Urteil des OLG Celle vom 25.10.2011

OLG Celle: beweismittel, strafanzeige, wiederholung, ermittlungsverfahren, verfügung, neurologie, oberarzt, sachprüfung, chefarzt, nova

Gericht:
OLG Celle, 02. Strafsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 2 Ws 289/11
Datum:
25.10.2011
Sachgebiet:
Normen:
StPO § 172 Abs 2, StPO § 152, StPO § 170 Abs 2
Leitsatz:
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Klageerzwingungsverfahren ist unzulässig, wenn er auf
eine Wiederholung eines bereits abgeschlossenen Klageerzwingungsverfahrens gegen denselben
Beschuldigten wegen desselben Vorwurfs abzielt und keine neuen Tatsachen oder Beweismittel
enthält.
Gegen einen Beschuldigten, gegen den bereits ein Klageerzwingungsverfahren geführt und ohne
Erfolg abgeschlossen worden ist, soll wegen eines identischen Sachverhalts nicht ein erneutes
Klageerzwingungsverfahren durchgeführt werden.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Antragsteller des zweiten Verfahrens als solcher bereits im ersten
Klagerzwingungsverfahren aufgetreten und beschieden worden ist, auch wenn er dort nicht
Anzeigeerstatter gewesen ist, so dass sein Antrag dort aus formalen Gründen abgelehnt worden ist.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
2 Ws 289/11
2 Zs 1919/11 GenStA Celle
322 Js 27429/11 StA Verden
B e s c h l u s s
In dem Klageerzwingungsverfahren
gegen 1. Dr. M. B.
2. Dr. J. K.
3. Stationsärzte der Abteilung für Neurologie der
Mittelweserkliniken GmbH N.
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Antragsteller: Rechtsanwalt K. W., R.L.,
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 14.10.2011
über den Bescheid des Generalstaatsanwalts in Celle vom 22.09.2011 nach dessen Anhörung durch den
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxxxxxx, die Richterin am Oberlandesgericht xxxxxxxxxx und den
Richter am Landgericht xxxxxxxx am 25.10.2011 beschlossen:
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unzulässig verworfen.
Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).
G r ü n d e :
I.
Mit seiner am 14.06.2011 erstatteten Strafanzeige wirft der Antragsteller den Beschuldigten vor, sie hätten den Tod
seiner Mutter am 17.09.2010 in den Mittelweserkliniken in N. fahrlässig verursacht. Die Staatsanwaltschaft Verden
hat die Aufnahme von (weiteren) Ermittlungen abgelehnt und das Verfahren mit Verfügung vom 19.08.2011 gem. §§
152, 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Hievon hat es den Antragsteller mit Bescheid vom selben Tag in Kenntnis
gesetzt.
Hintergrund war, dass die Staatsanwaltschaft Verden bereits ein Ermittlungsverfahren wegen des Todes der Mutter
des Antragstellers gegen dieselben Beschuldigten geführt hatte, und zwar von Amts wegen sowie auf die
Strafanzeige – allein – des Bruders des Antragstellers, K. E. G. W. Dieses Ermittlungsverfahren hatte die
Staatsanwaltschaft am 28.12.2010 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, nachdem sie keine zureichenden
tatsächlichen Verdachtsmomente gegen die Beschuldigten ermittelt hatte. Hiergegen hatte sich – allein – der hiesige
Antragsteller K. W. erfolglos beschwert. Gegen den ablehnenden Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft hatten
sodann beide Brüder die gerichtliche Entscheidung des hiesigen Oberlandesgerichtes mit dem Ziel der Erhebung der
öffentlichen Klage gegen die Beschuldigten beantragt. Diesen Antrag hatte der Senat mit Beschluss 11.05.2011 als
unzulässig verworfen, und zwar, soweit es den hiesigen Antragsteller K. W. betrifft, weil dieser zwar gegen den
Einstellungsbescheid Beschwerde eingelegt hatte, dort jedoch nicht Anzeigeerstatter im Sinne des § 171 StPO
gewesen war.
Gegen den nunmehr auf die Strafanzeige des Antragstellers ergangenen Einstellungsbescheid vom 19.08.2011 hat
der Antragsteller unter dem 01.09.2011 Beschwerde eingelegt, die die Generalstaatsanwaltschaft mit Bescheid vom
22.09.2011 als unbegründet zurückgewiesen hat. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seinem am 17.10.2011
hier eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 14.10.2011.
II.
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist bereits deshalb unzulässig, weil er auf eine Wiederholung des bereits
abgeschlossenen Klageerzwingungsverfahrens gegen dieselben Beschuldigten wegen desselben Vorwurfs abzielt.
