Urteil des OLG Düsseldorf vom 12.01.2006

OLG Düsseldorf: stand der technik, erfindung, höhe der anlage, medien, zeichnung, sammelleitung, entsorgung, rechnungslegung, industrie, schadenersatz

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-2 U 77/04
Datum:
12.01.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-2 U 77/04
Tenor:
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29. Juni 2004 verkündete
Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise
abgeän-dert; die Klage wird abgewiesen, soweit sie die
Ausführungsform „Oberutzendorf“ betrifft.
II.
Die weitergehende Berufung wird mit der Maßgabe zurückgewiesen,
dass sich die Verpflichtung des Beklagten zu 2. zur Rechnungslegung
und zum Schadenersatz auf die Zeit bis zum 31. Oktober 2005
beschränkt.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der
Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 750.000,-- Euro
abzuwenden, falls nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
V.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 1,5 Millionen Euro.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland erteilten und in deutscher Verfahrenssprache veröffentlichten
europäischen Patentes 0 413 xxx (Klagepatent, Anlage K 1) betreffend ein Verfahren
und eine Vorrichtung zum Entsorgen flüssiger Medien mit Produktionsrückständen. Aus
diesem Schutzrecht nimmt sie die Beklagten auf Unterlassung, Rechnungslegung und
Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadenersatz in Anspruch.
3
Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung ist am 10. Juli 1990 unter
Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 12. August 1989 eingereicht und am
20. Februar 1991 im Patentblatt veröffentlicht worden; der Hinweis auf die
Patenterteilung ist am 3. März 1993 im Patentblatt bekannt gemacht worden. Am 18.
April 1996 ist das Klagepatent von der ursprünglich eingetragenen Inhaberin, der S-
Versorgungsanlagen GmbH in G auf die Klägerin umgeschrieben worden. Seine in
diesem Rechtsstreit interessierenden Ansprüche 1 und 4 lauten wie folgt:
4
1. Verfahren zum Entsorgen von flüssigen Medien mit Produktionsrückständen aus
der Industrie, wobei das zu entsorgende Medium von dem jeweiligen Anfallsort aus
über Rohrleitungen (3, 5, 6) zu einem tieferliegenden Sammeltank (7) transportiert
wird,
5
dadurch gekennzeichnet
Anfallsort aus über eine Hochleitung (3) zu einem über dem Niveau der
Zulaufbehälter (1) liegenden Einlaufhochbehälter (4) gepumpt wird, von wo aus es
kontinuierlich oder diskontinuierlich über ein geschlossenes Rohrleitungssystem
(5, 6) zu dem annähernd auf dem Niveau der Zulaufbehälter (1) oder darunter
liegenden Sammeltank (7) weitergeleitet wird.
6
...
7
4. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
mit Rohrleitungen (3, 5, 6), die zum Transport des zu entsorgenden Mediums von
dem jeweiligen Anfallsort aus zu einem Sammeltank (7) führen,
8
gekennzeichnet durch
9
einen oder mehrere über dem Niveau der Zulaufbehälter (1) liegenden
Einlaufhochbehälter (4), die über dem oder den Anfallsorten (1) angeordnet sind,
und die jeweils über eine Hochleitung (3) mit dem jeweiligen Anfallsort (1)
verbunden sind, und durch ein sich an den oder die Einlaufhochbehälter (4)
anschließendes Rohrleitungssystem (5, 6), das zu dem annähernd auf dem Niveau
der Zulaufbehälter (1) oder darunter liegenden Sammeltank (7) führt.
10
11
Wegen der nur "insbesondere" geltend gemachten Unteransprüche 3, 5 bis 8, 11 und 12
wird auf die Klagepatentschrift Bezug genommen. Die nachfolgend wiedergegebene
Figurendarstellung aus der Klagepatentschrift erläutert die Erfindung anhand eines
Ausführungsbeispiels.
12
Eine von der Beklagten zu 1. gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage hat
das Bundespatentgericht durch Urteil vom 6. April 2005 abgewiesen (vgl. Anlage WKS
2 und im Verhandlungstermin vom 24. November 2005 überreichte Anlage WKS 2a);
gegen dieses Urteil hat die Beklagte zu 1. Berufung eingelegt, aber noch nicht
begründet.
13
Die Beklagte zu 1., deren Geschäftsführer bis zum 31. Oktober 2005 auch der Beklagte
zu 2. war, stellt her und vertreibt Vorrichtungen zum Entsorgen flüssiger Medien mit
Produktionsrückständen. Eine erste Ausführungsform befindet sich in einem Werk der
DC AG in Neukölln (nachfolgend: Ausführungsform I); zur Erläuterung der näheren
Ausgestaltung dieser Anlage hat die Klägerin neben den als Anlagen K 4 und 7
vorgelegten Skizzen die nachstehend wiedergegebene Zeichnung gemäß Anlage K 8
vorgelegt, während die Beklagten zur Erläuterung u.a. auf die ebenfalls nachstehend
wiedergegebene Zeichnung gemäß Anlage B 1 und das als Anlage B 5 überreichte
Gutachten Prof. Dr. X nebst dortigen Anlagen und Abbildungen 1 bis 3 Bezug
genommen haben.
14
Wie die Abbildung zeigt, wird das Medium in eine annähernd horizontal 8,5 Meter
oberhalb des Fertigungsraumbodens verlaufende Leitung gepumpt, durch ein
senkrechtes Fallrohr und auf einer Höhe von etwa 5,5 Metern erneut durch eine nahezu
horizontal mit ca 1% Gefälle verlaufende Leitung geführt, bevor es nach dem Passieren
eines weiteren Fallrohres auf einer Höhe von etwa 2,45 Metern in einen Einlaufverteiler
gelangt und von dort in eines der beiden in der Zeichnung als "Sammeltank mit Filter"
bezeichneten Behältnisse geleitet wird. Der Boden, auf dem diese Behältnisse stehen,
liegt etwa 0,48 Meter oberhalb des Bodens der Fertigungshalle. Zum Reinigen der
Anlage ist es möglich, den kurz vor dem Einlaufverteiler angeordneten Absperrschieber
(s. Anl. K 8, Schnittzeichnung A – A) zu schließen, das Medium bis in den oberhalb des
Leitungssystems angeordneten Behälter aufzustauen und nach Öffnen des
Absperrschiebers schlagartig aus dem System abzulassen.
15
Eine zweite Ausführungsform befindet sich im Werk der DC AG in Oberutzendorf
(nachfolgend: Ausführungsform II) und entspricht der nachstehend wiedergegebenen
von den Beklagten in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vorgelegten
Prinzipzeichnung; die Klägerin hat insoweit auf die Zeichnung gemäß Anl. K 9 und
Beklagten haben zusätzlich auf das Gutachten Prof. Dr. X nebst dortiger Abbildung 4
Bezug genommen.
16
Bei dieser Anlage, die in gleicher Weise funktioniert wie die Ausführungsform I, gelangt
das zu entsorgende Medium nach dem Verlassen des senkrechten Fallrohres in eine
etwa 50 Meter lange offene und drucklose Rinne, die von der Werkshalle weg mit etwa 1
% Gefälle unter der Kellerdecke verläuft und in den entfernt gelegenen Sammeltank
führt.
17
Die Klägerin sieht in beiden Vorrichtungen eine mittelbare Verletzung des
Klagepatentanspruches 1 und eine unmittelbare Verletzung des Klagepatentanspruches
4. Sie hat vor dem Landgericht vorgetragen: Kern der Erfindung sei die Ausnutzung der
geodätischen Fallhöhe und die Erzeugung eines Unterdrucks in einem geschlossenen
Leitungssystem, um die gewünschte hohe Strömungsgeschwindigkeit zu erreichen.
