Urteil des OLG Düsseldorf vom 03.03.2004

OLG Düsseldorf: unternehmen, markt, allgemeine geschäftsbedingungen, verfügung, transport, gesamtumsatz, wettbewerber, automobil, anbieter, frachtführer

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-Kart 22/00 (V)
03.03.2004
Oberlandesgericht Düsseldorf
Kartellsenat
Beschluss
VI-Kart 22/00 (V)
Die Beschwerden der Betroffenen gegen den Beschluss des Bundes-
kartellamts vom 28. September 2000 (B 9 - 70/00 - B) werden zurück-
gewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für die Betroffenen zugelassen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Bundes-
kartellamt in diesem Verfahren entstandenen Auslagen werden den
Betroffenen auferlegt.
G r ü n d e :
I. Die Betroffenen betätigen sich auf dem Gebiet des Automobiltransports als Speditions-
und Frachtunternehmen. Sie beziehen Aufträge vornehmlich von inländischen
Kraftfahrzeugherstellern und -importeuren (für die Transporte von Neufahrzeugen zu
Kraftfahrzeughändlern) sowie von großen inländischen
Kraftwagenvermietungsunternehmen. Nachdem die Betroffenen zu 1 und zu 2 sowie die
derselben Branche angehörenden Unternehmen H. K. KG, M. C.L. GmbH & Co. KG, H.
GmbH & Co. KG und M. GmbH & Co. Ende des Jahres 1996 eine Voranfrage betreffend die
Kartellanmeldung einer "Vereinbarung zur Schadensbearbeitung von Transportschäden"
an das Bundeskartellamt gerichtet hatten, die jedoch nicht weiter verfolgt worden war
(siehe Amtsakte B 2 - 115/96), blieben die damals handelnden Personen in der äußeren
Form eines gelegentlich zusammentretenden Arbeitskreises miteinander im Kontakt.
Mitglieder dieser Arbeitsgruppe waren im Wesentlichen die Leiter der Schadens- und/oder
Versicherungsabteilungen von Unternehmen des Automobiltransport- und -
speditionsgewerbes.
Branchenangehörende Unternehmen und Mitglieder des Arbeitskreises fanden, dass die
der Tätigkeit von Automobiltransporteuren und -spediteuren zugrunde liegenden
Rechtsordnungen des Handelsgesetzbuchs, der Allgemeinen Deutschen
Spediteurbedingungen (ADSp) und der Vertragsbedingungen für den Güterkraftverkehrs-
und Logistikunternehmer (VGBL) den spezifischen Belangen der Teilbranche der
Kraftfahrzeugtransport- und Speditionsunternehmen (namentlich in Bezug auf eine
Abwicklung von Transport- und Lagerschäden sowie auf die hierbei vorgesehene
Risikoverteilung und Haftung) nicht in ausreichendem Maß Rechnung trügen. Der
Arbeitskreis nahm sich im Jahr 1999 daher der Aufgabe an, auf die Interessen der Branche
zugeschnittene Allgemeine Geschäftsbedingungen zu entwerfen. Ausgehend von einer
existenten "Haftungs- und Versicherungsvereinbarung" (vgl. Anl. B 2 und B 3) wurden in
den Sitzungen des Arbeitskreises bis Ende des Jahres 1999 die "Allgemeinen Vertrags-
und Haftungsbedingungen für Kfz-Speditionen" (AVHS) formuliert (Anl. B 4). Diese wurden
den Unternehmen der Automobiltransport und -speditionsbranche anschließend zur
Verfügung gestellt und in einschlägigen Fachzeitschriften Anfang des Jahres 2000
publiziert (vgl. TransportR 2000, 230 ff. - in der Amtsakte B 9 - 70/00). Eine
Kartellanmeldung war nicht vorgenommen worden.
Ein Teil der in der Branche tätigen Unternehmen (so die Betroffenen, die H. K. KG, die M.
C.L. GmbH & Co. KG und die Spedition B.) machte von den AVHS seit dem Jahr 2000
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C.L. GmbH & Co. KG und die Spedition B.) machte von den AVHS seit dem Jahr 2000
Gebrauch. Andere - wie die H. GmbH & Co. KG und die M. GmbH & Co. - sahen hiervon
ab. Auf der Marktgegenseite akzeptierte der Kraftfahrzeugvermieter S. AG die AVHS. Nach
dem Vorbringen der Betroffenen lehnte der überwiegende Teil der Automobilhersteller und
-importeure sowie der anderen Großkunden Vertragsabschlüsse auf der Grundlage der
AVHS ab und berief sich auf Individual- oder Rahmenabmachungen (vgl. auch Anl. B 6 und
B 7 in Bezug auf Äußerungen der O. AG und der V. AG).
Durch die im Beschlussweg ergangene Verfügung vom 28.9.2000 untersagte das
Bundeskartellamt den Betroffenen, der H. K. KG und der M. C.L. GmbH & Co. KG, die
"Allgemeinen Vertrags- und Haftungsbedingungen für Kfz-Spedition" (AVHS) oder
entsprechende neue abgestimmte Bedingungen zu verwenden. Es bewertete den
Gebrauch der in dem genannten Arbeitskreis erarbeiteten AVHS durch die Betroffenen und
die genannten weiteren Unternehmen als eine aufeinander abgestimmte und im Sinne von
§ 1 GWB verbotene Verhaltensweise.
