Urteil des OLG Düsseldorf vom 11.12.2008

OLG Düsseldorf: schweigepflicht, behandelnder arzt, schlüssiges verhalten, einwilligung des patienten, beförderung, ärztliche behandlung, persönlichkeitsrecht, hausarzt, verfügung, gesundheitszustand

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-15 U 170/07
Datum:
11.12.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-15 U 170/07
Vorinstanz:
Landgericht Duisburg, 1 O 304/06
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung der Berufung
des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts
Duisburg vom 17. Juli 2007 (1 O 304/06) teilweise abgeändert und die
Klage insgesamt abge-wiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7.700,- € vorläufig
voll-streckbar.
Gründe:
1
I.
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Der Kläger befand sich in der Zeit vom 15. August bis zum 2. Dezember 2005 wegen
einer Alkoholerkrankung in teilstationärer Behandlung bei der Beklagten. Nach
Abschluss der Behandlung übersandte die Beklagte den Entlassungsbericht vom 8.
Dezember 2005 an den Betriebsarzt des Arbeitgebers des Klägers, Herrn Dr. D.. Mit der
Begründung, die Beklagte habe dadurch ihre ärztliche Schweigepflicht verletzt, nimmt
der Kläger die Beklagte auf Zahlung von "Schmerzensgeld" in Höhe von 10.000,- € in
Anspruch. Ferner verlangt er die Feststellung, dass die Beklagte ihm sämtliche
weitergehenden materiellen Schäden zu ersetzen habe, die ihm dadurch entstehen,
dass die Beklagte ihre ärztliche Schweigepflicht verletzt habe, indem sie den
Entlassungsbericht ohne seine Einwilligung seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt
habe.
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Wegen der erstinstanzlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug
genommen.
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Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt,
an den Kläger 5.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2006 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
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Dem Kläger stehe ein Anspruch auf "Schmerzensgeld" in Höhe von 5.000,- € wegen
Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §
203 StGB i.V.m. Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG zu.
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Unabhängig von der Frage, wer den Kläger bei der Beklagten zur Therapie angemeldet
habe, sei die Beklagte jedenfalls nicht von ihrer Schweigepflicht gegenüber dem
Betriebsarzt entbunden gewesen. Wenn ein Irrtum der Beklagten über die Einwilligung
des Klägers in die Weitergabe des Entlassungsberichts an den Betriebsarzt vorgelegen
habe, sei dieser zumindest vermeidbar gewesen. Denn der Kläger habe in dem von der
Beklagten verwendeten Formular über die Entbindung von der ärztlichen
Schweigepflicht den Betriebsarzt seines Arbeitgebers nicht eingetragen.
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Die unberechtigte Weitergabe des Entlassungsberichts habe die Intimsphäre des
Klägers verletzt und somit eine schwerwiegende Verletzung seines allgemeinen
Persönlichkeitsrechts hervorgerufen.
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Diese Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts könne auch nicht auf andere
Art und Weise als durch Zahlung eines "Schmerzensgeldes" ausgeglichen werden.
Eine Gegendarstellung oder ein Widerruf würden ins Leere laufen, weil die Verletzung
des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht öffentlich geschehen sei.
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Insgesamt sei ein Schmerzensgeld von 5.000,- € angemessen. Zu berücksichtigen sei,
dass die Beklagte lediglich fahrlässig gehandelt habe. Ferner habe sie den Schaden zu
mindern versucht, indem sie das an den Betriebsarzt übersandte Exemplar des
Entlassungsberichts erfolgreich zurückgefordert habe. Außerdem unterliege der
Betriebsarzt seinerseits der Verschwiegenheitspflicht.
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Der Feststellungsantrag sei unbegründet, weil es an einer Kausalität zwischen
Rechtsgutsverletzung und Schaden fehle. Der Kläger habe nicht substantiiert dargelegt,
dass die Übersendung des Entlassungsberichts an den Betriebsarzt kausal für seine
unterbliebene Beförderung gewesen sei. Dem Arbeitgeber sei die Krankheit des
Klägers bekannt gewesen, weil der Kläger seinen Vorgesetzten hierüber unterrichtet
habe. Daher habe der Kläger darlegen müssen, dass sein Arbeitgeber die Ablehnung
der Beförderung auf Informationen gestützt habe, die sich aus dem Entlassungsbericht
ergeben hätten und die der Arbeitgeber nicht gekannt hätte, wenn die Beklagte den
Entlassungsbericht nicht an den Betriebsarzt gesandt hätte. Dass der Betriebsarzt
überhaupt bei der Entscheidung, den Kläger nicht zu befördern, mitgewirkt habe, sei
nicht ersichtlich. Ein Anscheinsbeweis greife insoweit nicht zugunsten des Klägers ein,
da viele Gründe denkbar seien, weshalb der Arbeitgeber sich gegen eine Beförderung
des Klägers entschieden habe.
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Gegen das Urteil haben beide Parteien form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
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Der Kläger trägt vor:
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Der von dem Feststellungsantrag umfasste Schaden betreffe den Verlust eines höheren
Gehalts infolge der unterbliebenen Beförderung.
