Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.02.2008

OLG Düsseldorf: gemeinsame elterliche sorge, trennung, beschränkung, unbefristet, form, vaterschaftsanerkennung, rechtfertigung, kindeswohl, inhaber, auflage

Oberlandesgericht Düsseldorf, II-8 UF 267/07
Datum:
22.02.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
II-8 UF 267/07
Leitsätze:
Die Wirksamkeitsvoraussetzungen für Sorgerechtserklärungen sind in
den §§ 1626 b bis 1626 d BGB abschließend geregelt.
Wenn im Rahmen notariellen Vertrages neben den
Sorgerechtserklärungen unwirk-same Vereinbarungen beurkundet
werden, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Sorgeerklärungen, weil §
139 BGB nicht anwendbar ist.
Tenor:
1.
Es wird festgestellt, dass den Beteiligten zu 1) und 2) die elterliche
Sorge für das Kind P. S., geb. am 28.1.2005, gemeinsam zusteht.
2.
Die Beschwerdeentscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außer-
gerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet. Die erst-
instanzlichen Kosten werden gegeneinander aufgehoben.
Geschäftswert: 3000 €.
I.
1
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die nichtehelichen Eltern des betroffenen Kindes. Sie
haben am 20.1.2006 von der Notarin G. W. in H. folgende Erklärung beurkunden lassen:
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"Wir, Frau S. S. und Herr H. Sc. sind nicht miteinander verheiratet; wir leben aber
seit dem 1. Oktober 2004 zusammen.
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Aus unserer Verbindung ist unser Sohn P. S. , geboren am 28.1.2005,
hervorgegangen.
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Herr Sc. hat die Vaterschaft rechtswirksam anerkannt durch Urkunde des
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Standesamtes W. vom 10.2.2005 – Vorgang 92/05 GK.
P. wird von uns beiden im gemeinsamen Haushalt betreut, deshalb wollen wir für
ihn beide gemeinsam die elterliche Sorge ausüben;
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wir erklären daher jeder für sich selbst, dass wir die Sorge für unseren Sohn P.
gemeinsam ausüben wollen.
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Für den Fall der Trennung legen wir uns deshalb hiermit auf den Fortbestand der
gemeinsamen elterlichen Sorge fest.
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Wir wollen auch nach einer evtl. Trennung die gemeinsame elterliche Sorge für
unseren Sohn P. ausüben.
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Einigkeit besteht weiterhin hinsichtlich der Ausübung der elterlichen Sorge
dahingehend, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Kindesmutter, Frau S. S.,
alleine zustehen soll.
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Wir sind einig, dass dies insbesondere im Fall unserer Trennung gelten soll.
Sollten weitere Erklärungen des Kindesvaters erforderlich sein, so wird er diese
abgeben zur Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes.
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Dem Kindesvater wird für den Fall der Trennung ein großzügiges Umgangsrecht
eingeräumt.
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Unser Sohn soll im Fall der Trennung bei der Kindesmutter bleiben und allein von
ihr versorgt werden. So ist es nach unserer Auffassung am besten.
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Aus diesem Grunde soll das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein von ihr ausgeübt
werden."
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Nach der Trennung hat die Beteiligte zu 2) bei dem zuständigen Jugendamt die
Ausstellung einer Bescheinigung nach § 58a SGB VIII (Negativattest) beantragt und
erhalten. Sie ist der Auffassung, dass die notarielle Vereinbarung unwirksam sei und ihr
das Sorgerecht für das betroffene Kind allein zustehe.
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Das Amtsgericht hat den Antrag des Beteiligten zu 1) auf Feststellung, dass die
Beteiligen zu 1) und 2) gemeinsame Sorgerechtsinhaber des minderjährigen P. S. sind,
durch Urteil abgewiesen.
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Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1) mit dem Rechtsmittel der Berufung.
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Die Beteiligte zu 2) tritt dem Rechtsmittel entgegen.
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II.
