Urteil des OLG Dresden vom 29.03.2017

OLG Dresden: grundstück, gesellschafter, zwangsverwaltung, mietvertrag, anfechtung, nutzungsrecht, zahlungsunfähigkeit, eigenkapital, unentgeltlich, kündigung

Leitsatz:
1. Der Gesellschafter, der seiner GmbH in der Krise eigenes
Grundeigentum kostenlos zur Nutzung überlässt, darf der
Gesellschaft diese kostenlose Nutzung in der Krise nicht
entziehen.
2. Einer solchen Entziehung steht es aber nicht gleich, wenn
der Zwangsverwalter dieses Grundstücks den Mietvertrag
kündigt, den der Gesellschafter mit der Gesellschaft ge-
schlossen hatte. Die GmbH darf nicht besser gestellt wer-
den, als wenn der Gesellschafter das mit Grundpfandrech-
ten bereits belastete Grundstück nicht nur kostenlos zur
Nutzung überlassen, sondern der GmbH übereignet hätte.
Vorschriften: § 32 a GmbHG
§§ 30 ff. GmbHG
Suchbegriffe: Insolvenz
Kapitalersatz
kostenlose Nutzung
Krise
Zwangsverwalter
2
³ ³
³ ³
³ ³
³ ³
Oberlandesgericht
³ ³
³ ³
Dresden
³ ³
³ ³
Aktenzeichen: 11 U 2032/01
6-O-3208/00 LG Dresden
Verkündet am 10.07.2002
Die Urkundsbeamtin:
Justizobersekretärin
IM
URTEIL
In dem Rechtsstreit
RA als Insolvenzverwalter über das Vermögen der
GmbH,
,
01219 Dresden
- Kläger, Berufungskläger, Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte , &
Partner,
,
01219 Dresden
gegen
1. ,
,
01217 Dresden
2. ,
,
01277 Dresden
3. ,
,
01277 Dresden
3
4. ,
,
01237 Dresden
- Beklagte, Berufungsbeklagte, Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigter zu 1) bis 4): Rechtsanwalt
,
,
01187 Dresden
wegen Forderung
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden auf-
grund der mündlichen Verhandlung vom 12.06.2002 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ,
Richter am Oberlandesgericht und
Richter am Amtsgericht
für Recht erkannt:
I.
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das
Urteil des Landgerichts Dresden vom 12.07.2001 werden
zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 88 %,
die Beklagten tragen sie zu 12 %.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung des Klägers
und der Beklagten in Höhe von 120 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Sicherheit kann auch durch eine schriftliche, selbst-
schuldnerische, unbefristete und unwiderrufliche Bürg-
schaft einer als Zoll- oder Steuerbürgen zugelassenen
Bank oder Sparkasse mit Sitz in der Europäischen Union
erbracht werden.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Streitwert zweiter Instanz: 176.906,99 EUR.
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T a t b e s t a n d :
Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen
der GmbH gegenüber den Beklagten zu 1)
bis 4) als Miteigentümer des Grundstücks
in Dresden Ansprüche aus der eigenkapitalersetzenden Nut-
zungsüberlassung von Gewerberäumen geltend.
Die Gemeinschuldnerin, die GmbH, wurde
mit Urkunde des Notars in Dresden am
28.11.1990 durch die Beklagten und die Treuhand gegründet.
Nachdem zunächst die Treuhand ihren Geschäftsanteil zu glei-
chen Teilen an die Beklagten abgetreten hatte, traten die
Beklagten zu 3) und 4) mit notariellem Vertrag vom
20.01.1998 ihre Geschäftsanteile in Höhe von jeweils
50.000,00 DM an die Beklagten zu 1) und 2) ab. Zur Aufnahme
der Geschäftstätigkeit mietete die Gemeinschuldnerin mit
Vertrag vom 01.10.1990 von den Beklagten das zu je 1/4 in
ihrem Miteigentum stehende Grundstück in
Dresden. Der für drei Jahre abgeschlossene Mietvertrag sieht
bei nicht rechtzeitiger Kündigung eine Vertragsverlängerung
um weitere zwei Jahre vor.
Zwischen dem 30.01.1992 und dem 30.06.1993 wurde das Grund-
stück mit Grundpfandrechten über insgesamt
1.195.000,00 DM (Stand: 30.06.1993, Anlage K 14, Bl. 121 d.