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Bei der Entscheidung über den Feststellungsantrag habe das Landgericht den
Umstand, dass er seinen direkten Vorgesetzten über seine Krankheit unterrichtet und
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sein Arbeitgeber damit Kenntnis von der Erkrankung gehabt habe, überbewertet.
Obwohl seinem Arbeitgeber seine Erkrankung bekannt gewesen sei, sei ihm die
Beförderung vor Erhalt des Entlassungsberichts bereits fest in Aussicht gestellt worden.
Außer der unberechtigten Übersendung des Entlassungsberichts an den Betriebsarzt
seien keine Gründe dafür ersichtlich, weshalb die Beförderung dann doch unterblieben
sei. Er könne sich auf einen Beweis des ersten Anscheins berufen, weil die
Alkoholerkrankung zunächst kein Hinderungsgrund für seine Beförderung gewesen und
die Beförderung erst nach Erhalt des Entlassungsberichts nicht mehr erfolgt sei.
Die Argumentation, dass der Betriebsarzt ebenfalls der Verschwiegenheitspflicht
unterliege, greife zu kurz. Denn der Betriebsarzt werde bei wesentlichen
Entscheidungen des Arbeitgebers zur Verwendungsfähigkeit des Arbeitnehmers gehört.
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Die Indizienkette dafür, dass seine Beförderung nur wegen des zwischenzeitlich
eingegangenen Entlassungsberichts unterblieben sei, sei hinreichend dicht.
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Mehrere hochrangige Mitarbeiter seines Arbeitgebers – unter anderem auch ein
Vorstandsmitglied – könnten bestätigen, dass seine Beförderung vor Eingang des
Entlassungsberichts offenbar bereits beschlossen gewesen sei. Das Landgericht habe
die hierzu angebotenen Beweise erheben müssen, da sie den Rückschluss darauf
zuließen, dass die Beförderung letztlich nur wegen des Entlassungsberichts
unterblieben sei.
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Es sei auch lebensfremd, davon auszugehen, dass ein Betriebsarzt erlangte
Informationen über einen Arbeitnehmer nicht verwende, wenn er an Entscheidungen
über dessen beruflichen Werdegang beteiligt werde.
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Insgesamt sei aufgrund der massiven Verletzung seines Persönlichkeitsrechts ein
Schmerzensgeld von insgesamt 10.000,- € gerechtfertigt.
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Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, zu einer Weitergabe des
Entlassungsberichts an den einweisenden Arzt berechtigt gewesen zu sein. Denn der
Betriebsarzt Dr. D. sei nicht der einweisende Arzt gewesen.
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Im übrigen habe er den Betriebsarzt bewusst nicht in die Liste derjenigen Ärzte und
Personen aufgenommen, gegenüber denen er die Beklagte von der Schweigepflicht
entbunden habe. Er habe nicht gewollt, dass der Betriebsarzt unterrichtet werde.
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Auf eine mutmaßliche Einwilligung in die Bekanntgabe des Entlassungsberichts an den
einweisenden Arzt könne die Beklagte sich auch deshalb nicht berufen, weil sie selbst
eine ausdrückliche Erklärung über die Entbindung von der Schweigepflicht von ihm
eingeholt habe und daher kein Raum für die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung
sei. Gerade bei einer Suchterkrankung sei die Frage, wer nach dem Willen des
Patienten von der Erkrankung unterrichtet werden dürfe, erkennbar von besonderer
Brisanz.
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Im übrigen habe er – wie er auch unter Beweis gestellt habe – sogar ausdrücklich
untersagt, andere Personen und Institutionen als die in dem Formular genannten ohne
seine ausdrückliche weitere Einwilligung zu unterrichten. Damit hätte selbst ein
einweisender Arzt, der nicht in dem Formular genannt war, nicht mehr unterrichtet
werden dürfen.
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Es liege eine extreme Verletzung seiner Intimsphäre vor, da in dem Entlassungsbericht
höchst persönliche Dinge selbst aus Kindheitstagen und zu den
Verwandtschaftsverhältnissen aufgeführt seien.
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Die gesamten Informationen aus dem Entlassungsbericht seien dem Betriebsarzt vorher
nicht bekannt gewesen. Durch den Bericht habe sein Arbeitgeber nun auch ein völlig
anderes Bild von ihm – dem Kläger – erhalten, als dies zuvor durch die bloß pauschale
Unterrichtung des Vorgesetzten über seine Alkoholerkrankung der Fall gewesen sei.
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Eine anderweitige Genugtuung scheide aus, weil der Betriebsarzt selbst bei einem
Widerruf weiterhin Kenntnis von den unberechtigt erlangten Informationen habe.
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Duisburg vom 17. Juli 2007
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(1 O 304/06)
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1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 5.000,- € nebst 5% Zinsen über dem
Basisdiskontzinssatz seit dem 01.07.2006 zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm sämtliche weitergehenden
materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm dadurch entstehen, dass die Beklagte
die ihr obliegende ärztliche Schweigepflicht verletzt habe, indem sie den von ihr
über ihn – den Kläger – gefertigten Entlassungsbericht einer teilstationären
Entwöhnungsbehandlung vom 08.12.2005 ohne seine Einwilligung seinem
Arbeitgeber – Fa. E. – zur Verfügung gestellt habe.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung des Klägers zurückzuweisen
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und auf ihre eigene Berufung die Klage unter teilweiser Abänderung des erst-
instanzlichen Urteils des Landgerichts Duisburg, verkündet am 17. Juli 2007, Az: 1
O 304/06, in vollem Umfang abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Die Beklagte trägt vor:
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Zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass die Weitergabe des
Entlassungsbericht an den Betriebsarzt des Arbeitgebers des Klägers widerrechtlich
erfolgt sei.