Hierzu genüge es, dass eine ausreichende Fallhöhe vorhanden sei. Sei diese Fallhöhe
– wie bei den angegriffenen Anlagen – vorhanden, könne der Sammeltank auch über
dem Niveau der Anfallorte liegen. Es sei daher unerheblich, dass bei der
18
Ausführungsform I das Niveau des Sammelbehälters um etwa 48 cm oberhalb des
Niveaus der Zulaufbehälter der Werkzeugmaschinen liege. Ebenso wenig stehe einer
Patentverletzung durch die Ausführungsform II entgegen, dass das Medium nach dem
Verlassen des geschlossenen Rohrleitungssystems die erwähnte offene Rinne
passieren müsse, bevor es den Sammeltank erreiche. Der Fachmann wisse, dass er
das Medium nach dem Zurücklegen des geodätischen Gefälles auch durch eine offene
Rinne in den Sammeltank leiten könne, ohne den erfindungsgemäß angestrebten Erfolg
zu gefährden.
Die Beklagten sind dem entgegengetreten und haben eingewandt, bei der
Ausführungsform I sei das in der Zeichnung gemäß Anlage K 8 von der Klägerin als
Einlaufverteiler bezeichnete Bauteil der Sammeltank, während das als Sammeltank mit
Filter bezeichnete Bauteil eine nicht zum Sammeltank gehörende Aufbereitungsanlage
darstelle. Dieser Sammeltank liege deutlich höher als das Niveau der Zulaufbehälter.
Erfindungsgemäß müsse der Sammeltank jedoch etwa auf dem Niveau der
Zulaufbehälter oder darunter liegen, um die angestrebte hohe
Strömungsgeschwindigkeit bei geringem Raumbedarf zu erzielen. Das sei mit einer
beliebigen Höhendifferenz nicht möglich; dies habe auch der Prüfer im
Erteilungsverfahren des Klagepatentes für wesentlich gehalten. Liege das Niveau des
Sammeltanks oberhalb desjenigen der Zulaufbehälter, vergrößere sich die Gesamthöhe
der Anlage und damit auch deren Platzbedarf.
19
Beide Ausführungsformen unterschieden sich von der Lehre des Klagepatentes
dadurch, dass das Medium bei der für den Regelfall zur Entsorgung vorgesehenen
Betriebsweise nicht in einen Einlaufhochbehälter gepumpt werde, sondern aus der
Hochleitung direkt in die zum geschlossenen Leitungssystem gehörende
Freispiegelleitung gelange, die ein Gefälle habe, damit das Medium kontinuierlich in
den Sammeltank abfließen könne. Diese Leitung könne nicht horizontal ausgebildet
sein und benötige erfindungswidrig besondere Reinigungsmaßnahmen.
Erfindungsgemäß müsse das Medium im übrigen den Einlaufhochbehälter immer
durchlaufen, auch wenn es nicht gestaut werde. Bei den angegriffenen Anlagen fülle
sich das oberhalb der Freispiegelleitung angeordnete Gefäß dagegen nur, wenn das
Medium durch Schließen des Absperrschiebers bis in diesen Behälter zurückgestaut
werde. Diese Arbeitsweise werde nur für besondere Reinigungsvorgänge, aber nicht zur
ständigen Entsorgung eingesetzt.
20
Bei der Ausführungsform II komme hinzu, dass die Freispiegelleitung in eine offene
Rinne münde, die ihrerseits an der Aufbereitungsanlage und nicht im Sammeltank ende.
21
Durch Urteil vom 29. Juni 2004 hat das Landgericht dem Klagebegehren nach den
zuletzt gestellten Anträgen entsprochen und hinsichtlich beider Ausführungsformen wie
folgt erkannt:
22
I.
23
Die Beklagte wird verurteilt,
24
1.
25
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht
festzusetzenden Ordnungsstrafe, entweder als Ordnungsgeld bis zu 250.000,--
26
Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder als Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, bei
wiederholtem Verstoß bis zu insgesamt zwei Jahren
zu unterlassen,
27
a)
28
Vorrichtungen zum Entsorgen von flüssigen Medien mit Produktionsrückständen
aus der Industrie, mit denen das zu entsorgende Medium von dem jeweiligen
Anfallsort aus über Rohrleitungen zu einem tiefergelegenen Sammeltank
transportiert wird,
29
im Geltungsbereich des deutschen Teils des europäischen Patents 0 413 xxx
anzubieten und/oder zu liefern,
30
wobei das zu entsorgende Medium von dem jeweiligen Anfallsort aus über eine
Hochleitung zu einem über dem Niveau der Zulaufbehälter liegenden
Einlaufhochbehälter gepumpt wird, von wo aus es diskontinuierlich über ein
geschlossenes Rohrleitungssystem zu dem annähernd auf dem Niveau der
Zulaufbehälter oder darunter liegenden Sammeltank weitergeleitet wird,
31
b)
32
Vorrichtungen zur Durchführung des vorstehend zu a) beschriebenen Verfahrens
mit Rohrleitungen, die zum Transport des zu entsorgenden Mediums von dem
jeweiligen Anfallsort zu einem tieferliegenden Sammeltank führen,
33
im Geltungsbereich des deutschen Teils des europäischen Patents 0 413 xxx
herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den
genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
34
bei denen ein über dem Niveau der Zulaufbehälter liegender Einlaufhochbehälter
vorhanden ist, der über den Anfallsorten angeordnet ist, und der jeweils über eine
Hochleitung mit dem jeweiligen Anfallsort verbunden ist, und bei denen ein sich an
den Einlaufhochbehälter anschließendes Rohrleitungssystem vorhanden ist, das
zu dem annähernd auf dem Niveau der Zulaufbehälter oder darunter liegenden
Sammeltank führt,
35
2.
36
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die vorstehend zu 1.
bezeichneten Handlungen seit dem 18. April 1996 begangen worden sind, und
zwar unter Angabe
37
a)
38
der Herstellungsmengen und –zeiten,
39
b)
40
der einzelnen Lieferungen (einschließlich Pumpen und Filter), aufgeschlüsselt
41
nach Liefermengen, -zeiten und –preisen, sowie den Namen und Anschriften der
gewerblichen Abnehmer und der Einsatzorte,
c)
42
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -
preisen,
43
d)
44
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
45
e)
46
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Vertriebskosten und des
erzielten Gewinns.
47
II.
48
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der
Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit
dem 18. April 1996 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch
entstehen wird.
49
Zur Begründung hat es ausgeführt, beide angegriffenen Anlagen verwirklichten die im
Vorrichtungsanspruch 4 beschriebenen Merkmale wortsinngemäß, und mit ihnen könne
ein Verfahren ausgeübt werden, das der technischen Lehre des Verfahrensanspruches
1 wortsinngemäß entspreche. Bei geschlossenem Absperrschieber am Ende des
Rohrleitungssystems lasse sich das Medium durch die Einwirkung der Förderpumpe
aus dem Zulaufbehälter bis in den als Einlaufhochbehälter zu betrachtenden Behälter
oberhalb des Leitungssystems (vgl. Anl. B 1) aufstauen; bei einem anschließenden
Öffnen des Absperrschiebers gelange das gesamte im Leitungssystem und im Behälter
befindliche Medium unter Ausnutzung des geodätischen Gefälles zwischen
Einlaufhochbehälter und Sammeltank in letzteren. Dass das Rohrleitungssystem bzw.
die Freispiegelleitung ein Gefälle aufweise, welches es erforderlich mache, zunächst
einen Rückstau zu bilden, sei nach der Lehre des Klagepatentes nicht ausgeschlossen.
Die Ausführungsform I verwirkliche bei dieser diskontinuierlichen Betriebsweise auch
die Vorgabe, das zu entsorgende Medium zu einem tiefer, nämlich annähernd auf dem
Niveau der Zulaufbehälter liegenden Sammeltank zu fördern. Sammeltank sei nicht der
– nach dem übereinstimmenden Vorbringen in der mündlichen Verhandlung als offenes
Behältnis ausgebildete – Einlaufverteiler, sondern die in der Zeichnung Anlage K 8 als
Sammeltank mit Filter bezeichneten Behältnisse; erst dort werde das zu entsorgende
Medium gesammelt. Diese Behältnisse lägen mit etwa 48 cm oberhalb der Ebene der
Zulaufbehälter noch annähernd auf deren Niveau.
