Urteil des OLG Celle vom 04.10.2011

OLG Celle: wiedereinsetzung in den vorigen stand, wasser, gesetzliche vermutung, gleiche zeit, voller beweis, rechtliches gehör, bekanntgabe, versuch, tod, anfang

Gericht:
OLG Celle, 17. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 17 W 16/11
Datum:
04.10.2011
Sachgebiet:
Normen:
FamFG § 7, FamFG § 59, FamFG § 63, PStG § 31
Leitsatz:
1.
Wer im erstinstanzlichen Verfahren nicht formell beteiligt worden ist, obwohl er von der Entscheidung
möglicherweise nach § 59 FamFG in seinen Rechten beeinträchtigt wird (´vergessener Beteiligter´),
kann nur so lange fristgemäß Beschwerde einlegen, bis die Rechtsmittelfrist für den letzten formell
Beteiligten abgelaufen ist.
2.
Lassen sich Tag, Stunde und Minute des Todeseintritts nicht genau feststellen, kommt
ausnahmsweise die Eintragung eines nach Anfang und Ende möglichst genau bestimmten Zeitraumes
in das Sterberegister in Betracht. Beim Tode mehrerer Personen aufgrund der gleichen Ursache muss
dieser Zeitraum auch im Anwendungsbereich des § 11 VerschG nicht bei allen betroffenen Personen
zwangsläufig identisch sein. ein ´gleichzeitiges Versterben´ im Sinne des § 11 VerschG liegt bereits
dann vor, wenn sich die feststellbaren Zeiträume - und sei es nur geringfügig - überlappen.
Volltext:
17 W 16/11
51 III 20/10 Amtsgericht Stade
B e s c h l u s s
In der Personenstandssache betreffend
H.H. W., geboren …1933,
verstorben zwischen dem 21. Mai 2009 und 22. Mai 2009,
zuletzt wohnhaft gewesen …,
Weitere Beteiligte:
1. H.G. G., …,
2. U. G., …,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältin H., …,
3. J.P. W., …,
Beschwerdeführer,
4. Stadt C., Fachbereich Bürgerdienste/Standesamt, …,
Standesamt,
hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle am 4. Oktober 2011 durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht B. sowie durch die Richter am Oberlandesgericht V. und Dr. B. beschlossen:
Die Beschwerde des Beteiligten zu 3. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Stade vom 22. März 2011 wird als
unzulässig verworfen.
Von der Erhebung von Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten
werden nicht erstattet.
G r ü n d e
I.
Der Betroffene und seine Ehefrau kamen als Folge eines Bootsunfalls vom 21. Mai 2009 ums Leben. Die Beteiligten
zu 1. und 2. sind die Eltern und gesetzlichen Erben der Ehefrau des Betroffenen. der Beteiligte zu 3. ist der Sohn
des Betroffenen aus erster Ehe und dessen gesetzlicher Alleinerbe.
Der Betroffene und seine Ehefrau befuhren am Abend des 21. Mai 2009 mit einem aus Aluminiumplatten
selbstgebauten Motorboot die Oste in Richtung Elbe.
Im Innenraum des Bootes befanden sich Fahrstand und Kajüte. Etwa gegen
20.00 Uhr kenterte das Motorboot in Höhe der Ostemündung kurz vor dem Einlaufen in die Unterelbe. Während der
Betroffene nach dem Kentern des Bootes noch in das offene Wasser gelangen konnte, war die Ehefrau des
Betroffenen in den unter Wasser liegenden Bootsaufbauten eingeschlossen, weil sich die Tür zum Innenraum
konstruktionsbedingt von innen nicht mehr öffnen ließ, sobald das havarierte Boot mit dem Kiel nach oben lag. Das
erste Rettungsboot erreichte den Havaristen gegen 20.38 Uhr. eine anschließende großangelegte Suchaktion nach
im Wasser treibenden Personen blieb erfolglos. Es war den Rettungskräften am Unglücksort auch nicht möglich, das
Schiffsinnere einzusehen oder dorthin vorzudringen. Das havarierte Motorboot, von dem zu diesem Zeitpunkt nur
noch etwa 10 cm des Rumpfes und ein Teil der Schiffsschraube aus dem Wasser ragten, wurde deshalb kieloben in
einen Hafen geschleppt, wo am 22. Mai 2009 gegen 3.00 Uhr nachts ein Loch in die Wand der Kajüte geschlagen
werden konnte und die Leiche der Ehefrau des Betroffenen im Innenraum des Bootes entdeckt wurde. Die Leiche
des Betroffenen wurde am 31. Mai 2009 am Ufer der Oste aufgefunden.
