Urteil des OLG Dresden vom 15.03.2017

OLG Dresden: bewährung, vollstreckung, aussetzung, abgabe, strafrecht, rechtsmittelbelehrung, meinung, hof, sanktion

Az. 2 Ws 431/00
Leitsatz:
1.
Die Übertragung der Vollstreckungszuständigkeit für eine
Jugendstrafe auf die Staatsanwaltschaft gemäß § 85 Abs. 6
JGG läßt den materiell-rechtlichen Charakter der Sanktion
als Jugendstrafe unberührt. Die sachlichen Voraussetzun-
gen für eine Aussetzung zur Bewährung richtet sich wei-
terhin nach § 88 JGG.
2.
Nach wirksamer Übertragung der Vollstreckungszuständig-
keit für eine Jugendstrafe auf die Staatsanwaltschaft ge-
mäß § 85 Abs. 6 JGG findet die Regelung des § 89 a Abs. 1
Satz 4 JGG keine Anwendung mehr. Diese ausschließlich
verfahrensrechtliche Norm wird durch die Vorschriften des
allgemeinen Erwachsenenverfahrensrechts ersetzt.
Oberlandesgericht
Dresden
2. Strafsenat
Aktenzeichen: 2 Ws 431/00
II StVK 252/00 LG Leipzig - StVK Döbeln
31 VRs 9646/94 StA Hof
1 VRs 656 Js 4185/96/StA Zwickau
1 VRs 644 Js 20934/93/StA Zwickau
Ws-G 482/00 S StA OLG Dresden
Beschluss
vom 11. August 2000
in der Strafvollstreckungssache gegen
geboren am
zurzeit in der Justizvollzugsanstalt Waldheim
Verteidigerin: Rechtsanwältin XXXXXXXXXXX
wegen Betruges u. a.
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den
Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer
Döbeln des Landgerichts Leipzig vom 21.06.2000 wird
als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines erfolg-
losen Rechtsmittels.
G r ü n d e :
I.
Die Strafvollstreckungskammer Döbeln des Landgerichts Leipzig
hat am 21.06.2000 abgelehnt, die Vollstreckung der jeweiligen
Strafreste
- 2 –
a) der Jugendstrafe von einem Jahr zehn Monaten aus dem Ur-
teil des Amtsgerichts Plauen vom 12. Juli 1994 (Ls 644 Js
20934/93),
b) der Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten aus dem Be-
schluss des Amtsgerichts Wunsiedel vom 18. Juni 1998 (4 Ds
31 Js 9646/94),
c) der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren drei Monaten aus
dem Beschluss des Amtsgerichts Plauen vom 26. Februar 1998
(5 Ls 656 Js 4185/96),
und
d) der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr vier Monaten aus
dem Urteil des Amtsgerichts Plauen vom 26. Mai 1997 (5 Ls
656 Js 4185/96)
zur Bewährung auszusetzen.
Die Kammer war der Meinung, der Antrag des Verurteilten auf
Strafaussetzung zur Bewährung sei verfrüht und daher unzu-
lässig.
Gegen den ihm am 30. Juni 2000 mit Rechtsmittelbelehrung zu-
gestellten Beschluss hat der Verurteilte mit handschrift-
lichem Schreiben vom 01. Juli 2000, eingetroffen bei der
Strafvollstreckungskammer am 05. Juli 2000, sofortige Be-
schwerde eingelegt. Er hat sie mit Schriftsatz seiner Ver-
teidigerin vom 18. Juli 2000 ergänzend begründet.
Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Dresden hat
beantragt, den Beschluss der Strafvollstreckungskammer aufzu-
heben und die Sache zur erneuten Entscheidung an sie zurück-
zuverweisen.
- 3 –
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist im Ergebnis nicht begründet,
weil es unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der
Allgemeinheit nicht verantwortet werden kann, vorzeitig zu
erproben, ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzuges
künftig straffrei bleiben wird.
Zwar ist die Rechtsauffassung der Strafvollstreckungskammer
unzutreffend, soweit sie annimmt, für die Voraussetzungen ei-
ner Vollstreckungsaussetzung der Jugendstrafe sei nach Abgabe
der Vollstreckung an die Staatsanwaltschaft die Vorschrift
des 5 57 StGB maßgeblich. Die Kammer übersieht, dass mit der
Übertragung der Vollstreckung auf die Staatsanwaltschaft ge-
mäß § 85 Abs. 6 JGG lediglich die verfahrensrechtlichen Vor-
schriften des allgemeinen Erwachsenenstrafprozessrechts An-
wendung finden. Der materiell-rechtliche Charakter als Ju-
gendstrafe wird hiervon nicht berührt, so dass sich die sach-
liche Beurteilung der Jugendstrafe weiterhin nach § 88 JGG
richtet. Anders als § 89 a Abs. 1 Satz 4 JGG, der ausschließ-
lich eine (rein verfahrensrechtliche) zeitliche Grenze bein-
haltet, stellt § 88 JGG - entsprechen. § 57 StGB im allgemei-
nen Strafrecht - eine materielle Regelung über die Vorausset-
zungen einer Vollstreckungsaussetzung dar (vgl. auch Senats-
beschluss vom 14.10.1999, 2 Ws 696/99, am Ende).
Der Antrag des Verurteilten auf Strafaussetzung war deshalb
nicht verfrüht, weil die Mindestverbüßungszeiträume für alle
zu beurteilenden Strafen verstrichen sind.
Aber im Ergebnis zutreffend hat die Strafvollstreckungskammer
die Aussetzung der weiteren Vollstreckung zur Bewährung abge-
lehnt. Die Kriminalprognose für den Verurteilten ist denkbar
- 4 -
schlecht. Der Senat hat erst kürzlich, am 05. Juni 2000 (Az.:
2 Ws 280/00), die insoweit ausführliche Entscheidung der sei-
nerzeit zuständigen Strafvollstreckungskammer Plauen vom 28.
April 2000 (Az.: II StVK 70/00) umfassend bestätigt. Der Senat
nimmt hierauf zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen aus-
drücklich Bezug, zumal der Verurteilte auch im vorliegenden
Verfahren zur Sache angehört worden war und in der Kürze der
Zeit keine neuen Gesichtspunkte ersichtlich geworden sind, die
eine dem Verurteilten günstigere Beurteilung seines Falles
rechtfertigen könnten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Hinweis: Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Lips
Maciejewski
Schüddekopf
Vorsitzender Richter
Richter
Richter
am Oberlandesgericht
am Landgericht
am Oberlandesgericht