Urteil des OLG Düsseldorf vom 14.05.2002
OLG Düsseldorf: diebstahl, wahrscheinlichkeit, entschädigung, wohnung, entwendung, fahrzeug, versicherungsnehmer, verfügung, verdacht, aktivlegitimation
Oberlandesgericht Düsseldorf, 4 U 185/01
Datum:
14.05.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 U 185/01
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am
14. August 2001 verkündete Urteil der 4. Zivil-kammer des Landgerichts
Krefeld wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 35.000 EUR abwenden, sofern der Kläger nicht vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger, der bis Ende 2000 freiberuflich als Versicherungsagent für die Beklagte tätig
war, unterhielt bei ihr eine Kraftfahrtversicherung für einen im August 1997 zum Preis
von 71.483 DM gekauften BMW 323i Touring, die auch das vom Kläger gleichfalls neu
angeschaffte Navigationssystem einschloss. Aufgrund einer Teilzahlungsvereinbarung
hatte der Kläger an den BMW-Händler bzw. an die BMW-Bank eine Anzahlung in Höhe
von 19.530 DM sowie ab September 1997 23 Monatsraten á 744,84 DM zu entrichten.
Darüber hinaus wurde am 5. August 1999 eine Abschlussrate in Höhe von 38.278,80
DM fällig, die aber aufgrund einer von dem BMW-Händler übernommenen
Rückkaufgarantie mit dem Rückkaufpreis in gleicher Höhe verrechnet werden konnte.
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Nachdem der Kläger am 5. August 1999 bei dem Vertragshändler einen neuen BMW
328i Touring bestellt und mit ihm die Weiterbenutzung des Gebrauchtfahrzeugs bis zur
Auslieferung Mitte November 1999 vereinbart hatte, meldete er am 2. November 1999
den BWM 323i bei der Polizei in G... als gestohlen. Bei seiner Befragung als Zeuge
erklärte er am 4. November 1999, den Wagen am 1. November 1999 gegen 18.30 Uhr
vor seiner Wohnung auf der Umstraße in G... abgestellt und gegen 21.00 Uhr bei einem
Spaziergang mit seinem Hund letztmals gesehen zu haben. Am 2. November 1999
habe er dann gegen 8.00 Uhr das Fehlen des Kfz festgestellt. Dessen Laufleistung gab
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er - ebenso wie in der Schadensanzeige gegenüber der Beklagten - mit ca. 51.000 km
an.
Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 52.304 DM nebst 7 % Zinsen aus 52.199,70 DM
seit dem 1. Januar 2000 Zug um Zug gegen Übergabe des Original-Kfz-Briefes für
das Fahrzeug BMW 323i Touring mit der Fahrgestell-Nr. ... zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat geltend gemacht, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert. Davon abgesehen sei der
Kfz-Diebstahl nur vorgetäuscht. Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit ergäben sich schon
daraus, dass er variierende Angaben zur Tatzeit gemacht habe. So habe er ihr - der
Beklagten - gegenüber in der Schadensanzeige - unstreitig - erklärt, er habe den PKW
am 1. November 1999 gegen 20.30 Uhr vor seiner Wohnung abgestellt. Da der BMW mit
einer Wegfahrsperre neuester Bauart ausgestattet gewesen sei, hätte er aber nur
entwendet werden können, wenn die Täter einen Abschleppwagen zur Verfügung
gehabt hätten. In der Wohngegend des Klägers wäre ein solches Fahrzeug aber des
Nachts aufgefallen. Darüber hinaus habe er sie - die Beklagte - schon 1995 wegen des
Diebstahls eines Kfz auf eine Entschädigung in Anspruch genommen, die sie
inzwischen im Parallelprozess LG Krefeld 3 O 353/00 zurückverlangt habe. Außerdem
habe er einen Auffahrunfall, der sich im Oktober 1999 ereignet habe, sowie mehrere
Kratzer und Schrammen aufgrund von Steinschlagschäden verschwiegen. Schließlich
müsse die wahre Laufleistung des BMW zwischen 60.000 und 75.000 km betragen
haben.
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Nach Beweisaufnahme hat das Landgericht der Klage - bis auf einen Teil des
Zinsanspruchs - stattgegeben. Dabei hat es das äußere Bild eines Kfz-Diebstahls
aufgrund der Angaben als erwiesen angesehen, die der Kläger bei seiner Vernehmung
als Partei gemacht hat. Soweit sich die Beklagte auf die erhebliche Wahrscheinlichkeit
der Vortäuschung berufen habe, seien die von ihr angeführten Indizien, so die Kammer,
teils unbewiesen, teils nicht stichhaltig.
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Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung.
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1.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Berufung bleibt ohne Erfolg.