Das Standesamt C. hat den Todeszeitpunkt für den Betroffenen im Sterberegister mit ´31.05.2009, tot aufgefunden´
beurkundet. Demgegenüber wurde im Sterberegister des Standesamts Ca. als Todeszeitpunkt der Ehefrau des
Betroffenen ´zwischen dem 21.05.2009, 20.30 Uhr und dem 22.05.2009, 03.02 Uhr´ eingetragen.
Im Rahmen von Erbscheinsverfahren vor dem Amtsgericht Otterndorf stritten die Beteiligten zu 1. und 2. einerseits
und der Beteiligte zu 3. andererseits um die Frage, ob und gegebenenfalls welcher der beiden verunglückten
Ehegatten den anderen nach dem Kentern des Motorbootes überlebt haben könnte. Die Erbscheinsverfahren sind
mittlerweile durch die Erteilung von Erbscheinen abgeschlossen worden, welche den Beteiligten zu 3. als Erben nach
dem Betroffenen sowie die Beteiligten zu 1. und 2. als Erben nach der Ehefrau des Betroffenen ausweisen.
Die Ehefrau des Betroffenen war Versicherungsnehmerin einer kapitalbildenden Lebensversicherung. Unter Hinweis
auf die zum Todeszeitpunkt differierenden Angaben in den Sterberegistern verweigerte die
Versicherungsgesellschaft die Auszahlung der Versicherungssumme an die Beteiligten zu 1. und 2. mit der
Begründung, dass nach dem Inhalt der Sterbeurkunden von einem Nachversterben des im Vertrag als
Bezugsberechtigten benannten Betroffenen ausgegangen werden müsse.
Die Beteiligten zu 1. und 2. haben am 24. August 2010 bei dem Amtsgericht beantragt, das für den Betroffenen
geführte Sterberegister dahingehend zu berichtigen, dass als Todeszeitpunkt ein Zeitraum ´zwischen dem
21.05.2009 und dem 22.05.2009´ beurkundet wird. Das Amtsgericht hat nach Beiziehung der Nachlassakten den
Antrag zur Stellungnahme dem Standesamt C sowie dem Rechtsanwalt A. zugeleitet, der den Beteiligten zu 3. in
den beiden Erbscheinsverfahren vertreten hatte. Rechtsanwalt A. teilte dem Gericht am 6. Dezember 2010 schriftlich
mit, dass er in dieser Angelegenheit keinen Auftrag zur Vertretung des Beteiligten zu 3. habe. Einen weiteren
Versuch, dem Beteiligten zu 3. persönlich die Antragsschrift zuzuleiten oder ihn zur Stellungnahme aufzufordern,
unternahm das Amtsgericht danach nicht mehr. Am 21. Januar 2011 erließ das Amtsgericht den angefochtenen
Beschluss, wonach im Sterberegister des Betroffenen berichtigend zu vermerken sei, dass der Zeitpunkt seines
Todes richtig ´zwischen dem 21.05.2009, 20.30 Uhr und dem 22.05.2009, 03.02 Uhr´ laute. Dieser Beschluss wurde
der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1. und 2. am 28. Januar 2011 und dem Standesamt C. am 31.
Januar 2011 zugestellt. Der Versuch einer Zustellung des Beschlusses an den Beteiligten zu 3. wurde nicht
unternommen.
Mit seiner am 27. April 2011 bei dem Amtsgericht eingegangenen Rechtsmittelschrift tritt der Beteiligte zu 1. der
Berichtigung der Eintragungen im Sterberegister seines Vaters entgegen. Er ist der Auffassung, dass der Betroffene
seine Ehefrau bei dem Bootsunfall um einige Zeit überlebt haben müsse.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 PStG i.V.m. § 58 Abs. 1 FamFG statthaft, allerdings im Übrigen
unzulässig.
1. Dies liegt allerdings noch nicht daran, dass dem Beteiligten zu 3. die gemäß § 59 Abs. 1 FamFG erforderliche
Beschwerdeberechtigung fehlen könnte, weil er in dem Erbscheinsverfahren 5 VI 119/09 vor dem Amtsgericht
Otterndorf zwischenzeitlich seinen eigenen Erbscheinsantrag nach der verstorbenen Ehefrau des Betroffenen
zurückgenommen hat. Die Frage nach dem Todeszeitpunkt der verunglückten Eheleute hat - wie die Begründung für
den Berichtigungsantrag verdeutlicht - im konkreten Fall nicht nur erbrechtliche, sondern auch
versicherungsvertragsrechtliche Bedeutung, nämlich bei der Beurteilung der Frage, ob der Betroffene als
Bezugsberechtigter den Tod der Versicherungsnehmerin überlebt hat. Darüber noch hinaus stellt der Erbschein
lediglich eine widerlegbare Rechtsvermutung über die Richtigkeit der darin ausgewiesenen erbrechtlichen
Verhältnisse auf, aber er entfaltet in materiellrechtlicher Hinsicht keine Rechtskraftwirkungen zu der Frage, wer
tatsächlich Erbe geworden ist.
