Urteil des OLG Düsseldorf vom 20.12.2005

OLG Düsseldorf: einstellung des verfahrens, mieter, vergütung, grundstück, verwalter, gas, haus, zwangsverwaltung, zwangsvollstreckung, anzeigepflicht

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-4 U 42/05
Datum:
20.12.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-4 U 42/05
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landge-richts
Duisburg vom 14.02.2005 – 3 O 268/04 – wird zurück-gewiesen.
Die Kosten der Berufung und die durch die Nebenintervention in diesem
Rechtszug verursachten Kosten hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
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I.
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Am 17.01.2000 wurde vom Amtsgericht Duisburg auf Antrag der Beklagten in Bezug auf
vier Grundstücke, bzgl. deren näherer Bezeichnung auf den erstinstanzlichen
Tatbestand (Bl. 95 f GA) Bezug genommen wird, die Zwangsverwaltung angeordnet und
der Kläger zum Zwangsverwalter ernannt. Aufgehoben wurde dieses
Zwangsverwaltungsverfahren mit Wirkung zum 15.12.2002. Das geschah im Hinblick
auf das gleichzeitig betriebene Zwangsversteigerungsverfahren und den dort
zwischenzeitlich rechtskräftig erteilten Zuschlag. Im Rahmen seiner Stellung als
Zwangsverwalter hatte der Kläger mit der S. D. AG, die dem Rechtsstreit auf Seiten des
Klägers beigetreten ist, am 20.03.2000 Verträge über die Belieferung der Grundstücke
mit Strom, Gas und Wasser abgeschlossen. Mit Schreiben vom 28.01.2002 teilte der
Kläger der Streithelferin die Aufhebung des Zwangsverwaltungsverfahrens mit und bat
um Erteilung von Schlussrechnungen. Unter dem 20.03.2002 legte er gegenüber dem
Amtsgericht seine eigene Schlussrechnung vor, welche nicht beanstandet wurde. Am
22.03.2002 erstellte die Streithelferin die Jahresverbrauchsabrechnungen bzgl. der vier
Objekte, aus denen sich eine Gesamtrestforderung der Streitverkündeten i.H.v.
18.127,03 € ergab. Die weitere Berechnung der Streithelferin ergab zunächst einen
noch geschuldeten Betrag von 14.765,85 €. Dieser wurde später auf 12.070,98 €
berichtigt.
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Der Kläger, der seinerseits von der Streithelferin in Anspruch genommen wird, hat unter
Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 17.06.2004 – IX ZR 218/03 – die
Ansicht vertreten, dass die Beklagte ihm zur Erstattung verpflichtet sei.
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Er hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.070,98 € nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 25.05.2002 zu zahlen.
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Wegen der diesen Betrag zunächst i.H.v. 2.694,87 € übersteigenden Klageforderung hat
er den Rechtsstreit für erledigt erklärt.
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Die Streithelferin hat sich dem Antrag und der Erledigungserklärung des Klägers
angeschlossen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Auffassung vertreten, dem Kläger eine Erstattung nicht zu schulden. Zum
einen gebe es keine Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren. Zum anderen
habe der Kläger es zu verantworten, dass die Lieferungen der Streithelferin nicht durch
entsprechende Vorschüsse gedeckt gewesen seien. Wenn der Kläger für eine
entsprechende Vorsauszahlungsforderung der Streithelferin gesorgt hätte, hätten die
Mieter im Wege der Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlung in Anspruch
genommen werden können oder der Kläger habe von ihr – der Beklagten – über das
Amtsgericht einen Vorschuss fordern können, was sie in die Lage versetzt hätte, ins
Auge zu fassen, die Aufhebung des Zwangsverwaltungsverfahrens zu beantragen.
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Das Landgericht hat der Klage unter Abweisung im übrigen i.H.v. 12.070,98 € nebst
Zinsen stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, dem Kläger
stehe gegenüber der Beklagten ein Anspruch in der genannten Höhe aus §§ 152, 152a,
153, 155 I und III, 161 III ZVG zu. Der Zwangsverwalter sei verpflichtet, das Grundstück
in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten, wozu der Abschluss von Strom-, Gas-
und Wasserverträgen gehöre. Hier könne der Verwalter ebenso wie im Rahmen seiner
Vergütung bei nicht ausreichender Masse Vorschüsse vom Gläubiger verlangen. Es
liege in dessen Risiko, ob die Zwangsvollstreckung zu einem kostendeckenden Erlös
führe. Aus § 9 IV ZwVerVO folge nichts Gegenteiliges. Dass der Kläger gegen die
Anzeigepflicht aus § 9 IV ZwVerVO verstoßen habe, sei vorliegend nicht geltend
gemacht. Es sei auch davon auszugehen, dass die Beklagte Vorschüsse gezahlt hätte,
wenn solche für die streitgegenständliche Forderung angefordert worden wären.