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Obwohl die Entscheidung des Amtsgerichts verfahrensfehlerhaft durch Urteil ergangen
ist, ist sie als erstinstanzliche Endentscheidung über eine Familiensache, die die
elterliche Sorge über ein Kind betrifft (§ 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), mit der befristeten
Beschwerde anfechtbar (§ 621e Abs. 1 ZPO).
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Die Vorschrift des § 621e ZPO geht als Sonderregelung für Endentscheidungen in
Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (bzw. der HausratVO) der Bestimmung des §
511 ZPO, der für durch Urteil ergangenen erstinstanzliche Entscheidungen das
Rechtsmittel der Berufung eröffnet, vor. Die in § 621e Abs. 1 ZPO genannten Verfahren
sind deshalb (bei isolierter Anfechtung) auch dann mit der befristeten Beschwerde
anfechtbar, wenn die angefochtene Entscheidung durch Urteil ergangen ist.
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Die eingelegte Berufung des Beteiligten zu 1) wird deshalb nach dem
Meistbegünstigungsprinzip als befristete Beschwerde behandelt.
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III.
23
Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
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1)
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Aufgrund des zwischen den Beteiligten bestehenden Streites über die Wirksamkeit der
abgegebenen Sorgeerklärungen hat der Beteiligte zu 1) ein besonderes Interesse an
der beantragten Feststellung der gemeinsamen Sorge.
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2)
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Die abgegebenen Sorgeerklärungen wurden wirksam abgegeben und haben gem. §
1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB kraft Gesetzes zur Folge, dass die Beteiligten zu 1) und 2) die
elterliche Sorge für das betroffene Kind gemeinsam ausüben.
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Die Beteiligten zu 1) und 2) haben in notariell beurkundeter Form (§ 1626 Abs. 1 BGB)
persönlich (§ 1626c Abs. 1 BGB), unbedingt und unbefristet (§ 1626b Abs. 1 BGB)
erklärt, die elterliche Sorge für ihr Kind gemeinsam ausüben zu wollen.
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Die weiter abgegebene Erklärung, dass der Beteiligten zu 2) im Falle der Trennung das
Aufenthaltsbestimmungsrecht für das betroffene Kind alleine zustehen soll, ist zwar
unwirksam, weil das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teil der elterlichen Sorge im
Falle der Trennung nur durch eine gerichtliche Entscheidung auf einen Elternteil
übertragen werden kann.
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Dies führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der abgegebenen Sorgeerklärungen.
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Der Prüfungsmaßstab für die Wirksamkeit von Sorgeerklärungen wird durch den
Wortlaut des § 1626e BGB
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nur
Erfordernissen der vorstehenden Vorschriften nicht genügen."
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auf die abschließende Sonderregelung in den §§ 1626b bis 1626d BGB beschränkt.
Neben dieser abschließenden Sonderregelung können jedenfalls die in den § 134 bis
139 BGB geregelten allgemeinen Wirksamkeitsbestimmungen für Rechtsgeschäfte
keine Anwendung finden.
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Diese mit der Regelung für andere statusrelevanten Erklärungen, insbesondere im
Bereich der Vaterschaftsanerkennung (§ 1598 BGB) vergleichbare Beschränkung der
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wirksamkeitsrelevanten Elemente auf formale und leicht überprüfbare Erfordernisse
findet ihre innere Rechtfertigung in dem gesteigerten Bedürfnis nach Statussicherheit
und Rechtsklarheit, das im Bereich der elterlichen Sorge besteht (vgl. BT-Drucks
13/4899, 95; Erman – Michalski, BGB, 11. Auflage, Rn. 1 zu
§ 1626e; Staudinger – Coester, BGB (2001), Rn. 1, 3 zu § 1626 e).
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Wie auch das vorliegende Verfahren zeigt, ist eine andauende Unsicherheit über die
Frage, wer Inhaber der elterlichen Sorge ist, mit dem Kindeswohl regelmäßig nicht
vereinbar.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 16 KostO, 13a Abs. 1 FGG.
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