Urteil des OLG Düsseldorf vom 18.02.2008

OLG Düsseldorf: anhörung, höchstgeschwindigkeit, fahrbahn, entstehung, einfahrt, anteil, fahrspur, sichtverhältnisse, versuch, grundstück

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-1 U 98/07
Datum:
18.02.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-1 U 98/07
Tenor:
Unter Zurückweisung der Berufung des Klägers wird auf die Berufung
der Be-klagten das am 30. März 2007 verkündete Urteil der
Einzelrichterin der 2. Zivil-kammer des Landgerichts Duisburg unter
Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert
und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger
3.133,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 30. Dezember 2003 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet
sind, dem Kläger 2/3 des materiellen Schadens zu ersetzen, der ihm aus
dem Ver-kehrsunfall vom 8. Juli 2003 in Hünxe auf der A.-E.-Straße
künftig noch erwach-sen wird, soweit die Ansprüche nicht auf den Träger
der Sozialversicherung oder sonstige Dritte übergegangen sind oder
übergehen werden.
Es wird weiter festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner
verpflichtet sind, dem Kläger unter Berücksichtigung eines
Mitverschuldens von 1/3 den im-materiellen Schaden zu ersetzen, der
ihm aus dem Verkehrsunfall vom 8. Juli 2003 in Hünxe auf der A.-E.-
Straße künftig noch erwachsen wird.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des 1. Rechtszuges werden zu 71 % dem Kläger und zu 29
% den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges fallen zu 91 % dem Kläger und zu
9 % den Beklagten gesamtschuldnerisch zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
1
Die zulässige Berufung des Klägers, mit welcher er seine Schadenersatzforderung im
Umfang von 100 % weiterverfolgt, ist in der Sache unbegründet. Im Ergebnis richtig,
wenn auch in der Begründung unzutreffend, hat das Landgericht dem Kläger nach dem
Ergebnis der erstinstanzlichen Tatsachenaufklärung ein Mitverschulden an der
Entstehung des Schadensereignisses angelastet. Dieser Mitverschuldensanteil wirkt
sich zu Lasten des Klägers in einem größeren Umfang anspruchsmindernd als durch
das Landgericht angenommen (20 %) aus, nämlich zu einer Quote von 1/3. Damit ist
kein Raum für den durch den Kläger begehrten Ausspruch einer uneingeschränkten
Schadenersatzverpflichtung der Beklagten. Vielmehr ist auf die insoweit begründete
Berufung der Beklagten ihre Schadenersatzverpflichtung auf den Umfang von 2/3 der
materiellen und immateriellen Unfallschäden des Klägers zu begrenzen, wobei diese
Quotierung auch im Zusammenhang mit dem Feststellungstenor des angefochtenen
Urteils zu berücksichtigen ist.
2
Im Ansatz zutreffend macht der Kläger allerdings geltend, dass der ihm durch das
Landgericht zuerkannte Schmerzensgeldbetrag zu niedrig bemessen ist. Da
andererseits seinem Mitverschuldensanteil ein größeres Gewicht als durch das
Landgericht angenommen zukommt, wirkt sich die dem Kläger zustehende Erhöhung
des Schmerzensgeldes im Ergebnis nicht mehr zu seinen Gunsten aus. Vielmehr steht
ihm hinsichtlich seiner immateriellen und – unstreitigen – materiellen Unfallschäden
unter Berücksichtigung der vorprozessualen Zahlung der Beklagten zu 2. nur noch ein
Restsaldo in Höhe von 3.133,33 € zu, welcher mit 126,71 € geringfügig niedriger ist als
der dem Kläger durch das Landgericht zuerkannte bezifferte Zahlungsanspruch.
3
Darüber hinaus beanstanden die Beklagten zu Recht die erstinstanzliche
Zinsentscheidung. Da die Beklagte zu 2. bereits vor Rechtshängigkeit eine
Teilregulierung im Umfang von 5.000 € vorgenommen hat, fließt dieser Teilbetrag nicht
mehr in die Bemessung des Hauptsachebetrages ein, auf welchen sich die
Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Prozesszinsen bezieht.
4
Im einzelnen ist folgendes auszuführen:
5
I.
6
Was die Haftungsverteilung dem Grunde nach anbelangt, kann die angefochtene
Entscheidung keinen Bestand haben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme haben
zwar entsprechend der durch das Landgericht vertretenen Ansicht sowohl der Kläger als
auch der Beklagte zu 1. jeweils durch ein fahrlässiges Fehlverhalten die Entstehung des
Schadensereignisses schuldhaft herbeigeführt.
7
1a)
8
Die dem Kläger vorzuhaltende Pflichtwidrigkeit ist jedoch anderer Art als durch das
Landgericht angenommen. Er war als vorfahrtberechtigter Verkehrsteilnehmer nicht
gehalten, vorsorglich sein Motorrad bei dem Anblick des in der Grundstücksausfahrt
9
stehenden Betonmischers sofort abzubremsen, weil er wegen der ungünstigen
Sichtverhältnisse von vornherein mit einer ihn, den Kläger, gefährdenden Einfahrt des
Beklagten zu 1. in die Albert-Einstein-Straße hätte rechnen müssen. Vielmehr war zu
seinen Gunsten der Vertrauensgrundsatz einschlägig, wonach er zunächst – mangels
entgegenstehender Anhaltspunkte – von der Annahme ausgehen durfte, dass der
Beklagte zu 1. als Grundstücksausfahrer seiner Wartepflicht gegenüber dem
bevorrechtigten fließenden Verkehr nachkommen werde. Dies macht der Kläger mit
seiner Berufungsbegründung zu Recht geltend.
b)
10
In Widerspruch zu der Begründung der angefochtenen Entscheidung steht nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme jedoch fest, dass der Kläger sich mit einer nach
Maßgabe des § 3 Abs. 1, Abs. 3 Ziff. 1 StVO unzulässig hohen
Annäherungsgeschwindigkeit von ca. 65 km/h der Unfallstelle genähert hat. Diese
Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um ca. 30 % hat sich
unfallursächlich ausgewirkt. Denn der Kläger reagierte auf den für ihn überraschenden
Anblick des von dem Kiesgrubengelände auf die Straße einfahrenden Betonmischers
so heftig mit einer Gefahrenbremsung, dass er dabei mit seinem Motorrad eine
Radierspur von 9,2 m auf seiner Fahrspur hinterließ und als Folge der heftigen
Abbremsung schließlich zu Fall kam, ohne dass eine Berührung seines Motorrades mit
dem Lastkraftwagen eintrat. Abgesehen davon, dass der Kläger selbst bei seinem
Ausgangstempo von ca. 65 km/h einen Zusammenstoß räumlich ohne die Gefahr des
Überbremsens hätte vermeiden können, steht nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen
Sachaufklärung erst Recht außer Zweifel, dass er bei Einhaltung der zulässigen
Geschwindigkeit von 50 km/h durch eine gefahrlose geringe Abbremsung den
befürchteten Zusammenstoß mit dem Betonmischer problemlos hätte räumlich
vermeiden können.