Gegen dieses Verbot richten sich die Beschwerden der Betroffenen, die die angefochtene
Verfügung aufgehoben sehen wollen. Auch die H. K. KG und die M. C.L. GmbH & Co. KG
haben gegen den Beschluss des Bundeskartellamts Beschwerde erhoben. Über das
Vermögen dieser Betroffenen ist im Jahr 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet worden (GA
156, 195). Die ihre Beschwerden betreffenden Verfahren hat der Senat abgetrennt (GA
287).
Die Betroffenen verneinen den Tatbestand eines aufeinander abgestimmten Verhaltens
sowie eine Eignung jenes vom Bundeskartellamt aufgegriffenen Verhaltens, spürbare
Außenwirkungen auf dem betroffenen Markt zu erzeugen. Sie begründen dies näher und
stellen überdies in Abrede, durch die Verwendung der AVHS Einschränkungen des
Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt zu haben.
Die Betroffenen beantragen,
den Beschluss des Bundeskartellamts vom 28.9.2000 aufzuheben.
Das Bundeskartellamt beantragt,
die Beschwerden zurückzuweisen.
Das Bundeskartellamt verteidigt seine Verfügung.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und auf die
mit diesen vorgelegten Anlagen, insbesondere auf die vorbezeichneten Aktenbestandteile,
Bezug genommen.
II. Die Beschwerden haben keinen Erfolg.
Das Bundeskartellamt hat den Betroffenen gemäß den §§ 1 und 32 GWB mit Recht
untersagt, die AVHS zu verwenden. Die Verwendung beruht auf einer aufeinander
abgestimmten Verhaltensweise der Betroffenen im Sinne von § 1 GWB, die bezweckte und
geeignet war, im Sinne einer Einschränkung des Wettbewerbs spürbare Außenwirkungen
auf dem betroffenen bundesweiten Markt für die Spedition und den Transport von
Automobilen zu erzeugen.
Demgegenüber hat das Bundeskartellamt seine Verfügung nicht auf einen Verstoß gegen
das Empfehlungsverbot des § 22 GWB gestützt, was es im Beschwerdeverfahren
schriftsätzlich (vgl. GA 92, unter 2.) sowie im Rahmen der Erörterung der Sach- und
Rechtslage im Senatstermin vom 21.11.2001 bekräftigt hat. Auf einen möglichen Verstoß
gegen das Verbot des § 22 GWB hat der Senat den vorliegenden Sachverhalt daher nicht
zu überprüfen.
a) Die Verfügung des Bundeskartellamts ist in formeller Hinsicht, namentlich mit Rücksicht
auf das von den Betroffenen zu 2 und zu 3 gerügte Erfordernis einer Begründung nach § 61
Abs. 1 Satz 1 GWB, nicht zu beanstanden. Das Bundeskartellamt hat seine Verfügung
tatsächlich und rechtlich in einer Weise begründet, die eine Überprüfung durch das
Beschwerdegericht gewährleistet. Die Gegenvorstellungen der Betroffenen betreffen allein
die materielle Begründetheit der Verfügung.
b) Die von den Betroffenen gegen die materielle Begründetheit der Verfügung gerichteten
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Angriffe sind unbegründet. Die angefochtene Verfügung ist zu Recht ergangen.
1. Die Betroffenen haben die AVHS aufgrund eines gemäß § 1 GWB verbotenen
aufeinander abgestimmten Verhaltens verwendet. Das diesbezügliche Bestreiten der
Betroffenen ist aufgrund der in ihrer Gesamtheit zu würdigenden Umstände des
vorliegenden Falles widerlegt. An der mit dem Verbot belegten Verhaltensabstimmung
haben im Übrigen genauso die H. K. KG und die M. C.L. GmbH & Co. KG teilgenommen.
aa) Als ein aufeinander abgestimmtes Verhalten im Sinne von § 1 GWB ist (in Anlehnung
an den in Art. 85 Abs. 1 EGV - jetzt Art. 81 Abs. 1 EG - identisch verwendeten Begriff)
gemäß der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen
Wettbewerbsbeschränkungen jede unmittelbare oder mittelbare Fühlungnahme zwischen
Unternehmen zu verstehen, welche bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten
eines gegenwärtigen oder potentiellen Wettbewerbers zu beeinflussen oder einen solchen
Mitbewerber über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, welches man selbst an den Tag zu
legen entschlossen ist oder in Erwägung zieht (vgl. EuGH Slg. 1995, 1663, 1665 f. - Zucker,
Tz. 4). Die Verwendung der AVHS erfüllt diese Voraussetzungen. Dafür sprechen die
folgenden Beweisanzeichen:
Es existierte seit der nicht mehr weiter verfolgten Kartellanmeldung einer "Vereinbarung zur
Schadensbearbeitung von Transportschäden" im Jahr 1996 ein Arbeitskreis, dessen
Teilnehmer sich aus Mitarbeitern unterhalb der Organebene der Unternehmen der
Betroffenen zu 1 und zu 2 sowie anderer Unternehmen der Branche zusammensetzte (und
zwar aus den Leitern der jeweiligen Schadens- und/oder Versicherungsabteilungen). Der -
später um einen Vertreter der Betroffenen zu 3 erweiterte - Arbeitskreis bildete eine
Verbindungsebene für die Kommunikation zwischen den Unternehmen der Betroffenen
sowie der K. KG und der M. C.L. GmbH & Co. KG.