2. Allerdings ist die Beschwerde wegen Ablaufes der Beschwerdefrist unzulässig. Gemäß § 63 Abs. 1 FamFG ist
innerhalb eines Monats einzulegen. diese Frist beginnt nach § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG mit der Bekanntgabe der
Entscheidung an die Beteiligten. Kann die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht bewirkt werden,
beginnt die Frist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses (§ 63 Abs. 3 Satz 2
FamFG).
a) Im vorliegenden Fall ist der Beteiligte zu 3. durch das Amtsgericht im erstinstanzlichen Verfahren nicht formell
beteiligt worden. Zwar hat das Amtsgericht versucht, den Beteiligten zu 3. in der Weise zum Verfahren
hinzuzuziehen, in dem es den Berichtigungsantrag dem vom Beteiligten zu 3. im Erbscheinsverfahren beauftragten
Rechtsanwalt A. zugeleitet hatte. Nachdem dieser das Gericht allerdings ausdrücklich auf sein fehlendes Mandat in
einer Personenstandssache hingewiesen hatte, muss davon ausgegangen werden, dass dieser Versuch der
Hinzuziehung des Beteiligten zu 3. zum Verfahren gescheitert war. Da es das Amtsgericht in der Folgezeit nichts
mehr unternommen hat, den Beteiligten zu 3. über das Verfahren in Kenntnis zu setzen, fehlt es an einer formellen
Beteiligung des Beteiligten zu 3., obwohl dieser als Sohn und Alleinerbe des Betroffenen im materiellen Sinn
zweifellos Verfahrensbeteiligter gewesen ist und nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG hätte hinzugezogen werden müssen.
b) Wer am erstinstanzlichen Verfahren nicht formell beteiligt worden ist, aber von dem Beschluss möglicherweise
nach § 59 Abs. 1 FamFG in seinen Rechten beeinträchtigt wird, kann nach herrschender Auffassung in
Rechtsprechung und Literatur nur solange fristgemäß Beschwerde einlegen, bis die Frist für den letzten formell
Beteiligten abgelaufen ist (OLG Hamm FGPrax 2011, 84. OLG Köln, Beschluss vom 26. Mai 2011 - 6 W 84/11 -
veröffentlicht bei Juris [Tz. 2]. Keidel/Sternal FamFG 17. Aufl. § 63 Rn. 45. Bumiller/Harders FamFG 10. Aufl. § 63
Rn. 6. Johannsen/Henrich/Althammer Familienrecht 5. Aufl. § 63 FamFG Rn. 11. Büte FuR 2011, 361, 363 f.). Dies
war hier am 28. Februar 2011 der Fall, nachdem die angefochtene Entscheidung dem Standesamt C. als dem letzten
tatsächlich Beteiligten am 31. Januar 2011 zugestellt worden ist.
Auch die Auffangfrist des § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG kommt im vorliegenden Fall nicht zum Tragen. Nach dem
Willen des Gesetzgebers soll der Umstand, dass eine schriftliche Bekanntgabe des Beschlusses an den im
erstinstanzlichen Verfahren nicht Hinzugezogenen, aber materiell Beeinträchtigten unterblieben ist, die
Beschwerdeauffangfrist von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses nicht auslösen können. Wie im
Beschlussvorschlag des Rechtsausschusses klargestellt ist, kommt die Auffangfrist ausschließlich dann zur
Anwendung, wenn eine Bekanntgabe der Entscheidung an (irgend)einen erstinstanzlich tatsächlich Beteiligten
innerhalb dieses Zeitraumes nicht gelingt (BTDrucks. 16/9733, S. 289).
c) Die am 27. April 2011 bei Gericht eingegangene Rechtsmittelschrift des Beteiligten zu 3. ist daher verspätet
angebracht worden, so dass seine Beschwerde als unzulässig zu verwerfen war. Einen Antrag auf Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand (§§ 17 ff. FamFG) hat der Beteiligte zu 3. nicht gestellt.
III.