11
2)
12
Der Beklagte zu 1. hat fahrlässig zu der Entstehung des Schadensereignisses dadurch
beigetragen, dass er als Grundstücksausfahrer den strengen Sorgfaltsanforderungen
des § 10 StVO nicht gerecht geworden ist. Zwar war bei der Ausgangsgeschwindigkeit
des Klägers von 65 km/h dessen Motorrad in dem Moment noch außerhalb des
Sichtfeldes des Beklagten zu 1., in welchem dieser sich zu der Einfahrt in die Albert-
Einstein-Straße von der Kiesgeländezufahrt entschied. Auch kann nach den durch das
Landgericht mit sachverständiger Hilfe gewonnenen unfallanalytischen Erkenntnissen
nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger auch dann noch nicht über die ca. 79 m
von der Zufahrt entfernt gelegenen Sichtgrenze für den Beklagten zu 1. hinausgeraten
war, als dieser den Betonmischer zum Zwecke des Linksabbiegens in Bewegung
setzte. Entsprechend der Feststellung des Landgerichts hätte der Beklagte zu 1. aber
den durch ihn gesteuerten Lkw in unfallvermeidender Weise noch so rechtzeitig vor dem
von links herannahenden Motorrad des Klägers auf dessen Fahrspur zum Stillstand
bringen können, dass dieser sich nicht zu einem Ausweichmanöver nach links in
Verbindung mit einer gefahrenträchtigen Überbremsung seines Motorrades hätte
veranlasst sehen müssen. Der Beklagte zu 1. wäre zu einem derartigen Notstop in der
Lage gewesen, wenn er bei seiner sehr spitzwinkligen Einfahrt auf die A-E-Straße in
Wahrnehmung seiner Sorgfaltspflichten aus § 10 StVO auch nach Anfahrbeginn auf das
Herannahen des bevorrechtigten fließenden Verkehrs geachtet und auf den Anblick des
sich von links auf seinem Motorrad nähernden Klägers situationsadäquat mit einer
13
Vollbremsung reagiert hätte. Der Vorgang des Ausfahrens aus einem Grundstück i.S.v.
§ 10 StVO dauert mit dem Erfordernis der höchsten Sorgfaltsstufe für den Fahrer so
lange an, bis er sich vollständig in den fließenden Verkehr eingegliedert hat (Senat
Urteil vom 13.10.1980, 1 U 42/80).
3)
14
Entgegen der durch die Beklagten vertretenen Ansicht ist eine Abwägung der
wechselseitigen unfallursächlichen Umstände nicht allein auf der Grundlage der von
den Fahrzeugen der Unfallbeteiligten jeweils ausgegangenen Betriebsgefahranteile
vorzunehmen. Vielmehr muss bei der Abwägung die Tatsache Berücksichtigung finden,
dass sowohl dem Kläger als auch dem Beklagten zu 1. ein unfallursächliches
Verschulden anzulasten ist. Gleichwohl erweist sich im Ergebnis die durch die
Beklagten mit ihrem Rechtsmittel erstrebte Haftungsverteilung dem Grunde nach im
Verhältnis 1/3 zu 2/3 zu ihrem Nachteil als richtig. Das dem Kläger anzulastende
unfallursächliche Fehlverhalten wegen der deutlichen Überschreitung der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit wiegt so schwer, dass die durch ihn erstrebte Verurteilung der
Beklagten zu einem vollen Ersatz seiner materiellen und immateriellen Schäden nicht in
Betracht kommt.
15
II.
16
1) Obwohl es nicht zu einer Berührung des Motorrades des Klägers mit dem durch den
Beklagten zu 1. geführten Betonmischer gekommen ist, steht nach den von den Parteien
nicht in Zweifel gezogenen Ausführungen im angefochtenen Urteil fest, dass sich der
Sturz des Klägers im Zusammenhang mit dem Betrieb des Lastkraftwagens im Sinne
des § 7 Abs. 1 StVG bei dem Versuch des Verlassens der Grundstückszufahrt ereignet
hat. Es versteht sich von selbst, dass das Schadensereignis für keinen der Beteiligten
einen Fall der höheren Gewalt nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 StVG darstellte. Wegen
der wechselseitigen Verschuldensbeiträge kann sich auch keine Partei mit Erfolg auf
ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG berufen.
17
2) Im Ergebnis kann die Entscheidung der Frage dahinstehen, ob ein fahrlässiges
Fehlverhalten des Beklagten zu 1. als Grundstücksausfahrer bereits nach
Anscheinsbeweisgrundsätzen feststeht. Zwar spricht im Hinblick auf die strengen
Sorgfaltsanforderungen des § 10 StVO der Beweis des ersten Anscheins für ein
Verschulden des Einfahrenden, wenn es in einem unmittelbaren zeitlichen und
räumlichen Zusammenhang mit diesem Fahrmanöver zu einer Kollision mit dem
fließenden Verkehr kommt (Janiszewski/Jagow/Burmann, Straßenverkehrsrecht, 18.
Aufl., § 10 StVO, Rdnr. 8; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 10 StVO, Rdnr.
11). Da es im vorliegenden Fall unstreitig jedoch nicht zu einem Zusammenstoß der
unfallbeteiligten Fahrzeuge bei dem Ausfahrversuch des Beklagten zu 1. gekommen ist,
ist im Hinblick auf die notwendige Sachverhaltstypizität die Anwendung der Grundsätze
des Anscheinsbeweises zu seinem Nachteil zweifelhaft.
18
3)
19
Indes bedarf diese prozessuale Beweisfrage keiner vertiefenden Erörterung. Denn nach
den überzeugenden unfallanalytischen Ausführungen des durch das Landgericht
beauftragten Sachverständigen, des Dipl.-Ing. S., steht positiv fest, dass der Beklagte zu
1. bei dem Versuch der Einfahrt von der Kiesgeländezuwegung nach links auf die A.-E.-
20
Straße wegen eines Beobachtungsverschuldens den strengen Sorgfaltsanforderungen
des § 10 StVO in unfallursächlicher Weise nicht gerecht geworden ist.
III.
21
1)
22
Zu Unrecht hat das Landgericht dem Kläger allerdings ein unfallursächliches
Verschulden mit der Begründung angelastet, bei der zu seinen Gunsten
angenommenen Ausgangsgeschwindigkeit von 50 km/h habe er wegen der
ungünstigen Sichtverhältnisse damit rechnen müssen, dass der bei dem ersten
möglichen Blickkontakt noch in einer Stillstandsposition wahrgenommene Betonmischer
ungeachtet seiner, des Klägers, Annäherung durch den Beklagten zu 1. zum Zwecke
des Einbiegens noch in Bewegung gesetzt werde; deshalb sei der Kläger verpflichtet
gewesen, sein Krad vorsorglich sofort abzubremsen (Bl. 8 UA; Bl. 339 d.A.).
23
a)
24
Ganz abgesehen davon, dass das Landgericht mit 50 km/h die
Annäherungsgeschwindigkeit des Klägers mit einem viel zu geringen Wert in Ansatz
gebracht hat, hat es in rechtlicher Hinsicht außer Acht gelassen, dass der fließende
Fahrbahnverkehr in der Regel auf die Beachtung seines Vorganges gegenüber den
Benutzern nicht zur Fahrbahn gehörender Fläche vertrauen darf (Hentschel, a.a.O., § 10
StVO, Rdnr. 8 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Hätte sich der Kläger
unter der durch das Landgericht angenommenen Voraussetzung der Zufahrt zu dem
Kiesgrubengelände in einer Phase genähert, in welcher der Betonmischer noch in einer
Stillstandsposition gewesen wäre, hätte er ungeachtet der durch das Landgericht
hervorgehobenen schwierigen Sichtverhältnisse darauf vertrauen dürfen, dass der
Beklagte zu 1. seine Annäherung auf dem Motorrad rechtzeitig wahrgenommen hatte
und seinen Vorrang als Teilnehmer des fließenden Verkehrs beachten werde.