A.) belastet.
Mit Beschluss vom 30.03.2000 ordnete das Amtsgericht Dresden
aufgrund dieser dinglich gesicherten Forderungen die Zwangs-
verwaltung gegen die Gemeinschuldnerin an.
Am 04.06.1999 erhielten die Beklagten auf die Mietforderung
von der Schuldnerin einen Betrag in Höhe von 40.000,00 DM.
Am 01.07.1999 stellte der Beklagte zu 1) Antrag auf Eröff-
nung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Das
Amtsgericht Dresden hat dann mit Beschluss vom 30.07.1999 -
Az.: 532 IN 1707/99 - das Insolvenzverfahren über das Vermö-
gen der Schuldnerin eröffnet und den Kläger als Insolvenz-
verwalter bestellt.
Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfah-
rens belief sich die Überschuldung der Gemeinschuldnerin
ausweislich der Eröffnungsbilanz auf 6.446.694,30 DM.
Nachdem der Zwangsverwalter den Kläger mit Schreiben vom
25.04.2000 zur Zahlung des monatlichen Mietzinses in Höhe
von 18.000,00 DM, beginnend ab Mai 2000, aufgefordert hatte,
erklärte der Kläger mit Schreiben vom 04.05.2000 die Kündi-
gung des Mietvertrages bis zum 31.12.2000.
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Eine Mietzinszahlung für das Grundstück
erfolgte, mit Ausnahme der einmaligen Zahlung in Höhe von
40.000,00 DM am 04.06.99, vom Abschluss des Mietvertrages
bis zum heutigen Tage nicht.
Der Kläger hat zuletzt im ersten Rechtszug beantragt,
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn
346.000,00 DM nebst 4 % Zinsen aus 306.000,00 DM seit dem
14.06.2000 sowie aus 40.000,00 DM seit dem 11.10.2000 zu
zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Durch das den Parteien am 20.07.2001 zugestellte Urteil vom
12.07.2001, auf das hiermit zur näheren Sachdarstellung Be-
zug genommen wird, hat das Landgericht der Klage in Höhe des
Teilbetrages von 40.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem
11.10.2000 stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen.
Hiergegen richten sich die am 17.08.2001 (Kläger) bzw.
20.08.2001 (Beklagte) eingelegten und mittels der am
11.09.2001 (Kläger) bzw. 20.09.2001 (Beklagte) begründeten
Berufungen beider Parteien.
Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass die Beklagten
zum Schadensersatz gegenüber der Gemeinschuldnerin ver-
pflichtet sind, da sie die Nutzungsmöglichkeiten des Grund-
stücks nebst der dort vorhandenen Gebäude
und baulichen Anlagen vereitelt hätten.
Durch die jedenfalls am 31.12.1997 eingetretene Überschul-
dung
habe
die
Überlassung
der
Räumlichkeiten
eigenkapitalersetzenden Charakter angenom-
men. Die Beklagten seien deshalb zur weiteren unentgeltli-
chen Überlassung des Grundstücks verpflichtet.
Dieses gelte auch für die Beklagten zu 3) und 4). Die Über-
schuldung der Gemeinschuldnerin habe bereits vor ihrem Aus-
scheiden aus der Gemeinschuldnerin und der Übertragung ihrer
Geschäftsanteile an die Beklagten zu 1) und 2) vorgelegen.
Dass die Beklagten zu 3) und 4) trotz ihres Ausscheidens aus
der Gesellschaft weiterhin auf Mietforderungen hätten ver-
zichten wollen, ergäbe sich daraus, dass sie zu keinem Zeit-
punkt Mietzinsforderungen an die Gemeinschuldnerin gestellt
hätten. Die buchmäßig bestehenden Verbindlichkeiten gegen-
über den Gesellschaftern sei in der Bilanz vom 31.12.1998
ausgebucht worden.
Die aufgrund des Beschlagnahmebeschlusses über das Grund-
stück vom 30.03.2000 eingetretene Unmög-
lichkeit der Grundstücksnutzung zu Gunsten der Gemeinschuld-
6
nerin bzw. ihrer Masse falle in die Sphäre der Beklagten als
Gesellschafter bzw. ehemalige Gesellschafter und stelle eine
zum Schadensersatz verpflichtende Rechtshandlung dar.