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Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie macht geltend, die vom
Landgericht herangezogene BGH-Entscheidung sei nicht einschlägig, da sie sich nur
zum Anspruch des Verwalters auf Auslagen- und Vergütungsersatz verhalte. Hier gehe
es um sonstige Aufwendungen. Eine analoge Anwendung verbiete sich mangels
Vorliegens einer unbewussten Regelungslücke. Sie habe in erster Instanz sehr wohl
einen Verstoß des Klägers gegen § 9 ZwVerwVO geltend gemacht, indem sie darauf
hingewiesen habe, dass der Kläger die Möglichkeit des Vorschusses nicht genutzt und
den streitgegenständlichen Rückstand selber zu verantworten habe. Schließlich werde
das Risiko für die Zahlung von Energielieferungen grundsätzlich auf das
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Versorgungsunternehmen abgewälzt, welches sich mit Vorschusszahlungen absichern
könne.
Die Beklagte beantragt,
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das am 14.02.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Duisburg – 3 O 268/04 –
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger und seine Streithelferin, die das angefochtene Urteil für richtig halten,
beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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II.
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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
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Die Klage ist begründet.
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1.)
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Dem Kläger steht aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils der geltend
gemachte Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten zu.
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Der BGH hat in der vom Kläger zitierten Entscheidung (vgl. NJW-RR 2004, 1527)
ausgeurteilt, dass der Zwangsverwalter dann, wenn die verwaltete Masse zur Deckung
seines Anspruchs auf Vergütung und Auslagenersatz nicht ausreicht, den betreibenden
Gläubiger unabhängig davon in Anspruch nehmen kann, ob er – der Zwangsverwalter –
zuvor entsprechende Vorschüsse verlangt hatte. Der Zwangsverwalter könne weder den
Vollstreckungsschuldner in Anspruch nehmen noch sich aus dem Erlös einer evtl.
neben der Zwangsverwaltung betriebenen Zwangsvollstreckung befriedigen. Sein
Anspruch richte sich vielmehr gegen den betreibenden Gläubiger, was sich aus §§ 151 I
und III, 161 III ZVG ergebe. Nach § 155 I ZVG seien aus den Nutzungen des
Grundstücks die Ausgaben der Verwaltung sowie die Kosten des Verfahrens (mit
Ausnahme bestimmter Kosten) vorweg zu bestreiten, so dass die Vergütung des
Zwangsverwalters wirtschaftlich zu Lasten des betreibenden Gläubigers gehe. Der
Anspruch des Zwangsverwalters sei nicht auf den Bestand der verwalteten Masse
beschränkt, was aus §§ 155 III; 161 III ZVG folge. Die Vorschüsse nach § 155 III ZVG
leiste der Gläubiger auf eigenes Risiko und auch ansonsten liege es in seinem
Risikobereich, ob die Zwangsvollstreckung zu einem die Kosten deckenden Erlös führe.
Gerade, weil der Gläubiger einstehen müsse, treffe den Zwangsverwalter die
Anzeigepflicht nach § 9 IV ZwVerwVO. Der Vergütungsanspruch hänge schließlich
nicht davon ab, dass der Zwangsverwalter von dem Gläubiger einen entsprechenden
Vorschuss verlangt habe. Zum einen werde dem Zwangsverwalter eine entsprechende
Pflicht nicht auferlegt. Zum anderen könne der Gläubiger durch die Ablehnung des
Vorschusses nur begrenzten Einfluss auf die Höhe der zu zahlenden Vergütung
nehmen.