25
b)
26
Diese Feststellung stützt sich auf die Unfallrekonstruktionszeichnung des
Sachverständigen S. als Anlage 3 zu seinem Gutachten vom 8. Juli 2005 (Bl. 179 d.A.).
Danach war der Kläger sowohl im Zeitpunkt der Anfahrentscheidung des Beklagten zu
1. als auch anlässlich des Fahrtbeginns des Lastkraftwagens deutlich im Sichtfeld
seines späteren Unfallgegners, weil er schon mindestens um ca. 10 m über dessen
Sichtgrenze hinausgeraten war.
27
2)
28
Der den Kläger treffende Vorwurf eines unfallursächlichen Fehlverhaltens gründet sich
indes auf die Feststellung einer mit ca. 65 km/h unzulässig hohen
Annäherungsgeschwindigkeit. Unstreitig ist auf der A.-E.-Straße im Bereich der
Unfallstelle die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h begrenzt. Die durch den
Sachverständigen S. von dem Straßenverlauf gefertigten Lichtbilder (Bl. 121 – 123 der
Beiakte 372 Js 1098/03 StA Duisburg) lassen darauf schließen, dass im Bereich der
Unfallstelle die Höchstgeschwindigkeit wegen der Unübersichtlichkeit der
Streckenführung aufgrund einer – aus der Annäherungsrichtung des Klägers –
ausgeprägten Rechtskurve sowie wegen eines dichten rechtsseitigen Baum- und
29
Pflanzenbewuchses angeordnet ist. Entgegen der durch das Landgericht vertretenen
Ansicht bestehen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hinreichende Anhaltspunkte
für die Annahme, dass der Kläger im Bereich der Unfallstelle um ca. 15 km/h zu schnell
gefahren ist und er deshalb nach seinen persönlichen Fähigkeiten (§ 3 Abs. 1 Satz 2
StVO) das Motorrad nicht mehr sturzfrei vor dem von rechts einfahrenden Betonmischer
zum Stillstand bringen konnte.
a)
30
Der Feststellung, eine höhere Ausgangsgeschwindigkeit des Klägers als eine solche
von 50 km/h, sei nicht nachweisbar, steht die Tatsache entgegen, dass der Kläger bei
seiner informatorischen Anhörung im Termin am 21. Januar 2005 selbst angegeben hat,
er sei auf der A.-E.-Straße im Kurvenbereich mit etwa 55 km/h unterwegs gewesen,
obwohl dort nur ein Tempo von 50 km/h erlaubt sei (Bl. 112 d.A.).
31
b)
32
Zwar hat der Zeuge Schmelzer, der mit seinem Motorrad demjenigen des Klägers in
einer Entfernung von 5 – 10 Metern folgte, anlässlich seiner Vernehmung durch das
Landgericht bekundet, man sei mit 50 km/h die Straße entlang gefahren (Bl. 114 d.A.).
Die Zuverlässigkeit dieser Angabe ist allerdings in Zweifel zu ziehen. Denn der Zeuge
hat eingeräumt, das angegebene Tempo nicht durch einen Blick auf die
Tachometeranzeige verifiziert zu haben, sondern er hat bekundet, er habe die
Geschwindigkeit von "ungefähr 50 km/h ... im Gefühl" gehabt (Bl. 114 d.A.).
33
Diese gefühlsmäßige Einschätzung begegnet allein schon aufgrund des Umstandes
Bedenken, dass der Kläger selbst ein um 10 % höheres Ausgangstempo bei seiner
Anhörung zugestanden hat. Nach der weiteren Darstellung des Zeugen ist dieser mit
dem Kläger befreundet und hatte mit diesem am Unfalltag die erste gemeinsame
Motorradtour unternommen (Bl. 114 d.A.). Angesichts dieser persönlichen Verbindung
zu dem Kläger ist nicht auszuschließen, dass der Zeuge bestrebt war, das fragliche
Geschehen – möglicherweise unbewusst – mit einer Aussagetendenz einseitig zu
dessen Gunsten darzustellen.
34
3)
35
Unabhängig davon stützt sich die Überzeugung des Senats, dass das Ausgangstempo
des Klägers deutlich über 50 km/h lag, auf folgende Überlegungen:
36
a)
37
Nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen S. in seinem Gutachten
vom 8. Juli 2005 hätte der Kläger mit einer nur geringen Abbremsung einen
Zusammenstoß mit dem durch den Beklagten zu 1. geführten Lkw räumlich vermeiden
können, wenn er eine Bremsausgangsgeschwindigkeit von 50 km/h inne gehabt hätte
und er auf den Anblick des von der Grundstücksausfahrt auf die Straße einbiegenden
und nicht zu übersehenden großen Betonmischers regelrecht mit der erforderlichen
Verminderung seiner Fahrtgeschwindigkeit reagiert hätte (Bl. 174 d.A.). Die
zeichnerische Darstellung der Weg-Zeitverhältnisse in der Anlage 3 zum Gutachten (Bl.
179 d.A.) macht – wie bereits ausgeführt – deutlich, dass schon zum Zeitpunkt der
Anfahrentscheidung des Beklagten zu 1. der Kläger mit seinem Motorrad bei 50 km/h
38
die Sichtgrenze zu dem Fahrzeug seines späteren Unfallgegners mit ca. 10 m hinter
sich gelassen hätte. Als dann der Lkw in Bewegung gesetzt wurde, hatte der Kläger die
Sichtgrenze bereits mehr als 25 m hinter sich gelassen. Mit anderen Worten: In dem
Moment, als der Beklagte zu 1. den Betonmischer in Bewegung setzte, hätte der sich mit
50 km/h annähernde Kläger sofort mangels eines Sichthindernisses situationsgerecht
reagieren und durch die seitens des Sachverständigen beschriebene geringe
Abbremsung einen Zusammenstoß problemlos, insbesondere ohne Sturzfolge,
vermeiden können.
b)
39
Es bestehen keine Anhaltspunkte für ein Reaktions- und/oder
Beobachtungsverschulden des Klägers. Dem Klagevorbringen zufolge hat er zum
frühest möglichen Zeitpunkt auf den einfahrenden Lkw reagiert (Bl. 3 d.A.). Aufgrund der
in der Klageschrift beschriebenen sofortigen Reaktion hat er es immerhin geschafft, eine
Berührung mit dem Fahrzeug seines Unfallgegners zu vermeiden, wobei er allerdings –
nach der Aussage des Zeugen S. infolge einer Überbremsung – zu Fall gekommen ist.
Auch die Aussage des Zeugen enthält keinen Hinweis auf eine verspätete Reaktion des
ihm in einer Entfernung von 5 – 10 m vorausgefahrenen Klägers. Der Beobachtung des
Zeugen gemäß hat der Kläger sofort auf den Anblick des anfahrenden Betonmischers
mit einer Bremsung und einem Ausscheren reagiert, während sich der Zeuge auf eine
Vollbremsung beschränkt hat.
40
c)
41
Unstreitig hat der Kläger auf den Anblick des auf die Straße einfahrenden
Betonmischers heftig mit einer Notbremsung reagiert. Dem Klagevorbringen zufolge
blockierte dabei das Vorderrad, so dass der Kläger schließlich auf die Straße stürzte (Bl.
3 d.A.). Der Kläger bezeichnet sich als einen routinierten Kradfahrer mit 23jähriger
Erfahrung und mit regelmäßiger Teilnahme an Fahrsicherheitstrainingsmaßnahmen (Bl.
