Urteil des OLG Celle vom 04.05.2011

OLG Celle: mehrheit, satzung, gesellschaftsvertrag, vertretungsbefugnis, gesellschafterversammlung, verfügung, entziehung, aktivlegitimation, geschäftsführer, handelsregister

Gericht:
OLG Celle, 09. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 9 U 105/10
Datum:
04.05.2011
Sachgebiet:
Normen:
HGB § 105, HGB § 161, HGB § 177 a
Leitsatz:
Die Aufnahme einer weiteren Komplementär GmbH in eine Publikums KG kann auch dann nicht mit
einfacher Mehrheit erfolgen, wenn selbst Satzungsänderungen ggf. so beschlossen werden könnten,
wenn wie im Streitfall die Satzung schon für die Aufnahme als Kommanditist im Grundsatz die
Zustimmung aller Gesellschafter fordert.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil
9 U 105/10
8 O 76/10 Landgericht Stade
Verkündet am
4. Mai 2011
…,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
… UA GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer …,
Verfügungsbeklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro …,
gegen
Windpark R. GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer …,
Verfügungsklägerin und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte …,
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 6. April 2011 durch die
Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht …, den Richter am Oberlandesgericht … und die Richterin am
Oberlandesgericht … für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 23. September 2010 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer
(Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Stade abgeändert und der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass
einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Verfügungsklägerin zu tragen.
Streitwert: 50.000,00 €.
G r ü n d e (§§ 313 a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO):
Die Berufung der Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagten) erweist sich als begründet. Der
Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) steht der mit der angefochtenen Entscheidung zuerkannte Anspruch
gegen die Beklagte, die Klägerin als weitere persönlich haftende Gesellschafterin der … UWK GmbH & Co. A./W.
KG (im Folgenden: KG) zum Handelsregister anzumelden, ebenso wenig zu wie ein Anspruch auf Anmeldung, dass
die Klägerin zur Einzelvertretung der KG befugt ist und der Beklagten die Geschäftsführungs und
Vertretungsbefugnis entzogen worden ist. Auch kann die Klägerin keinen Herausgabeanspruch hinsichtlich der
Geschäftsunterlagen der KG geltend machen.
Entgegen der Annahme des Landgerichts ist in der Gesellschafterversammlung der KG vom 21. Juni 2010 weder die
Aufnahme der Klägerin als neue Komplementärin noch die Entziehung der Geschäftsführungs und
Vertretungsbefugnis der Beklagten als Komplementärin der KG wirksam beschlossen worden. Bereits aus dem
erstgenannten Grund ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung deswegen zurückzuweisen, weil der
Klägerin für dessen Geltendmachung die Aktivlegitimation fehlt.
1. Durch den Beschluss der Gesellschafterversammlung der KG vom 21. Juni 2010 gemäß dem Antrag 7 des
Beirats (Seite 19 des Protokolls, Anlage ASt 4 im gesonderten Anlagenhefter) konnte die Klägerin nicht
Komplementärin werden, weil die Aufnahme eines neuen Gesellschafters (zumal eines Komplementärs) in eine
Kommanditgesellschaft als Personengesellschaft grundsätzlich und auch hier nur durch einstimmigen Beschluss
möglich ist (BGH, WM 1997, 2400 ff., Rdnr. 15 nach juris. Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl., Rdnr. 70 zu § 105.
Wertenbruch in: Ebenroth/Boujong, HGB, 2. Aufl., Rdnr. 152 zu § 105). Das dient dem Schutz derjenigen
Gesellschafter, die (anders als die den Beschluss befürwortende Mehrheit) mit einem Wechsel in der personalen
Zusammensetzung der Gesellschaft, der sie angehören (und für die sie, sei es als Komplementär, sei es beschränkt
als Kommanditist auch haften), nicht einverstanden sind. Etwas anderes kann nur gelten, wenn etwa durch
Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag von vornherein anderes bestimmt ist, weil dann jeder Gesellschafter bei
seinem Beitritt das entsprechende Risiko gekannt hätte und eingegangen wäre. Dabei kann es dahinstehen, ob die
einen Gesellschafterwechsel erstrebende Mehrheit unter bestimmten Umständen einen Anspruch auf Zustimmung
der sich verweigernden Mitgesellschafter hat. Ein solcher ist hier nicht streitgegenständlich. er wäre gegen die sich
einem derartigen Beschluss widersetzenden
Gesellschafter zu richten.