50
Beide angegriffenen Vorrichtungen leiteten das Medium über ein geschlossenes
Rohrleitungssystem vom Einlaufhochbehälter zum Sammeltank. Dass das Medium bei
der Oberutzendorfer Anlage nach dem Verlassen des geschlossenen
Rohrleitungssystems vor dem Erreichen des Sammeltanks eine etwa 50 m lange offene
Rinne passieren müsse, stehe dem nicht entgegen. Das Klagepatent setze nicht voraus,
51
dass das geschlossene Rohrleitungssystem unmittelbar in den Sammeltank münde. Bei
technisch-funktionaler Betrachtungsweise sei im diskontinuierlichen Betrieb allein
erforderlich, dass mit dem geschlossenen Rohrleitungssystem ein geodätisches Gefälle
realisiert werde und der für eine hohe Strömungsgeschwindigkeit erforderliche
Unterdruck entstehen könne. Die Anordnung eines offenen Bauteils, das das Medium
hinter dem geschlossenen Rohrleitungssystem zum Sammeltank weiterleite, wie dies
bei den angegriffenen Vorrichtungen in Gestalt des Einlaufverteilers bzw. der Rinne
geschehe, ändere nichts daran, dass das erfindungsgemäß angestrebte geodätische
Gefälle sowie der Unterdruck im geschlossenen Rohrleitungssystem in gleicher Weise
verwirklicht würden, als sei der Sammeltank so groß ausgestaltet, dass er bis an das
geschlossene Rohrleitungssystem heranreiche.
Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts
Bezug genommen.
52
Mit ihrer Berufung gegen dieses Urteil verfolgen die Beklagten ihr erstinstanzlich
erfolglos gebliebenes Klageabweisungsbegehren weiter. Sie wiederholen und vertiefen
ihren erstinstanzlichen Sachvortrag und beantragen,
53
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen,
54
hilfsweise, die Verhandlung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die
Nichtigkeitsklage auszusetzen.
55
Die Klägerin beantragt,
56
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
57
und widerspricht dem Aussetzungsantrag. Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt
den Ausführungen der Beklagten zur Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Sachvortrages entgegen. Bei der Ausführungsform II würden
ungeachtet der nachgeschalteten breiten Rinne in dem vom Klagepatent als kritisch
betrachteten Produktionsbereich alle erfindungsgemäß angestrebten Vorteile erreicht.
Im Produktionsbereich habe die Beklagte zu 1. die nachteiligen Bodenrinnen durch
hochgelegte Leitungen ersetzt; die außerhalb der Werkshalle liegende Rinne habe vor
dem Einbau der hochgelegten Leitungen das Medium aus den Bodenrinnen gesammelt
und sei übernommen worden, weil sie wegen ihrer Dimensionierung und ihres
ausreichenden Gefälles auch nach der Errichtung der neuen Anlage zur Weiterleitung
des Mediums geeignet erschienen sei. Das entspreche der schutzbeanspruchten
technischen Lehre jedenfalls mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln. Auf die – ohnehin
in jedem Einzelfall variierende – Entfernung des geschlossenen Leitungssystems zum
Sammeltank komme es nicht an. Bei der Ausführungsform I diene der Einlaufverteiler
als "Puffergefäß" zum Abbremsen des herunterstürzenden Mediums; seine Kapazität
betrage nur 4 m³. Zwar werde nicht die gesamte Höhe der Anlage für ein geodätisches
Gefälle genutzt, die tatsächlich genutzte Fallhöhe reiche jedoch für diesen Zweck aus.
58
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.
59
II.
60
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nur zum Teil begründet, nämlich soweit
die Beklagten ihre Verurteilung hinsichtlich der Ausführungsform II angreifen. Mit Recht
hat das Landgericht dagegen die Ausführungsform I für klagepatentverletzend gehalten.
Insoweit ist der Senat davon ausgegangen, dass die Klägerin gegen den Beklagten zu
2, nachdem die Beklagte zu 1. in der mündlichen Verhandlung vom 24. November 2005
erklärt hat, er sei am 31. Oktober 2005 aus ihrer Geschäftsführung ausgeschieden,
Ansprüche auf Schadenersatz und Rechnungslegung nur noch bis zu diesem Tag
erhebt und eine Anpassung des Klageantrages versehentlich unterblieben ist.
Entsprechend hat der Senat die Verurteilung des Beklagten zu 2. eingeschränkt.
61
A.
62
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Entsorgen flüssiger
Medien aus der Industrie; als Beispiele nennt die Klagepatentschrift in der
Beschreibungseinleitung Kühl- und Schleifmittel sowie Bohr- und Schleiföle, die bei der
Bearbeitung von Werkstücken an Werkzeugmaschinen anfallen und
Produktionsrückstände wie Späne, Pulver oder Schleifstaub enthalten können. Die
Entsorgung besteht darin, das Medium vom jeweiligen Anfallort – einer
Werkzeugmaschine bzw. deren Zulaufbehälter – über Rohrleitungen in einen tiefer
liegenden Sammeltank abzuführen. Von dort kann das Medium – gegebenenfalls nach
einer Reinigung und einem Abscheiden der Produktionsrückstände – zu den
Werkzeugmaschinen zurückgefördert werden.
63
Das in Anspruch 1 beschriebene Verfahren weist die in den Merkmalen 1 bis 3.2 der
nachstehenden Merkmalsgliederung angegebenen Schritte auf, und die in Anspruch 4
umschriebene Vorrichtung zur Durchführung dieses Verfahrens die Merkmale 2 bis 4.2.
Wenn eine solche Vorrichtung nicht geeignet ist, das Verfahren gemäß Anspruch 1
auszuüben, so ist auch Anspruch 4 nicht erfüllt.
64
Im Stand der Technik erfolgte die Ableitung des Mediums bodenseitig entweder über
offene Entsorgungsrinnen oder geschlossene im Boden verlegte Rohrleitungen. Daran
beanstandet die Klagepatentbeschreibung neben dem hohen Installationsaufwand den
hohen Platzbedarf, der vor allem daraus resultiert, dass die Leitungen ein
entsprechendes Gefälle aufweisen müssen und der tieferliegende Sammeltank
unterhalb des Bodens – meist im Keller – installiert werden muss. Das aus Platzgründen
regelmäßig nur flach ausbildbare Gefälle erfordert nicht nur große Leitungslängen,
sondern führt auch zu einer geringen Fließgeschwindigkeit, die ihrerseits
Schmutzablagerungen durch Sedimentation begünstigt, weshalb zusätzliche
Maßnahmen zur Reinigung – etwa Spüldüsen – notwendig sind. Offene Rinnen können
außerdem überlaufen, und geschlossene Rohrleitungen können bei dieser
herkömmlichen Betriebsweise als Freispiegelleitungen nur zur Hälfte befüllt werden, da
stets ein entsprechender Luftraum vorhanden sein muss. Bodenkanäle verringern die
Produktionsflächen und bereiten Probleme bei betriebsinternen Umstellungen in dem
jeweiligen Gebäude (Klagepatentschrift, Spalte 1, Zeilen 25 bis 44).
65
Die Aufgabe (das technische Problem) der Erfindung besteht darin, ein Verfahren und
eine Vorrichtung zum Entsorgen flüssiger Medien zu schaffen, das bei einfachem
Aufbau und geringem Platzbedarf eine gute und problemlose Entsorgung ermöglicht.
66
Zur Lösung dieser Aufgabe wird in Anspruch 1 ein Verfahren zum Entsorgen flüssiger
Medien mit Produktionsrückständen aus der Industrie vorgeschlagen, das folgende
67
Verfahrensschritte aufweist:
1.
68
das zu entsorgende Medium wird von dem jeweiligen Anfallort aus über
Rohrleitungen zu einem tieferliegenden Sammeltank transportiert,
69
2.
70
das zu entsorgende Medium wird von dem jeweiligen Anfallort aus über eine
Hochleitung zu einem Einlaufhochbehälter gepumpt,
71
2.1
72
der Einlaufhochbehälter liegt über dem Niveau der Zulaufbehälter,
73
3.