62 oben d.A.). Nach Lage der Dinge ist deshalb davon auszugehen, dass er nur dann
Veranlassung zur Einleitung einer heftigen Notbremsung hatte, wenn eine solche
Reaktion durch eine plötzliche Gefahrensituation indiziert war. Da nun aber keine
Anhaltspunkte für ein Reaktions- und/oder Beobachtungsverschulden des Klägers
bestehen, liegt die plausible Erklärung für die Durchführung der Vollbremsung mit
Sturzfolge in einer Ausgangsgeschwindigkeit, die ganz erheblich über dem durch das
Landgericht angenommenen Wert von 50 km/h lag. Wäre er nämlich mit der am Unfallort
vorbeschriebenen zulässigen Höchstgeschwindigkeit gefahren, wäre es einem
routinierten Motorradfahrer wie ihm ohne weiteres möglich gewesen, mit der durch den
Sachverständigen beschriebenen geringen Abbremsung des Motorrades eine
Berührung mit dem links abbiegenden Betonmischers gefahrenneutral zu vermeiden.
42
b)
43
In seinem schriftlichen Gutachten vom 8. Juli 2005 hat der Sachverständige S.
zusammenfassend dargelegt, für das Motorrad des Klägers ergebe sich eine
Bremsausgangsgeschwindigkeit von 65 km/h, wenn man die durch die Polizei am
Unfallort festgestellte Bremsblockierspur von 9,2 m Länge (vgl. Zeichnung Bl. 21
Beiakte) mit dem Motorrad des Klägers in Verbindung bringe (Bl. 175, 176 d.A.). Diese
Darlegung hat der Sachverständige gegen Ende seiner mündlichen Anhörung vom 16.
Februar 2007 wiederholt verbunden mit der Klarstellung, es sei auch eine
44
Annäherungsgeschwindigkeit des Klägers von 70 km/h physikalisch möglich (Bl. 299
d.A.). Soweit der Sachverständige bei seiner Anhörung zunächst angegeben hatte,
höhere Geschwindigkeiten als 50 bis 55 km/h seien denk-, aber nicht nachweisbar (Bl.
296 unten d.A.), ist er davon am Ende seiner Anhörung nach der Vornahme
ergänzender Berechnung unter der Prämisse abgerückt, dass die Bremsblockierspur
von 9,2 m Länge durch das Motorrad des Klägers gezeichnet worden ist (Bl. 299 d.A.).
d)
45
Nach der Überzeugung des Senats ist diese Prämisse zutreffend. Bei seiner Anhörung
hat der Sachverständige keinen Zweifel daran gelassen, dass zahlreiche
Plausibilitätserwägungen für die Zuordnung der Blockierspur zum Motorrad des Klägers
sprechen (Bl. 296 d.A.). Unter anderem hat die Spur die Richtung der durch den
Sachverständigen rekonstruierten Ausweichbewegung des klägerischen Krades nach
links (vgl. die Zeichnungen Anlagen 3 und 4 zum Gutachten vom 8. Juli 2005, Bl. 179,
181 d.A. in Verbindung mit der polizeilichen Verkehrsunfallskizze Bl. 21 Beiakte). In
dem Textteil seines Gutachtens hat der Sachverständige nachvollziehbar dargelegt, der
Verlauf der nach den Vermessungsdaten der Polizei gut rekonstruierbaren Spur zeige
ein Abkommen des Krades in Richtung Gegenfahrbahn, so dass eine Übereinstimmung
zu dem Bewegungsverhalten des Motorrades festzustellen sei (Bl. 173 d.A.). In seiner
Klageschrift räumt der Kläger ein, dass im Zuge der Notbremsung ein Rad seines
Fahrzeuges blockierte (Bl. 3 d.A.), so dass die Entstehung der Radierspur auch unter
diesem Gesichtspunkt ohne weiteres nachvollziehbar ist. Der in Rede stehende
Gummiabrieb kann nach Lage der Dinge nicht einem zweispurigen Fahrzeug, sondern
nur einem einspurigen zugeordnet werden. Bei seiner Anhörung hat der
Sachverständige angegeben, es sei zu vermuten, dass eine Spurzeichnung der hier in
Rede stehenden Art nicht länger als zwei Monate sichtbar bleibe (Bl. 297 d.A.). Es wäre
jedoch ein kaum nachvollziehbarer Zufall, wenn genau im Bereich der Unfallstelle in
einem Zeitraum von bis zu zwei Monaten vor dem hier fraglichen Ereignis ein fremdes
Motorrad infolge einer Notbremsung eine Radierspur auf der Strasse hinterlassen hätte,
welche nach Länge, Spurrichtung und Intensität deckungsgleich mit dem durch den
Kläger eingeleiteten Bremsmanöver gewesen wäre. Es bestehen keine Anhaltspunkte
für die Annahme, dass das Motorrad des Klägers mit einem Antiblockiersystem
ausgerüstet war, welches die Entstehung einer bremsbedingten Spurzeichnung
weitgehend hätte verhindern können.
46
e)
47
Zwar hat der Zeuge S. bekundet, die in der bezeichneten Ermittlungsakte angegebene
Bremsspur von 9,2 m Länge sei weder durch ihn noch durch den Kläger verursacht
worden (Bl. 115 d.A.). Wie bereits ausgeführt, bestehen jedoch wegen der
freundschaftlichen Verbundenheit des Zeugen zu dem Kläger nachhaltige Zweifel
hinsichtlich der Zuverlässigkeit seiner Angaben. Über dies hat der Zeuge eingeräumt, er
habe auf der Fahrbahn eine, in der polizeilichen Verkehrsunfallskizze nicht
eingetragene, Bremsblockierspur von 7,49 m gezeichnet (Bl. 115 d.A.). Es ist nun aber
in keiner Weise plausibel, dass der dem Zeugen auf eine Entfernung von 5 – 10 m
vorausgefahrene Kläger im Gegensatz zu jenem bei seiner Notbremsung mit Eintritt
einer Radblockade keine Bremsspur auf der Straßenoberfläche hinterlassen haben soll.
Da nach den obigen Ausführungen wegen der Heftigkeit der Bremsreaktion des Klägers
seine Ausgangsgeschwindigkeit erheblich über 50 km/h gelegen haben muss, deutet im
Ergebnis alles darauf hin, dass die in der polizeilichen Skizze eingetragene
48
Blockierspur von 9,2 m Länge dem Motorrad des Klägers zuzuordnen ist.
4a)
49
Erstinstanzlich hat der Kläger durch Vernehmung des mit der Unfallaufnahme befasst
gewesenen Polizeibeamten Beweis zum Nachweis seiner Behauptung angetreten,
dass die in Rede stehende Bremsspur nicht ihm zuzurechnen sei (Bl. 255 d.A.). Der
Senat hat indes keinen Anlass, dem Antrag auf Vernehmung des Beamten
nachzukommen. Dieser ist kein Zeuge des eigentlichen Unfallgeschehens. Die
Texteintragung in der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige ("angebliche Bremsspur des
02 – nach Angabe 01 –"; Bl. 21 Beiakte) macht hinreichend deutlich, dass der
Polizeibeamte aus eigenem Wissen keine Aussage zu der Entstehung der Spur machen
kann, sondern dass er die Entstehungsangabe des Beklagten zu 1. am Unfallort in seine
Zeichnung übernommen hat. Diese Angabe ist aus den oben dargelegten Gründen, zu
welchen der Polizeibeamte mangels eigener Kenntnis des Unfallgeschehens keine
weitere Aufklärung beitragen kann, überzeugend.
