Urteil des OLG Celle vom 19.12.2002

OLG Celle: treu und glauben, bauaufsicht, baustelle, verjährung, fälligkeit, vollstreckbarkeit, vergütung, ausbildung, aufrechnung, dispositionen

Gericht:
OLG Celle, 14. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 14 U 205/01
Datum:
19.12.2002
Sachgebiet:
Normen:
HOAI § 4, BGB § 242
Leitsatz:
1. Eine mündliche Vereinbarung eines Architektenpauschalhonorars, das unterhalb der Mindestsätze
des § 16 HOAI liegt, ist in aller Regel gemäß § 4 HOAI unwirksam. 2.Der Architekt ist auch nach
längerem Zeitablauf (hier ca. 4 Jahre) nicht nach Treu und Glauben gehindert, eine Abrechnung seines
Honorars nach den Mindestsätzen vorzunehmen, wenn er zwischenzeitlich keinen
Vertrauenstatbestand dahin geschaffen hat, dass er den Anspruch nicht mehr geltend machen werde.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil 14 U 205/01 8 O 2959/00 Landgericht Hannover Verkündet
am 19. Dezember 2002 #######, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In dem Rechtsstreit
#######, Kläger und Berufungskläger, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte #######, gegen #######, Beklagter
und Berufungsbeklagter, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte #######, hat der 14. Zivilsenat des
Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 26. November 2002 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ####### und der Richter am Oberlandesgericht ####### und
#######für Recht erkannt: Auf die Berufung des Klägers wird das am 25. Mai 2001 verkündete Urteil der 8.
Zivilkammer des Landgerichts Hannover unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert
und insgesamt wie folgt neu gefasst: Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger unter Einschluss des vom
Landgericht ausgeurteilten Betrages 8.257,89 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31. Januar 2002
zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat der Beklagte
mit Ausnahme der Mehrkosten zu tragen, die durch die Anrufung des unzuständigen Amtsgerichts Hannover
entstanden sind; diese fallen dem Kläger zur Last. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 11 %
und dem Beklagten zu 89 % auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Wert der Beschwer übersteigt für
keine der Parteien 20.000 €. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Wert des Streitgegenstandes für das
Berufungsverfahren wird auf 13.870,94 € festgesetzt. Entscheidungsgründe Die Berufung des Klägers hat im
Wesentlichen Erfolg und führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Abänderung des angefochtenen Urteils. Dem
Kläger steht über den vom Landgericht in Höhe von 2.500 DM zu seinen Gunsten ausgeurteilten Betrag für die
Architektenleistungen, die er im Zusammenhang mit der Erweiterung und dem Innenumbau des Wohnhauses des
Beklagten ####### in ####### ab Ende 1995 erbracht hat, ein restliches Honorar in Höhe von 13.651,02 DM zu.
