschaftsprüfer in Höhe von 3.500 € sowie schließlich Zahlung eines
weiteren Lizenzbetrages von 5.969,74 €, den die Beklagte mit Prozesskosten verrechnet
hat, die ihr aus einem gegen sie in B. geführten Kennzeichenrechtsstreit entstanden
waren. In jenem Rechtstreit hatte die Firma "R. H." die Beklagte wegen der - vom
deutschen Originlaprodukte übernommenen - Verpackungsangabe "enthält R. H. L. 6.0"
wegen Verletzung ihrer Gemeinschaftsmarke "R. H." in Anspruch genommen. Die Klage
ist als unbegründet abgewiesen worden.
Die Beklagte hat die Richtigkeit ihrer Abrechnung verteidigt und sich wegen der als zu
niedrig beanstandeten Verkaufszahlen auf "back-orders" und Rücklieferungen berufen.
Zu den verrechneten Prozessaufwendungen vertritt sie die Ansicht, diese seien ihr von
der Klägerin zumindest aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag zu
erstatten.
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Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
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Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihr
Vorbringen und legt ergänzend Geschäftsunterlagen zu den behaupteten "back-orders"
und Rücklieferungen vor.
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Außerdem hat sie Widerklage erhoben, mit der sie zum einen die Rückzahlung zuviel
gezahlter Lizenzgebühren in Höhe von 11.122,72 € mit der Behauptung verlangt, dass
weitere Rücklieferungen erfolgt seien, und mit der zum anderen ein Erstattungs-
anspruch mit dem Argument erhoben wird, die in § 6 Ziffer 2 des Lizenzvertrages
enthaltene Vergütungsregelung zum Verkauf von Zubehörteilen sei kartellnichtig.
Diesen Rückzahlungsbetrag hat die Beklagte zunächst auf 84.248,33 € beziffert und im
Verlauf des Berufungsverfahrens auf 31.213,33 € reduziert.
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Im Verhandlungstermin des Senats haben die Parteien zur Widerklage nicht verhandelt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand
des angefochtenen Urteils sowie auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug
genommen.
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II.
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Die zulässige Berufung hat - soweit sie sich gegen den Hauptausspruch des
landgerichtlichen Urteils wendet - nur teilweise Erfolg. Die Beklagte schuldet der
Klägerin die Zahlung eines Betrages von 12.332,78 €. Das weitergehende
Zahlungsbegehren und das Auskunftsverlangen sind demgegenüber unbegründet. Über
die im Berufungsverfahren erhobene Widerklage ist (noch) nicht zu entscheiden.
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A. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin Auskunft über die von ihr im Zeitraum
zwischen dem 1. Januar 1999 und dem 30. Juni 2001 vertriebenen Lizenzprodukte unter
Angabe des Produktnamens, der verkauften Stückzahl, der tatsächlich berechneten
Verkaufspreise und der ihrer Lizenzabrechnung zugrunde gelegten Verkaufspreise zu
erteilen. Nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann die Klägerin von der Beklagten
Auskünfte nur verlangen, sofern sie diese zur Berechnung der vertraglich vereinbarten
Lizenzgebühr benötigt und ihr die betreffenden Informationen darüber hinaus weder
bekannt sind noch mit zumutbarem Aufwand anderweitig beschafft werden können (vgl.
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nur: BGH, NJW 2000, 3777 m.w.N.; Heinrichs in Palandt, BGB, 65. Aufl., § 261 Rdnr. 8
ff.). An diesen Voraussetzungen fehlt es im Streitfall.