50
b)
51
Darüber hinaus ist keine nochmalige Vernehmung des Zeugen Schmelzer nach
Maßgabe des § 398 Abs. 1 ZPO angezeigt. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt
nicht von der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen ab. Entscheidend sind vielmehr
unfallanalytische Erkenntnisse, die sich im wesentlichen unabhängig von
Zeugenaussagen aus den plausiblen Darlegungen des Sachverständigen S. ergeben.
52
5)
53
Zusammenfassend hat er in seinem schriftlichen Gutachten vom 8. Juli 2005 ausgeführt,
dass der Kläger selbst bei seiner Ausgangsgeschwindigkeit von 65 km/h die Möglichkeit
zu einer räumlichen Vermeidbarkeit eines Zusammenstoßes mit dem Lkw seines
Unfallgegners ohne die Gefahr eines Überbremsens des Krades gehabt hätte, wenn er
dieses mit einer mittleren Verzögerung von 4,5 m/sec.² abgebremst hätte (Bl. 176 d.A.).
Wie der Sachverständige dann bei seiner mündlichen Anhörung erläutert hat (Bl. 296
d.A.), wäre die Möglichkeit zur räumlichen Vermeidbarkeit auch bei der – geringeren –
mittleren Bremsverzögerung von 3,5 m/sec ² gegeben gewesen; eine solche
Verzögerung ist nach der Auffassung des Sachverständigen allgemein auch von
ungeübten Motorradfahrern zu erreichen (Bl. 296 d.A.). Da der Kläger jedoch eine
Berührung mit dem Betonmischer allein dadurch vermieden hat, dass er eine
Notbremsung mit Sturzfolge eingeleitet hat, war entweder unabhängig von der
Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h die durch ihn gewählte
Ausgangsgeschwindigkeit von 65 km/h nach seinen persönlichen Fähigkeiten (§ 3 Abs.
1 S. 2 StVO) überhöht oder er hatte sich der Unfallstelle mit einem noch höheren Tempo
genähert. Dass der Kläger einen Zusammenstoß bei einem Ausgangstempo von 50
km/h in jeder Hinsicht problemlos mit einer nur geringen Abbremsung seines
Motorrades hätte verhindern können, ist oben bereits dargelegt.
54
IV.
55
Der Beklagte zu 1. hat die Kollision – überwiegend – aufgrund der Tatsache
mitverschuldet, dass er fahrlässig nicht den strengen Sorgfaltsanforderungen des § 10
StVO gerecht geworden ist. Die von den Beklagten akzeptierte Haftungsquote von 2/3
56
zu ihrem Nachteil gründet sich entgegen der durch sie vertretenen Ansicht nicht auf die
von dem Lastkraftwagen ausgegangene Betriebsgefahr, sondern auf den Vorwurf des
fahrlässigen Beobachtungsverschuldens eines Grundstücksausfahrers.
1)
57
Nach § 10 S. 1 StVO muss ein Verkehrsteilnehmer, der aus einem Grundstück oder von
anderen Straßenteilen auf die Fahrbahn einfahren will, sich dabei so verhalten, dass
eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls hat
er sich einweisen zu lassen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats muss sich
der aus einem Grundstück Einfahrende vergewissern, dass die Fahrbahn für ihn im
Rahmen der gebotenen Sicherheitsabstände (§ 4 StVO) frei ist und dass er niemanden
übermäßig behindert. Die Verantwortung für die Sicherheit des Vorgangs trifft vor allem
ihn, was fremde Mitschuld allerdings nicht ausschließt (so auch Hentschel a.a.O., § 10
StVO, Rdnr. 10 mit Rechtsprechungsnachweisen). Der Einfahrende muss mit
Verkehrsverstößen des fließenden Verkehrs in einem gewissen Maß rechnen, wie etwa
mit Geschwindigkeitsüberschreitungen (Hentschel a.a.O., Rdnr. 12;
Janiszewski/Jagow/Burmann, a.a.O., § 10 StVO, Rdnr. 8 mit
Rechtsprechungsnachweisen).
58
2)
59
Allerdings darf dem Beklagten zu 1. nicht angelastet werden, er habe es bei dem
Versuch der Einfahrt auf die A.-E.-Straße in vorwerfbarer Weise unterlassen, sich der
Hilfe eines Einweisers zu bedienen. Konkret hängt die Pflicht zur Inanspruchnahme
eines Einweisers auch davon ab, ob die Einfahrt für den fließenden Verkehr gut
erkennbar ist, ob dieser also Fahrzeuge, die sich in die Fahrbahn hineintasten,
rechtzeitig wahrnehmen kann (Hentschel, a.a.O., § 10 StVO, Rdnr. 13 mit
Rechtsprechungsnachweisen).
60
a)
61
Zwar sind wegen des kurvenförmigen Straßenverlaufs im Bereich der Unfallstelle in
Verbindung mit dem Grünbewuchs die Sichtverhältnisse für den fließenden Verkehr aus
der Annäherungsrichtung des Klägers insoweit erschwert, als ein von der
Geländezufahrt auf die A.-E.-Straße einfahrender Verkehrsteilnehmer erst etwa in Höhe
des Scheitelpunktes der unmittelbar davor gelagerten Rechtskurve erkennbar wird. Die
durch den Sachverständigen S. von der Streckenführung der Albert-Einstein-Straße
gefertigten Lichtbilder geben die örtlichen Sichtverhältnisse anschaulich wieder (Bl.
121-123 Beiakte).
62
b)
63
Andererseits ist zu berücksichtigen, dass wegen eines Geh- und Radweges, der in der
Fahrtrichtung des Klägers am rechten Straßenrand entlang läuft und die durch den
Beklagten zu 1. genutzte Grundstücksausfahrt quert, für ihn die Einsehbarkeit des von
links nahenden bevorrechtigten Verkehrs deutlich erleichtert war. Der sichtbehindernde
Grünwuchs setzt erst jenseits des Sonderweges dem Kiesgrubengelände zugewandt
ein. Nach den Unfallrekonstruktionszeichnungen des Sachverständigen S. (Anlagen 3
und 4 zu seinem schriftlichen Gutachten vom 8. Juli 2005; Bl. 179, 181 d.A.) liegt die
Sichtgrenze bezogen auf den fließenden Verkehr aus der Annäherungsrichtung des
64
Klägers für Einfahrer, welche die Zufahrt zu den Kiesgrubengelände verlassen,
immerhin in einer Entfernung von knapp 80 m von dieser entfernt. Berücksichtigt man
zudem, dass der Beklagte zu 1. keinen langen Lastzug mit Anhänger führte, sondern als
Einzelfahrzeug einen Betonmischer, ist kein Raum für den Vorwurf einer fahrlässigen
Unterlassung der Hinzuziehung eines Einweisungshelfers gemäß § 10 S. 1 letzter
Halbsatz StVO. Eine solche Unterlassung lastet der Kläger im Übrigen dem Beklagten
zu 1. auch zu Recht nicht an.
3a)
65
Bei der festzustellenden Ausgangsgeschwindigkeit des Klägers von 65 km/h befand
sich zum Zeitpunkt der Anfahrentscheidung des Beklagten zu 1. das klägerische
Motorrad noch außerhalb seines, des Beklagten zu 1., Sichtbereiches. In seinem
schriftlichen Gutachten vom 8. Juli 2005 hat der Sachverständige S. anhand der
zeichnerischen Darstellung in der Anlage 4 (Bl. 181 d.A.) anschaulich dargelegt, dass
aber in der Phase des Anfahrbeginns sich das Krad des Klägers bereits im Sichtbereich
des Beklagten zu 1. befand. In diesem Moment hatte er die Sichtlinie um 3 – 5 Meter
passiert, so dass der Beklagte zu 1. bei einem Kontrollblick nach links das Herannahen
bevorrechtigten fließenden Verkehrs hätte wahrnehmen und den Einfahrvorgang in
unfallvermeidender Weise hätte unterlassen können.