Die
am
04.06.1999
geleistete
Zahlung
in
Höhe
von
40.000,00 DM unterliege aufgrund der eigenkapitalersetzenden
Funktion der Gebrauchsüberlassung der Anfechtung gemäß § 135
Nr. 2 InsO.
Die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin ergebe sich
daraus, dass der Geschäftsführer der Schuldnerin am
01.07.1999 gegenüber dem Amtsgericht Dresden in seiner Anhö-
rung die fälligen Verbindlichkeiten der Schuldnerin auf
2,3 Mio DM beziffert habe und bereits teilweise seit April
1999 nicht mehr beglichen worden seien.
Des weiteren folge die Zahlungsunfähigkeit auch aus dem vom
Antragsgegner vorgelegten Vermögensstatus zum 31.03.1999,
der fällige Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung in
Höhe von 1.477.000,00 DM ausweise, gegenüber liquiden Mit-
teln in Höhe von 162.000,00 DM.
Eine objektive Gläubigerbenachteiligung ergebe sich daraus,
dass einer verwalteten Masse von 505.294,53 DM bereits ein-
gestellte Forderungen in Höhe von 2.090.820,00 DM gegenüber-
gestanden hätten.
Der Kläger beantragt nunmehr,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Dresden vom
12.07.2001, Az.: 6 O 3208/00, die Beklagten gesamtschuld-
nerisch zu verurteilen, weitere 306.000,00 DM nebst 4 %
Zinsen hieraus seit dem 14.06.2000 an den Kläger zu zah-
len.
Die Beklagten beantragen,
unter Abänderung des am 12.07.2001 verkündeten Urteils
des Landgerichts Dresden, Az.: 6 O 3208/00, das Urteil
insoweit aufzuheben und die Klage abzuweisen, als die Be-
klagten zur Zahlung verurteilt wurden.
Die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung lägen nicht vor.
Voraussetzung sei eine mögliche Benachteiligung anderer In-
solvenzgläubiger, für die der Kläger nicht vorgetragen habe.
Zur Ergänzung des Tatbestandes und wegen der weiteren Ein-
zelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schrift-
sätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsnieder-
schriften Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I.
Die Berufungen beider Parteien sind zulässig, aber nicht be-
gründet.
Der Kläger hat gegenüber den Beklagten keinen Schadenser-
satzanspruch aufgrund der Entziehung seines Nutzungsrechts
an dem Grundstück und den dort vorhandenen
Räumlichkeiten gemäß den §§ 30, 31 GmbHG in Höhe von
306.000,00 DM.
1. eigenkapitalersetzender Charakter:
a) Krise:
Der Senat geht zwar davon aus, dass die mietweise Ü-
berlassung der dem Geschäftsbetrieb der Gemeinschuld-
nerin dienenden Räumlichkeiten durch
die Beklagten zu 1) bis 4) an die Gemeinschuldnerin
zum Zeitpunkt der Krise der Gesellschaft eigenkapital-
ersetzenden Charakter angenommen hat.
Ob, wie seitens des Klägers behauptet, eine Krise der
Gesellschaft bereits am 31.12.1997 eingetreten war, d.
h. die Gesellschaft nicht nur rechnerisch überschuldet
war, sondern auch eine negative Überlebens- oder Fort-
bestehensprognose bestand (BGHZ 119, 201), kann ebenso
dahinstehen, wie die Frage, ob die Gebrauchsüberlas-
sung auch seitens der Beklagten zu 3) und 4) bereits
den Eigenkapitalersatzregeln der §§ 30 ff. GmbHG un-
terliegt, da diese Leistung bereits vor ihrem Aus-
scheiden aus der Gemeinschuldnerin (auch) auf Krisen-
finanzierung angelegt war (BGH ZIP 1997, 169).
Käme ein Anspruch des Klägers auf Wertersatz gemäß den
§§ 30, 31 GmbHG grundsätzlich in Betracht, wäre diesen
Fragen im einzelnen nachzugehen gewesen, da die Be-
klagten zu 3) und 4) bereits am 20.01.1998 ihre Ge-
schäftsanteile an die Beklagten zu 1) und 2) abgetre-
ten haben (Anlage K 5, Bl. 35 d. A.).
Nachdem die Gesellschaft am 31.12.1998 einen nicht
durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von
769.319,20 DM aufwies, geht der Senat davon aus, dass
sich die Gemeinschuldnerin jedenfalls zu diesem Zeit-
punkt in einer wirtschaftlichen Krise befand.