1. Die zwischen Januar 1999 und Juni 2001 von der Beklagten verkauften
Lizenzprodukte und die jeweils abgesetzten Stückzahlen sind der Klägerin bereits mit
den als Anlagen B 1 bis B 4 vorgelegten Quartalsabrechnungen der Beklagten in
übersichtlicher Form mitgeteilt worden. Hierdurch ist der Auskunftsanspruch der
Klägerin in diesen Punkten bereits erfüllt worden. Ob - was die Klägerin bezweifelt - die
ausgewiesenen Verkaufszahlen den Tatsachen entsprechen, ist für die Erfüllung des
Auskunftsanspruchs ohne Belang. Sofern die Klägerin Bedenken an der sachlichen
Richtigkeit der Quartalsabrechnungen hat, kann sie die ihr insoweit zur Verfügung
stehenden rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen. Dazu sieht beispielsweise der
Lizenzvertrag der Parteien in § 6 Ziffer 6 das Recht der Klägerin vor, die
Abrechnungsunterlagen der Beklagten durch einen vereidigten Buchprüfer überprüfen
zu lassen.
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2. Auskunft über die von ihr tatsächlich berechneten Verkaufspreise schuldet die
Beklagte der Klägerin gleichfalls nicht, weil es für die Berechnung der Lizenzgebühr auf
diesen Preis nicht ankommt.
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a) Nach § 6 Ziffer 1 des Lizenzvertrages hat die Beklagte für jedes verkaufte Buch eine
Lizenzgebühr von 10 % des gebundenen (Netto-)Endverkaufspreises und für jedes
verkaufte Programm eine Lizenzgebühr von 12 % des empfohlenen (Netto-)Endver-
kaufspreises, mindestens jedoch 10 % bzw. 12 % vom (Netto-) Endverkaufspreis des
jeweiligen deutschen Originalsprodukts, zu entrichten. Berechnungsgrundlage der
Lizenzgebühr ist folglich der gebundene oder empfohlene und nicht der tatsächlich
erzielte Verkaufspreis. Das gilt auch für die Mindestlizenzgebühr. Auch sie ist -
entgegen der Ansicht der Beklagten - anhand der empfohlenen oder gebundenen
Verkaufspreise für die deutschen Originalprodukte und nicht auf der Grundlage der von
der Klägerin tatsächlich erzielten Verkaufspreise für die deutschen Produkte zu
berechnen. Aus der Tatsache, dass § 6 Ziffer 1 des Lizenzvertrages im Zusammenhang
mit der Mindestlizenzgebühr lediglich vom "Endverkaufspreis" des deutschen
Originalprodukts und nicht - wie im Zusammenhang mit der Berechnung der
Ausgangsgebühr - von dem "gebundenen" oder "empfohlenen" Endverkaufspreisen
spricht, lässt sich nichts Gegenteiliges herleiten. Diese abweichende Formulierung ist
nicht Ausdruck eines sachlich unterschiedlichen Regelungsgehalts, sondern alleine das
Resultat einer sprachlich verkürzten Fassung. Ebenso wie die Vertragsklausel zur
Mindestlizenzgebühr mit der Nennung der beiden Prozentsätze von 10 % und 12 %
ersichtlich auf die im vorausgegangenen Halbsatz ausformulierte Unterscheidung
zwischen dem Verkauf eines Buchs oder eines Programms Bezug nimmt, ohne die
entsprechende Differenzierung selbst zu wiederholen, wird auch mit dem verkürzten
Begriff des "Endverkaufspreises" auf den im vorstehenden Halbsatz ausformulierten
Begriff des "gebundenen" oder "empfohlenen" Endverkaufspreises Bezug genommen.
Dementsprechend haben die Vertragsparteien bei § 7 Ziffer 1 des Lizenzvertrages, der
für genehmigte Sonderverkäufe die Lizenzgebühr an den tatsächlich erzielten
Verkaufspreis koppelt, auch nicht den Begriff des Endverkaufspreises, sondern
denjenigen des "Verkaufserlöses" verwendet.
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b) Die Klägerin kann Auskunft über die tatsächlich erzielten Verkaufspreise auch nicht
mit Blick auf die Vergütungsabrede in § 7 Ziffer 1 des Lizenzvertrages beanspruchen.