66
b)
67
In seiner mündlichen Anhörung vom 16. Februar 2007 hat der Sachverständige das
Geschehen vor dem Sturz des Klägers retrospektiv bis zum Anfahrbeginn des Lkw
dadurch rekonstruiert, dass er – wie schon in seinem schriftlichen Gutachten – die 9,2 m
lange Bremsblockierspur dem klägerischen Motorrad zugeordnet und für dieses eine –
geringere – mittlere Bremsverzögerung von 3,5 m/sec.² (1,0 m/sec.² weniger als im
schriftlichen Gutachten angenommen) in Ansatz gebracht hat. Dabei hat er darauf
hingewiesen, eine mittlere Verzögerung von 3,5 m/sec.² sei auch von ungeübten
Motorradfahrern zu erreichen (Bl. 296 d.A.).
68
Unter dieser Voraussetzung ist der Sachverständige sodann zu dem Ergebnis
gekommen, der Kläger habe auf den mit 10 km/h angefahrenen Lkw zu einem Zeitpunkt
reagiert, als sich die Fahrzeugfront zu 2/3 auf der klägerischen Fahrspur befunden habe.
Hätte aus dieser Position heraus der Beklagte zu 1. auf den Anblick des Klägers mit
einer sofortigen Bremsung reagiert, hätte er den Lkw noch etwa mittig auf der durch den
Kläger genutzten Fahrspur zum Stillstand bringen können (Bl. 296 d.A.). Bei einer
solchen Anhalteposition hätte der Kläger auf seinem Motorrad bei der durch den
Sachverständigen zeichnerisch rekonstruierten Fahrlinie (Bl. 181 d.A.) zwanglos dem
Lkw ohne jede Kollisionsgefahr dadurch ausweichen könne, dass er an diesem unter
Inanspruchnahme der freien linken Fahrbahnhälfte vorbeigefahren wäre.
69
4)
70
Da der Beklagte zu 1. jedoch nicht in der erforderlichen Weise auf den von links
nahenden bevorrechtigten Verkehr geachtet hat, führte dies dazu, dass er den mit
überhöhter Geschwindigkeit herannahenden Kläger nicht rechtzeitig wahrgenommen
hat. Infolge eines Beobachtungsverschuldens hat der Beklagte zu 1. erst dann auf den
Anblick des Klägers reagiert, als der Betonmischer entsprechend der zeichnerischen
Unfallrekonstruktion des Sachverständigen (Bl. 181 d.A.) in Verbindung mit der
71
polizeilichen Verkehrsunfallskizze (Bl. 21 Beiakte) mit dem Führerhaus bereits die – aus
der Fahrtrichtung des Klägers gesehen – linke Fahrbahnhälfte fast gänzlich
eingenommen hatte. Dabei versperrte der Lkw mit seiner Länge die A.-E.-Straße in
beiden Fahrtrichtungen nahezu vollständig. Dabei kann die Entscheidung der streitigen
Tatsachenfrage dahinstehen, ob der Beklagte zu 1. entsprechend der Behauptung des
Klägers nach seinem Sturz den Lkw noch etwa zwei bis drei Meter von seiner
ursprünglichen Stillstandsposition zurückgesetzt hat. Selbst wenn diese Behauptung
nicht zuträfe, lässt die polizeiliche Unfallskizze jedenfalls keinen Zweifel daran, dass
auch in der durch die Polizei vorgefundenen Position des Betonmischers dieser für den
Kläger in Höhe der Grundstücksausfahrt ein plötzliches Frontalhindernis bildete.
5a)
72
Obwohl nach den obigen Ausführungen nicht auszuschließen ist, dass im Moment des
Anfahrbeginns das Motorrad des Klägers sich nach außerhalb des Sichtfeldes des
Beklagten zu 1. befand, hätte dieser nach den zutreffenden Ausführungen im
angefochtenen Urteil bei einem Kontrollblick nach links das Krad erkennen und in
unfallvermeidender Weise den Anfahrvorgang abbrechen können. Die Pflichten eines
Grundstücksausfahrers gemäß § 10 StVO gegenüber dem fließenden Verkehr sind
weitgehend die gleichen wie diejenigen des Wartepflichtigen gegenüber dem
Vorfahrtberechtigten an einer Straßenkreuzung. Unterschiede können sich aber daraus
ergeben, dass ein Teilnehmer am fließenden Verkehr auf das Auftauchen eines
Fahrzeuges von der Seite her aus einem Grundstück weniger gefasst ist, als aus einer
einmündenden Straße (Janiszewski/Jagow/Burmann a.a.O., § 10 StVO, Rdnr. 9). Dies
gilt hier umso mehr aufgrund der Tatsache, dass nach der durch den Sachverständigen
S. rekonstruierten Fahrlinie des Beklagten zu 1. dieser den Versuch des
Linksabbiegens auf die A.-E.-Straße nicht in einem rechten Winkel unternommen hat,
sondern in einem sehr spitzen Winkel, aufgrund dessen der Fahrweg des
Betonmischers über die durch den Kläger benutzte Fahrspur ausgeprägt lang war (Bl.
181 d.A.).
73
b)
74
Ständige Umschau gehören beim Einfahren im Sinne des § 10 StVO zur gebotenen
höchsten Sorgfalt, weil sich die Lage sonst nicht beurteilen lässt (Hentschel, a.a.O., § 10
StVO, Rdnr. 15). Das Ausfahren unter Beachtung der höchsten Sorgfaltsstufe endet erst
mit der Einordnung in den fließenden oder ruhenden Verkehr auf der Fahrbahn Senat,
a.a.O.; (Janiszewski/Jagow/Burmann a.a.O., § 10 StVO, Rdnr. 10). Da der Beklagte zu 1.
indes sich anlässlich des Sturzes des Klägers noch nicht in den fließenden Verkehr auf
der Straße eingeordnet hatte, hatte er zum Zeitpunkt des Eintritts des
Schadensereignisses noch die strengen Sorgfaltsanforderungen des § 10 StVO zu
beachten.
75
V.
76
Das unfallursächliche Fehlverhalten des Klägers ist anderer Art und gewichtiger als
durch das Landgericht angenommen. Bei Abwägung aller unfallursächlichen Umstände
ist gemäß §§ 17, 18 StVG kann deshalb die den Kläger begünstigende
Schadensquotierung im angefochtenen Urteil keinen Bestand haben. Bei der
Abwägung sind zum Nachteil einer Partei nur solche Umstände zu berücksichtigen, auf
welche sie sich entweder selbst beruft oder die unstreitig oder erwiesen sind. Nach dem
77
Ergebnis der Beweisaufnahme steht eine Überschreitung der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h durch den Kläger um 30 % fest. Unabhängig davon
war sein Ausgangstempo so hoch, dass er infolge der Reaktion auf die plötzliche
Gefahrensituation nach seinen persönlichen Fahrfähigkeiten das Motorrad nicht mehr
sicher beherrschte und er als Folge der Notbremsung mit Radblockierung zu Fall kam.
Hingegen hätte für ihn nach den Darlegungen des Sachverständigen die Möglichkeit zu
einer räumlichen Vermeidung eines Zusammenstoßes ohne die Gefahr eines
Überbremsens bestanden.