2. Der Auffassung des Landgerichts, in § 8 Abs. 5 der Satzung der KG (Anlage ASt 2 im gesonderten Hefter) sei
geregelt worden, dass auch die Aufnahme eines neuen Gesellschafters mit einfacher Mehrheit möglich sei, vermag
sich der Senat nicht anzuschließen. Der Satzung ist nicht zu entnehmen, dass dies zu
denjenigen Beschlussgegenständen gehören soll, über die die Gesellschafterversammlung nach § 8 Abs. 2 mit
einfacher Mehrheit beschließen können soll. Der Eintritt in eine bestehende KG stellt in der Sache einen
Aufnahmevertrag dar (Wertenbruch, a. a. O.), der grundsätzlich mit allen Gesellschaftern der aufnehmenden
Gesellschaft abzuschließen ist (BGH, Urt. v. 1. März 2011, II ZR 16/10, Rdnr. 9 nach juris). Entsprechend regelt der
vorliegende Gesellschaftsvertrag in § 5 Abs. 3 (allerdings für die Aufnahme neuer Kommanditisten), dass die
Komplementärin „zur Annahme der Beitrittserklärungen namens aller Gesellschafter … bevollmächtigt“ sein soll.
Selbst insoweit geht die Satzung also im Grundsatz davon aus, dass eine entsprechende Willenserklärung aller
Gesellschafter erforderlich ist. Es ist nicht ersichtlich, dass hier für die Aufnahme einer neuen Komplementärin (die
wegen deren organschaftlicher Vertretungsbefugnis im Zweifel weit bedeutsamer ist und ein Grundlagengeschäft der
Gesellschaft darstellen würde, Baumbach/Hopt, a. a. O., Rdnr. 67 zu § 105 und Rdnr. 3 zu § 114) satzungsgemäß
geringere Anforderungen gelten sollten. Dem entspricht es auch, dass § 8 Abs. 2 e nur den umgekehrten Fall des
Ausschlusses eines Gesellschafters (und auch nur eines Kommanditisten) als einen der Beschlussgegenstände
aufführt, über die mit einfacher Mehrheit befunden können werden soll.
Nicht anders haben es offensichtlich auch die Gesellschafter bei der Beschlussfassung am 21. Juni 2010 gesehen,
wie der Umstand verdeutlicht, dass sie die Aufnahme der Klägerin als Komplementärin mit dem Beschlussvorschlag
Nr. 6 vorbereiten wollten, wonach der Gesellschaftsvertrag dahingehend geändert werden sollte, dass mit einfacher
Mehrheit die Aufnahme von weiteren persönlich
haftenden Gesellschaftern beschlossen können werden sollte (Seite 18 des Protokolls, Anlage ASt 4 im gesonderten
Hefter). Wären die Gesellschafter davon ausgegangen, dass die Aufnahme eines weiteren Komplementärs mit
einfacher Mehrheit beschlossen werden könne, wäre dieser Beschluss unnötig gewesen. Allerdings konnte mit ihm
im Ergebnis die Aufnahme neuer Komplementäre ebenfalls nicht wirksam erleichtert werden, weil diese
satzungsgemäß eben nur durch wechselseitigen Vertrag zwischen ihnen und (allen) bisherigen Gesellschaftern
möglich ist und diese dem Schutz jedes einzelnen Gesellschafters dienende Regelung nicht durch ein seinerseits
nicht durch Konsens aller Gesellschafter getragenes nachträglich eingeführtes einfaches Mehrheitserfordernis
unterlaufen werden kann.
3. Ebenso wenig spricht der Umstand, dass es sich bei der KG um eine Publikumsgesellschaft mit einem großen,
untereinander im Zweifel nicht bekannten Gesellschafterkreis handelt, nicht dafür, dass die Aufnahme einer weiteren
Komplementärin durch einfachen Mehrheitsbeschluss möglich sein müsste. Zwar ist das dem
Personengesellschaftsrecht grundsätzlich innewohnende Einstimmigkeitsprinzip bei PublikumsKGs mit einem
großen Kreis von Kommanditisten, bei dem sich eine geschlossene Beteiligung an Gesellschafterversammlungen
nur schwer erreichen lässt, regelmäßig wenig praktikabel, weshalb abweichende Mehrheitserfordernisse, etwa eine
analoge Anwendung des § 179 Abs. 2 AktG (3/4Mehrheit) zu erwägen sein können (vgl. BGH, NJW 1978, 1382 ff.).