Wie nachfolgend noch ausgeführt werden wird, liegen die Voraussetzungen, unter
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denen die Beklagte nach der genannten Vorschrift nur den sich - anhand der erzielten
Verkaufspreise berechnenden - niedrigeren Lizenzsatz für Sonderverkäufe schuldet,
nicht vor.
3. Die Auskunftsklage ist schließlich unbegründet, soweit die Klägerin von der
Beklagten die Mitteilung begehrt, welche Verkaufspreise sie bei der Lizenzabrechnung
angesetzt hat. Auch in diesem Punkt ist die verlangte Auskunft bereits erteilt worden.
Die erwähnten Quartalsabrechungen der Beklagten weisen für jedes einzelne verkaufte
Lizenzprodukt den Verkaufspreis aus, welcher der Berechnung der Lizenzgebühr
zugrunde gelegt worden ist.
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B. Mit der Abweisung der Auskunftsklage ist zugleich der darauf bezogene Antrag
festzustellen, dass die Beklagte die sich aus der Ausklunft ergebenden Lizenzgebühren
zu zahlen habe, gegenstandslos.
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C. Die Zahlungsklage ist in Höhe eines Betrages von 12.332,78 € gerechtfertigt.
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1. Für den Verkauf der Produkte "E. C. G. W. 2000", "S. MP 3", "S. E. W.", "3 D C." und
"3 D D. 4.0 P." stehen der Klägerin restliche Lizenzgebühren in Höhe von 2.863,04 € zu.
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a) Für die Berechnung der in Rede stehenden Lizenzgebühren gilt vorab Folgendes:
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aa) Der Berechnung der Lizenzgebühr sind die in den Quartalsabrechnungen der
Beklagten ausgewiesenen und nicht die von der Klägerin behaupteten höheren
Verkaufszahlen zugrunde zu legen. Mit Recht hat die Beklagte bereits im
erstinstanzlichen Verfahren darauf hingewiesen, dass die Klägerin nach allgemeinen
Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die tatbestandlichen Voraussetzungen
des geltend gemachten Lizenzgebührenanspruchs - und damit auch für die von ihr
behaupteten höheren Stückzahlen - trägt. Im Prozess obliegt es folglich der Klägerin, die
von der Beklagten vorgetragenen - und im Verlaufe des Rechtstreits sogar durch
Unterlagen belegten - Retouren zu widerlegen und nachzuweisen, dass die Beklagte
mehr Lizenzprodukte verkauft hat, als sie in ihren Lizenzabrechnungen angegeben hat.
Die Klägerin hat diesen Beweis weder geführt noch die von ihr behaupteten
Verkaufszahlen unter Beweis gestellt.
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bb) Die Beklagte schuldet der Klägerin im Ausgangspunkt für jedes verkaufte Buch eine
Lizenzgebühr in Höhe von 10 % des von ihr selbst gebundenen (Netto-)End-
verkaufspreises und für jedes verkaufte Programm eine Lizenzgebühr in Höhe von 12 %
des von ihr selbst empfohlenen (Netto-)Endverkaufspreises. Auf die Preisbindungen
und Preisempfehlungen der Klägerin kommt es für die Lizenzabrechnung allerdings
insoweit an, als die Lizenzgebühr im Mindestbetrag 10 % bzw. 12 % des von der
Klägerin für die deutschen Originalprodukte gebundenen bzw. empfohlenen (Netto-
)Endver-kaufspreises beträgt. Die Klausel dient der Absicherung der Klägerin, indem
der Mindestbetrag der Lizenzgebühr von den Preisvorgaben und Preisempfehlungen
der Beklagten abgekoppelt und an die gebundenen oder empfohlenen Preise der