Demgegenüber ist die überdurchschnittlich hohe Betriebsgefahr zu berücksichtigen,
welche von dem durch den Beklagten zu 1. gesteuerten Betonmischer ausging. Diese
war noch dadurch erheblich gesteigert, dass bei dem spitzwinkligen Einfahrversuch der
Lkw für den bevorrechtigten herannahenden Kläger ein plötzliches Frontalhindernis
bildete, weil der Beklagte zu 1. infolge eines Beobachtungsverschuldens das
Herannahen des fließenden Verkehrs nicht rechtzeitig bemerkt hatte.
78
Bei einer Unfallsituation zwischen einem Grundstücksausfahrer und einem Teilnehmer
des bevorrechtigten fließenden Verkehrs, dem eine Geschwindigkeitsüberschreitung zur
Last zu legen ist, ist in der Regel von einer Mithaftung des Letzteren auszugehen, soweit
es sich nicht bloß um eine leichte Geschwindigkeitsüberschreitung handelt. Die Höhe
des Haftungsanteils steigt dabei mit dem Maß der Geschwindigkeitsüberschreitung an
(Grüneberg Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 10. Aufl., Rdnr. 71). Fährt ein
Teilnehmer des fließenden Verkehrs um 50 % schneller als erlaubt, so ist die Annahme
einer hälftigen Mithaftung vertretbar; fährt er 60 km/h statt der vorgeschriebenen 50 km/h,
kommt eine Mithaftung von 40 % in Betracht (Hentschel a.a.O., § 17 StVG, Rdnr. 10).
Angesichts der dem Kläger anzulastenden Überschreitung der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit um 30 % bestehen auch unter Berücksichtigung aller sonstigen
unfallursächlichen Umstände keine Bedenken gegen die Angemessenheit der durch die
Beklagten mit ihrem Rechtsmittel verfolgten Haftungsverteilung im Verhältnis von 1/3 zu
2/3 zu ihrem Nachteil (vgl. dazu Senat, Urteil vom 14.08.2006, Az.: 1 U 224/05 sowie
Urteil vom 14.01.08, Az.: 1 U 16/07).
79
VI.
80
Der Kläger macht im Ansatz zu Recht geltend, dass das ihm durch das Landgericht
zuerkannte Schmerzensgeld zu gering bemessen ist. Da das dem Kläger anzulastende
Mitverschulden jedoch in einem größeren Umfang zu berücksichtigen ist als durch das
Landgericht angenommen, führt die notwendige Anpassung des
Schmerzensgeldbetrages nicht zu einer Abänderung des in dem angefochtenen Urteil
tenorierten Zahlungsanspruches zu Gunsten des Klägers.
81
1)
82
Das Berufungsgericht hat die erstinstanzliche Schmerzensgeldbemessung auf der
Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen gemäß §§ 513 Abs. 1, 546
ZPO in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob sie überzeugt. Es darf sich nicht darauf
beschränken, die Ermessensausübung der Vorinstanz auf Rechtsfehler zu überprüfen
(BGH VersR 2006, 710). Die für die Schmerzensgeldbemessung nach Maßgabe des §
253 Abs. 2 BGB maßgeblichen Umstände sind in dem angefochtenen Urteil zutreffend
aufgeführt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit voll
inhaltlich Bezug auf die Entscheidungsgründe (Bl. 10, 11 UA; Bl. 341, 342 d.A.).
83
2)
84
Auf der Grundlage der angenommenen Haftung der Beklagten im Umfang von 80 % hat
das Landgericht dem Kläger einen Ausgangsbetrag von 4.500 € zuerkannt (Bl. 10 UA;
Bl. 341 d.A.). Im Falle einer hypothetischen vollen Haftung der Beklagten zu 100 % liefe
die Entscheidung des Landgerichts auf einen Schmerzensgeldanspruch des Klägers in
Höhe von 5.625 € hinaus. Dieser Betrag ist um knapp 2.000 € auf 7.500 € anzuheben.
Entgegen der durch den Kläger vertretenen Ansicht sind die Beklagten nicht zur
Zahlung des mit seinem Rechtsmittel verfolgten Schmerzensgeldes im Mindestmaß von
15.000 € verpflichtet.
85
a)
86
In diesem Zusammenhang verweist der Kläger ohne Erfolg auf die am 15. April 1991
verkündete Entscheidung des erkennenden Senats zu dem Aktenzeichen 1 U 23/90.
Dieser Entscheidung lag eine Fallgestaltung zugrunde, bei welcher der damalige
Anspruchsteller im Vergleich zum Kläger gravierender und folgenschwerer verletzt
worden ist. Deshalb ist das damalige Schmerzensgelderkenntnis des Senats, dem ein
Betrag von 25.000 DM zugrunde lag, kein Vergleichsmaßstab.
Verfahrensgegenständlich war seinerzeit eine Schultereckgelenkssprengung mit dem
Schweregrad Tossy III, welche operative Eingriffe mit Osteosynthesematerial
erforderlich machte. Im vorliegenden Fall beschränkte sich die Schulterbeeinträchtigung
des Klägers auf eine Verletzung des Typs Tossy II. mit einer inkompletten
Bandzerreißung der Bänder zwischen Schlüsselbein einerseits und Schulterblatt sowie
Rabenschnabelfortsatz andererseits. Die Verletzung konnte ohne die Notwendigkeit
eines chirurgischen Eingriffs konservativ behandelt werden. Die ehemals verletzten
Bänder sind mittlerweile vollständig, wenn auch in leichter Verlängerung und mit einer
funktionell bedeutungslosen Verkalkung, verheilt. Vollständig ausgeheilt ist
zwischenzeitlich auch der unfallbedingte Nagelkranzbruch am linken Daumen.
87
b)
88
Eine stationäre Krankenhausbehandlung ist dem Kläger erspart geblieben. Die Dauer
der Arbeitsunfähigkeit war auf gut drei Monate bis Mitte Oktober 2003 begrenzt. Eine
unfallbedingte Notwendigkeit krankengymnastischer Behandlungsmaßnahmen ergab
sich für 6 ½ Monate bis Ende Januar 2004.
89
c)
90
Der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt wegen der Schmerzhaftigkeit von Überkopfarbeiten in Verbindung mit
Ermüdungserscheinungen im Arm und wegen Beschwerden beim "Schultern" von
Gegenständen ist auf 10 % beschränkt. Nicht zuletzt dieser Umstand lässt die
Schmerzensgeldforderung des im Jahre 1962 geborenen Klägers mit dem
Mindestbetrag von 15.000 € als überzogen erscheinen.
91
d)
92
Zu berücksichtigen ist aber, dass nach den gutachterlichen Ausführungen des durch das
Gericht beauftragten medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. V. die Möglichkeit
93
besteht, dass sich zukünftig unfallbedingt ein zunehmender Verschleiß des betroffenen
Schultergelenks einstellen wird. Wenn auch der Sachverständige bei seiner Anhörung
im Termin am 16. Februar 2007 eine solche Entwicklung mehr als einen theoretisch
denkbaren Fall bezeichnet hat, darf sie andererseits bei der
Schmerzensgeldfestsetzung nicht außer Betracht bleiben. Denn bei der Bemessung der
Entschädigung sind auch solche Verletzungsfolgen zu berücksichtigen, deren Eintritt
vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden kann (BGH NJW 1988,
2300).
e)
94
Die bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt vorhersehbare Möglichkeit des künftigen
Eintritts zunehmender Verschleißerscheinungen des unfallbetroffenen Schultergelenkes
rechtfertigt eine Anhebung des dem Kläger zustehenden Schmerzensgeldes in einem
begrenzten Umfang, nämlich von 5.625 € auf 7.500 €. Da sich der Kläger ein
anspruchsminderndes Mitverschulden in Höhe von 1/3 zurechnen lassen muss,
reduziert sich die begründete Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines
Schmerzensgeldes auf den Restbetrag von 5.000 €.