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Der Kläger habe sie durch schlüssiges Verhalten von ihrer Schweigepflicht gegenüber
dem Betriebsarzt entbunden. Zumindest aber habe sie darauf vertrauen dürfen, dass die
Weiterleitung des Entlassungsberichts an den Betriebsarzt im mutmaßlichen Interesse
des Klägers liege. Es entspreche den Gepflogenheiten und der üblichen
Verfahrensweise, dass der überweisende und/oder nachbehandelnde Arzt durch
Arztbrief oder Entlassungsbericht über die wesentlichen Punkte einer Klinikbehandlung
unterrichtet werde. Hiervon gehe auch der Patient aus. Auch der Patient habe vor dem
Hintergrund einer effektiven Heilbehandlung ein Interesse daran, dass die in der Klinik
gewonnenen Informationen dem einweisenden oder weiterbehandelnden Arzt zur
Verfügung gestellt würden. Das ärztliche Standesrecht sehe einen raschen
Informationsaustausch unter den mitbehandelnden Ärzten vor. Dies sei schon deshalb
erforderlich, um Fehl- oder Doppelbehandlungen zu vermeiden. Ein Patient, der sich
aufgrund einer Einweisung in einer Klinik untersuchen lasse, erteile konkludent die
Einwilligung, dass der Klinikarzt den Befundbericht an den einweisenden Arzt schicken
dürfe. Zudem sei es gerade bei Suchterkrankungen besonders wichtig, den
einweisenden Arzt über den Therapieverlauf zu unterrichten, um eine hinreichende
Nachsorge sicherzustellen.
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Aus dem Umstand, dass der Kläger den Betriebsarzt nicht in das Formular über die
Entbindung von der Schweigepflicht eingetragen habe, sei nicht zu folgern, dass er sie
nicht von der Schweigepflicht gegenüber dem Betriebsarzt habe entbinden wollen. Der
Kläger habe sie bereits durch schlüssiges Verhalten von der Schweigepflicht gegenüber
dem Betriebsarzt befreit, so dass dessen ausdrückliche Benennung in dem Formular
nicht mehr erforderlich gewesen sei. Wenn der Kläger den Betriebsarzt durch die
Nichtbenennung in dem Formular von der Entbindung von der Schweigepflicht habe
ausnehmen wollen, hätte er dies unmissverständlich kundtun müssen.
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Das Landgericht habe nicht aufgeklärt, wer den Kläger für die Behandlung bei ihr
angemeldet habe. Aus ihrer Sicht sei der Betriebsarzt Dr. D. der einweisende Arzt
gewesen. Dieser habe den Anmeldebogen unterschrieben und per Fax übersandt. Der
Kläger habe die Therapie auch zu dem mit dem Betriebsarzt vereinbarten Termin
angetreten. Hinweise darauf, dass – wie der Kläger behaupte – der Hausarzt Dr. F. die
Einweisung vorgenommen habe, ergäben sich nicht aus der Krankenakte.
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Dem Kläger sei durch die Weiterleitung des Entlassungsberichts an den Betriebsarzt
kein Schaden entstanden. Dem Betriebsarzt sei das wesentliche Krankheitsbild des
Klägers schon vor Übersendung des Entlassungsberichts bekannt gewesen.
Telefonisch habe der Betriebsarzt ihr auch bestätigt, dass er aus dem
Entlassungsbericht keine neuen Erkenntnisse gewonnen habe. Aufgrund des
ausführlichen Vorgesprächs zwischen dem Betriebsarzt und dem Kläger, aufgrund
dessen der Betriebsarzt den Kläger bei ihr angemeldet habe, habe der Betriebsarzt
genügend persönliche Informationen für eine Diagnose gehabt.
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Zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass eine schwerwiegende
Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers vorliege. Zu
berücksichtigen sei, dass die Weitergabe des Entlassungsberichts an den Betriebsarzt
die Öffentlichkeit nicht tangiert habe und dass eine Weiterleitung dieses Berichts an den
Arbeitgeber des Klägers nicht nachgewiesen sei. Außerdem habe sie allenfalls
fahrlässig gehandelt. Weiter müsse beachtet werden, dass sie den Kläger durch die
Weitergabe des Berichts nicht habe schädigen, sondern im Gegenteil an dessen
optimaler Heilbehandlung habe mitwirken wollen. Außerdem habe sie den
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Entlassungsbericht auch sofort von dem Betriebsarzt zurückgefordert, nachdem der
Kläger die Weitergabe beanstandet habe.
Die vom Kläger geltend gemachte Beeinträchtigung könne auch auf andere Weise als
durch Zahlung einer Geldentschädigung ausgeglichen werden. In Betracht komme eine
Unterlassung oder ein Widerruf gegenüber dem Betriebsarzt.
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Das Landgericht habe auch die Höhe der Geldentschädigung nicht richtig bemessen.