Klägerin angebunden werden. Alleine bei diesem Vertragsverständnis erhält die
Vergütungsregelung einen vernünftigen Sinn. Wollte man - wie die Klägerin meint -
demgegenüber nicht nur bei der Berechnung der Mindestlizenzgebühr, sondern darüber
hinaus auch bei der Ermittlung der Ausgangslizenzgebühr auf die Preisbindungen und
Preisempfehlungen der Klägerin abstellen, wäre die Regelung der Vertragsparteien zur
Mindestlizenz überflüssig und sinnlos. Das zwingt zu der Annahme, dass
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Abrechnungsbasis für die Ausgangslizenzgebühr die eigenen Preisvorgaben und
Preisempfehlungen der Beklagten sein müssen. Dass die Klägerin der Beklagten über
den gesamten Vertragszeitraum hinweg ihre eigenen Preisbindungen und
Preisempfehlungen mitgeteilt hat, steht dem nicht entgegen. Diese Benachrichtigungen
finden ihre Erklärung zwanglos schon in § 2 Ziffer 6 des Lizenzvertrages, wonach die
Beklagte ihre Verkaufspreise zwar weitgehend nach eigenem Ermessen festlegen darf,
ohne Zustimmung der Klägerin indes Lizenzware nicht zu einem Preis von weniger als
50 % des deutschen Ladenpreises verkaufen darf. Sie waren zudem erforderlich, weil
sich die Mindestlizenzgebühr nach den Preisvorgaben der Klägerin berechnete. Beides
macht plausibel, dass die Klägerin der Beklagten die von ihr gebundenen oder
empfohlenen Ladenverkaufspreise mitgeteilt hat.
cc) Die von der Beklagten geschuldeten Lizenzentgelte sind ausschließlich nach § 6
Ziffer 1 des Lizenzvertrages - mithin nach den Preisvorgaben und Preisempfehlungen
(der Beklagten und der Klägerin) - und nicht gemäß § 7 Ziffer 1 des Lizenzvertrages
nach den (niedrigeren) Verkaufspreisen, die die Beklagte bei Sonderverkäufen erzielt
hat, abzurechnen.
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§ 7 Ziffer 1 des Lizenzvertrages sieht vor, dass für Lizenzware, die die Beklagte mit
schriftlich erteilter Zustimmung der Klägerin im Sonderverkauf zu reduzierten Preisen
verkauft, eine Lizenzgebühr in Höhe von 1/3 des Verkaufserlöses zu entrichten ist. Auf
diese Vertragsbestimmung kann sich die Beklagte indes nicht berufen. Ist die Klausel -
wie die Beklagte meint - wegen Verstoßes gegen Art. 81 Abs. 1 EG unwirksam, fehlt es
schon an einer vertraglichen Grundlage für ein von § 6 Ziffer 1 des Lizenzvertrages
abweichendes (niedrigeres) Lizenzentgelt. Ist die Vertragsbestimmung gültig, liegen im
Entscheidungsfall jedenfalls die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm nicht vor.
Die Beklagte räumt ein, dass sie zu keinem Zeitpunkt und für keinen der von ihr
durchgeführten Sonderverkäufe die nach § 7 Ziffer 1 des Lizenzvertrages erforderliche
schriftliche Genehmigung der Klägerin eingeholt hat. Das gilt auch, soweit sich die
Beklagte im Rechtsstreit zunächst darauf berufen hatte, dass man dem Zeugen L. - der
ihr von der Klägerin als Ansprechpartner benannt worden sei - mit E-Mail vom 30.Mai
2001 (Anlage B 6, GA 118) beabsichtigte Preisreduzierungen mitgeteilt und dieser in
seinem Antwortschreiben vom 31. Mai 2001 (Anlage B 6, GA 118) den
Preisvorstellungen nicht widersprochen habe. Die Beklagte hat im Verlauf des
Berufungsverfahrens klargestellt, dass es sich bei diesen Preisreduzierungen nicht um
Sonderverkäufe im Sinne von § 7 Ziffer 1 des Lizenzvertrages, sondern um bloße
Herabsetzungen ihrer Preisempfehlungen und Preisvorgaben gehandelt habe.