Allerdings werden dem Beteiligten zu 3. seine Rechtsschutzmöglichkeiten hierdurch nicht vollständig abgeschnitten,
denn er ist seinerseits nicht daran gehindert, bezüglich der Beurkundung des Todeszeitpunktes im Sterberegister
einen eigenen Berichtigungsantrag zu stellen. Im Hinblick darauf weist der Senat in der Sache bereits jetzt auf
Folgendes hin:
1. Sind mehrere Personen aufgrund gemeinsamer Ursache - hier aufgrund des Bootsunfalls vom 21. Mai 2009 -
verstorben und kann nicht festgestellt werden, ob und wie lange ein Beteiligter den anderen überlebt hat, ist die
Vermutung des § 11 VerschG anzuwenden. Danach ist von einem gemeinsamen Todeszeitpunkt auszugehen, wenn
feststeht, dass mehrere Personen verstorben sind und kein Beweis darüber möglich ist, in welcher Reihenfolge diese
Personen verstorben sind. Die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des § 11 VerschG erfordert den vollen
Beweis (BGHZ 62, 112, 117), und an die Beweisführung sind hohe Anforderungen zu stellen (BayObLG NJWRR
1999, 1309. Hepting/Gaaz PStR [Stand: April 2003] § 37 PStG Rn. 65). Nach diesen strengen Maßstäben wird man
nach dem derzeitigen Sachstand davon ausgehen müssen, dass die gesetzliche Vermutung des § 11 VerschG auch
nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten nicht widerlegt werden kann.
Nach den Feststellungen im Untersuchungsbericht der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) und dem
Inhalt der polizeilichen Ermittlungsakten wurde das verunglückte Boot erstmals gegen 20.08 Uhr durch den
Überseelotsen des elbaufwärts fahrenden panamaischen Frachtschiffs ´NYK A.´ gesichtet. Dieser beobachtete mit
dem Fernglas das zu diesem Zeitpunkt der Seite liegende und mit dem Rumpf schon weitgehend unter Wasser
befindliche Boot und an dem havarierten Boot eine sich daran festhaltende Person. Der Überseelotse meldete seine
Beobachtung an den Elblotsen auf der Brücke, der diese Meldung zwischen 20.10 Uhr und 20.15 Uhr an die
Verkehrszentrale weitergab, wobei der Elblotse selbst mit seinem Fernglas nur das gekenterte Boot, aber daneben
keine Person im Wasser ausmachen konnte. Kurz nach seiner Meldung an den Elblotsen beobachte der
Überseelotse auf der ´NYK A.´ einige Augenblicke später eine im Wasser schwimmende Person.
Nach dem polizeilichen Ermittlungsbericht meldete auch das elbabwärts fahrende zyprische Tankschiff ´P.´ gegen
20.15 Uhr die Sichtung des havarierten Bootes und einer sich daran festhaltenden Person. Das Tankschiff erreichte
das verunglückte Boot gegen 20.25 Uhr, wo ein Rettungsbootmanöver eingeleitet wurde. Etwa um die gleiche Zeit
änderte das in der Nähe befindliche Fahrgastschiff ´N.´ die Fahrtrichtung und näherte sich ebenfalls dem havarierten
Boot. Der Überseelotse der ´NYK A.´ hatte die Kursänderung beobachtet, konnte aber schon zu diesem Zeitpunkt
keine Person im Wasser mehr ausmachen. Das Rettungsboot des Tankschiffs ´P.´ erreichte das jetzt kieloben
treibende Wrack um 20.38 Uhr. bei der anschließenden Nachsuche, an der mehrere Seefahrzeuge und Hubschrauber
beteiligt waren, war keine Person im Wasser mehr zu finden.
Bei dieser Sachlage lässt sich kein verlässlicher Todeszeitpunkt für die beiden mit dem Sportboot verunglückten
Eheleute festlegen. Entgegen der Annahme des Beteiligten zu 3. in seiner Beschwerdebegründung scheint das
havarierte Boot zumindest im Zeitpunkt der ersten Sichtung durch den Überseelotsen auf der ´NYK A.´ auch noch
nicht durchgekentert gewesen zu sein (´I saw that [the cabin cruiser] was now on its side an I saw someone trying to
climb out of the cabin and up the side to the top´). Es lassen sich nach Aktenlage auch keine Anhaltspunkte dafür
finden, dass der Betroffene nach 20.15 Uhr noch einmal im Wasser treibend oder schwimmend gesichtet worden ist.