Zu berücksichtigen sei insbesondere, dass sie den Entlassungsbericht sofort
zurückgefordert habe, dass der Betriebsarzt seinerseits ebenfalls der
Verschwiegenheitspflicht unterliege und dass nicht feststehe, dass der Bericht an den
Arbeitgeber des Klägers gelangt sei.
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Die von der Beklagten geführte Krankenakte des Klägers ist zu Informationszwecken
beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
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II.
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Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Die Berufung der Beklagten hat hingegen
Erfolg.
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Auf die Berufung der Beklagten ist das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und
die Klage insgesamt abzuweisen. Die Berufung des Klägers, mit der dieser über die
erstinstanzlich zugesprochene Geldentschädigung in Höhe von 5.000,- € hinaus einen
weiteren Betrag in Höhe von 5.000,- € begehrt, bleibt hingegen ohne Erfolg.
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I. Der Kläger kann die Beklagte nicht gemäß §§ 823, 831 BGB i.V.m. Art 1 Abs. 1 und
Art. 2 Abs. 1 GG auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 10.000,- € mit der
Begründung in Anspruch nehmen, dass er durch die Weiterleitung des
Entlassungsberichts vom 8. Dezember 2005 an den Betriebsarzt seines Arbeitgebers in
schwerwiegender Weise in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden
sei. Zwar hat der Mitarbeiter der Beklagten, der den Entlassungsbericht an den
Betriebsarzt Dr. D. übersandt hat und dabei als Verrichtungsgehilfe der Beklagten tätig
geworden ist, in rechtswidriger Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des
Klägers eingegriffen. Gleichwohl steht dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung einer
Geldentschädigung zu, weil die Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts
nicht so schwerwiegend ist, dass sie unabweisbar die Zubilligung einer
Geldentschädigung erfordern würde.
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1. Durch die Übersendung des Entlassungsberichts vom 8. Dezember 2005 an den
Betriebsarzt Dr. D. ist der Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt
worden.
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Angaben eines Arztes über Anamnese, Diagnose und therapeutische Maßnahmen
betreffen zwar nicht die unantastbare Intimsphäre, aber immerhin den privaten Bereich
des Patienten und sind daher durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1
i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) geschützt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die
Feststellungen für den Betroffenen belastend oder seiner sozialen Geltung abträglich
sind. Vielmehr verdient ganz allgemein der Wille des Einzelnen Achtung, so
höchstpersönliche Dinge wie die Beurteilung seines Gesundheitszustandes durch einen
Arzt vor fremdem Einblick zu bewahren. Wer sich in ärztliche Behandlung begibt, muss
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und darf erwarten, dass alles, was der Arzt im Rahmen der Behandlung über seine
gesundheitliche Verfassung erfährt, geheim bleibt und nicht zur Kenntnis Unberufener
gelangt. Nur so kann zwischen dem Patienten und dem Arzt das Vertrauen entstehen,
das zu den Grundvoraussetzungen ärztlichen Wirkens zählt. Das allgemeine
Persönlichkeitsrecht schützt deshalb grundsätzlich vor der Weitergabe von Befunden
über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den Charakter (BVerfG,
Beschluss vom 6. Juni 2006, 2 BvR 1349/05, zitiert nach: www.juris.de, Rn. 32).
Danach beinhaltet die Weitergabe des Entlassungsberichts vom 8. Dezember 2005
einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Denn mit diesem
13seitigen Bericht über die Krankengeschichte und die erfolgte Behandlung sind
detaillierte und sehr persönliche Informationen über den Kläger und seine Erkrankung
zur Kenntnis des Arztes Dr. D. gelangt.
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Der Annahme einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Übersendung des
Entlassungsberichts steht nicht entgegen, dass der Arzt Dr. D. seinerseits ebenfalls der
ärztlichen Schweigepflicht unterlag. Denn zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht gehört
auch das Recht des Patienten, selbst zu entscheiden, welchem Arzt er die Informationen
über seinen Gesundheitszustand zukommen lässt.
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2. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers erfolgte
widerrechtlich. Die Weitergabe des Entlassungsberichts vom 8. Dezember 2005 an den
Arzt Dr. D. war nicht durch eine Einwilligung des Klägers gerechtfertigt.
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a) Ausdrücklich hat der Kläger die Beklagte nicht von ihrer Schweigepflicht gegenüber
dem Betriebsarzt Dr. D. entbunden. Die Erklärung über die Entbindung von der
Schweigepflicht, die der Kläger bei Behandlungsbeginn am 15. August 2005
unterzeichnet hat, bezog sich ausschließlich auf die Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte, die Krankenkasse und den Hausarzt Dr. F.. Der Arzt Dr. D. ist in dem
Formular hingegen nicht erwähnt.
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b) Unter diesen Umständen kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass der
Kläger die Beklagte konkludent von ihrer Schweigepflicht gegenüber dem Arzt Dr. D.
entbunden hat. Der Auffassung der Beklagten, dass sie den Entlassungsbericht deshalb
an den Arzt Dr. D. habe versenden dürfen, weil dieser den Kläger eingewiesen habe
und eine Unterrichtung des einweisenden Arztes üblich sei, dem ärztlichen
Standesrecht entspreche und im Interesse des Patienten geschehe, ist jedenfalls in dem
hier zu beurteilenden Fall nicht zu folgen.