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Die Beklagte war von der Notwendigkeit, vor einem Sonderverkauf die schriftliche
Einverständniserklärung der Klägerin einzuholen, auch nicht befreit. Der 20. Zivilsenat
hat in seinem Verweisungsbeschluss vom 30. August 2005 im Einzelnen dargelegt,
dass die jahrelange Praxis der Parteien, wonach die Beklagte unbeanstandet
Sonderverkäufe zu ermäßigten Lizenzgebühren nach § 7 Ziffer 1 des Lizenzvertrages
abgerechnet hat, obschon diese nicht zuvor von der Klägerin genehmigt worden waren,
weder zu einer konkludenten Vertragsänderung geführt hat noch den Einwand der
Verwirkung begründet. Der Senat teilt diese Rechtsansicht und nimmt auf sie zur
Vermeidung von Wiederholungen Bezug. In rechtlicher Hinsicht ausschlaggebend ist,
dass die Parteien als Kaufleute in § 9 Ziffer 1 des Lizenzvertrages rechtswirksam ein
doppeltes Schriftformerfordernis dahin vereinbart haben, dass nicht nur
Vertragsänderungen und Vertragsergänzungen der Schriftform bedürfen, sondern
darüber hinaus auch der Verzicht auf das vereinbarte Formerfordernis der Schriftlichkeit
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unterliegt. In einem solchen Fall kann nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung
(BGH, BGHZ 66, 378, 380; BAG, NJW 2003, 3725) weder der Vertrag durch mündliche
Abreden oder konkludentes Verhalten modifiziert werden noch stellt die Berufung auf
die Formbedürftigkeit eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) dar, solange nicht
- wie hier - die Einhaltung der Schriftform bewusst vereitelt wird. Ob die Rechtslage
dann anders zu beurteilen ist, wenn das doppelte Schriftformerfordernis Bestandteil
eines Formularvertrags ist (vgl. BGH, a.a.O.), kann auf sich beruhen. Denn keine der
Parteien macht geltend, dass es sich bei dem streitbefangenen Lizenzvertrag um ein
Klauselwerk und nicht um einen Individualvertrag handelt.
b) Dies voausgeschickt berechnen sich die noch offenen Lizenzgebühren der Klägerin
wie folgt:
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aa) Für das Produkt "E. C. G. W. 2000" hat die Beklagte der Klägerin eine Lizenzgebühr
für insgesamt 663 verkaufte Exemplare zu zahlen. Die Lizenzgebühr beträgt 10 % des
von der Beklagten gebundenen (Netto-)Endverkaufspreises in Höhe von 9,34 €,
mindestens jedoch 10 % der Preisvorgabe der Klägerin in Höhe von 9,53 €. Der
Gesamtlizenzbetrag beläuft sich mithin auf 631,84 € (9,53 € x 10 % x 663 Stk.). Auf
diesen Betrag hat die Beklagte lediglich 77,86 € geleistet, so dass ein Restbetrag von
553,98 € zur Zahlung offen steht.
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bb) Von dem Produkt "S. MP 3" hat die Beklagte im Abrechnungszeitraum insgesamt
180 Exemplare abgesetzt. Als Lizenzgebühr wird - weil auch hier der gebundene
Verkaufspreis der Beklagten mit 8,39 € niedriger war als die Preisvorgabe der Klägerin
in Höhe von 9,53 €, die Mindestlizenzgebühr geschuldet. Sie beträgt 10 % von 9,53 €.
Die Lizenzforderung der Klägerin beziffert sich folglich auf 171,54 € (9,53 € x 10 % x 180
Stk.). Hierauf hat die Beklagte einen negativen Lizenzbetrag von –55,15 € verrechnet,
so dass sich die Gesamtforderung der Klägerin auf 226,69 € beläuft.