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Mit Recht hat das Landgericht aufgrund der eigenen Angaben des Klägers, der auch bei
seiner Befragung durch den Senat einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat, das
äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung als geführt angesehen. Ebenso
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wenig steht auch seine Aktivlegitimation in Frage.
1. Die mit dem Beweis des äußeren Bildes verbundenen Beweiserleichterungen sind
dem Kläger nicht zu versagen, weil der Verdacht besteht, dass der Diebstahl seines
BMW 320 i Touring nur vorgetäuscht ist. Prämisse dafür wäre, dass Tatsachen
feststehen, aus denen sich nach der Lebenserfahrung ableiten lässt, dass der
Versicherungsnehmer den behaupteten Diebstahl mit erheblicher Wahrscheinlichkeit
vorgetäuscht hat (vgl. Römer, NJW 19996, 2329, 2332 m.w.N.). Der Nachweis von
Indizien, die diesen Schluss zulassen, ist der Beklagten jedoch nicht in hinreichendem
Maße gelungen, weil eine ganze Reihe von Umständen, die sie in dem Zusammenhang
anführt, entweder unbewiesen oder von nur geringem Beweiswert sind.
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2. Das gilt insbesondere für die Behauptung der Beklagten, der wahre Tachostand des
angeblich entwendeten BMW müsse deutlich über den vom Kläger angegebenen
51.000 km gelegen haben. Auffällig ist zwar, dass bei der Fahrzeugbewertung durch die
B... GmbH &Co. KG am 22. Juni 1999 ein Tachostand von 44.000 km festgehalten
worden ist, obwohl bereits auf der Rechnung der Motor J... GmbH &Co. KG vom 9.
Februar 1999 ein Kilometerstand von über 45.000 km vermerkt worden. war. Der
Beweis, dass der Kläger falsche Angaben gemacht hat, wird dadurch aber nicht
erbracht, weil er unwiderlegt behauptet hat, die Fahrzeugbewertung sei nur theoretisch
anhand einer Beispielsrechnung erfolgt; der BMW sei dabei nicht besichtigt worden.
Wenngleich nicht zu verkennen ist, dass der Sachverhalt in diesem Punkt ins Auge
springende Parallelen zum Vorprozess aufweist, in dem die Parteien über den Diebstahl
eines Suzuki Vitara gestritten haben (Senat, Urteil vom 25.09.2001, 4 U 28/01, Umdruck
Seite 11 unter b), fehlt es aber jedenfalls an einem Beweisantritt der Beklagten dafür,
dass der Fahrzeugbewertung vom 22. Juni 1999 eine Besichtigung des BMW
vorausgegangen ist. Soweit sie statt dessen die Behauptung des Klägers, er habe den
Gebrauch des BMW ab November 1998 eingeschränkt und vermehrt auf den Pkw seiner
früheren Verlobten, der Zeugin Z..., zurückgegriffen, durch den Antrag auf deren
Vernehmung widerlegen will, handelt es sich dabei um einen unzulässigen
Ausforschungsbeweis. Denn die Behauptung, die Zeugin habe sich zu dem
angegebenen Zeitpunkt bereits vom Kläger abgewandt gehabt, steht in einem
offenkundigen Widerspruch zu dem erstinstanzlichen Vorbringen der Beklagten. Mit
Schriftsatz vom 15. Juni 2000 hatte sie nämlich noch in das Wissen der Zeugin gestellt,
dass der BMW Anfang November 1999 bereits eine Laufleistung von 65.000 bis 70.000
km aufgewiesen hat (GA 187). Daraus folgt, dass die Beklagte ins Blaue hinein darüber
spekuliert, wie lange die Verbindung des Klägers zu der Zeugin bestanden hat.
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Ebenso unergiebig ist die von der Beklagten aufrechterhaltene Behauptung, der Kläger
habe ihr den bei einem Auffahrunfall am 16. Oktober 1999 an dem BMW entstandenen
Schaden verschwiegen. Dass ein offenbarungspflichtiger Schaden entstanden war, hat
sie nämlich erstinstanzlich nicht zu beweisen vermocht. Vielmehr hat die Zeugin V..., die
Unfallgegnerin des Klägers, bei ihrer Vernehmung vor dem Landgericht bekundet, sie
habe keine Beschädigungen an dem BMW des Klägers feststellen können. Da auch an
ihrem Kfz nur leichte Kratzer entstanden sind, deren Behebung gerade einmal 800 DM
gekostet hat, erweist sich das auch als durchaus plausibel. In dem Kontext verbleibt
daher lediglich der Vorwurf, der Kläger habe der Beklagten außerdem
Steinschlagschäden an seinem BMW verheimlicht. Das gibt für den Verdacht der
Vortäuschung aber wenig her, da ein Versicherungsnehmer auch bei einem "echten"
Kfz-Diebstahl in Versuchung geraten kann, Umstände, die für die Ermittlung der
Entschädigung eine Rolle spielen, zu beschönigen. Davon abgesehen sieht der Senat
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aber auch die Glaubwürdigkeit des Klägers nicht durch die Verletzung der
Aufklärungsobliegenheit als erschüttert an, weil jeder verständige Versicherer bei einem
Pkw mit einem Tachostand um die 50.000 km auch ohne besondere Mitteilung mit
derartigen Gebrauchs- oder Abnutzungsspuren rechnet und auch rechnen muss.