74
vom Einlaufhochbehälter wird das zu entsorgende Medium kontinuierlich oder
diskontinuierlich zu dem Sammeltank weitergeleitet, wobei
75
3.1
76
die Weiterleitung über ein geschlossenes Rohrleitungssystem erfolgt und
77
3.2
78
der Sammeltank annähernd auf dem Niveau der Zulaufbehälter oder darunter liegt.
79
Die in Anspruch 4 zur Durchführung dieses Verfahrens vorgeschlagene Vorrichtung
weist folgende Merkmale auf:
80
1.
81
Es handelt sich um eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem
der Ansprüche 1 bis 3,
82
2.
83
mit Rohrleitungen, die zum Transport des zu entsorgenden Mediums von dem
jeweiligen Anfallsort aus zu einem tieferliegenden Sammeltank führen,
84
3.
85
mit einem oder mehreren Einlaufhochbehältern, die
86
3.1
87
über dem Niveau der Zulaufbehälter liegen,
88
3.2
89
über dem oder den Anfallsorten angeordnet sind und
90
3.3
91
jeweils über eine Hochleitung mit dem jeweiligen Anfallsort verbunden sind,
92
4.
93
mit einem Rohrleitungssystem, das
94
4.1
95
sich an den Einlaufhochbehälter anschließt und
96
97
4.2
98
zu dem annähernd auf dem Niveau der Zulaufbehälter oder darunter liegenden
Sammeltank führt.
99
Nach dem Verständnis des angesprochenen Durchschnittsfachmanns – nach den
Ausführungen des Bundespatentgerichts im Nichtigkeitsverfahren (Anlage WKS 2a, S.
10) ein Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit Grundkenntnissen in
der Hydraulik – ist es wesentlich für die Erfindung, das zu entsorgende Medium vom
Anfallort aus nicht mehr bodenseitig abzuführen, sondern in hochliegenden Leitungen.
Hierzu ist das Medium vom Anfallort aus in einen oder mehrere Einlaufhochbehälter
hochzuleiten und von dort durch ein an den/die Einlaufhochbehälter anschließendes
geschlossenes Rohrleitungssystem zum Sammeltank zu transportieren. Der
wesentliche Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, dass – neben der weiterhin
durchführbaren konventionellen Abführung des Mediums durch Freispiegelleitungen –
auch eine Betriebsweise möglich ist, bei der das Medium im geschlossenen
Rohrleitungssystem unter Ausnutzung eines geodätischen Gefälles mit einer so hohen
Strömungsgeschwindigkeit in den Sammeltank abgeführt werden kann, dass sich
Ablagerungen gar nicht erst bilden können bzw. das zu entsorgende Medium beim
Durchströmen des geschlossenen Rohrleitungssystems vorhandene Ablagerungen
wegspült. Fällt nur wenig Medium an, kann dies etwa durch die im Ausführungsbeispiel
beschriebene Betriebsweise erreicht werden, bei der das Medium im geschlossenen
Rohrleitungssystem zurück bis in den Einlaufhochbehälter aufgestaut und anschließend
schlagartig in den Sammeltank abgelassen wird. Da das Rohrleitungssystem dann über
den gesamten Rohrleitungsquerschnitt mit Medium gefüllt ist, erzeugt die ablaufende
Flüssigkeitssäule unter der Wirkung des geodätischen Gefälles nach Art eines
Pumpenkolbens einen Unterdruck, der für ein Nachsaugen von Flüssigkeit oder Luft und
für die bereits erwähnte hohe Strömungsgeschwindigkeit sorgt. Diese Reinigung erfolgt
durch das zu entsorgende Medium selbst, ohne dass noch zusätzliche
Reinigungsmaßnahmen ergriffen werden müssen und dementsprechend auch keine
zusätzlichen Vorrichtungen zur Reinigung wie etwa Spüldüsen benötigt werden
(Klagepatentschrift Spalte 2, Zeilen 1 bis 18 und 24 bis 30; Spalte 3, Zeilen 23 bis 29
und Spalte 7, Zeilen 35 bis 44). Bei einer solchen Betriebsweise sind entgegen der
Ansicht der Beklagten die Reinigung des geschlossenen Rohrleitungssystems und die
100
Entsorgung des Mediums nicht voneinander trennbar; mit der Reinigung wird
gleichzeitig unter Ausübung des in Anspruch 1 unter Schutz gestellten Verfahrens das
Medium entsorgt.
Wenn in Merkmal 3 des Verfahrensanspruches 1 von einer kontinuierlichen oder
diskontinuierlichen Weiterleitung des Mediums die Rede ist (der Vorrichtungsanspruch
4 erwähnt dieses Begriffspaar nicht), dann muss auch bei einer kontinuierlichen
Betriebsweise, wie sie in Anspruch 1 unter Schutz gestellt wird, der gesamte Querschnitt
des Rohrleitungssystems vollständig mit Flüssigkeit gefüllt sein. Entgegen der Ansicht
der Klägerin erscheint dem angesprochenen Durchschnittsfachmann eine derartige
Betriebsweise durchaus möglich; sie wird auch in der Klagepatentbeschreibung
erwähnt (vgl. Spalte 7, Zeilen 16 bis 20). Sind nämlich in entsprechend hoher Zahl
Anfallorte und auch Einlaufhochbehälter in entsprechend großer Zahl und/oder
Füllkapazität vorhanden und ist der Rohrleitungsquerschnitt so bemessen, dass nicht
alle Behälter gleichzeitig entleert werden können, sondern das darin aufgestaute
Medium nur allmählich abgelassen werden kann, dann sammelt sich das aus den
Zulaufbehältern nachgeförderte Medium dort ständig in gewissem Umfang an. Die
Abgabemenge aus dem Einlaufhochbehälter und die Leitungsquerschnitte lassen sich
so bemessen, dass die aus den Einlaufhochbehältern abgegebene Menge der in den
Sammeltank abgelassenen Menge entspricht und der Füllstand in den
Einlaufhochbehältern im wesentlichen gleich bleibt. Dann ist jedenfalls der hinter dem
letzten Einlaufbehälter liegende Teil des geschlossenen Rohrleitungssystems mit
seinem gesamten Querschnitt kontinuierlich und ständig mit Medium gefüllt. Etwas
anderes ist auch in Spalte 6, Zeilen 48 bis 53 der Klagepatentschrift nicht gesagt, die
erkennbar diese Betriebsart in Bezug nimmt, aber nur andeutungsweise beschreibt. Die
Lehre des Klagepatentes schließt es auch nicht aus, dass die in Anspruch 4
beschriebene Vorrichtung auch in einer dem Stand der Technik entsprechenden
kontinuierlichen Betriebsweise arbeiten und die Rohre des geschlossenen Systems als
"Freispiegelleitungen" nutzen kann. Anspruch 4 verlangt nicht, dass ständig eine der
beiden in Anspruch 1 unter Schutz gestellten Betriebsarten ausgeführt wird, und auch
Anspruch 1 stellt in Merkmal 3 in Verbindung mit den Ausführungen in der
Klagepatentbeschreibung (Spalte 6, Zeile 42 bis Spalte 7, Zeile 21 und Spalte 2, Zeilen
19 bis 21) lediglich klar, dass sowohl für eine kontinuierliche als auch für eine
diskontinuierliche Arbeitsweise nur Schutz beansprucht wird, sofern hierbei das
geodätische Gefälle ausgenutzt wird. Auch die Klagepatentschrift geht davon aus, dass
dies bei einer kontinuierlichen Arbeitsweise nur selten wird geschehen können, weil die
dafür benötigten Mengen an Medium in aller Regel nur bei entsprechend zahlreichen
Anfallorten und/oder hohen Anfallmengen zur Verfügung stehen. Das Merkmal 3 des
Anspruches 1 ist bereits erfüllt, wenn eine der beiden dort genannten Betriebsarten
ausgeübt wird.