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b) Gebrauchsüberlassung
Die
mietweise
Überlassung
der
Räumlichkeiten
unterliegt den Regeln der eigenkapi-
talersetzenden Nutzung (BGH, zuletzt in Lagergrund-
stück V, BGH ZIP 2000, 1491). Die Gesellschafter haben
der Gemeinschuldnerin durch Mietvertrag vom 01.10.1990
(Anlage K 11, Bl. 111 d. A.) das Grundstück überlassen
und ihr die Nutzungsmöglichkeit auch nach Eintritt der
Krise nicht entzogen. Es kommt in diesem Zusammenhang
nicht darauf an, ob, wie hier, die Gebrauchsüberlas-
sung vor Eintritt der Krise bereits unentgeltlich er-
folgte. Wird die Gebrauchsüberlassung durch Stehenlas-
sen in funktionales Eigenkapital umqualifiziert, wird
hierdurch der Rechtscharakter des Nutzungsverhältnis-
ses nicht verändert. Lediglich für die Dauer der Krise
ist es dem vermietenden oder verpachtenden Gesell-
schafter verwehrt, den vereinbarten Miet- oder Pacht-
zins zu fordern. Nach Überwindung der Krise ist dieses
wieder möglich (BGH in ZIP 1996, 538, 540).
2. Entstehung von Ersatzansprüchen gegenüber den Beklagten
aufgrund der die eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlas-
sung beendenden Anordnung der Zwangsverwaltung über das
Grundstück :
a) Die Wirkung der eigenkapitalersetzenden Gebrauchsüber-
lassung endet mit Wirksamwerden des im Wege der
Zwangsverwaltung erlassenen Beschlagnahmebeschlusses
über das Grundstück am 30.03.2000, ohne dass es eines
weiteren Tätigwerdens des Zwangsverwalters bedarf, da
das überlassene Grundstück mit einem Grundpfandrecht
belastet ist (BGH MDR 1999, 304).
b) Der Bundesgerichtshof (a.a.O.) gewinnt diesen Aus-
gleich zwischen den Interessen der durch ein Grund-
pfandrecht gesicherten Gläubiger des Eigentümers, die
ihm mit Rücksicht auf das ihnen eingeräumte dingliche
Recht Kredit eingeräumt haben und den Gläubigern der
Gesellschaft aus den §§ 1123, 1124 BGB i.V.m. §§ 148,
152 Abs. 2 ZVG. Hierauf hat der Senat bereits in einer
Parallelentscheidung (11 U 2463/01) hingewiesen. So
bildet die von den Grundpfandrechtsgläubigern bewirkte
Beschlagnahme gemäß den §§ 146 ff. ZVG i.V.m. §§ 1123
Abs. 2 Satz 2, 1124 Abs. 2 BGB die Zäsur, von der ab
dem Interesse des dinglichen Gläubigers an einer Rea-
lisierung seines Sicherungsrechts der Vorrang vor den
gegenläufigen Interessen des Schuldners nach selbstän-
diger Bewirtschaftung und Nutzung des Grundstücks ein-
geräumt wird. Der Bundesgerichtshof wendet die Rege-
lung auch auf den Fall an, in dem eine Gebrauchsüber-
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lassung durch Stehenlassen in funktionales Eigenkapi-
tal umqualifiziert wird, da hierdurch der Rechtscha-
rakter des Nutzungsverhältnisses nicht geändert werde.
Es bleibe lediglich für die Dauer der Krise dem ver-
mietenden oder verpachtenden Gesellschafter verwehrt,
den vereinbarten Miet- oder Pachtzins zu fordern (BGH
ZIP 1996, 538, 540). Nach Überwindung der Krise ist
dieses wieder möglich, soweit das zur Deckung des
Stammkapitals
erforderliche
Gesellschaftsvermögen
nicht angegriffen wird.
3. Entsprechende Anwendung der Regeln über Leistungsstörun-
gen bei Sacheinlagen:
Wird der Gesellschaft ein ihr eingeräumtes Nutzungsrecht
später gegen ihren Willen entzogen, obwohl es ihr nach
den Kapitalersetzungsregeln hätte belassen werden müssen,
ist
der
verbrauchte
Wert
der
Nutzung
in
Geld
auszugleichen,
wenn
eine
Zurückschaffung
der
dem
Nutzungsrecht
unterliegenden
Gegenstände
nicht
mehr
möglich ist. Dieser Wert bemisst sich nach objektiven
Maßstäben
und
unter
Berücksichtigung
der
Restnutzungsdauer (BGH MDR 1994, 1098).