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Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Übersendung der "Anmeldung zur
Motivationsbehandlung" durch den Arzt Dr. D. mit Wissen und Wollen des Klägers
geschah oder ob es sich um eine allein von seinem Vorgesetzten und dem Betriebarzt
initiierte Maßnahme handelte, die dann mangels vom Kläger gesetzter
Anknüpfungspunkte die Annahme einer konkludenten Einwilligung des Klägers nicht
rechtfertigen würde. Selbst wenn der Kläger von der Einschaltung des Betriebsarztes
und dessen Bemühen um einen Therapieplatz bei der Beklagten gewusst haben sollte,
kann hieraus im vorliegenden Fall keine Einwilligung des Klägers in eine Übersendung
des späteren Entlassungsberichts an den Betriebsarzt abgeleitet werden.
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Zwar kann in den Fällen, in denen ein Patient von seinem Hausarzt oder einem anderen
vorbehandelnden Arzt zur Abklärung und Behandlung seiner Beschwerden in eine
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Klinik überwiesen wird, davon auszugehen sein, dass der Patient stillschweigend darin
einwilligt, dass sein Hausarzt bzw. der sonst vorbehandelnde Arzt von der Klinik über
den Verlauf und das Ergebnis der Behandlung unterrichtet wird. Denn es entspricht der
allgemein üblichen und den Patienten bekannten Verfahrensweise, dass eine Klinik
nach Abschluss einer Behandlung den weiterbehandelnden Arzt unterrichtet. Dies liegt
in der Regel gerade auch im Interesse des Patienten (OLG München, NJW 1993, 797,
798; Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl. 2002, § 75, Rn. 1 bis 3;
Schönke/Schröder/Lenckner, StGB, 27. Aufl. 2006, § 203, Rn. 24 b).
Ob eine solche konkludente Einwilligung anzunehmen ist, kann jedoch nur anhand der
Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden. Im vorliegenden Fall
führt die Würdigung der Gesamtumstände dazu, dass nicht von einer konkludenten
Einwilligung des Klägers in die Weitergabe des Entlassungsberichts an den
Betriebsarzt Dr. D. ausgegangen werden kann.
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Einziger Anhaltspunkt für die Annahme einer konkludenten Einwilligung des Klägers in
die Weiterleitung des Entlassungsberichts an den Betriebsarzt Dr. D. ist im vorliegenden
Fall, dass der Arzt Dr. D. die "Anmeldung zur Motivationsbehandlung" für den Kläger
ausgefüllt und am 29. Juni 2005 an die Beklagte übersandt sowie nach Darstellung der
Beklagten den Termin über den Beginn der Behandlung abgestimmt hat. Das Ausfüllen
der "Anmeldung zur Motivationsbehandlung", die auch einige – allerdings nur grobe –
Informationen über den Gesundheitszustand des Klägers enthielt, konnte aus Sicht des
Empfängers zwar darauf hindeuten, dass der Arzt Dr. D. im Einverständnis mit dem
Kläger über dessen Situation im Bilde war und die Behandlung bei der Beklagten
unterstützte. Gleichwohl kann unter Berücksichtigung der weiteren Umstände aber trotz
Übersendung des Formulars "Anmeldung zur Motivationsbehandlung" nicht von einer
stillschweigenden Einwilligung des Klägers in eine Unterrichtung des Arztes Dr. D. über
das Ergebnis der Behandlung ausgegangen werden.
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Dem Formular "Anmeldung zur Motivationsbehandlung" war bereits nicht klar zu
entnehmen war, ob der Arzt Dr. D. den Kläger wegen seiner Alkoholerkrankung selbst
behandelte oder ob er die fragliche Therapie bei der Beklagten lediglich vermittelt hat,
ohne selbst für die bisherige oder weitere Behandlung des Klägers zuständig zu sein.
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Am Ende des Formulars bestand die Möglichkeit, zum einen den behandelnden Arzt
und zum anderen die vermittelnde Person einzutragen. In den dafür vorgesehenen
Zeilen finden sich jedoch keine Angaben. Vielmehr hat der Arzt Dr. D. seinen
Praxisstempel und seine Unterschrift unter diese beiden Punkte gesetzt, so dass nicht
eindeutig zu ersehen war, ob er das Formular nun als behandelnder Arzt oder lediglich
als Vermittler unterzeichnete.