Dies greift im vorliegenden Fall aber schon deshalb nicht durch, weil der Gesellschaftsvertrag nach dem oben
Ausgeführten für den Fall der Aufnahme neuer Gesellschafter erkennbar willentlich von dem
Einstimmigkeitserfordernis ausgeht.
Dessen ungeachtet wäre wie insoweit zutreffend protokolliert worden ist der Beschluss vom 21. Juni 2010 auch nicht
mit einer Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen gefasst worden, weil er nur von 71,73 % der Stimmen getragen
worden ist. Dabei wäre insbesondere davon auszugehen, dass die Beklagte, entgegen der Auffassung der Klägerin,
ihre „Mehrstimmrechte“ bei der Befassung mit der Frage, ob die Klägerin als zusätzliche Komplementärin
aufzunehmen sei, zum Einsatz bringen durfte. Wie der Senat bereits mit Urteilen vom 9. März 2011 (9 U 116/10 = 8
O 118/10 LG Stade) und 13. April 2011 (9 U 93/10 = 8 O 176/09 LG Stade) ausgeführt hat, ist die Vereinbarung von
„Mehrstimmrechten“ zugunsten der Beklagten als Komplementärin im Gesellschaftsvertrag nicht unwirksam.
Aufgrund der Regelung des § 8 Abs. 4 der Satzung hat die Beklagte 480 eigene Stimmen, was ein knappes Viertel
der Gesamtstimmrechte darstellt. Bedenken gegen die Wirksamkeit einer solchen Satzungsregelung, die der
Komplementärin eigene Stimmen unabhängig von einem Kapitalanteil zugesteht und die für jeden Kommanditisten
vor seinem Beitritt erkennbar war, greifen nicht durch. Eine unangemessene Benachteiligung der Kommanditisten ist
nicht ersichtlich, weil durch diese „Mehrstimmen“ der Tatsache Rechnung getragen wird, dass die Beklagte für alle
Gesellschaftsverbindlichkeiten, anders als die übrigen Gesellschafter, unbeschränkt haftet. Auf die Höhe des
Stammkapitals der Beklagten kommt es nicht an, weil die unbeschränkte Haftung in jedem Fall ihre Existenz
bedrohen kann. Hinzu kommt, dass ohne die der Beklagten gesellschaftsvertraglich zugebilligten Stimmen eine
verlässliche Meinungsbildung und kontinuierliche Unternehmensführung u. U. nur schwer erreichbar sein könnte,
etwa wenn sich die Mehrheiten in einer uneinigen Gesellschafterversammlungszusammensetzung bei umstrittenen
Beschlussgegenständen häufig verändern. Durch die (maßvolle) Einräumung von festen Stimmrechten der die
Geschäftsführung verantwortenden Komplementärin soll einerseits eine gewisse Stabilität des Gesellschaftswillens
erreicht werden, andererseits können so die berechtigten Interessen der (wie regelmäßig) in der KomplementärGmbH
organisierten Gründergesellschafter und der allgemeine Minderheitenschutz Berücksichtigung finden (vgl. zu
letzterem auch BGH, NJW 1978, 1382 u.).
4. Weil die Klägerin nach dem oben Gesagten durch den Beschluss vom 21. Juni 2010 nicht Komplementärin der
KG werden konnte, es ihr mithin an der für die Beantragung der erstrebten einstweiligen Verfügung erforderlichen
Aktivlegitimation fehlt, ist ihr Antrag schon deswegen zurückzuweisen. Dem mit dem Verfügungsantrag zu 1 b weiter
verfolgten Begehren, der Beklagten aufzugeben, zum Handelsregister anzumelden, dass ihr die Geschäftsführungs
und Vertretungsbefugnis für die KG entzogen worden sei, stünde darüber hinaus allerdings zusätzlich entgegen,
dass eine solche Entziehung hier ohnehin nicht durch einen Gesellschafterbeschluss (gleich mit welcher Mehrheit)
möglich gewesen wäre, weil eine solche Regelung grundsätzlich eine gerichtliche Entscheidung erfordert (§§ 117,
127, 161 Abs. 1 HGB). Dass diese Vorschriften, was grundsätzlich möglich gewesen wäre, durch die Satzung
abbedungen worden wären, ist nicht erkennbar. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus § 8 Abs. 5 des
Gesellschaftsvertrages, der lediglich das Mehrheitserfordernis für (zulässige) Beschlussfassungen regelt.
5. Die Kostenentscheidung folgt § 91 ZPO.
… … …