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cc) Das Produkt "S. E. W." hat die Beklagte unter Berücksichtigung von 179
"backorders" und 176 Rücklieferungen insgesamt 179-mal verkauft. Der Klägerin steht
aus diesen Verkäufen eine Lizenzgebühr zu, die sich nach einem - unstreitigen -
Verkaufspreis von 9,53 € bemisst. Die Entgeltforderung der Klägerin berechnet sich
demnach auf 170,59 € (9,53 e x 10 % x 179 Stk.). Nach Abzug der bereits geleiteten
Teilzahlung von 137,22 € verbleibt eine Restforderung von 33,37 €.
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dd) Von dem Programm "3 D C." hat die Beklagte im Abrechnungszeitraum insgesamt
453 Stück verkauft. Für diesen Verkauf schuldet die Beklagte der Klägerin eine
Lizenzgebühr, die sich im Mindetsbetrag auf 12 % des empfohlenen Verkaufspreises für
das deutsche Originalprodukt beziffert. Nach dem unwidersprochenen Sachvortrag der
Klägerin lag dieser im Abrechnungszeitraum bei 13,19 €. Das Lizenzentgelt der
Klägerin beläuft sich folglich auf 717,01 € (13,19 € x 12 % x 453 Stk.). Unter
Berücksichtigung eines in der Abrechnung der Beklagten ausgewiesenen negativen
Lizenzbetrages von – 377,79 € hat die Beklagte insgesamt einen Betrag von 1.094,80 €
(7171,01 € + 377,79 €) an die Klägerin zu zahlen.
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ee) Unter Berücksichtigung der - unwiderlegt geltend gemachten - Rücklieferungen hat
die Beklagte im Abrechnungszeitraum von dem Produkt "3 D D. 4.0 P." insgesamt 303
Stück verkauft. Legt man die von der Klägerin behauptete Preisempfehlung von 88,13 €
zugrunde (die Beklagte trägt sogar einen Betrag von 96,16 € vor), beläuft sich die
Lizenzgebühr auf mindestens 3.204,41 € (88,13 € x 12 % x 303 Stk.). Darauf hat die
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Beklagte unstreitig einen Betrag von 2.250,21 € gezahlt, so dass eine Restforderung
von 954,20 € verbleibt.
2. Die Beklagte hat der Klägerin darüber hinaus die Kosten der mit der
stichprobenartigen Überprüfung der Lizenzabrechnung beauftragten Wirtschaftsprüfer in
Höhe von - unstreitig - 3.500 € zu erstatten. Das folgt aus § 6 Ziffer 6 des
Lizenzvertrages. Danach ist die Klägerin berechtigt, die Abrechnungsunterlagen der
Beklagten durch einen vereidigten Buchprüfer überprüfen zu lassen, wobei dessen
Kosten dann von der Beklagten zu tragen sind, wenn dieser Abrechnungsmängel mit
einem Betragsvolumen von mindestens 1.000 DM (= 511,29 €) auf die jährliche
Lizenzgebührenpflicht der Beklagten feststellt. Diese Voraussetzung ist vorliegend
erfüllt. Die Lizenzabrechnung der Beklagten ist für das 3. und 4. Quartal 2001 in Bezug
auf die von den Wirtschaftsprüfern untersuchten 5 Produkte um mehr als 2.800 € zu
korrigieren, weil die Beklagte ihrer Abrechnung unzutreffende Produktpreise zugrunde
gelegt hat.
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3. Die Klägerin kann von der Beklagten schließlich die Zahlung restlicher
Lizenzgebühren in Höhe von 5.969,74 € beanspruchen. Diesen Betrag hat die Beklagte
zu Unrecht mit Prozesskosten, die ihr in einem markenrechtlichen Passivprozess
entstanden sind, verrechnet. Die Klägerin ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt
verpflichtet, der Beklagten diese Prozesskosten zu erstatten.