101
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich die Funktion des Einlaufhochbehälters:
Er ist ein Behältnis, das einerseits ein Reservoir bildet, das beim Entstehen des
Unterdruckes noch eine gewisse Fluidmenge zum Nachsaugen verfügbar machen soll,
damit der Unterdruck und die hohe Strömungsgeschwindigkeit zur Selbstreinigung des
geschlossenen Leitungssystems noch eine Zeit aufrechterhalten werden kann, er soll
weiterhin für den Fall, dass bei einer diskontinuierlichen Betriebsweise nicht bereits im
Leitungssystem aufgestaut wird, eine Flüssigkeitsmenge bereitstellen, die bei seiner
Entleerung den Querschnitt des geschlossenen Rohrleitungssystems zur Erzeugung
des Unterdrucks insgesamt ausfüllt, und er soll ein "Zwischenlager" bilden, in dem das
aus den Zulaufbehältern nachgeförderte Medium untergebracht werden kann, bis der
102
Einlaufbehälter entleert wird. Die Anweisungen in Merkmal 2 des Anspruches 1, das
Medium vom Anfallort aus über eine Hochleitung zum Einlaufhochbehälter zu pumpen,
und in den Merkmalen 3 und 3.3 des Anspruches 4, den Einlaufbehälter über eine
Hochleitung mit dem jeweiligen Anfallort zu verbinden, verlangen aus der Sicht des
Durchschnittsfachmannes nicht, dass die Hochleitung dem Ausführungsbeispiel und der
Figurendarstellung der Klagepatentschrift folgend unmittelbar in den
Einlaufhochbehälter mündet. Sind weder das Rohrleitungssystem noch der
Einlaufhochbehälter gefüllt, läuft das Medium bei einer solchen Ausgestaltung ohnehin
erst durch diesen hindurch; bei der erfindungsgemäßen diskontinuierlichen
Betriebsweise erfüllt er seine Funktionen erst, wenn das System vollständig gefüllt ist
und das Medium sich bis in den Einlaufhochbehälter staut. Erfindungsgemäß ist es auch
möglich, die Hochleitung nur bis zur horizontalen Sammelleitung zu führen. Ist diese
vollständig mit Medium gefüllt, fördert die Pumpe weiteres Medium aus dem
Zulaufbehälter zwangsläufig in den Einlaufhochbehälter.
Der Sammeltank ist dasjenige Behältnis, in das das Medium nebst den
Produktionsrückständen entsorgt wird; er nimmt das Medium auf und sammelt es, bevor
es gegebenenfalls zu den Anfallorten zurückgeleitet wird (vgl. Klagepatentschrift, Spalte
2, Zeilen 36 bis 49). Das schließt nicht aus, im Sammeltank auch die im Medium
enthaltenen Produktionsrückstände abzuscheiden. Unteranspruch 3 erfasst auch diese
Möglichkeit (vgl. auch Spalte 2, Zeilen 47 und 48); denn dort ist offen gelassen, ob die
Verunreinigungen im Sammeltank (vgl. Spalte 4, Zeilen 17 bis 21) oder in
nachgeschalteten Funktionseinheiten aus dem Medium entfernt werden (zu letzterer
Variante siehe Spalte 3, Zeilen 45 bis 50; Spalte 5, Zeilen 28 bis 29; Spalte 7, Zeilen 26
bis 34).
103
An den Einlaufhochbehälter schließt sich nach Merkmal 3.1 des Anspruches 1 ein
geschlossenes Rohrleitungssystem an, das zum Sammeltank führt (vgl.
Merkmalsgruppe 3 des Anspruchs 1 und Merkmalsgruppe 4 des Anspruches 4). Es geht
dabei nicht nur darum, unter Ausnutzung des geodätischen Gefälles eine hohe
Strömungsgeschwindigkeit auch in den horizontalen Teilen des Systems zu erzeugen,
vielmehr soll die erzeugte starke Strömung die gesamte Leitungs-strecke vom
Einlaufhochbehälter bis zum Sammeltank von Feststoffablagerungen freihalten. Eine
auch nur teilweise offene Gerinnestrecke lässt das angestrebte Freispülen der Leitung
grundsätzlich nicht zu (vgl. BPatG, a.a.O., S. 9 Abs. 1.2). Hiermit übereinstimmend
werden in der Klagepatentschrift Ausgestaltungen, bei denen das Medium neben
Rohrleitungen auch offene Rinnen durchströmt, aus den eingangs genannten Gründen
abgelehnt. Offene Rinnen leisten nicht das, was das klagepatentgemäße geschlossene
Rohrleitungssystem bewirken soll. Vor diesem Hintergrund betrachtet der
Durchschnittsfachmann eine vor dem Sammeltank liegende offene Rinne auch nicht als
Teil des Sammeltanks; sie dient nicht der Sammlung des zu entsorgenden Mediums,
sondern dessen Weitertransport.
104
Die Vorgabe in den Merkmalen 1 und 3.2 des Anspruches 1 und in den Merkmalen 2
und 4.2 des Anspruches 4, das Medium in einen tiefer, nämlich annähernd auf dem
Niveau der Zulaufbehälter oder darunter liegenden Sammeltank zu leiten, bezieht sich
zusammen mit der Vorgabe von Merkmal 2.1 des Verfahrensanspruches 1 und Merkmal
3.1 des Vorrichtungsanspruches 4, einen oberhalb der Zulaufbehälter liegenden
Einlaufhochbehälter vorzusehen, auf das Entstehen eines für die Erzeugung des
benötigten Unterdruckes ausreichend hohen geodätischen Gefälles. Was unter
"annähernd auf dem Niveau der Zulaufbehälter" zu verstehen ist, insbesondere bei
105
welchem Höhenunterschied zum Einlaufhochbehälter diese Anweisung noch
eingehalten ist, bemisst sich anhand der Relation zur Fallhöhe. Ist der
Höhenunterschied zwischen Zulauf- und Einlaufhochbehälter verhältnismäßig gering,
muss der Sammeltank, damit eine für ein geodätisches Gefälle ausreichende Fallhöhe
vorhanden sein soll, auf dem Niveau der Zulaufbehälter oder besser noch darunter
liegen. Ist der Höhenunterschied zwischen Zulauf- und Einlaufhochbehältern so groß,
dass nicht die gesamte Differenz zur Erzeugung des angestrebten Unterdruckes nötig
wird, erkennt der Durchschnittsfachmann, dass er bei der Bemessung dessen, was unter
"annähernd auf dem Niveau der Zulaufbehälter liegend" zu verstehen ist, wesentlich
mehr Spielraum hat. Der Durchschnittsfachmann wird andererseits den Begriff
"Sammeltank" in diesem Zusammenhang nicht nur auf den Tankboden als tiefste Stelle
beziehen. Denn der Sammeltank wird ihm nur nach seiner Funktion beschrieben und
muss so aufgebaut sein, dass seine vorgegebene Kapazität voll ausgenutzt werden
kann. Seine Füllstandshöhe darf in die Berechnung der benötigten Gefällestrecke nicht
einbezogen werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wenn man die von den
Beklagten zitierten Äußerungen des Prüfers im Erteilungsverfahren (Anl. B 2) indiziell
als sachkundige Hinweise darauf heranzieht, wie der Durchschnittsfachmann das
betreffende Merkmal versteht. Auch sie lassen nicht erkennen, dass die Lehre des
Klagepatentes voraussetzt, das auszunutzende geodätische Gefälle in jedem Einzelfall
so groß wie möglich auszubilden. Ein derartiges Verständnis hat in der
Klagepatentschrift auch keinen Niederschlag gefunden. Der Durchschnittsfachmann
wird aus diesem Grund auf den Einlass in dem Sammeltank oder auf das Niveau des
Mediums im Sammeltank abstellen, bis zu dem das geodätische Gefälle sinnvoll genutzt
werden kann.
B.
106
Von der im Klagepatent unter Schutz gestellten technischen Lehre macht nur die
Ausführungsform I Gebrauch, nicht dagegen die Ausführungsform II.
107
1.