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Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Arzt Dr. D. als Betriebsarzt für den
Arbeitgeber des Klägers tätig war. Davon ist in der Berufungsinstanz auszugehen,
nachdem das Landgericht dies im Tatbestand seines Urteils festgestellt hat und ein
Tatbestandsberichtigungsantrag nicht gestellt worden ist (§ 314 ZPO). Zudem ergab
sich auch aus dem Praxisstempel, den der Arzt Dr. D. auf das Formular "Anmeldung zur
Motivationsbehandlung" gesetzt hat, dass er als Arzt für Arbeitsmedizin tätig ist. Anders
als beispielsweise bei der Überweisung durch einen Hausarzt kann bei einer
Überweisung durch einen Betriebsarzt nicht ohne weiteres davon ausgegangen
werden, dass er auch für die weitere Behandlung des Patienten zuständig ist und seine
Unterrichtung über die Erkrankung und den Behandlungsverlauf ausnahmslos im
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Interesse des Patienten liegt. Zum einen kann gerade ein Betriebsarzt auch lediglich die
Vermittlung einer Behandlung übernehmen, ohne selbst für die weitere Behandlung des
Patienten verantwortlich zu sein. Zum anderen wird der Patient insbesondere bei einer
Suchterkrankung häufig ein großes Interesse daran haben, dass sein Arbeitgeber oder
der für diesen tätige Betriebsarzt die Einzelheiten seiner Erkrankung und Behandlung
nicht erfährt. Dass dies auch der Beklagten bewusst war, ergibt sich aus dem zwischen
den Parteien geschlossenen Therapievertrag vom 15. August 2005. Dort ist unter Ziffer
7 ausdrücklich vereinbart, dass Informationen über den Kläger nur mit dessen
Zustimmung an den Arbeitgeber und sonstige "Institutionen", zu denen im Zweifel auch
der Betriebsarzt des Arbeitgebers zu zählen ist, weitergeleitet würden.
Des weiteren lässt auch die von der Beklagten geführte Krankenakte den Schluss zu,
dass die Beklagte selbst den Arzt Dr. D. ebenfalls nicht als (weiter)behandelnden Arzt
angesehen hat. In dem Entlassungsbericht vom 8. Dezember 2005 ist lediglich der
Hausarzt Dr. F. als behandelnder Arzt aufgeführt. Auch in der übrigen Krankenakte ist
stets nur der Hausarzt als behandelnder Arzt genannt, während die Rubrik
"einweisender Arzt" in den Unterlagen nicht ausgefüllt ist. Der Arzt Dr. D. ist außer in der
Anmeldung lediglich an einer Stelle der Krankenakte erwähnt und dort nur als "Berater"
bezeichnet.
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Entscheidend gegen die Annahme einer stillschweigenden Einwilligung des Klägers in
die Weitergabe des Entlassungsberichts vom 8. Dezember 2005 an den Arzt Dr. D.
spricht aber, dass dieser Arzt nicht in der schriftlichen Erklärung des Klägers vom 15.
August 2005 über die Entbindung von der Schweigepflicht aufgeführt war. Gerade dann,
wenn ein Patient seinen Behandler durch eine ausdrückliche und zudem schriftliche
Erklärung von der Schweigepflicht gegenüber bestimmten anderen Institutionen, Ärzten
und sonstigen Personen entbunden hat, ist Zurückhaltung geboten bei der Annahme,
dass daneben noch eine stillschweigende Einwilligung des Patienten in die Weitergabe
seiner Behandlungsunterlagen an andere, in der ausdrücklichen schriftlichen Erklärung
nicht genannte Personen und Institutionen bestehe. Denn der Zweck einer in Schriftform
erteilten Entbindung von der Schweigepflicht besteht gerade darin, zwischen dem
Patienten und seinem Behandler eindeutig und nicht zuletzt für den Behandler
beweissicher zu klären, an wen Informationen und Unterlagen über die Behandlung
weitergeleitet werden dürfen. Im Zweifel wird davon auszugehen sein, dass die
ausdrückliche schriftliche Erklärung über die Entbindung von der Schweigepflicht
vollständig und abschließend ist. Dies gilt im vorliegenden Fall insbesondere deshalb,
weil die Möglichkeit, "andere Ärzte" bzw. weitere Personen und Institutionen von der
Schweigepflicht auszunehmen, im Formular ausdrücklich vorgesehen war.
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3. Ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts besteht jedoch nur, wenn es sich um eine schwerwiegende
Verletzung handelt und für die Zubilligung einer Geldentschädigung ein
unabwendbares Bedürfnis besteht. Die Zubilligung einer Geldentschädigung beruht in
diesen Fällen auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der
Würde und der Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass
der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Anders als bei einem
Schmerzensgeldanspruch steht bei dem Anspruch auf Zahlung einer
Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der
Gesichtspunkt der Genugtuung für das Opfer im Vordergrund (BGH NJW 1995, 861,
864/865; BGH NJW 1996, 985, 986/987; BGH NJW 2005, 215, 216).
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Die Annahme einer schwerwiegenden Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts setzt voraus, dass es sich um eine objektiv erheblich ins Gewicht
fallende Beeinträchtigung handelt. Darüber hinaus besteht ein Anspruch auf Zahlung
einer Geldentschädigung nur, wenn eine zwingende Notwendigkeit für die Gewährung
eines billigen Ausgleichs in Geld besteht, weil die Beeinträchtigung nicht in anderer
Weise befriedigend ausgeglichen werden kann (BGH NJW 1980, 2801, 2807; BGH
NJW 1996, 985, 986). Ob eine Verletzung des allgemeinen Pesönlichkeitsrechts einen
so erheblichen Grad erreicht, dass die Zahlung einer Geldentschädigung geboten ist,
lässt sich nur anhand der Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilen. Zu
berücksichtigen sind die Art und Intensität des Eingriffs sowie die Nachhaltigkeit der
Schädigung des Betroffenen. Ferner sind als Beurteilungskriterien der Bereich des
Eingriffs, der Anlass, der Beweggrund und das Verschulden des Verletzers
heranzuziehen (BGH NJW 1980, 2801, 2807; BGH NJW 1995, 861, 864; BGH NJW
2005, 215, 217).