Der Arbeitskreis nahm sich - wie außer Streit steht - im Jahr 1999 der Aufgabe an, für das
Geschäft der Spedition und des Transports von Automobilen neue und von den
vorhandenen Regelungswerken (§§ 407 ff. HGB, ADSp und VGBL) abweichende
Allgemeine Geschäftsbedingungen zu entwerfen, die den spezifischen Belangen der
Kraftfahrzeugtransporteure und -spediteure Rechnung tragen sollten. Die Betroffenen
haben ihre Unzufriedenheit mit den bestehenden rechtlichen Bedingungen eingeräumt, vor
allem soweit hierdurch die Haftungsrisiken - in ihren Augen unangemessen - zu ihren
Lasten unter den in Frage kommenden Vertragsparteien verteilt waren. Jene Regelungen
sollten korrigiert werden (vgl. dazu im einzelnen auch das Schreiben des Rechtsanwalts B.
vom 23.5.2000 an das Bundeskartellamt, Amtsakte B 9 - 70/00, Bl. 5 ff.). Im Jahr 1999
gehörte dem Arbeitskreis auch ein Vertreter der Betroffenen zu 3 an.
Bei lebensnaher Würdigung allein dieses Sachverhalts ist anzunehmen, dass die
Betroffenen darüber unterrichtet waren und es billigten, dass über alternative
Geschäftsbedingungen, welche die ihrer Meinung zufolge bestehenden Unzulänglichkeiten
der vorhandenen Vertragsgrundlagen beheben sollten, in dem mit Abteilungsleitern ihrer
und gleichartiger Unternehmen besetzten Arbeitskreis nachgedacht und hieran gearbeitet
wurde. Die Überlegungen des Arbeitskreises konkretisierten sich Ende des Jahres 1999 im
Bedingungswerk der AVHS.
Allerdings war keiner der Teilnehmer des Arbeitskreises in den Unternehmen der
Betroffenen befugt zu entscheiden, ob die AVHS angewandt sowie in bestehende und/oder
neu abzuschließende Transport- und Speditionsgeschäfte einbezogen werden sollten.
Keinem von ihnen kam nach dem Vorbringen der Betroffenen auch eine Organstellung in
den jeweiligen Unternehmen zu. Umgekehrt kann ebenso wenig festgestellt werden, die
Geschäftsleitungen der Betroffenen hätten auf Art und Inhalt der Verhandlungen im
Arbeitskreis irgend einen Einfluss genommen oder auch nur den Anstoß dazu gegeben,
dass sich der Arbeitskreis mit der Entwicklung auf die Bedürfnisse der Branche
abgestimmter Geschäftsbedingungen befasste. Der dahingehende und als zutreffend zu
unterstellende Vortrag der Betroffenen ist im Ergebnis jedoch unerheblich. Denn nachdem
die AVHS vorlagen, wussten die für die jeweiligen Betroffenen verantwortlich Handelnden,
dass hierüber in dem genannten Arbeitskreis Fühlung aufgenommen worden war, dass
Verhandlungen stattgefunden hatten und dass die AVHS das Ergebnis dieser
Verhandlungen waren. Man befand sich sonach auf einem durch die Verhandlungen des
Arbeitskreises vorbereiteten Boden, als den für die Betroffenen maßgeblich Handelnden
die AVHS im Wortlaut zur Kenntnis gelangten.
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Die Betroffenen, die H. K. KG und die M. C.L. GmbH & Co. KG billigten eine jede für sich
die AVHS und wendeten sie - soweit dies am Markt durchsetzbar war - gemäß ihrer
eigenen Einlassung im Geschäftsverkehr seit dem Beginn des Jahres 2000, jedenfalls seit
dem Frühjahr des Jahres 2000, tatsächlich an (siehe dazu auch die auf die geschäftlichen
Briefbögen der Betroffenen in der Amtsakte B 9 - 70/00, Bl. 35, 37 und 39 aufgedruckten
Hinweise auf die AVHS). Vor dem Hintergrund der erklärten Zielsetzung der
Verhandlungen im Arbeitskreis und der Publikation der AVHS konnten sie annehmen, dass
auch andere Frachtführer und Spediteure auf dem Sektor der Automobil-Logistik dieses
Bedingungswerk für ihre Geschäftstätigkeit zunehmend einführen würden.
Ist als ein aufeinander abgestimmtes Verhalten im Sinne von § 1 GWB schon jede
unmittelbare oder mittelbare Fühlungnahme zwischen Unternehmen anzusehen, die
bezweckt oder wenigstens bewirkt, einen Wettbewerber über das Marktverhalten ins Bild
zu setzen, welches man selbst ausüben will oder in die Tat umzusetzen überlegt, dann liegt
im Verwenden der AVHS ein solches Verhalten. Es ist dadurch im vorliegenden Fall
bezweckt und bewirkt worden, dass die Betroffenen ihr Marktverhalten insoweit
aufeinander ausrichteten, als sie - ohne sich hierzu verpflichtet zu haben - nach einer
wenigstens mittelbaren Fühlungnahme in dem genannten Arbeitskreis ihre
Geschäftsbedingungen aneinander angepasst haben. Die Anwendung der AVHS beruhte
damit gerade auf keinem bloß zufällig gleichförmigen, in der Sache aber selbständigen
Verhalten der Betroffenen.