Dies gilt hier selbst dann, wenn man zugunsten des Beklagten davon ausgeht, dass die Parteien mündlich für die
Erweiterung ein Pauschalhonorar in Höhe von 15.000 DM und für den Innenumbau ein solches in Höhe von
5.000 DM vereinbart haben. Mangels Einhaltung der in § 4 HOAI vorgeschriebenen Schriftform sind diese
Pauschalhonorarabreden nämlich mit der Folge unwirksam, dass nach § 4 Abs. 4 HOAI die jeweiligen Mindestsätze
als vereinbart gelten. Im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten ist es dem Kläger auch nicht nach Treu und
Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der mündlichen Pauschalhonorarvereinbarungen zu
berufen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Anwendung der Regelung des § 4 Abs. 4 HOAI zu einem schlechthin
unerträglichen Ergebnis führen würde (vgl. Locher/Koeble/Frik, HOAI, 8. Aufl., § 4 Rn. 33 m. w. N.). So liegt der Fall
hier aber nicht. Allein der Zeitraum, der zwischen der Erbringung der Architektenleistungen durch den Kläger in den
Jahren 1995 und 1996 und der Vorlage seiner auf der Grundlage des § 4 Abs. 4 HOAI erstellten Schlussrechnungen
vom 19. Juni 2000 (Bl. 53 f. und Bl. 56 f.) verstrichen ist, reicht für die Annahme einer Verwirkung seiner
Honoraransprüche nicht aus. Denn der Beklagte vermag nicht darzulegen, dass er sich aufgrund des Verhaltens des
Klägers - vor allem im Hinblick auf finanzielle Dispositionen - darauf eingerichtet hatte, dass dieser sein
(vermeintliches) Recht nicht mehr geltend machen werde. Hier hat der Kläger insbesondere keinen
Vertrauenstatbestand geschaffen, der die späte Geltendmachung seines restlichen Architektenhonorars als eine mit
Treu und Glauben unvereinbare Härte erscheinen lässt (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 242
Rn. 95 m. w. N.). Selbst wenn die Ausbildung des Klägers zum Architekten - wie der Beklagte behauptet - zum
Zeitpunkt der Auftragserteilung noch nicht abgeschlossen war, so ist der Kläger doch berechtigt, seine Leistungen
nach der HOAI abzurechnen. Die HOAI ist nämlich leistungsbezogen und nicht personenbezogen, sodass sie auch
für Architektenleistungen von Personen, die keine Architekten sind, Anwendung findet (vgl. Locher/Koeble/Frik,
a. a. O., § 1 Rn. 11 m. w. N.). Der Anspruch des Klägers ist im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten auch nicht
verjährt. Beim Architektenhonorar hängt die Fälligkeit und damit der Verjährungsbeginn nach § 8 Abs. 1 HOAI von
der Erteilung einer prüffähigen Honorarschlussrechnung ab (vgl. Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 198 Rn. 6). (Erste)
nach der HOAI erstellte Schlussrechnungen hat der Kläger dem Beklagten hier erst unter dem 19. Juni 2000 (vgl. Bl.
53 f. und Bl. 56 f.) erteilt. Da der vorliegende Rechtsstreit zu diesem Zeitpunkt bereits anhängig war, kommt eine
Verjährung der restlichen Honoraransprüche des Klägers von vornherein nicht in Betracht. Der Beklagte hat auch in
der Berufungsinstanz zunächst bestritten, dass der Kläger alle neun Leistungsphasen des § 15 Abs. 1 HOAI
erbracht habe. Nicht zuletzt aufgrund des Hinweisbeschlusses des Senats vom 21. März 2002 hat der Kläger
alsdann zwei Leitzordner sowie ein Inhaltsverzeichnis vom 14. Mai 2002 (Bl. 288) vorgelegt, aus denen sich ergibt,
dass er die Leistungsphasen 1 bis 7 vollständig, die Leistungsphase 8 - kündigungsbedingt - nur teilweise und die
Leistungsphase 9 gar nicht erbracht hat. Gleichzeitig hat er zwei neue Honorarschlussrechnungen erstellt (vgl.