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Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich im vorliegenden Fall keine Verletzung
des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers feststellen, die so schwer wiegen
würde, dass die Zubilligung einer Geldentschädigung unabwendbar geboten wäre, um
die erlittenen Beeinträchtigungen auszugleichen.
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Zwar enthält der fragliche Behandlungsbericht sehr detaillierte und persönliche
Informationen über die gesamte Lebensgeschichte des Klägers, die Entwicklung und
den Verlauf seiner Erkrankung, die schlechte Behandlungsprognose und die
bestehenden persönlichen Probleme. Auch mag der Kläger ein besonderes Interesse
daran gehabt haben, dass derart persönliche und ausführliche Informationen über ihn,
seinen Gesundheitszustand und seinen Charakter nicht unbefugt weitergegeben
werden, weil die fraglichen Informationen gerade im Verhältnis zum Arbeitgeber eine
besondere Brisanz entfalten können. Obwohl dem Arbeitgeber die Grunderkrankung
des Klägers bekannt gewesen ist, wird das Ausmaß der persönlichen und
gesundheitlichen Probleme des Klägers sowie die schlechte Behandlungsprognose im
einzelnen erst durch den Entlassungsbericht offenbar. Auch wenn der
Entlassungsbericht nicht unmittelbar an den Arbeitgeber, sondern "nur" an den
Betriebsarzt Dr. D. übersandt worden ist und dieser seinerseits der ärztlichen
Schweigepflicht unterliegt, muss der Kläger gleichwohl mit der Vorstellung leben, dass
sich das durch die unberechtigte Übersendung des Entlassungsberichts erlangte
Wissen dieses Arztes künftig zumindest mittelbar auf Entscheidungen seines
Arbeitgebers über seine berufliche Entwicklung auswirken könnte.
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Der hohe Stellenwert, der der ärztlichen Schweigepflicht zukommt, lässt sich zudem
daran ablesen, dass deren Verletzung gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB unter Strafe
gestellt ist.
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Ferner war der Beklagten die besondere Bedeutung, die der Einhaltung der
Schweigepflicht gerade bei der Behandlung von Suchterkrankungen zukommt, bekannt.
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Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Erfolg der Behandlung eines Suchtkranken
maßgeblich davon abhängt, ob es dem Patienten gelingt, das notwendige Vertrauen
aufzubauen, um sich zu öffnen und die angebotenen Behandlungen annehmen zu
können. Muss der Patient unmittelbar nach Abschluss einer mehrmonatigen
Behandlung erfahren, dass der Behandler mit den ihm anvertrauten Informationen nicht
sorgsam und verschwiegen umgeht, kann dies auch langfristig den Therapieerfolg
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gefährden und die Möglichkeit späterer Behandlungen schmälern.
Andererseits spricht gegen die Annahme einer schwerwiegenden, unabwendbar die
Zubilligung einer Geldentschädigung erfordernden Persönlichkeitsrechtsverletzung,
dass der Entlassungsbericht lediglich dem Arzt Dr. D. zugänglich gemacht worden ist,
der seinerseits ebenfalls der ärztlichen Schweigepflicht unterliegt (§ 8 Abs. 1 Satz 3 des
Gesetzes über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für
Arbeitssicherheit, ASiG). Der Betriebsarzt hat die ärztliche Schweigepflicht nach § 8
Abs. 1 Satz 3 ASiG auch im Verhältnis zum Arbeitgeber zu beachten (vgl. BAG, Urteil
vom 12. September 2006, 9 AZR 271/06, zitiert nach: www.juris.de, Rn. 25), so dass die
Gefahr einer unbegrenzten Weiterleitung oder Verwendung der über den Kläger
erlangten Informationen gering ist. Dass der Betriebsarzt sich über seine ärztliche
Schweigepflicht hinweggesetzt hat oder hinwegsetzen wird, kann ohne konkrete
Anhaltspunkte nicht angenommen werden.
75
Zudem war dem Arbeitgeber des Klägers und auch dem Betriebsarzt bereits vor
Übersendung des Entlassungsberichts vom 8. Dezember 2005 bekannt, dass der
Kläger alkoholabhängig war. Denn der Kläger hatte seinen unmittelbaren Vorgesetzten
hierüber unterrichtet, um die fragliche Behandlung bei der Beklagten durchführen zu
können. Dass der Betriebsarzt ebenfalls – sei es nun vom Kläger selbst oder aber von
dessen Vorgesetzten – über die Erkrankung informiert war, ergibt sich bereits aus dem
Umstand, dass er der Beklagten die "Anmeldung zur Motivationsbehandlung" für den
Kläger übersandt hat. Mit Kenntnis des Umstandes, dass der Kläger alkoholabhängig
war und sich einer mehrmonatigen teilstationären Behandlung unterziehen musste, lag
für Arbeitgeber und Betriebsarzt – schon ohne Kenntnis der Details aus dem
Entlassungsbericht – der Schluss nahe, dass die Erkrankung ein schwerwiegendes
Stadium erreicht hatte und auch mit nicht unerheblichen persönlichen Problemen des
Klägers verbunden war.