Schließlich fällt zu Lasten des Klägers nicht weiter ins Gewicht, dass er der Beklagten
schon 1995 den oben bereits angesprochenen Diebstahl eines Suzuki Vitara gemeldet
hat. Denn überzeugende Beweise dafür, dass dieser Versicherungsfall inszeniert
gewesen ist, hat die Beklagte nicht vorgebracht. Dementsprechend ist sie auch in dem
Vorprozess, in dem sie den Kläger auf Rückzahlung der damals geleisteten
Entschädigung in Anspruch genommen hat, unterlegen (Senat, a.a.O.). Dabei verkennt
der Senat nicht, dass die Häufung angeblicher Diebstahlsfälle als Vortäuschungsindiz
gewertet werden kann (Senat, VersR 1998, 1107; Römer, NVersZ 1998, 63, 65). Dafür
reicht ein einzelner früherer Diebstahl, der sich viereinhalb Jahre vor dem aktuellen
Schadensereignis zugetragen haben soll, jedoch nicht aus.
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3. Die danach noch verbleibenden Verdachtsmomente rechtfertigen die Feststellung
einer erheblichen Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung nicht. Gegen die vom Kläger
behauptete Entwendung spricht zwar, dass sein BMW mit einer modernen
Wegfahrsperre ausgestattet war und ein Abschleppwagen, mit dessen Hilfe die
Entwendung des Kfz gleichwohl möglich war, des Nachts in der ruhigen Wohngegend
des Klägers aufgefallen wäre. Nicht zu verkennen ist weiterhin, dass der Kläger sich
zum Diebstahlszeitpunkt bereits seit einem Jahre vergeblich um die Veräußerung des
BMW bemüht hatte. Zwar konnte er auch auf die Rückkaufgarantie seines BMW-
Händlers zurückgreifen, wie er es wohl auch getan hat. Das war für ihn jedoch mit einem
fühlbaren Verlust verbunden. Denn der garantierte Rückkaufpreis in Höhe von
38.278,80 DM lag deutlich unter dem Wiederbeschaffungswert. Hinzu kommt, dass der
Kläger zum Abstellzeitpunkt widersprüchliche Angaben gemacht hat. So heißt es in der
Schadensanzeige vom 2. November 1999, der Pkw sei vor dem Diebstahl um 20.30 Uhr
abgestellt worden, obwohl er bereits seit 18.30 Uhr vor der Wohnung des Klägers
gestanden hat und von ihm lediglich um 20.30 Uhr letztmals gesehen worden ist. Diese
Ungenauigkeit mag sich zwar noch dadurch erklären lassen, dass der Kläger
angenommen hat, es gehe der Beklagten weniger um die Feststellung des
Abstellzeitpunktes als um die Ermittlung des dem Täter zur Verfügung stehenden
Tatzeitraums. Als merkwürdig erweist sich jedoch in jedem Fall, dass es auch bei dem
Diebstahl des Suzuki Vitara zu ähnlichen Ungereimtheiten gekommen ist (Senat, Urteil
vom 25.09.2001, a.a.O., Umdruck Seite 8 unter b). Auch bei einer Gesamtschau reichen
diese Umstände jedoch nicht aus, um mit erheblicher Wahrscheinlichkeit von einer
Vortäuschung des Kfz-Diebstahls ausgehen zu können.
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4.
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Die Beklagte ist auch nicht leistungsfrei, weil der Kläger seine Aufklärungsobliegenheit
verletzt hätte. Denn dafür war die Nichtanzeige der Steinschlagschäden - wie dargetan -
nicht hinreichend relevant.
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5.
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Letztlich scheitert die Klage auch nicht an der fehlenden Aktivlegitimation des Klägers,
denn einer wirksamen Abtretung des Entschädigungsanspruchs steht ohnehin das
Abtretungsverbot gemäß § 3 Nr. 4 AKB entgegen.
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6.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10,
711 ZPO.
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Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision findet ihre Grundlage in § 543
ZPO n.F.
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Berufungsstreitwert und Beschwer der Beklagten: 26.742,61 EUR (= 52.304,-- DM).
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