Schon zu dem Zeitpunkt, als das Fahrgastschiff ´N.´ umdrehte und das Tankschiff ´P.´ sein Rettungsbootmanöver
begann, konnte auch der Überseelotse der ´NYK A.´ nur noch das havarierte Boot, aber keine Personen im Wasser
mehr ausmachen. Es besteht aus diesem Grunde schon keine völlige Gewissheit bei der Beurteilung der Frage, ob
der Betroffene um 20.38 Uhr, als das Rettungsboot der ´P.´ den Havaristen erreichte, überhaupt noch am Leben war.
Auch die daran anschließende Frage, ob die im Innenraum des Bootes befindliche Ehefrau des Betroffenen zu
diesem Zeitpunkt noch gelebt haben könnte, lässt sich nicht mit völliger Gewissheit beantworten. Zwar geht der
Untersuchungsbericht der BSU davon aus, dass die Kajüte des Bootes nach dem Kentern ´binnen kurzer Zeit´ mit
Wasser vollgelaufen sei, da insgesamt kein wasserdichter Verschlusszustand geherrscht habe und das Wasser
insbesondere über die Luke auf dem Vorschiff ungehindert habe eindringen können. Wie lange es aber nun
tatsächlich gedauert hat, bis der Innenraum des gekenterten Bootes so vollständig geflutet war, dass ein Überleben
im Innenraum gänzlich ausgeschlossen werden kann, wird nicht mehr sicher festgestellt werden können. Bei dieser
Sachlage mag eine gewisse - möglicherweise sogar überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür streiten, dass der
Betroffene die besseren Überlebenschancen hatte. Ein voller Beweis für eine bestimmte Todesreihenfolge dürfte
sich aber nach dem bisherigen Sachstand nicht führen lassen.
2. Unabhängig von der Anwendung des § 11 VerschG erscheint es allerdings zweifelhaft, ob die Eintragung in das
Sterberegister tatsächlich in der vorgenommenen Form hätte berichtigt werden dürfen.
Nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 PStG werden Tag, Stunde und Minute des Todes im Sterberegister beurkundet. Wenn sich
nicht genau feststellen lässt, wann der Tod eingetreten ist, kommt ausnahmsweise die Eintragung eines nach
Anfang und Ende bestimmten Zeitraumes in Betracht (OLG Schleswig FamRZ 2011, 1846, 1847. BayObLG NJWRR
1999, 1309). Tragfähige Feststellungen dazu, dass der Betroffene am 22. Mai 2009 um 3.02 Uhr tatsächlich ohne
jeden vernünftigen Zweifel nicht mehr am Leben gewesen ist, lassen sich offensichtlich nicht treffen. Die vom
Amtsgericht angeordnete Berichtigung beruht insoweit erkennbar darauf, dass die Rettungskräfte genau zu diesem
Zeitpunkt in der Nacht die Leiche der Ehefrau des Betroffenen bei der Untersuchung des in einen Hafen
geschleppten Wracks entdeckt hatten. Die Anwendung des § 11 VerschG gebietet es aber in
personenstandsrechtlicher Hinsicht nicht, dass Anfang und Ende des im Sterberegister zu beurkundenden
Todeszeitraumes bei allen Personen identisch sein müssten, die aufgrund des gleichen Ereignisses verstorben sind.
vielmehr liegt ein ´gleichzeitiges´ Versterben im Sinne des § 11 VerschG auch dann noch vor, wenn lediglich
Zeiträume festgestellt werden können, innerhalb derer der Tod der betroffenen Personen mit Sicherheit eingetreten
sein muss und sich diese Zeiträume - und sei es auch nur geringfügig - überlappen (BayObLG NJWRR 1999, 1309,
1310. vgl. auch OLG Köln NJWRR 1992, 1480, 1481 zu § 1923 BGB).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht zu den gerichtlichen Kosten auf § 51 PStG i.V.m. § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG.
Wegen der außergerichtlichen Kosten hat das Gericht von der Anwendung des § 84 FamFG ausnahmsweise
abgesehen. Für einen anwaltlich nicht vertretenen Beteiligten, dem in erstinstanzlichen Verfahren kein rechtliches
Gehör gewährt wurde, ist die Unzulässigkeit seines Rechtsmittels nicht ohne weiteres erkennbar. In der Sache war
das gegen die Berichtigungsentscheidung des Amtsgerichts gerichtete Rechtsmittel jedenfalls im Hinblick auf das
Ende des angenommenen Todeszeitraumes für den Betroffenen auch nicht völlig aussichtslos, wenn auch das von
dem Beteiligten zu 3. letztlich gewünschte Ergebnis der Feststellung einer bestimmten Todesreihenfolge nicht zu
erzielen gewesen sein dürfte.
B. V. Dr. B.