76
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Weiterleitung des Berichts an den Arzt
Dr. D. nicht etwa mit dem Ziel einer Schädigung des Klägers, sondern vielmehr
versehentlich, nämlich ersichtlich in der durch die Krankenakte gestützten Annahme
erfolgt ist, der Betriebsarzt habe den Kläger eingewiesen und zähle daher zum Kreis der
auch ohne ausdrückliche Einwilligung des Klägers zu unterrichtenden Personen. Die
Übersendung des Berichts sollte dem Interesse des Klägers dienen und dessen
sachgerechte Weiterbehandlung sicherstellen.
77
Schließlich hat die Beklagte den fraglichen Entlassungsbericht umgehend von dem Arzt
Dr. D. zurückgefordert, nachdem sie vom Kläger darauf hingewiesen worden war, dass
er mit der Weiterleitung an diesen Arzt nicht einverstanden gewesen sei. Der Arzt Dr. D.
hat den Bericht auch sofort zurückgesandt.
78
Schließlich kann eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des
Klägers auch nicht mit der Begründung angenommen werden, dass der Kläger in
seinem beruflichen Fortkommen eingeschränkt und ihm – seiner Auffassung nach
wegen der Übersendung des Entlassungsberichts an den Betriebsarzt Dr. D. – eine
bereits zugesagte und verantwortungsvollere sowie lukrativere Position bei der
Projektierung von Großprojekten letztlich doch nicht zugedacht worden sei. Mit diesem
Vortrag dringt der Kläger schon deshalb nicht durch, weil er in seinem Schriftsatz vom
18. September 2006 (dort Seite 3, Bl. 36 GA) selbst vorgetragen hat, dass das
Vorstandsmitglied G. ihm den Wechsel in die Projektplanung zu einem Zeitpunkt in
79
Aussicht gestellt habe, zu dem er – Herr G. – noch nichts von seiner Alkoholerkrankung
gewusst habe. Nachdem der Kläger seinen unmittelbaren Vorgesetzten H. über seine
Erkrankung unterrichtet hatte, musste er davon ausgehen, dass dieser bei anstehenden
Beförderungsentscheidungen auch das hierfür zuständige Vorstandsmitglied G.
unterrichten würde. Selbst wenn der Kläger seinem Vorgesetzten H. keine Details über
seinen Zustand preisgegeben hatte, war mit dessen Unterrichtung der Arbeitgeber
zumindest vom Bestehen der Erkrankung in Kenntnis gesetzt. Angesichts der
mehrmonatigen Dauer der Entwöhnungsbehandlung war – auch ohne dass Details aus
der Krankengeschichte des Klägers bekannt waren – für den Arbeitgeber zu ersehen,
dass die Erkrankung ein schwerwiegendes Stadium erreicht hatte. Damit lag es auf der
Hand, dass der Arbeitgeber – selbst ohne Kenntnis vom Inhalt des Entlassungsberichts
– kaum ohne eine eingehende Beschäftigung mit dem Gesundheitszustand des
Klägers, in deren Rahmen der Kläger mit Sicherheit auch über den Erfolg der
durchgeführten Behandlung befragt worden wäre, über eine Beförderung des Klägers
entschieden hätte.
Bei Abwägung dieser Gesichtspunkte wiegt die Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts des Klägers jedenfalls nicht so schwer, dass unabdingbar die
Zahlung einer Geldentschädigung geboten wäre, um die erlittene immaterielle
Beeinträchtigung auszugleichen.
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II. Die Berufung des Klägers bleibt auch ohne Erfolg, soweit der Kläger sich gegen die
Abweisung des Klageantrags Ziffer 2 wendet, mit dem er die Feststellung begehrt, dass
die Beklagte ihm sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen habe, die ihm dadurch
entstehen, dass die Beklagte den Entlassungsbericht über seine teilstationäre
Entwöhnungsbehandlung vom 8. Dezember 2005 unter Verletzung ihrer
Schweigepflicht seinem Arbeitgeber – der E. in I. – zur Verfügung gestellt habe.
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Unabhängig von der Frage, ob der Schaden, der dem Kläger nach seiner Darstellung
dadurch erwachsen sein soll, dass er die ihm praktisch zugesagte Stelle als Projektleiter
letztlich doch nicht erhalten hat, nicht im Wege eines Leistungsantrags hätte geltend
gemacht werden müssen, ist der Feststellungsantrag jedenfalls deshalb unbegründet,
weil die Beklagte den fraglichen Entlassungsbericht unstreitig gar nicht dem Arbeitgeber
des Klägers, sondern lediglich dem Betriebsarzt Dr. D. zur Verfügung gestellt hat.
82
III. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 709
ZPO.
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Es bestand kein begründeter Anlass, die Berufung zuzulassen. Die Rechtssache hat
weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch erfordert die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
84
Streitwert für das Berufungsverfahren: 77.200,- € (Klageantrag Ziffer 1: 10.000,- €;
Klageantrag Ziffer 2: 67.200,- €; der Wert des Antrags Ziffer 2 entspricht dem 3 ½
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fachen Betrag der vom Kläger erwarteten jährlichen Schadenersatzansprüche unter
Berücksichtigung eines Abschlags von 20%, §§ 3, 9 ZPO).
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A. B. C.
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