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Diese aus Anlass der Geltendmachung eines Vergütungsanspruchs aufgezeigten
Grundsätze gelten auch, wenn es – wie hier – um Ausgaben der Verwaltung geht. Denn
ebenso wie die Kosten des Verfahrens sind auch die Ausgaben der Verwaltung gem. §
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155 I ZVG aus den Nutzungen des Grundstücks vorweg zu bestreiten. Die Ausgaben
der Verwaltung sind daher den Kosten des Verfahrens gleichgestellt, ohne Teil der
zuletzt Genannten zu sein. Allein die gleiche Behandlung von Vergütungsanspruch und
Anspruch auf Ersatz der Ausgaben der Verwaltung ist sachgerecht. Wenn dem
Verwalter selbst bei mangelnder Masse auf Kosten des Gläubigers ein Anspruch auf
Erstattung seiner Vergütung zusteht, muss das – sozusagen erst recht – auch für die
Kosten gelten, die dem Verwalter dadurch entstanden sind, dass das Grundstück in
Erfüllung der Verpflichtung aus § 152 I ZVG ordnungsgemäß genutzt wurde und
dadurch alle möglichen Erträge – zu Gunsten des Gläubigers – aus dem Grundstück
heraus geholt worden sind.
Für den Fall des Abschlusses von Energielieferungsverträgen gilt nichts anderes. Die
Einstandspflicht des Gläubigers entfällt nicht. Aus dem Recht des monopolistischen
Energieversorgers, neben Abschlagszahlungen auch Vorauszahlungen zu verlangen,
folgt nicht, dass dem Energieversorger ein Entgeltanspruch nicht mehr zusteht, wenn die
Abschlags- und Vorauszahlungen die Kosten der Gesamtabnahme nicht decken.
Vielmehr ist das Recht auf Vorauszahlungen der Ausgleich zum bestehenden
Kontrahierungszwang und stellt damit lediglich eine dem Energieversorger sonst nicht
gegebene Möglichkeit dar, sein Risiko zu begrenzen. Es handelt sich nicht um eine
Pflicht des Versorgungsunternehmens, bei deren Nichterfüllung es seiner (weiteren)
Ansprüche verlustig geht. Aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung OLG
Düsseldorf ZIP 1989, 1002 folgt nichts anderes. Auch darin geht es lediglich um die
Berechtigung des beklagten Versorgungsunternehmens, Vorauszahlungen zu
verlangen. Soweit in dem der Entscheidung vorangestellten (und im übrigen nicht vom
Senat, sondern der Redaktion der ZIP aufgestellten) Leitsatz die Rede von einer auf die
Verwaltungsmittel begrenzten Haftung des Zwangsverwalters ist, ist das als
Abgrenzung zu einer nicht gegebenen persönlichen Haftung des Zwangsverwalters zu
verstehen. Im Urteil selber heißt es ausdrücklich, dass es Sache des
Vollstreckungsgläubigers ist, notfalls durch Bereitstellung entsprechender Mittel den
Zwangsverwalter in die Lage zu versetzen, seinen Pflichten zur ordnungsgemäßen
Verwaltung nachzukommen.
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2.)
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Dem klägerischen Anspruch steht auch kein Anspruch der Beklagten wegen eines vom
Kläger zu verantwortender Schadens der Beklagten entgegen. Zwar ist der Beklagten
zuzugeben, dass sie sich entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil in erster
Instanz auf Pflichtverletzungen des Klägers berufen hat. Es kann aber jedenfalls nicht
festgestellt werden, dass die von ihr in Bezug genommenen Pflichtverletzungen des
Klägers zu einem Schaden der Beklagten geführt haben.
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a)
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Soweit die Beklagte in erster Instanz geltend gemacht hatte, der Kläger habe es zu
verantworten, dass bereits bei Anordnung der Zwangsverwaltung kein
ordnungsgemäßes Ablesen der Strom-, Gas- und Wasserzähler möglich gewesen sei,
ist das bereits aufgrund der vorliegenden Unterlagen widerlegt. Aus den von der
Streithelferin dem Kläger mit Schreiben vom 17.03.2000 übersandten
Vertragsangeboten ergab sich, dass die Zähler für die Häuser K...str. ... und ... zeitnah
abgelesen worden waren. Allein für das Haus W. Str. .. war das nicht möglich gewesen,
worauf die Streithelferin in ihrem Anschreiben ausdrücklich hingewiesen hatte. Insofern
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hat der Kläger der Streithelferin aber unverzüglich die Schlüssel übersandt, was diese in
die Lage versetzte, die Ablesung nachzuholen. Rückstände für das Haus W. Str. .. sind
im übrigen auch nicht streitgegenständlich.
b)
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Außerdem hat die Beklagte erstinstanzlich geltend gemacht und greift dies auch in der
Berufung auf, der Kläger habe es zu verantworten, dass die Verbrauchsermittlung für
das streitgegenständliche Haus K...str. .. das Jahr 2000 betreffend von der Streithelferin
allein aufgrund einer Schätzung vorgenommen worden ist.