bb) Das gegen diese rechtliche Bewertung gerichtete Vorbringen der Betroffenen erfordert
weder eine Beweisaufnahme, noch rechtfertigt es auf der Grundlage der feststehenden
Tatsachen eine andere Beurteilung ihres Verhaltens. Dem von den Betroffenen zu 2 und zu
3 vorgelegten Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 24.2.1999 (Az. 13 U (Kart) 162/98 =
Anl. B 8 = GA 129 ff.) liegt ein anderer, in wesentlichen Belangen abweichender
Sachverhalt zugrunde. Die Zusammenkünfte der Schadensleiter von Versicherern, welche
den Gegenstand einer kartellrechtlichen Würdigung in jenem Urteil bildeten, hatten keine
wie im Streitfall festzustellende Zielrichtung und kein vergleichbares Ergebnis. Es ist auch
nicht vorauszusetzen, dass jede Betroffene durch einen Mitarbeiter im Arbeitskreis
"vertreten" war. Denn unabhängig davon, ob jede Beschwerdeführerin einen Mitarbeiter in
den Arbeitskreis entsandt hatte, war die Tätigkeit des Arbeitskreises für die Betroffenen das
Mittel zur gegenseitigen Fühlungsnahme in dem Sinn, dass sie mindestens in Erwägung
zogen, das erzielte Arbeitsergebnis für ihr Unternehmen zu übernehmen. Genauso wenig
ist darauf abzustellen, dass nicht alle Kraftfahrzeugtransporteure und -speditieure die
AVHS seither tatsächlich anwendeten. Die Betroffenen, die K. KG und die M. C.L. GmbH &
Co. KG haben die AVHS jedenfalls zur rechtlichen Grundlage ihrer Geschäftstätigkeit
gemacht.
Die von den Betroffenen zu 2 und zu 3 benannten Zeugen F., G. und V. (GA 124 f.) sind -
auch wenn den Betroffenen grundsätzlich ein Gegenbeweis offen zu stehen hat -
gegenbeweislich nicht zu vernehmen. Die Betroffenen machen geltend, die Mitglieder des
Arbeitskreises hätten untereinander weder eine Abstimmung über eine künftige
Verwendung der AVHS getroffen noch dahingehende Erklärungen abgegeben. Diese
Beweistatsachen sind unerheblich; auf sie kommt es für die Entscheidung nicht an. Denn
die Feststellung eines aufeinander abgestimmten Verhaltens beruht auf der Wertung der
unstreitigen Beweisanzeichen. Diese Bewertung ist nicht davon abhängig, ob unter den
Teilnehmern des Arbeitskreises eine Übernahme und Verwendung der AVHS durch die
Unternehmen der Betroffenen vereinbart, erörtert, oder auch nur angesprochen worden ist.
2. Die Betroffenen haben durch ihre Verhaltensabstimmung eine Beschränkung des
Wettbewerbs bezweckt. Ihr Verhalten war zu einer spürbaren Beeinflussung der
Marktverhältnisse geeignet.
aa) Für diese Beurteilung maßgebend sind die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitraum der
Verhaltensabstimmung unter den beteiligten Unternehmen in den ersten Monaten des
Jahres 2000. Die Folgen eines gegen das gesetzliche Verbot des § 1 GWB verstoßenden
Verhaltens dürfen aus Gründen der Rechtssicherheit von späteren Entwicklungen nicht
abhängig gemacht werden (vgl. BGH WuW/E BGH 2697, 2704 - Golden Toast; WuW/E
BGH 1732, 1733 - Fertigbeton II). Es wirkt sich auf die rechtliche Beurteilung des Streitfalls
demnach nicht aus, dass die von der angefochtenen Verfügung Betroffenen K. KG und M.
C.L. GmbH & Co. KG später insolvent geworden sind und die K. KG ihren Geschäftsbetrieb
mit dem Ablauf des Jahres 2002 vollständig eingestellt haben soll.
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bb) Der von der Verhaltensabstimmung betroffene sachliche Markt bezieht sich auf den
Transport und die Spedition von Automobilen einschließlich ihrer Zwischenlagerung und
Verfrachtung im Verantwortungsbereich der Frachtführer oder Spediteure. In räumlicher
Hinsicht ist dieser Markt bundesweit abzugrenzen.
Die Betroffenen betätigen sich auf dem sachlich einschlägigen Markt als Anbieter von
Transport- und Speditionsleistungen. Die Nachfrageseite wird durch die inländischen
Hersteller und Importeure von Automobilen, durch Kraftfahrzeugvermieter,
Kraftfahrzeughändler sowie Privatauftraggeber repräsentiert. Nebenleistungen wie das
Entwachsen oder Entsiegeln von Kraftfahrzeugen, das Ausbessern von Schäden,
Umrüstungen und Inspektionen bleiben außer Betracht. Der Automobiltransport und die
ihm geltende Spedition bilden einen selbständigen, vom allgemeinen Transport- und
Speditionsmarkt zu unterscheidenden Teilmarkt. Gegensätzliche Vorstellungen haben die
Betroffenen insoweit nicht zum Ausdruck gebracht. Der größte Teil der Frachtführern und
Spediteuren auf dem sachlichen relevanten Markt zukommenden Aufträge geht von den
Automobilherstellern und -importeuren sowie von großen Kraftfahrzeugvermietern aus. Die
Betroffenen sowie gleichartige Unternehmen waren und sind vorwiegend mit Beförderungs-
und Speditionsleistungen im Auftrag von Kraftfahrzeugherstellern, -importeuren und großen
Vermietern befasst. Aufträge durch Kraftfahrzeughändler und Privatkunden sind
vernachlässigbar geringen Umfangs. Sie machen zusammengenommen - wie außer Streit
steht - lediglich etwa 3 % des Geschäftsvolumens der Betroffenen (und wie anzunehmen
ist: auch gleichartiger Unternehmen) aus.