Die Gesellschafter müssen hier grundsätzlich nur die Nut-
zung des der Gemeinschuldnerin zur Verfügung gestellten
Grundstücks bzw. der Räumlichkeiten dulden. Das Risiko
der tatsächlichen Verwertungsmöglichkeiten, insbesondere
der Vermietbarkeit zu einem im Mietvertrag ursprünglich
vorgesehenen Mietzins tragen die Gläubiger der Gemein-
schuldnerin (BGH ZIP 1994, 1261, 1266).
Der Senat ist, wie in einem vergleichbaren Fall (11 U
2463/01), davon überzeugt, dass eine Situation, in der
die Gesellschaft (Gemeinschuldnerin) das ihr eingeräumte
Nutzungsrecht im Sinne eines auszugleichenden Wertersat-
zes verloren hat, nicht vorliegt. Die eigenkapitalerset-
zende Gebrauchsüberlassung des Grundstücks und der Räum-
lichkeiten an die Gemeinschuldnerin er-
folgte frühestens zum 31.12.1997, d. h. zu einem Zeit-
punkt, zu dem das Grundstück bereits mit Grundpfandrech-
ten über insgesamt 1.155.000,00 DM (Stand: 30.06.1993,
Anlage K 14, Bl. 121 d. A.) belastet war. Hätten die Ge-
sellschafter (Beklagten) der Gemeinschuldnerin nicht nur
die Gewerberäume unentgeltlich überlassen, sondern ihr
das Grundstück zum Eigentum übertragen, könnte sie bei
einer Verwertung des Grundstücks durch die Grundpfand-
gläubiger im Wege der Zwangsverwaltung keinen Wertersatz
realisieren.
Die
"schwächere,
bloß
unentgeltliche"
Gebrauchsüberlassung kann sie nicht besser stellen.
Der Kläger hat nicht erläutert, dass im Fall einer hypo-
thetischen Eigentümerstellung der Gemeinschuldnerin an
dem Grundstück unter Berücksichtigung der Grundpfandrech-
10
te im Falle der Verwertung noch ein Erlös für die Gemein-
schuldnerin übrig geblieben wäre.
Im Gegensatz zur Sacheinlageverpflichtung, für deren
Werthaltigkeit der Gesellschafter haftungsrechtlich ein-
zustehen hat, verpflichtet die eigenkapitalersetzende Ge-
sellschafterleistung nicht zur Zuführung neuer Eigenmit-
tel. Sie begründet lediglich für die Dauer der Krise ein
Abzugsverbot der ihr tatsächlich zur Verfügung gestellten
Mittel. Damit wird verhindert, dass der Gesellschafter
das zusätzlich aus einer Entscheidung für die Fortsetzung
der nicht mehr lebensfähigen Gesellschaft aus eigener
Kraft folgende Risiko auf deren Gläubiger abwälzt. Die
Eigenkapitalersatzregeln führen also nicht die Rechtsfol-
gen einer unterlassenen Finanzierung der Gesellschaft
herbei; sie dienen lediglich der Umqualifizierung einer
tatsächlich durchgeführten zusätzlichen Finanzierung der
Gesellschaft (BGH ZIP 1994, 1441 (1443)).
Die der Gemeinschuldnerin nach den Eigenkapitalersatzre-
geln
gewährte
Gebrauchsüberlassung
des
Grundstücks
war bereits zum Zeitpunkt ihrer als ei-
genkapitalersetzend anzusehenden Überlassung an die Ge-
meinschuldnerin mit den im einzelnen im Beschlagnahmebe-
schluss aufgeführten Grundpfandrechten belastet; d. h.
auch der Wert dieser Gebrauchsüberlassung war bereits mit
dem Risiko einer späteren Zwangsverwaltung behaftet.
Wäre eine derartige Besitzüberlassung im Rahmen einer Ge-
sellschaftsgründung bzw. Kapitalerhöhung eingebracht wor-
den, wäre das besondere Risiko einer bereits vorliegenden
grundbuchrechtlichen Belastung ebenfalls in die Bewertung
der Sacheinlage eingeflossen.