Der einmal eingelegte Rechtsbehelf ist verbraucht. Er steht dem Antragsteller jedenfalls dann nicht mehr zur
Verfügung, wenn er keine neuen Tatsachen oder Beweismittel benannt hat und sowohl die Staatsanwaltschaft als
auch die Generalstaatsanwaltschaft deswegen – nachdem der erste Klageerzwingungsantrag als unzulässig
verworfen worden war – die Wiederaufnahme der Ermittlungen abgelehnt haben (vgl. OLG Stuttgart, NStZRR 1997,
177. OLG Düsseldorf, NStZRR 2000, 146. OLG Frankfurt a.M., NStZRR 2003, 268. OLG Köln, NStZ 2003, 682.
MeyerGoßner, StPO, 54. Aufl., 2011, § 172, Rdnr. 34 und 37. GraalmannScheerer in LöweRosenberg, StPO, 26.
Aufl., 2008, § 172, Rdnr. 36 und 39. Schmid in KKStPO, 6. Aufl., 2008. § 172, Rdnr. 58. Plöd in KMRStPO, 41.
EGL, 2006, § 172, Rdnr. 83). Die bloße Wiederholung eines von der Staatsanwaltschaft bereits abgeschlossenen
Sachverhalts ohne Angabe neuer Tatsachen oder Beweismittel eröffnet nicht noch einmal das
Klageerzwingungsverfahren (vgl. GraalmannScheerer in LöweRosenberg, a.a.O., Rdnr. 36).
Maßgeblich ist, dass gegen einen Beschuldigten, gegen den bereits ein Klageerzwingungsverfahren geführt und
ohne Erfolg abgeschlossen wurde, wegen eines identischen Sachverhalts nicht ein erneutes
Klageerzwingungsverfahren geführt werden soll. Dies folgt aus den Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes des
Beschuldigten und dem Gedanken der Rechtssicherheit, die den formalen Regelungen zum
Klageerzwingungsverfahren zugrunde liegen (vgl. dazu etwa OLG Stuttgart, a.a.O.) Dabei ist auch unerheblich, ob im
ersten Klageerzwingungsverfahren eine Sachprüfung durchgeführt wurde oder der Antrag aus formalen Gründen
abgelehnt wurde (so etwa KKSchmid, a.a.O., m.w.N.).
So liegt der Fall hier. In seiner Strafanzeige vom 14.06.2011 hat der Antragsteller lediglich auf den bisherigen Vortrag
zur Sache in dem bereits eingestellten Ermittlungsverfahren verwiesen. Auch sein – erneuter – Antrag auf
gerichtliche Entscheidung vom 14.10.2011 enthält keine Nova.
Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die obigen Grundsätze über die Unzulässigkeit eines zweiten
Klagerzwingungsverfahrens auch dann gelten, wenn der Antragsteller dieses zweiten Verfahrens am ersten
Klageerzwingungsverfahren gar nicht beteiligt war. Denn hier ist der Antragsteller im ersten
Klageerzwingungsverfahren aufgetreten und beschieden worden.
2. Darüber hinaus ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung aber auch unzulässig, weil er nicht die vom Gesetz
geforderte, in sich geschlossene und aus sich selbst heraus – ohne Bezugnahmen und Verweisungen –
verständliche Darstellung des Sachverhalts unter Angabe der Beweismittel enthält (§ 172 Abs. 3 Satz 1 StPO).
So wird nicht dargetan, warum es erst vier Tage nach der Aufnahme der Verstorbenen im Krankenhaus vom
10.09.2010 und dem anschließenden Beginn der dortigen Behandlung mit den unterschiedlichen Schmerzmitteln zu
dem starken Blutdruckabfall am 14.09.2010 gekommen sein soll. Auch die konkreten Umstände des anschließenden
Sturzes der Verstorbenen an diesem Tag werden nicht mitgeteilt.
Zudem fehlt es an Angaben dazu, woher der Antragsteller sein Wissen bezieht, die Verstorbene sei nicht umfassend
aufgeklärt worden. In diesem Zusammenhang mangelt es auch am Vortrag dazu, welcher Stationsarzt die – nicht
umfassende – Aufklärung vorgenommen haben soll.
Soweit den Chefarzt der Abteilung für Neurologie Dr. B. sowie den dortigen Oberarzt Dr. K. ein
Organisationsverschulden treffen soll, wird nicht dargelegt, welche entsprechenden Anweisungen es jeweils gegeben
oder nicht gegeben haben soll.
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