Bl. 293 und 299), die bezüglich der nicht erbrachten Leistungen der Phasen 8 und 9 auch die ersparten
Aufwendungen berücksichtigen. Der Beklagte ist weder den nachgereichten detaillierten Ausführungen des Klägers
zu Art und Umfang seiner Leistungen entgegengetreten noch hat er die Richtigkeit der beiden nunmehr erstellten
Schlussrechnungen in Zweifel gezogen. Folglich ist davon auszugehen, dass dem Kläger das in diesen Rechnungen
ermittelte restliche Architektenhonorar in Höhe von 5.345,30 DM (für den Erweiterungsbau) und in Höhe von
11.993,60 DM (für den Innenumbau) zusteht. Die Summe dieser beiden Beträge von 17.338,90 DM ist lediglich um
1.187,88 DM zu ermäßigen, die sich der Kläger wegen der angeblich abredewidrig geplanten Fenster und Stürze in
zwei Schlafzimmern (vgl. hierzu die Rechnung der Bauunternehmung ####### GmbH vom 13. Februar 1997; Bl. 29)
abziehen lassen will (vgl. Bl. 287). Somit verbleibt einschließlich des vom Landgericht zugunsten des Klägers
bereits ausgeurteilten Betrages in Höhe von 2.500 DM ein ihm zustehendes restliches Architektenhonorar in Höhe
von 16.151,02 DM (= 8.257,89 €). Die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom
26. November 2002 einzig aufrecht erhaltene Hilfsaufrechnung in Höhe von 5.377,42 €, die er darauf stützt, dass
seine Ehefrau im Einvernehmen mit dem Kläger die Bauaufsicht anstelle des Zeugen ####### übernommen habe,
ist unbegründet. Der Abschluss eines entsprechenden entgeltlichen Vertrages zwischen dem Kläger und der Zeugin
####### lässt sich nämlich nicht feststellen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Zeugin ####### dem Kläger
erklärt hat, sie werde die Bauaufsicht nicht ‘umsonst’ ausüben, ist es doch jedenfalls nicht zu einer Einigung über
die Höhe eines etwa zu zahlenden Entgeltes gekommen. Denn wie die Zeugin bei ihrer erstinstanzlichen
Vernehmung selbst ausgesagt hat, ist über eine genaue Summe nicht gesprochen worden (vgl. Bl. 165). Dass es der
Ehefrau des Beklagten von vornherein verwehrt ist, ihre Tätigkeit als ungelernte Kraft gegenüber dem Kläger nach
der HOAI abzurechnen, bedarf keiner weiteren Begründung. Mangels einer Einigung über ein zu zahlendes Entgelt
brauchte der Kläger unter den hier gegebenen Umständen auch nicht damit zu rechnen, dass die Ehefrau des
Beklagten für ihre Tätigkeit überhaupt eine Vergütung verlangen würde. § 632 BGB greift daher ebenfalls nicht zu
ihren Gunsten ein. Im Übrigen war der Kläger auch nach der Übernahme der ‘Bauaufsicht’ durch die Ehefrau des
Beklagten nach ihrem eigenen Bekunden noch mehrmals auf der Baustelle. Daraus folgt, dass er sich auch weiterhin
für die Überwachung des Bauvorhabens verantwortlich fühlte, und diese Aufgabe keineswegs als vollständig an die
Zeugin ####### delegiert ansah. Schließlich lässt auch allein der Umstand, dass die Zeugin ####### tatsächlich auf
der Baustelle anwesend war und den dort tätigen Handwerkern Anweisungen erteilt hat, nicht den Schluss zu, dass
es sich hierbei um eine vom Kläger zu vergütende Tätigkeit handelte. Ein derartiges Verhalten eines Bauherrn ist
nämlich keineswegs unüblich. Es dient aber vornehmlich seinem eigenen Interesse an einem zügigen und seinen
Vorstellungen entsprechenden Baufortschritt. Da dem Beklagten nach alledem kein (abgetretener)
Vergütungsanspruch seiner Ehefrau für deren Tätigkeit auf der Baustelle zusteht, vermindert sich der oben
errechnete Resthonoraranspruch in Höhe von 8.257,89 € auch nicht im Wege der (Hilfs-)Aufrechnung. Der
Zinsausspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Den Wert der
Beschwer hat der Senat im Hinblick auf § 26 Nr. 8 EGZPO festgesetzt. Gründe für die Zulassung der Revision nach
§ 543 ZPO liegen nicht vor. Der Streitwert für das Berufungsverfahren beläuft sich auf 13.870,94 €. Hierbei handelt
es sich um die Addition der vom Kläger weiterverfolgten Klageforderung in Höhe von 16.611,88 DM (= 19.111,88 DM
abzüglich vom Landgericht ausgeurteilter 2.500 DM) und der Hilfsaufrechnungsforderung in Höhe von 10.517,32 DM
(= 5.377,42 €). ####### ####### #######