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a) Gewährleistungsansprüche und Ersatzansprüche der Beklagten wegen Verletzung
von Vertragspflichten aus dem Lizenzvertrag scheiden von vornherein aus. Es steht
außer Streit, dass die gegen die Beklagte erhobene Kennzeichenklage als unbegründet
abgewiesen worden ist. Vor diesem Hintergrund geht der Vorwurf, die Klägerin habe es
durch die in § 2 Ziffer 4 des Lizenzvertrages enthaltene Verpflichtung der Beklagten,
sich "nahestmöglichst" an die Originaltitelgestaltung der deutschen Produktausgabe
anzulehnen, in vorwerfbarer Weise verschuldet, dass diese von der Firma "R. H." in
einem kennzeichenrechtlichen Prozess auf Unterlassung der Packungsangabe "enthält
R. H. L. 6.0" in Anspruch genommen wird, fehl.
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b) Ebenso wenig ist die Klägerin der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der
Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683, 670 BGB) zum Ersatz der Prozesskosten
verpflichtet. Es fehlt schon an einer Geschäftsführung für die Klägerin. Dabei kann es
auf sich beruhen, ob das bloße Verklagtsein in einem Prozess überhaupt unter den
Begriff der Geschäftsbesorgung fällt. Selbst wenn man dies bejahen wollte, ist durch die
kennzeichenrechtliche Inanspruchnahme der Beklagten jedenfalls kein Geschäft der
Klägerin geführt worden. Die Geschäftsführung ohne Auftrag erfordert ein Tätigwerden
des Geschäftsführers in einem fremden Rechts- oder Interessenkreis. Bloße
Reflexvorteile oder eine nur mittelbare Beziehung zum fremden Rechtskreis genügen
nicht (vgl. nur: Gehrlein in Bamberger/Roth, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch,
Band 2, § 677 Rdnr. 12 m.w.N.). So liegt der Fall indes hier. Der Ausgang des
Kennzeichenrechtsprozesses gegen die Beklagte entfaltet für die Klägerin weder
rechtliche noch wirtschaftliche oder sonstige Wirkungen. Er kann der Klägerin lediglich
bei der Einschätzung der Erfolgsaussichten einer gegen sie selbst gerichtenen
Kennzeichenklage behilflich sein. Dieser lediglich reflexartige Vorteil reicht nicht aus,
um die Prozessführung der Beklagten als die Führung (auch) eines Geschäfts der
Klägerin im Sinne von § 677 BGB anzusehen.
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Davon abgesehen bestehen auch gegen die Höhe des reklamierten
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Aufwendungsersatzanspruchs durchgreifende Bedenken. Gemäß §§ 677, 683, 670
BGB hat der Geschäftsherr dem Geschäftsführer lediglich diejenigen Aufwendungen zu
erstatten, die dieser zur Führung des Geschäfts für erforderlich halten durfte (vgl. nur:
Sprau in Palandt, BGB, 65. Aufl., § 683 Rdnr. 8 m.w.N.). Dass der im Streit befindliche
Prozesskostenbetrag von 5.969,74 € unter diesem Gesichtspunkt von der Klägerin zu
erstatten ist, begegnet durchgreifenden Bedenken. Die Tatsache, dass die Beklagte als
obsiegende Prozesspartei diese Kosten nicht gegen ihren Prozessgegner hat
durchsetzen können, begründet Zweifel an der Notwendigkeit jener
Prozessaufwendungen. Die Beklagte hätte deshalb im Einzelnen vortragen müssen,
worauf die in Rede stehenden Prozeskosten beruhen und inweiweit sie zur
Rechtsverteidigung erforderlich gewesen sein sollen, obschon die unterlegene
Prozesspartei nicht mit diesen Kosten belastet worden ist. An einem solchen
Sachvortrag fehlt es. Auch der vorgelegten anwaltlichen Gebührennote vom 5.9.2000
(Anlage B 5) ist hierzu nichts zu entnehmen.
4. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 und 2 BGB.
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D. Über die in zweiter Instanz erhobene Widerklage kann noch nicht entschieden
werden, weil beide Parteien im Verhandlungstermin des Senats hierzu nicht verhandelt
haben.
48
III.
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Aus diesem Grund muss die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten
bleiben.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht
vor.
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K. Dr. M. Prof. Dr. E.
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