In räumlicher Hinsicht ist - entsprechend dem Geltungsbereich des Gesetzes gegen
Wettbewerbsbeschränkungen und entgegen der Auffassung der Betroffenen - auf einen
bundesweiten Markt abzustellen. Zwar sind auch für die räumliche Abgrenzung eines
Anbietermarkts die aus der Sicht der Nachfrager gegebenen Austauschmöglichkeiten
entscheidend. Jedoch ist gemäß dem Schutzzweck des Gesetzes bei der Überprüfung
eines Verhaltens auf seine Übereinstimmung mit dem GWB stets nur der Inlandsmarkt zu
betrachten (vgl. BGH WuW/E BGH 3026, 3029 f. - Backofenmarkt). Darauf, ob der
inländische Markt den betreffenden wirtschaftlichen Markt (im vorliegenden Fall den Markt
für Automobil-Transport und -Spedition) vollständig abdeckt oder ob der wirtschaftliche
Markt nicht auch auf weitere Räume zu erstrecken ist (im vorliegenden Fall auf das
europäische Ausland), kommt es nicht an. Erweiterungen sind nur insoweit geboten, als für
die Ausweichmöglichkeiten der inländischen Nachfrager auch ausländische Dienstleister,
die sich auf dem sachlich relevanten Markt betätigen, in Frage kommen. Es sind demnach
auch solche ausländischen Fracht- und Speditionsunternehmen in die Betrachtung
einzubeziehen, die auf dem inländischen Markt als Wettbewerber tätig sind. Der
unbestrittenen Darstellung der Betroffenen zufolge betätigen sich auf dem relevanten Markt
zwischen 100 und 200 deutsche und ausländische Unternehmen (vgl. auch die Aufstellung
in Anl. B 9 der Betroffenen zu 2 und zu 3 = GA 238 ff.).
cc) Das abgestimmte Verhalten bezweckte eine Beschränkung des wettbewerblichen
Handlungsspielraums der Betroffenen sowie weiterer in derselben Branche tätiger
Frachtführer und Spediteure. Die AVHS waren darauf angelegt, im einschlägigen Gewerbe
Verbreitung zu finden. Die Betroffenen, die K. KG und die M. C.L. GmbH & Co. KG hatten
ihre Praxis bei den Geschäftsbedingungen bereits koordiniert und ihre Allgemeinen
Geschäftsbedingungen vereinheitlicht. Es war ihr Ziel, insoweit gegenüber
Geschäftspartnern geschlossen aufzutreten und Verträge einheitlich nur zu den
Bedingungen der AVHS abzuschließen. Die Vereinheitlichung der Geschäftsbedingungen
beeinträchtigte die materielle Entschließungsfreiheit der Betroffenen sowie künftiger
Verwender der AVHS bei der Erteilung von Angeboten. Sie schränkte zugleich die
Intensität des zwischen ihnen bestehenden Wettbewerbs ein (vgl. dazu auch BGH WuW/E
BGH 2313, 2317 - Baumarkt-Statistik = GRUR 1987, 314, 315). Einer rechtlichen Bindung
der Betroffenen an eine gleichförmige Verwendung des Bedingungswerks der AVHS
bedurfte es hierzu nicht. Es genügt, dass die Betroffenen durch eine Verhaltensabstimmung
ihre Geschäftsbedingungen tatsächlich aneinander angeglichen hatten, ein Wettbewerb
zwischen ihnen beeinträchtigt war und diese Wirkung infolge einer zunehmenden
Verwendung der AVHS durch Unternehmen des Kraftfahrzeugtransport- und -
speditionsgewerbes noch verstärkt werden sollte. Es handelt sich hierbei um eine jener
Wettbewerbsbeschränkungen, die - im Sinn sog. Konditionenkartelle - von § 2 Abs. 2 GWB
ausdrücklich ins Auge gefasst worden sind.
dd) Die Verhaltensabstimmung der Betroffenen und der hieran teilnehmenden K. KG und
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M. C.L. GmbH & Co. KG war geeignet, die Verhältnisse auf dem relevanten Markt spürbar
zu beeinflussen.
(1.) Die Unternehmen der Betroffenen gehörten im fraglichen Zeitraum - bezogen auf den
inländischen Markt - unbestritten zu den größten und umsatzstärksten Wettbewerbern auf
dem Gebiet der Automobil-Logistik. Nach unstreitiger Darstellung des Bundeskartellamts
zählten zu dieser Gruppe folgende Unternehmen:
die A. T. L. GmbH in E. (eine Beteiligungsgesellschaft der D.-C., die
Automobiltransporte überwiegend im schienengebundenen Verkehr abwickelte, vgl. GA
217, 218),
die H. M. GmbH & Co. in K./T.,
die H. GmbH & Co. KG in B.,
die drei Betroffenen, die K. KG und die M. C.L. GmbH & Co. KG.
Im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Senatstermin am 21.11.2001 hat
der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen zu 2 und zu 3 dies mit den Worten bestätigt,
eine um die K. KG und die Betroffene zu 3 (die R. L. Auto Logistik GmbH) ergänzte
Aufstellung der "Top 100 der Logistik" gemäß der Anlage 1 zum Schriftsatz des
Bundeskartellamts vom 27.3.2001 (GA 96) gebe - neben einer großen Anzahl weiterer,
jedoch umsatzmäßig abfallender Dienstleister - die auf dem in Rede stehenden Markt
führenden Anbieter zutreffend wieder.