108
Die Ausführungsform I (Neukölln) verwirklicht die beanspruchte Lehre des
Klagepatentes wortsinngemäß.
109
a) Sie ist geeignet, das in Anspruch 1 umschriebene Verfahren auszuüben.
110
In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die Anlage im Regelfall – wie
die Beklagten vortragen – konventionell in der Weise betrieben wird, dass das Medium
kontinuierlich aus den Zulaufbehältern in die im Wesentlichen horizontal – mit 1 %
Gefälle – verlaufende als Freispiegelleitung betriebene Sammelleitung gepumpt und
von dieser kontinuierlich in den Sammeltank geleitet wird, denn diese Betriebsweise ist
nicht Gegenstand des Klageangriffes. Angegriffen wird die Anlage wegen der zu ihrer
Reinigung eingesetzten Arbeitsweise, bei der der vor dem Erreichen des
Einlaufverteilers befindliche Absperrschieber geschlossen und das Medium bis in den
Einlaufhochbehälter aufgestaut und sodann durch Öffnen des Absperrschiebers
schlagartig abgelassen wird.
111
Wortsinngemäß verwirklicht werden bei dieser Betriebsart die Merkmale
1
Medium wird vom Anfallort über Rohrleitungen zum tiefer, nämlich annähernd auf dem
Niveau der Zulaufbehälter liegenden Sammeltank geleitet. Sammeltank im Sinne des
112
Klagepatentes ist nicht das in Anlage K8 als Einlaufverteiler bezeichnete Behältnis,
sondern sind die beiden darunter befindlichen Sammeltanks mit Filter. Der
Einlaufverteiler ist nach dem übereinstimmenden Vorbringen beider Parteien in der
mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht nach unten offen und bildet für das
Medium nur eine Durchgangsstation, von der aus es in einen der beiden Sammeltanks
weitergeleitet wird. Erst dort wird es endgültig aufgenommen; in diese beiden Behälter
wird das Medium entsorgt. Dass es dort zugleich gereinigt wird, steht der Verwirklichung
der erfindungsgemäßen Lehre, wie bereits im vorstehenden Abschnitt A. ausgeführt
wurde, nicht entgegen.
Allerdings reicht das zur Strömungserzeugung nutzbare geodätische Gefälle nicht bis
zum Boden des Sammeltankes, sondern endet schon am Einlaufverteiler, der als
unstreitig offenes Behältnis drucklos ist, also etwa 2,5 m oberhalb des
Zulaufbehälterniveaus. Dass die als Höhendifferenz verbleibenden 6 m zur Erzeugung
der zum Reinigen der Rohre benötigten hohen Strömungsgeschwindigkeit nach dem
Aufstauen des Mediums in den Einlaufhochbehälter nicht ausreichen, behaupten auch
die Beklagten nicht. Das Klagepatent setzt auch nicht voraus, dass die gesamte
Höhendifferenz vom Einlaufhochbehälter bis zum Boden des Sammeltanks für das
geodätische Gefälle zur Verfügung steht, denn es wird weder vorgeschrieben, dass die
Einlaufstelle des geschlossenen Rohrleitungssystems in Höhe des Sammeltank-
Bodens liegen muss, noch, dass die Einlaufstelle annähernd auf dem Niveau des
Zulaufbehälters oder darunter zu liegen hat. Ohne Rücksicht auf die Lage des
Sammeltank-Einlaufes wird lediglich allgemein vorgegeben, dass der Sammeltank auf
dieser Höhe angeordnet sein muss, so dass das Merkmal 3.2 auch Konfigurationen
erfasst, bei denen das Medium in den oberen Bereich des Sammeltankes einläuft,
obwohl bei solchen Ausgestaltungen die restliche Höhendifferenz bis zum Tankboden,
da der Sammeltank drucklos ist, nicht mehr zur Erzeugung eines Unterdruckes genutzt
werden kann. In dieser Weise arbeitet auch die in der Figurendarstellung der
Klagepatentschrift gezeigte Vorrichtung. Dieser Beurteilung steht auch nicht entgegen,
dass die Gesamthöhe der Anlage gegenüber einem Einlassen an einer tiefer gelegenen
Stelle des Sammeltankes mehr Platz benötigt, weil die Erfindung nicht die maximal
mögliche Platzersparnis anstrebt, sondern nur im Grundsatz auf weniger Platzbedarf
des Leitungssystems gerichtet ist, indem die flächenintensiven Bodenrinnen entfallen,
die Sammelleitung nicht mehr im Boden verlegt werden muss, sondern oberhalb der
Werkzeugmaschinen verlaufen kann, und auch der Sammeltank nicht mehr in einem
tiefergelegten Stockwerk untergebracht zu werden braucht.
113
Verwirklicht wird auch das
Merkmal 2
Anfallort aus über eine Hochleitung in einen Einlaufhochbehälter gepumpt. Als
Einlaufhochbehälter dient das von den Beklagten als Rücklaufspeicherbehälter
bezeichnete Gefäß. Ohne Bedeutung ist hierbei, dass der Abnehmer die Anlage im
Regelfall wie eine herkömmliche Vorrichtung betreibt und das Medium bei dieser
Betriebsweise überhaupt nicht in den Rücklaufspeicherbehälter, sondern sofort in die
Sammelleitung gelangt, die wie im Stand der Technik als Freispiegelleitung betrieben
wird und das Medium ohne Ausnutzen eines geodätischen Gefälles in den Sammeltank
abführt. Unstreitig kann die Anlage auch wie im Ausführungsbeispiel beschrieben und
damit so arbeiten, dass der am Ende des Rohrleitungssystems befindliche
Absperrschieber geschlossen wird, das Medium sich im Leitungssystem und
anschließend im Rücklaufspeicherbehälter aufstaut, bevor es diskontinuierlich
abgelassen wird und hierbei auch die erfindungsgemäßen Vorteile genutzt werden. Das
vorhandene geodätische Gefälle erzeugt eine hohe Strömungsgeschwindigkeit, bei der
114
das zu entsorgende Medium selbst beim Durchströmen die Leitungen reinigt, ohne dass
es zusätzlicher Reinigungsvorrichtungen oder –maßnahmen bedarf. Dass bei dieser
Betriebsweise ein ausreichend hohes geodätisches Gefälle vorhanden ist, stellen die
Beklagten nicht in Abrede, und es ergibt sich auch aus den Ausführungen des
Privatgutachtens Prof. Dr. X. Auch diese Betriebsweise ist eine bestimmungsgemäße
Arbeitsweise der Anlage; wie oft die Anlage so betrieben wird, ist unerheblich.
Dass das Medium zunächst nicht in den Einlaufhochbehälter gelangt, sondern
unmittelbar in die Sammelleitung und erst nach Schließen des am Ende des
Rohrleitungssystems befindliche Absperrschiebers bis in den Einlaufhochbehälter
gestaut wird, steht dem nicht entgegen. Zum einen erfolgt auch bei dieser Arbeitsweise
die Förderung des Mediums in den Einlaufhochbehälter durch die Pumpe am Anfallort,
und Anspruch 1 schreibt nicht vor, dass die Hochleitung unmittelbar in den
Einlaufhochbehälter mündet; dies ist nur eine Besonderheit des Ausführungsbeispiels,
auf die sich der Wortsinn des Merkmals aber nicht beschränkt.
115
"Pumpen über eine Hochleitung zu einem Einlaufhochbehälter" bedeutet nur, dass das
Medium bei der Förderung in den Einlaufhochbehälter die Hochleitung passieren muss,
schließt aber nicht aus, zwischen Hochleitung und Einlaufhochbehälter weitere zu
passierende Leitungsabschnitte zwischenzuschalten oder Abschnitten der
Sammelleitung eine Doppelfunktion zuzuweisen und sie beim Aufstauen des Mediums
bis in den Einlaufhochbehälter auch als Abschnitt der Hochleitung zu nutzen, wie das
bei der angegriffenen Vorrichtung der Fall ist. Bei dieser Betriebsweise hat der
Rücklaufspeicherbehälter auch die Funktion des erfindungsgemäßen
Einlaufhochbehälters, Medium zur Verlängerung des beim Ablassen entstehenden
Saugeffektes zu sammeln und zwischenzuspeichern, und auf diese Weise den
sofortigen Abtransport vom Anfallort aus zu ermöglichen.