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Insofern bedarf es keines Eingehens auf die Frage, ob der Kläger diese Tatsache
aufgrund der Abrechnung vom 23.03.2001 erkennen konnte und musste. Auch kann
dahinstehen, ob sich dem Kläger aufdrängen musste, dass der Umstand der Schätzung
die Gefahr einer erheblichen Nachforderung heraufbeschwor. Denn zum einen kann
schon nicht festgestellt werden, dass eine Ablesung vor Erstellung der Rechnung vom
23.03.2001 zu dem Ergebnis eines Mehrverbrauchs mit der Folge höherer Abschlags-
und Vorauszahlungsanforderungen der Streithelferin geführt hätte. Dass es bereits im
Jahr 2000 und nicht erst im Jahr 2001 zu einem (wesentlich) erhöhten Verbrauch
gekommen ist, ist eine reine Vermutung der Beklagten, die durch nichts belegt ist. Selbst
bei einer vollkommen gleichen Belegung des Hauses in beiden Jahren, von der
mangels entsprechenden Sachvortrags noch nicht einmal ausgegangen werden kann,
wäre der Rückschluss auf einen in den Jahren 2000 und 2001 gleich hohen
Mehrverbrauch nicht möglich. Denn das Verbrauchsverhalten der Mieter kann
schwanken und ist von verschiedenen Faktoren abhängig. So heißt es auch im
vorprozessualen Schreiben der Beklagten vom 17.05.2002 auf S.2: "...Ein wie von Ihnen
selbst in unserem Telefonat vermuteter eklatanter Mehrverbrauch zu den Vorjahren
wäre dann bereits ein Abrechnungsjahr früher festgestellt worden. ..." Mehr als eine
Vermutung bestand demnach auf Seiten der Beklagten nicht. Die auf S.6 der
Klageerwiderung von ihr bedingungslos aufgestellte Behauptung, bei einer Ablesung
2001 wäre der eklatante Mehrverbrauch bereits ein Abrechnungsjahr früher festgestellt
worden, stellt somit ersichtlich eine Behauptung ins Blaue hinein dar. Selbst wenn es im
Jahr 2000 aber schon einen gewissen Mehrverbrauch gegeben haben sollte, kann
dieser zumindest nicht quantifiziert werden, so dass ein auf die behauptete
Pflichtverletzung des Klägers zurückführbarer Schaden der Beklagten in jedem Fall
nicht bezifferbar ist. Hinzu kommt, dass die Beklagte – worauf der Kläger und die
Streithelferin zutreffend hinweisen – auch nicht substantiiert dargelegt hat, dass sie im
Falle einer Vorschussanforderung nach § 9 IV ZwVerwVO die Einstellung des
Verfahrens beantragt hätte. Dass sie dies "ins Auge gefasst hätte", ist eine bewusst
vage Formulierung, die sowohl die abzuwägenden Gesichtspunkte als auch das
voraussichtliche Ergebnis vollkommen offen lässt. Um einen Schaden einsichtig
darzulegen, hätte die Beklagte ihre gesamte Kalkulation darstellen müssen. Darauf,
dass auch im Fall einer Vorschussanforderung und der daraufhin betriebenen
Einstellung des Zwangsverwaltungsverfahrens ein Teil der Klageforderung auf die
Beklagte zugekommen wäre, kommt es mithin nicht mehr an. Im Ergebnis
vergleichbares gilt für die von der Beklagten angesprochene Möglichkeit der
Betriebskostenumlegung auf die Mieter. Selbst wenn es rechtlich möglich gewesen
wäre, erhöhte Verbrauchskosten auf die Mieter umzulegen – was mangels
entsprechenden Sachvortrags nicht feststellbar ist -, kann angesichts der von der
Beklagten selber angeführten schlechten Zahlungsmoral oder –fähigkeit der Mieter nicht
unterstellt werden, dass bei allen die entsprechenden Forderungen hätten eingezogen
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werden können.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 I, 101 I ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision, § 543 Abs. 2 ZPO, sind nicht
gegeben.
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Berufungsstreitwert: 12.070,98 €
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K. Dr. R. S.
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