Zur Feststellung einer Eignung des abgestimmten Verhaltens, spürbare Außenwirkungen
hervorzubringen, hat das Bundeskartellamt die auf dem relevanten Markt erzielten Umsätze
der Betroffenen (und der als Teilnehmer an der Verhaltensabstimmung ebenfalls zu
berücksichtigenden K. KG und M. C.L. GmbH & Co. KG) ermittelt und in ein Verhältnis zu
dem auf dem Teilmarkt der Automobillogistik getätigten Gesamtumsatz gestellt. Die
Betroffenen haben für ihre Unternehmen abweichende Umsatzzahlen mitgeteilt. In der
nachfolgenden Aufstellung hat der Senat die für die Betroffenen günstigeren, und zwar die
geringeren, Umsätze berücksichtigt, die sich aus ihrer eigenen Darstellung, hilfsweise aus
dem vom Bundeskartellamt unterbreiteten Zahlenwerk ergeben. Da nach den Umständen
anzunehmen ist, dass ein nicht geringer Teil jener Umsätze von den Betroffenen sowie von
der K. KG und der M. C.L. GmbH & Co. KG auf ausländischen Märkten erwirtschaftet
wurde, hat der Senat hiervon einen Abzug vorgenommen. So hat die Betroffene zu 1
insoweit vorgetragen, etwa 27 % ihres Gesamtumsatzes im Ausland zu erzielen (GA 252).
Da keine Anhaltspunkte dafür hervorgetreten sind, die Betroffenen zu 2 und zu 3 seien in
einem größeren Umfang als die Betroffene zu 1 auf ausländischen Märkten tätig gewesen,
hat der Senat zu Gunsten aller Betroffenen sowie der K. KG und der M. C.L. GmbH & Co.
KG wegen eines im Ausland erwirtschafteten Umsatzanteils jeweils 30 % von den
genannten Umsätzen in Abzug gebracht.
Die auf dem einschlägigen Markt durch die Hauptleistungen des Transports und der
Spedition erzielten Umsätze hat das Bundeskartellamt im Übrigen mit der Hälfte der
Gesamtumsätze der Unternehmen der Betroffenen sowie der K. KG und der M. C.L. GmbH
& Co. KG beziffert. Dagegen ist nichts einzuwenden. Es ist zu Gunsten der Betroffenen
nicht unvertretbar anzunehmen, dass die in den Gesamtumsätzen enthaltenen
Nebentätigkeiten wie Umschlagsleistungen sowie technische Serviceleistungen
(Entwachsen/Entsiegeln von Fahrzeugen, Ausbesserungen, Umrüstungen und
Inspektionen) in etwa die Hälfte ihres Gesamtumsatzes ausmachten. Abweichende
Gegenrechnungen haben die Betroffenen nicht aufgestellt. Der Senat hat für die
Betroffenen hiernach die folgenden Umsatzgrößen berücksichtigt:
Betroffene zu 1: Gesamtumsatz nach der hier zugrundegelegten Darstellung der
Betroffenen im Jahr 2000: ca. 150 Millionen DM,
Umsatz auf dem sachlich relevanten Markt ca. 75 Millionen DM,
abzüglich 30 % Auslandsumsatz: ca. 52.500.000 DM;
Betroffene zu 2: Gesamtumsatz auf dem sachlich relevanten Markt nach eigenem
Vortrag: ca. 64 Millionen DM,
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abzüglich eines Auslandsanteils von 30 %: ca. 44.800.000 DM;
Betroffene zu 3: Gesamtumsatz nach der insoweit günstigeren Darstellung des
Bundeskartellamts: ca. 144 Millionen DM,
Umsatz auf dem sachlich relevanten Markt: ca. 72 Millionen DM,
abzüglich eines Auslandsanteils von 30 % ca. 50.400.000 DM;
- K. KG: Gesamtumsatz ca. 146 Millionen DM,
Umsatz auf dem sachlich relevanten Markt: ca. 73 Millionen DM,
abzüglich eines Auslandsanteils von 30 % ca. 51.100.000 DM;
- M. C.L. GmbH & Co. KG: Gesamtumsatz: ca. 320 Millionen DM,
Umsatz auf dem sachlich relevanten Markt: ca. 160 Millionen DM,
abzüglich eines Auslandsanteils von 30 % ca. 112 Millionen DM.
Die Gesamtumsätze der Betroffenen, der K. KG und der M. C.L. GmbH & Co. KG betrugen
etwa 310.800.000 DM. Die Annahme, dass die jeweiligen Umsatzgrößenordnungen auch
im maßgeblichen Jahr 2000 erreicht worden sind, wirkt sich nicht zu Ungunsten der
Betroffenen aus.
Die dargestellten Umsätze sind dem Gesamtvolumen des Automobiltransport- und -
speditionsmarkts gegenüberzustellen. Das Bundeskartellamt hat der Publikation "Die ​TOP
100' der Logistik" der Gesellschaft für Verkehrsbetriebswirtschaft und Logistik (GVB) e.V. in
N. für 1997/1998 insoweit ein Gesamtmarktvolumen von 1,2 Milliarden DM entnommen
(Auszug als Anl. 1 zum Schriftsatz vom 27.3.2001, dort S. 114 = GA 95). Im Verhältnis zu
einem Marktvolumen von 1,2 Milliarden DM verfügten die Betroffenen einschließlich der K.
KG und der M. C.L. GmbH & Co. KG auf dem relevanten Markt über einen Marktanteil von
zusammengenommen annähernd 26 %. Dies ist weniger als das Bundeskartellamt
errechnet hat, aber immer noch bedeutend.