116
Wortsinngemäß verwirklicht ist weiterhin das
Merkmal 2.1
Einlaufhochbehälter im Sinne der Erfindung dienende Rücklaufspeicherbehälter
unstreitig über dem Niveau der Zulaufbehälter liegt.
117
Wortsinngemäß erfüllt sind weiterhin die Merkmale
3
Neukölln errichtete Anlage über ein geschlossenes Rohrleitungssystem und sie leitet
das zu entsorgende Medium auch diskontinuierlich in den Sammeltank ab.
Diskontinuierlich ist diese Arbeitsweise deshalb, weil das Medium vor jedem Ablassen
aus dem Leitungssystem und dem Einlaufhochbehälter zunächst bis dorthin aufgestaut
werden muss.
118
b) Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, erfüllt die Ausführungsform I
auch die Merkmale des Vorrichtungsanspruches 4 wortsinngemäß.
119
2. Dagegen erfüllt die Ausführungsform II (Oberutzendorf) auch bei der
vorbeschriebenen diskontinuierlichen Arbeitsweise die unter Schutz gestellte
technische Lehre weder wortsinngemäß noch mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln.
120
a) Zwar verwirklicht das von ihr ausgeübte Verfahren wortsinngemäß die Merkmale 1, 2,
2.1, 3 und 3.2, eine wortsinngemäße Verwirklichung scheitert aber daran, dass die
Anlage über kein geschlossenes Rohrleitungssystem zwischen Sammeltank und
Einlaufhochbehälter verfügt, wie es in Merkmal 3.1 des Patentanspruches 1
vorausgesetzt wird.
121
aa) Eine wortsinngemäße Verwirklichung scheitert daran, dass das Leitungssystem
dieser Anlage nicht bis zum Sammeltank, sondern nur bis zum Ende des
Produktionsbereichs reicht und das Medium nach dem Passieren des Absperrschiebers
durch eine etwa 50 m lange offene Rinne in den Sammeltank geleitet wird. Wie
vorstehend in Abschnitt A dargelegt, verlangt der technisch verstandene Wortsinn des
Merkmals 3.1 aus der Sicht des angesprochenen Durchschnittsfachmannes, dass sich
das geschlossene Rohrleitungssystem vom Einlaufhochbehälter bis zum Sammeltank
erstreckt und nicht durch offene Gerinnestrecken unterbrochen wird. Das soll
insbesondere sicherstellen, dass die gesamte Entfernung der Leitungsstrecke keinerlei
zusätzlichen Reinigungsmaßnahmen unterzogen werden muss, weil das Medium die
gesamte Leitungsdistanz mit der durch das geodätische Gefälle erzeugten hohen
Geschwindigkeit durchströmt und Ablagerungen mit fortspült. In der auf die
Gefällestrecke folgenden Transportrinne ist dieser Erfolg schon deshalb nicht
erreichbar, weil sie im Gegensatz zu dem geschlossenen Leitungsabschnitt stets
drucklos ist und die erfindungsgemäß benötigte hohe Strömungsgeschwindigkeit
jedenfalls nicht durch ein Ausfüllen des gesamten Querschnittes mit Medium erzeugt
werden kann, so dass auf andere Weise gewährleistet werden muss, dass die beim
diskontinuierlichen Ablassen des Mediums aus dem geschlossenen Leitungssystem
kommenden großen Fluidmengen sicher und störungsfrei in den Sammeltank gelangen
können. Bei der angegriffenen Anlage geschieht das dadurch, dass die Transportrinne
einen wesentlich größeren Querschnitt aufweist als die geschlossenen Rohrleitungen
und mit einem Gefälle von etwa 1 % verläuft.
122
bb) Diese Ausgestaltung verwirklicht die Lehre des Merkmals 3.1 auch nicht mit
patentrechtlich äquivalenten Mitteln.
123
Bei einer vom Sinngehalt der Patentansprüche abweichenden Ausführung kann eine
Benutzung der unter Schutz stehenden Erfindung vorliegen, wenn der Fachmann
aufgrund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen unter Schutz
gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform
eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als zur Lösung des
der Erfindung zugrunde liegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte. Dabei
fordert es das gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen
Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der Rechtssicherheit, dass der
durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patentansprüche nicht nur den
Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des
Schutzbereichs bildet; die Bestimmung des Schutzbereiches hat sich an den
Patentansprüchen auszurichten. Für die Zugehörigkeit einer vom Wortsinn des
Patentanspruches abweichenden Ausführung zum Schutzbereich ist es erforderlich,
dass die angegriffene Ausführungsform das der Erfindung zugrunde liegende Problem
mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst und dass der
Fachmann die Abwandlung aufgrund seiner Fachkenntnisse am Prioritätstag aufgrund
am Inhalt der Patentansprüche orientierter Überlegungen als gleichwirkendes Mittel
auffinden konnte. Diese Überlegungen müssen derart an Sinngehalt der im
Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein, dass der
Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der
gegenständlichen Gleichwertige in Betracht zieht (BGH GRUR 2002, 511, 512 –
Kunststoffrohrteil, m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht
erfüllt.
124
Es fehlt schon an einer objektiv gleichwirkenden Abwandlung. Das in Merkmal 3.1
geforderte vom Einlaufhochbehälter bis zum Sammeltank reichende geschlossene
Rohrleitungssystem ist bei der Oberutzendorfer Anlage auf der Distanz zwischen dem
Ende des Produktionsbereichs und dem Sammeltank ersetzt worden durch eine etwa 50
m lange Transportrinne, die, obwohl sie unter der Kellerdecke verläuft, offen ausgebildet
ist. Diese Transportrinne kann die erfindungsgemäß bezweckte Wirkung eines
geschlossenen Leitungssystems nicht erzielen. Weil sie offen ausgebildet ist, ist sie
stets drucklos; der in dem vorausgegangenen geschlossenen Abschnitt erzeugte
Unterdruck kann sich hier nicht fortsetzen, so dass auch die im geschlossenen Abschnitt
erreichte und zur Selbstreinigung notwendige hohe Strömungsgeschwindigkeit nicht
aufrecht erhalten werden kann. Um das Medium dennoch auch mit dem im
diskontinuierlichen Betrieb anfallenden großen Mengen überlaufsicher aufnehmen und
mit einer ausreichenden Geschwindigkeit weiter transportieren zu können, müssen
zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, nämlich ein im Vergleich zu den Rohren des
geschlossenen Systems wesentlich größerer Querschnitt und ein entsprechendes
Gefälle. Beides will das Klagepatent gerade vermeiden. Aus der Sicht der unter Schutz
gestellten Erfindung werden damit Vorteile preisgegeben, die das Klagepatent gerade
als bedeutsam hervorhebt, wie etwa der durch die geschlossene Ausbildung mögliche
geringere Leitungsquerschnitt und die hierdurch erzielte Kosten- und Raumersparnis
(vgl. Klagepatentschrift, Spalte 2, Zeilen 10 bis 13); letzteres wird daran deutlich, dass
die Transportrinne aufgrund ihres relativ flachen Gefälles von 1% auf der langen Strecke
von 50 m nur einen Höhenunterschied von 0,5 m überwindet.
