Urteil des OLG Düsseldorf vom 16.04.2008

OLG Düsseldorf: örtliche zuständigkeit, anschrift, abänderungsklage, zustellung, rechtshängigkeit, klagefrist, haushalt, zustand, verfügung, alter

Oberlandesgericht Düsseldorf, II-8 WF 58/08
Datum:
16.04.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
II-8 WF 58/08
Leitsätze:
Es ist als "nachlässiges Verhalten" im Rahmen des § 167 ZPO zu
bewerten, wenn der Kläger einer Abänderungsklage nach § 654 ZPO es
trotz gebotener Zweifel un-terlässt, sich rechtzeitig vor Ablauf der
Klagefrist über die zutreffende Anschrift des beklagten Kindes zu
vergewissern, und es dadurch zu einem verspäteten Eintritt der
Rechtshängigkeit kommt.
Tenor:
wird die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des
Amtsgerichts Ober-hausen vom 15. Januar 2008 zurückgewiesen.
I. Durch Urteil des Amtsgerichts Husum vom 31.08.2007 wurde die Vaterschaft des
Klägers zum beklagten Kind (geb. 10.01.2000) festgestellt; ebenso wurde der Kläger
verurteilt, der Beklagten vom Tag der Geburt an Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des
jeweiligen Regelbetrages abzüglich anteiligen Kindergeldes zu zahlen. Das Urteil
wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 04.09.2007 zugestellt.
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Mit Schriftsatz vom 05.11.2007 – der 04.11.2007 war ein Sonntag – erhob der Kläger
Abänderungsklage gemäß § 654 ZPO, mit der er eine Reduzierung der durch das Urteil
des Amtsgerichts Husum festgelegten Unterhaltsbeträge erstrebt. Die Klageschrift ging
am 05.11.2007 um 22.45 Uhr per Fax beim Amtsgericht Husum ein.
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Die Klageschrift richtete sich gegen das Kind S. B. in Husum, vertreten durch die Mutter,
Frau A. B., in Oberhausen; als Prozessbevollmächtigter wurde der Kreis Nordfriesland
in Husum angegeben. Dieser meldete sich durch Schriftsatz vom 28.11.2007 und teilte
mit, dass das beklagte Kind zusammen mit seiner Mutter im Juni 2007 nach Oberhausen
verzogen sei, eine örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Husum mithin nicht gegeben
sei. Nach entsprechender Anfrage des Amtsgerichts Husum, ob im Hinblick auf § 642
ZPO die Abgabe des Verfahrens beantragt werde, beantragte der Kläger Verweisung an
das Amtsgericht Oberhausen, woraufhin sich das Amtsgericht Husum durch Beschluss
vom 27.12.2007 für unzuständig erklärte und den Rechtsstreit an das Amtsgericht
Oberhausen abgab.
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Das Amtsgericht Oberhausen bewilligte dem Kläger durch Beschluss vom 15.01.2008
die nachgesuchte Prozesskostenhilfe, soweit er eine Abänderung des Urteils ab
Rechtshängigkeit – die sodann am 26.02.2008 eintrat - begehrt, und wies das
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weitergehende Prozesskostenhilfegesuch zurück. Gegen die letztere Entscheidung
richtet sich die – zulässige – Beschwerde des Klägers.
II. Die Beschwerde ist nicht begründet, denn für die Zeit vor Eintritt der Rechtshängigkeit
fehlt der Klage die gemäß § 114 ZPO für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
erforderliche Erfolgsaussicht.
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Die am 26.02.2008 erfolgte Zustellung der Klageschrift vom 05.11.2007 ist im Hinblick
auf den Ablauf der Klagefrist gemäß § 654 Abs. 2 ZPO am 05.11.2007 nicht als
"demnächst erfolgt" im Sinne des § 167 ZPO zu bewerten. Der Kläger – bzw. sein
Prozessbevollmächtigter, dessen Verhalten dem Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO
zuzurechnen ist – hat die zeitliche Verzögerung durch nachlässiges Verhalten
herbeigeführt, indem er nicht alles ihm zumutbare für die alsbaldige Zustellung der
Klage unternommen hat (vgl. BGH in FamRZ 1988, 1154, 1155). Die Abänderungsklage
ist beim Amtsgericht Husum als gem. § 642 ZPO unzuständigem Gericht eingereicht
worden, wodurch die Rechtsfolgen des § 167 ZPO nicht ausgelöst werden (Zöller, ZPO,
26. Aufl., § 167, Rn 7; OLG Naumburg in NJW RR 2003, 1662, 1663).
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Die Klageeinreichung beim örtlich unzuständigen Amtsgericht Husum wäre nur dann
nicht als nachlässig zu bewerten, wenn der Kläger zuvor keine konkreten Anhaltspunkte
für einen Wohnungswechsel des beklagten Kindes hatte (BGH in NJW 1993, 2614,
2615). Solche konkreten Anhaltspunkte lagen hier jedoch vor. In der Klageschrift des
Vaterschaftsfeststellungsverfahrens vom 22.02.2007 wurde ausgeführt, dass das Kind
im Haushalt der Kindesmutter - der gesetzlichen Vertreterin - lebe und von dieser betreut
werde. In § 11 BGB ist zudem gesetzlich festgelegt, dass ein minderjähriges Kind den
Wohnsitz der Eltern teilt, vorliegend mithin den der Mutter, da dem Kläger als
nichtehelichem Vater kein Sorgerecht zustand bzw. zusteht. Der Anschriftswechsel der
Mutter ist dem Klägervertreter im Vaterschaftsfeststellungsverfahren unter Angabe der
neuen Anschrift durch Verfügung vom 06.06.2007 mitgeteilt worden. In der Folgezeit hat
der Prozessbevollmächtigte des Klägers verschiedene Empfangsbekenntnisse
unterzeichnet, auf denen jeweils die Oberhausener Anschrift der Mutter des beklagten
Kindes vermerkt war (04.07.2007, 09.07.2007, 04.09.2007). Konkrete Anhaltspunkte für
eine mögliche Annahme, dass sich das Kind nach dem Umzug der Mutter nach
Oberhausen nicht mehr in ihrem Haushalt befinden bzw. nicht mehr von ihr gesetzlich
vertreten werden würde, waren und sind schon im Hinblick auf das Alter des Kindes
nicht ersichtlich. Der Kläger, der spätestens ab Kenntnis eindeutigen positiven
Ergebnisses des Sachverständigengutachtens im Vorverfahren Ende Juni 2007 davon
ausgehen konnte, dass er auch zur Zahlung des mit der Vaterschaftsfeststellung
eingeklagten Regelunterhalts verurteilt werden würde, hatte mithin keine Veranlassung,
darauf zu vertrauen, dass die im Vaterschaftsfeststellungsurteil angegebene Anschrift
des Kindes in Husum, gesetzlich vertreten durch die Mutter in Oberhausen, zutreffend
war. Jedenfalls bestand konkrete Veranlassung, Schritte zur Aufklärung des
offenkundigen Widerspruchs in der Anschriftenangabe vorzunehmen, wozu – bis zum
Ablauf der Klagefrist am 05.11.2007 – hinreichend Gelegenheit bestand; das
Unterlassen solcher Aufklärung ist als nachlässig zu bewerten.
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Mithin ist vorliegend keine Zustellung "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO erfolgt.
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