Die genannten Umsatz- und Verhältniszahlen spiegeln trotz gewisser Ungenauigkeiten die
Größenordnungen der beteiligten Unternehmen und ihre Marktanteile ausreichend
zuverlässig wider. Das Bundeskartellamt hat in Bezug auf seine den Umsätzen geltende
und den Berechnungen des Senats zugrunde liegende Darstellung seine
Erkenntnisquellen genannt (vgl. GA 226 bis 230), nämlich eigene, namentlich in
Geschäftsberichten ausgewiesene Angaben der betreffenden Unternehmen sowie eine
allgemein zugängliche Sammlung von Unternehmensdaten (in der Form einer Auskunfts-
CD). Hinsichtlich des Marktvolumens hat das Bundeskartellamt sich auf die oben zitierte
Veröffentlichung gestützt. Die Betroffenen haben die Tatsachenangaben des
Bundeskartellamts lediglich pauschal in Abrede gestellt, ohne die Zuverlässigkeit der
Quellen und die aus ihnen ersichtlichen Angaben im Einzelnen zu bestreiten. Diesem
Bestreiten ist nicht weiter nachzugehen, zumal die von den Betroffenen für ihre
Unternehmen selbst vorgetragenen Umsätze die vom Bundeskartellamt dargestellten
Größenordnungen zumindest tendenziell bestätigen und den Berechnungen des Senats
zugrunde gelegt worden sind. Dass die bezifferten Marktanteile ihrer Größenordnung nach
die tatsächlichen Marktverhältnisse nicht völlig verfehlen, wird im Übrigen durch die
Kontrollrechnung des Bundeskartellamts bestätigt, wonach die weiteren auf dem
inländischen Markt für Automobil-Logistik tätigen Unternehmen A. GmbH, H. GmbH & Co.
KG und M. GmbH & Co. zusammengerechnet einen Marktanteil von etwa 60 % erreichten
(GA 218 f.). Addiert man die Marktanteile der Betroffenen einschließlich der K. KG und der
M. C.L. GmbH & Co. KG hinzu (etwa 26 %), so verbleibt für die auf dem Markt befindlichen
unbedeutenderen inländischen und ausländischen Wettbewerber ein Marktanteil von
insgesamt etwa 14 %. Hiervon sind mit einer für Schätzungen hinreichenden Genauigkeit
die Marktanteile weiterer inländischer sowie ausländischer Wettbewerber abgedeckt.
Größere Verschiebungen, die von den Betroffenen auch nicht konkret geltend gemacht
werden, sind unwahrscheinlich. Durch seine ergänzende Darstellung hat das
Bundeskartellamt die im Senatsbeschluss vom 13.2.2002 aufgeführten Zweifel an seinen
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Bundeskartellamt errechneten Marktanteil auszugehen. Jedoch bleiben der den
Betroffenen einschließlich der K. KG und der M. C.L. GmbH & Co. KG zuzuweisende
Marktanteile nach wie vor beachtlich.
(2.) Die Außenwirkungen eines wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens sind nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs spürbar, wenn sie praktisch ins Gewicht fallen
und die Markverhältnisse mehr als nur theoretisch und in einem unbedeutendem Umfang
beeinflussen können (vgl. BGH WuW/E DE-R 115, 120 - Car-Partner = GRUR 1998, 739,
743; WuW/E DE-R 289, 295 - Lottospielgemeinschaft). Außenwirkungen müssen in diesem
Umfang nicht tatsächlich eingetreten sein. Die Wettbewerbsbeschränkung muss lediglich
geeignet sein, sie hervorzurufen. Eine dahingehende Eignung ist der
Verhaltensabstimmung der Betroffenen nicht abzusprechen.
Die der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen geltende Verhaltsabstimmung
unter den Betroffenen ist geeignet, die Handlungsspielräume der an dem abgestimmten
Verhalten beteiligten Unternehmen im Wettbewerb zu verringern. Dies ist oben bereits
verdeutlicht worden (S. 11 f.). Die angestrebte Vereinheitlichung der Vertragsbedingungen,
zu denen die Betroffenen Fracht- und Speditionsaufträge nur noch übernehmen wollten,
stellt schon isoliert betrachtet keinen nur unbedeutenden Wettbewerbsfaktor dar. Ein in
dieser Hinsicht geschlossenes Auftreten der Betroffenen auf dem relevanten Markt war
außerdem geeignet, den Handlungsspielraum der Marktgegenseite zu beeinträchtigen.
Deren Chancen, andere Vertragsbedingungen auszuhandeln, waren infolge dessen
herabgesetzt. Dies konnte sich im wirtschaftlichen Ergebnis um so schwerwiegender
auswirken, als die AVHS bekanntermaßen entworfen worden waren, um die
Haftungsrisiken der Kraftfahrzeugtransporteure und -spediteure mit Erfolg einzuschränken.
Mit Rücksicht darauf, dass sie auf eine in der Branche verbreitete Verwendung gegenüber
vielen (und zwar möglichst allen) Geschäftspartnern angelegt waren, erscheint von
vornherein die Annahme fernliegend, die Betroffenen hätten ihr Verhalten aufeinander
abgestimmt, ohne sich hiervon im vorgenannten Sinn eine spürbare Beeinflussung der
Marktverhältnisse versprochen zu haben. Kamen den Unternehmen der Betroffenen sowie
der K. KG und der M. C.L. GmbH & Co. KG die ihnen vorstehend zugeordneten
Marktanteile zu, dann war ihr Verhalten vielmehr naheliegend geeignet, Außenwirkungen
auf dem betroffenen Markt entstehen zu lassen. Die Unternehmen der Betroffenen nebst
der K. KG und der M. C.L. GmbH & Co. KG bildeten auf dem relevanten Markt schon dann
einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor, wenn ihre Marktanteile sich zusammengerechnet
"nur" auf rund 26 % beliefen.