125
Eine solche teilweise offene Ausbildung konnte der Fachmann am Prioritätstag auch
nicht mit Hilfe seiner Fachkenntnisse aufgrund an den Patentansprüchen ausgerichteter
Überlegungen als zur Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe einem vollständig
geschlossenen Rohrleitungssystem gleichwirkendes und vor allem gleichwertiges auf
der Linie der unter Schutz gestellten Erfindung liegendes Mittel auffinden. Dem stehen
nicht nur die vorerwähnten zusätzlichen Maßnahmen entgegen, die zur
überlaufsicheren Weiterleitung des Mediums getroffen werden müssen, sondern auch
der Umstand, dass eine nur drucklos passierbare Strecke aus der Sicht der unter Schutz
gestellten Erfindung insbesondere keine ausreichende Selbstreinigung gewährleistet
und damit gerechnet werden muss, dass von Zeit zu Zeit besondere
Reinigungsmaßnahmen erforderlich werden oder ein entsprechendes, dann aber viel
Platz beanspruchendes Gefälle vorgesehen werden muss. Dafür, dass aus der Sicht
des angesprochenen Durchschnittsfachmannes zu erwarten war, auch die
Transportrinne der angegriffenen Anlage müsse zusätzlichen Reinigungsmaßnahmen
unterzogen werden, spricht nicht zuletzt der Umstand, dass das Gefälle der
Transportrinne, das nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin in der mündlichen
Verhandlung im Berufungsverfahren etwa 1 % beträgt, ebenso groß ist wie dasjenige in
der geschlossenen "Freispiegelleitung" innerhalb des Produktionsbereiches, dort aber
bei konventioneller Betriebsweise eine Reinigung notwendig ist. Aber selbst wenn man
zugunsten der Klägerin davon ausgeht, dass die bei der diskontinuierlichen
Betriebsweise abgelassenen Fluidmengen aufgrund ihres Strömungsvolumens die
mitgeführten Feststoffpartikel mit sich fortreißen können, ist eine entsprechend groß
dimensionierte Rinne im Hinblick auf den dafür benötigten Platz und die fortbestehende
Überlaufgefahr nicht nur ein die Linie der unter Schutz gestellten technischen Lehre
verlassendes Mittel, sondern, da gerade diese Auswirkungen erfindungsgemäß
vermieden werden sollen, sogar eine Lösung, die von der unter Schutz gestellten
Erfindung wegführt.
126
Dem steht auch nicht entgegen, dass die in der Klagepatentschrift an einer Verwendung
offener Rinnen geübte Kritik sich in erster Linie auf offen im Boden von Werkshallen
verlaufende Rinnen bezieht, während die Transportrinne der angegriffenen Anlage
unterhalb der Kellerdecke verläuft und durch diese nach oben abgedeckt ist, und dass
die Kritik am Stand der Technik hauptsächlich den Produktionsbereich betrifft, wo offene
Rinnen besonders nachteilig sind, während die Transportrinne der angegriffenen
Anlage außerhalb dieses Bereiches liegt und in ihrem Erstreckungsbereich keine
Werkzeugmaschinen aufgestellt sind, bei deren Umstellung die Transportrinne stören
könnte. Diese Umstände ändern nichts an dem erheblichen Platzbedarf der
Transportrinne und ihrer offenen Ausbildung. Im Hinblick auf die große Länge der
Transportrinne von 50 m kann auch nicht entscheidend darauf abgestellt werden, der
erfindungsgemäß angestrebte Erfolg werde wegen seiner Verwirklichung im
Produktionsbereich gerade dort erreicht, wo es besonders wichtig sei, und
demgegenüber sei die vom Medium in einer offenen Gerinnestrecke zu passierende
Entfernung vernachlässigbar kurz. Auch darauf, ob diese Rinne bei der Errichtung der
angegriffenen Anlage schon bauseits vorhanden war oder ob sie mit installiert worden
ist, kann es entgegen der Ansicht der Klägerin nicht ankommen. Unter diesen
Umständen ist es auch ein Gebot der Rechtssicherheit, dass Dritte sich angesichts der
hier gegebenen Formulierung der Patentansprüche darauf verlassen können müssen,
nicht wegen einer Anlage in Anspruch genommen zu werden, die abweichend von der
Vorgabe eines bis zum Sammeltank reichenden geschlossenen Rohrleitungssystems
abweicht und über eine Strecke von 50 m anstelle einer geschlossenen Leitung eine
offene Rinne benutzt.
127
b) Aus diesen vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass auch der
Vorrichtungsanspruch 4 nicht erfüllt wird.
128
C.
129
Aus den vorstehenden Ausführungen zu B.1 folgt, dass die angegriffene
Ausführungsform I das Klagepatent im Umfang seines Verfahrensanspruches 1 mittelbar
verletzt; da sie das erfindungsgemäße Verfahren ausüben kann, ist sie ein Mittel im
Sinne des § 10 Abs. 1 PatG, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung
bezieht. Auch die subjektiven Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung liegen
vor. Nach der Lebenserfahrung kann davon ausgegangen werden, dass der Benutzer
die Anlage jedenfalls intermittierend von Zeit zu Zeit nach dem in Anspruch 1 unter
Schutz gestellten Verfahren betreiben wird. Die Anlage muss gereinigt werden, verfügt
aber über keine besondere Spülvorrichtungen. Will der Benutzer die Anlage patentfrei
einsetzen, muss er solche besonderen Vorrichtungen zur Reinigung zusätzlich
installieren lassen. Verzichtet er auf diesen Installationsaufwand, kann er sie nur dann
patentfrei benutzen, wenn er das zu entsorgende Medium vollständig aus der Anlage
ablässt und sie stattdessen in der diskontinuierlichen Arbeitsweise mit einem
Reinigungsmittel befüllt und sodann den Spülvorgang durchführt. Wegen des damit
verbundenen Betriebsaufwandes und der Notwendigkeit, die Anlage zur Reinigung
stillzusetzen kann nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass dies
kein Benutzer tun wird. Es ist vielmehr anzunehmen, dass der Benutzer die Anlage so
einsetzt, wie sie ihm geliefert worden ist, das Medium in der Anlage belässt und auch
zum Spülen benutzt, zumal sie bei dieser Betriebsweise keinerlei Veränderungen
bedarf. Es erscheint die Annahme gerechtfertigt, dass auch die Beklagten, die die
angegriffene Anlage in diesem Zustand geliefert haben, davon ausgehen, dass der
Betreiber sie auf die von ihnen vorgesehene – patentverletzende – Weise zur Reinigung
130
betreiben wird.
D.
131
Dass die Beklagten im Hinblick auf die Ausführungsform I zur Unterlassung, zur
Rechnungslegung und zum Schadenersatz verpflichtet sind, ergibt sich aus den
zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil, auf die der Senat
zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt. Obwohl die Anlage auch nach dem
Stand der Technik ohne Ausnutzung eines geodätischen Gefälles betrieben werden
kann, muss deren Vertrieb uneingeschränkt untersagt werden. Nach der
Lebenserfahrung kann aus den vorstehend zu C. dargelegten Gründen davon
ausgegangen werden, dass der Benutzer die Anlage jedenfalls intermittierend von Zeit
zu Zeit nach dem in Anspruch 1 unter Schutz gestellten Verfahren betreiben wird.
132
E.
133
Zu einer Aussetzung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens
besteht keine Veranlassung, denn die Berufung der Beklagten zu 1. gegen das
Nichtigkeitsurteil des Bundespatentgerichts ist noch nicht begründet worden, so dass
sich auch die Erfolgsaussichten dieser Berufung derzeit noch nicht abschätzen lassen.
134
E.
135
Entsprechend den Unterliegensanteilen beider Parteien sind die Kosten des
Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben worden. Es bestand keine Veranlassung, der
Klägerin einen zusätzlichen Teil der Kosten des Rechtsstreits dafür aufzuerlegen, dass
sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht das Wort "kontinuierlich" aus
dem Klageantrag gestrichen hat. Wie ihr Vorbringen zeigt, hat sie stets dieselben
Anlagen angegriffen und dies auch nur in Bezug auf deren diskontinuierliche
Betriebsweise. Unter diesen Umständen liegt in der Streichung des Wortes
"kontinuierlich" nur eine Anpassung der Anträge an die angegriffenen Gegenstände und
keine teilweise Klagerücknahme.
136
Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10,
711, 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
137
Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die Voraussetzungen des §
543 ZPO n.F. liegen ersichtlich nicht vor. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Sache
weder grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine
Entscheidung des Revisionsgerichts i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
138
R1 R2 Dr. R3
139