95
VII.
96
1)
97
In Bezug auf die unfallbedingten materiellen Schäden des Klägers hat das Landgericht
unter teilweiser Klageabweisung im übrigen einen Gesamtbetrag von 4.700,05 € als
ersatzfähig festgesetzt und dem Kläger mit 3.760,04 € den ihm nach der angefochtenen
Schadensverteilung zustehenden 80%igen Anteil zuerkannt (Bl. 10 UA; Bl. 341 d.A.).
Mit seinem Rechtsmittel begehrt der Kläger auf der Grundlage der geltend gemachten
vollen Schadenersatzverpflichtung der Beklagten den ihm durch das Landgericht
aberkannten Spitzenbetrag von 940,01 € (4.700,05 € - 3.760,04 €). Diese für die
Bezifferung des Berufungsantrages maßgebliche Berechnung lässt erkennen, dass das
Rechtsmittel sich ausschließlich gegen die durch das Landgericht ausgesprochene
Haftungsverteilung dem Grunde nach richtet und der Kläger – was die Höhe seines
Ersatzverlangens anbelangt – die Zurückweisung einzelner Schadenspositionen durch
das Landgericht hinnimmt.
98
2)
99
Steht somit die Summe der ersatzfähigen materiellen Schäden des Klägers bei einer
unterstellten vollen Haftung der Beklagten zu 100 % mit insgesamt 4.700,05 € fest, führt
der davon dem Kläger zustehende Anteil von 2/3 zu einem Zwischensaldo von 3.133,36
€. Rechnet man das anteilige Schmerzensgeld (5.000 €) hinzu, ergibt sich ein
Gesamtbetrag von 8.133,36 €. Da die Beklagte zu 2. vorprozessual auf die materiellen
und immateriellen Schäden des Klägers einen Betrag von 5.000 € zur Anweisung
gebracht hat, reduziert sich die begründete Schadenersatzverpflichtung der Beklagten
auf den Saldo von 3.133,36 €.
100
3)
101
Die Beklagten machen mit ihrem Rechtsmittel zu Recht geltend, dass die
Zinsentscheidung im Tenor des angefochtenen Urteils korrekturbedürftig ist. Die
102
vorprozessuale Teilzahlung der Beklagten zu 2. von 5.000 € ist bei der Berechnung der
Zinsen unberücksichtigt zu lassen.
Diese Zahlung verteilt sich auf zwei Teilbeträge zu je 2.500 €, welche die Beklagte zu 2.
am 26. August 2003, bzw. am 10. August 2003 leistete (Bl. 6 d.A.). Da die
Rechtshängigkeit der Klageforderung erst Ende Dezember 2003 eingetreten ist,
beschränkt sich die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Prozesszinsen gemäß
§§ 291, 288 BGB auf den oben errechneten Restsaldo von 3.133,36 €.
103
Auf das begründete Rechtsmittel der Beklagten ist auch der Feststellungstenor im
angefochtenen Urteil, welcher die künftigen materiellen und immateriellen Schäden des
Klägers betrifft, entsprechend der maßgeblichen Haftungsverteilung im Verhältnis 1/3 zu
2/3 zu korrigieren. Die Tatsache, dass die Beklagten eine Ersatzverpflichtung in Bezug
auf künftige materielle und immaterielle Unfallschäden des Klägers auf der Grundlage
der maßgeblichen Haftungsquote trifft, ziehen sie mit ihrer Rechtsmittelbegründung nicht
in Zweifel.
104
VIII.
105
1)
106
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
107
2)
108
Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in §§
708 Nr. 10, 713 ZPO. Der Gegenstandwert für den Berufungsrechtszug beträgt
insgesamt 16.533,35 €.
109
a)
110
Davon entfällt auf das Rechtsmittel des Klägers ein Anteil von 14.240,01 €. Seine
Schmerzensgeldforderung partizipiert daran mit einem Anteil von 12.300 €. Nach der
von den Parteien nicht angegriffenen Verrechnung im angefochtenen Urteil ist die
vorprozessuale Zahlung der Beklagten zu 2. von 5.000 € im Ausmaß des Verhältnisses
der durch das Landgericht als begründet erachteten Schmerzensgeldforderung zu der
als begründet erachteten Forderung auf Ersatz materieller Schäden auf beide
Ansprüche anzurechnen. Das Landgericht hat den ersatzfähigen Schaden des Klägers
(materiell und immateriell) mit insgesamt 8.260,04 € berücksichtigt. Der
Schmerzensgeldanteil von 4.500 € macht dabei eine Quote von 54,47 € aus. Bezieht
man diese Quote auf die vorprozessuale Zahlung von 5.000 €, errechnet sich ein
Teilbetrag von 2.700 €. Bringt man diesen von der berufungsgegenständlichen
Schmerzensgeldforderung von 15.000 € in Abzug, verbleibt ein Rest von 12.300 €.
111
Hinzuzurechnen ist der durch den Kläger mit seiner Berufung hinsichtlich der
materiellen Schäden weiterverfolgte Spitzenbetrag von 940,01 €.
112
Das Feststellungsbegehren des Klägers bezüglich seiner materiellen und immateriellen
Unfallschäden ist mit einem Streitwertanteil von insgesamt 5.000 € zu berücksichtigen.
Da das Landgericht den Feststellungsantrag dem Umfang von 80 % als begründet
erachtet hat, betrifft das Rechtsmittel des Klägers nur noch die Spitze von 20 % - und
113
zwar bezogen auf den Streitwertanteil von 5.000 €. Dies führt zu einem
Gegenstandswert von anteilig 1.000 €.
In der Summe stellt sich somit der Wert des Rechtsmittels des Klägers auf den
Gesamtbetrag von 14.240,01 € (12.300 € + 940,01 € + 1.000 €).
114
b)
115
Der auf das Rechtsmittel der Beklagten entfallende Streitwertanteil umfasst 2.293,34 €.
116
Im Hinblick auf den Zahlungstenor des angefochtenen Urteils ergibt sich ein
Streitwertanteil von 1.626,67 € (3.260,04 € - 1.633,37 €). Was den Feststellungstenor
anbelangt, wirkt sich das Rechtsmittel der Beklagten mit einem Anteil von 666,67 € aus:
13,34 % (80 % - 66,66 %) von 5.000 €.
117
Die Beschwerde des Klägers beträgt 15.033,72 €; die Beschwer der Beklagten stellt
sich auf 1.499,63 €.
118
In Abänderung der Streitwertfestsetzung am Ende der Entscheidungsgründe des
angefochtenen Urteils wird der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf
insgesamt 21.923,73 € festgesetzt (§ 63 Abs. 3 S. 1 GKG). Die Änderung ergibt sich
daraus, dass der Senat den Gegenstandswert für den Feststellungsantrag anstatt mit
2.500 € mit insgesamt 5.000 € berücksichtigt, so dass der durch das Landgericht in
Ansatz gebrachte Gesamtstreitwert von 19.423,73 € entsprechend zu erhöhen ist.
119
Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543
Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
120
Der Schriftsatz des Klägers vom 07.02.2008 gibt dem Senat zur Wiedereröffnung der
mündlichen Verhandlung keine Veranlassung.
121
Dr. E. K. E.
122