Der Umstand, dass nach dem Vortrag der Betroffenen die weit überwiegende Zahl ihrer
Großkunden (wie Automobilhersteller und große Kraftfahrzeugvermieter) es abgelehnt
haben sollen, Aufträge zu den Konditionen der AVHS zu erteilen, stellt die Eignung zu
einer Beeinflussung der Marktverhältnisse nicht in Frage. Die Betroffenen haben ihr
Verhalten hinsichtlich einer Verwendung der AVHS aufeinander abgestimmt, um mit dem
Ziel, diese von ihnen angestrebte Vertragsordnung durchzusetzen, bei Verhandlungen ein
fühlbares Gegengewicht vor allem gegenüber marktmächtigen Nachfragern von Transport-
und Speditionsleistungen zu erzeugen. Es war zu erwarten, dass ihre
Verhandlungsposition um so stärker wurde, je mehr branchenangehörende Unternehmen
die AVHS für ihre Geschäftsabschlüsse übernahmen. Dass es hierzu nicht gekommen ist,
ist zu einem wesentlichen Teil der Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts
zuzuschreiben. Das Bundeskartellamt hat die angegriffene Untersagung ausgesprochen,
nachdem die AVHS erst kurze Zeit im Gebrauch waren. Dies kann den in der Branche
tätigen Unternehmen erfahrungsgemäß nicht verborgen geblieben sein. Wer aber damit
rechnen muss, die Anwendung von Vertragsbedingungen werde verboten bleiben, führt
diese für sein Unternehmen gar nicht erst ein.
Es kommt hinzu, dass die AVHS gegenüber großen Auftraggebern ohnedies nicht allzu
rasch durchsetzbar sein konnten. Dass dies widerstandslos vor sich gehen würde, war
nicht anzunehmen. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass die
abweichenden Individualverträge oder Rahmenvereinbarungen, welche die Betroffenen mit
Großkunden - und zwar zu deren Vertragsbedingungen - behaupten, erfahrungsgemäß
nicht selten auf nicht allzu kurze Laufzeiten befristet waren. Eine Neuordnung von
Vertragsbeziehungen stand bei einer derartigen Sachlage erst an, nachdem bestehende
Verträge ausgelaufen waren. So betraf auch das von den Betroffenen zu 2 und zu 3
vorgelegte ablehnende Schreiben der O. AG eine noch laufende Vertragsbeziehung. Eine
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Durchsetzung der AVHS musste daher von vornherein auf eine längere Sicht ausgelegt
sein. Sie war aber selbst dann nicht chancenlos, wenn nur die Betroffenen, die K. KG und
die M. C.L. GmbH & Co. KG sich ihrer künftig bedienten. Ihre Unternehmen vereinigten auf
sich einen nicht unbeträchtlichen Marktanteil von etwa 26 %. Sieht man von der
überwiegend im schienengebundenen Transportwesen tätigen A. GmbH ab, erreichten nur
noch die H. GmbH & Co. KG und die M. GmbH & Co. Marktanteile in vergleichbarer
Größenordnung. Dieser Befund spricht mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit dafür, dass
bei einer Neuvergabe von Kraftfahrzeugtransport- und -speditionsleistungen in Zukunft
selbst große Kunden geneigt sein konnten, die AVHS zu akzeptieren, da sie - auch wenn
sie Solches vermeiden wollten - gerade deshalb auf andere Anbieter nicht ausweichen
konnten oder es künftig könnten, weil diese den nachgefragten Leistungsbedarf aus
Kapazitätsgründen nicht zu befriedigen imstande sind. Die (im Beschluss vom 13.2.2002
wiedergegebenen früheren) Bedenken des Senats an einer Eignung der
Verhaltensabstimmung zu spürbaren Außenwirkungen (vgl. dazu GA 186 f.) sind hiernach
im Ergebnis ausgeräumt.
Die Verwendung der AVHS ist gemäß § 2 Abs. 2 GWB nicht freistellungsfähig. Es fehlt
hierfür an einer der Anwendung der AVHS geltenden Vereinbarung unter den Betroffenen,
die nicht ersetzt oder unterstellt werden kann.
Auf der Grundlage des aufgezeigten Sachverhalts sind an der angefochtenen Verfügung
Ermessensfehler nicht zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Satz 2 GWB.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren:
bis 1,5 Millionen DM (bis 800.000 Euro).
Der Streitwert ist gemäß dem wirtschaftlichen Interesse der Betroffenen an einer
Verwendung der AVHS zu festzusetzen. Der Senat bewertet dieses (vornehmlich auf eine
Begrenzung des Schadensrisikos gerichtete) Interesse - wie das Bundeskartellamt (vgl.
den Schriftsatz vom 17.4.2002, S. 7 f. = GA 221 f.) - mit einem Prozent der dargestellten
Jahresumsätze der Betroffenen. Die geringeren Wertansätze der Betroffenen selbst (vgl.
GA 80, 128) beruhen ersichtlich auf einer tatsächlich erzielten Einsparung von
Haftungsleistungen, nicht aber - worauf abzustellen ist - auf dem von ihnen angestrebten
wirtschaftlichen Ergebnis.
Rechtsmittelbelehrung:
Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim
Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist
beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist
durch einen beim Bundesgerichtshof einzureichenden Schriftsatz binnen eines Monats zu
begründen. Diese Frist beginnt mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde und kann auf
Antrag vom Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die
Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die
Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt
wird. Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die
Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht.
a. K.