Zwar hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung (ZIP
1994, 1261 (1264)) darauf hingewiesen, dass der die Fort-
führung des Unternehmens ermöglichende Wert der eigenka-
pitalersetzenden Gesellschafterleistung nicht nur darin
liege, dass der Gesellschaft die Nutzungsmöglichkeit kos-
tenlos, sondern darin, dass sie ihr überhaupt gewährt
wird. Insoweit sei der Wert der eigenkapitalersetzenden
Nutzung nicht das ersparte Nutzungsentgelt, sondern die
Gewährung der Nutzung überhaupt. Vertraglich vereinbarte
zeitliche Begrenzungen seien nur insoweit zu berücksich-
tigen, als sie ernst gemeint seien und nicht ihrerseits
gegen die Kapitalersatzgrundsätze verstoßen würden.
So verhält es sich hier jedoch nicht. Der der Gebrauchs-
überlassung des Grundstücks durch die
Beklagten an die Gemeinschuldnerin zugrunde liegende
Mietvertrag enthält keine ihrerseits gegen die Kapitaler-
satzgrundsätze verstoßenden Regelungen. Das Risiko, dass
ein Grundpfandrechtsgläubiger des der Gemeinschuldnerin
zum Gebrauch überlassenen Grundstücks im Wege der Zwangs-
verwaltung eine weitere unentgeltliche Nutzung vereiteln
11
würde, bestand schon zum Zeitpunkt der eigenkapitalerset-
zenden Nutzungsüberlassung.
Dieses Risiko ist mithin bereits Gegenstand der - von
vornherein eingeschränkten - Nutzungsmöglichkeit. Es han-
delt sich um eine bereits vorhandene Begrenzung der Nut-
zungsgewährung, nicht um eine solche, die erst vertrag-
lich für den Fall der Insolvenz der Gesellschaft vorgese-
hen war.
II.
Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Rück-
zahlung in Höhe von 40.000,00 DM gemäß den §§ 143 InsO
i.V.m. 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO.
Der Senat vertritt in dieser in Rechtsprechung und Literatur
umstrittenen Frage (LG Stralsund, Az.: 6 O 342/99; LG Dres-
den, Az.: 8 S 0375/01; OLG Dresden, Az.: 13 W 1650/00, DZBIR
2001, 380-382) die Auffassung, dass eine Benachteilung der
Insolvenzgläubiger auch dann in Betracht kommen kann, wenn
die durch die Anfechtung erzielte Massenmehrung nicht für
die Befriedigung der Insolvenzgläubiger ausreicht. Die An-
fechtung soll vorrangig gläubigerschädigende Rechtshandlun-
gen rückgängig machen und potentielle Befriedigungsaussich-
ten der Insolvenzgläubiger verbessern. Hierzu genügt es,
dass die Anfechtung der gläubigerschädigenden Handlung je-
denfalls die Grundlage für eine Verbesserung der Situation
der Insolvenzgläubiger darstellt. Es ist danach nicht erfor-
derlich, dass während der gesamten Zeit der Durchsetzung des
Anfechtungsrechts auch eine faktische Befriedigung des In-
solvenzgläubigers in Betracht kommt (vgl. LG Hamburg, ZIP
2001, 711 ff. mit Anm. Gerhard Hape, ZIP 2001, 901 ff.).
Die übrigen Voraussetzungen der Anfechtung hat das Landge-
richt zu Recht bejaht.
Die Zinsforderung beruht auf § 291 BGB. Mit Eingang des
Schriftsatzes vom 09.10.2000 ist der Rückzahlungsanspruch in
Höhe von 40.000,00 DM rechtshängig.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat
ihre gesetzliche Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert
die Rechtsfortbildung die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung einer Revisionsentscheidung. Die Streit ent-
scheidende Frage des Zusammentreffens von Zwangsverwaltung
und eigenkapitalersetzender Nutzungsüberlassung ist nach
12
Auffassung des Senats höchstrichterlich hinreichend geklärt.
Die Frage, was als Gegenstand der eigenkapitalersetzenden
Nutzungsüberlassung im Insolvenzfall der Gemeinschuldnerin
weiter zu gewähren ist, ist Frage des jeweiligen Einzelfal-
les, d. h. einer einheitlichen Betrachtung nicht zugänglich.