Urteil des OLG Celle vom 02.05.2011

OLG Celle: unterhalt, offenkundig, jugendamt, niedersachsen, wechsel, gefahr, datum, uvg, einzelrichter

Gericht:
OLG Celle, 10. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 10 UF 88/11
Datum:
02.05.2011
Sachgebiet:
Normen:
FamFG § 250 Abs 3, FamGKG § 20 Abs 1 Satz 1
Leitsatz:
1. Die zwingende Vorschrift des § 250 Abs. 3 FamFG, die eine Verbindung vorschreibt, wenn beim
selben Gericht ´vereinfachte Verfahren anderer Kinder des Antragsgegners´ anhängig sind, gilt auch
für parallele vereinfachte Verfahren, in denen die Unterhaltsvorschußkasse übergegangene
Unterhaltsansprüche von Geschwistern gegenüber dem nämlichen Elternteil verfolgt.
2. Ist die Verbindung derartiger paralleler vereinfachter Verfahren unterblieben, ist gemäß § 20 Abs. 1
Satz 1 FamGKG die Nichterhebung der durch die getrennte Verfahrensführung bedingten Mehrkosten
anzuordnen.
Volltext:
10 UF 88/11 / 10 WF 118/11
3c FH 2005/10 Amtsgericht Uelzen
10 UF 89/11 / 10 WF 119/11
3c FH 2006/10 Amtsgericht Uelzen
Beschluß
In der Familiensache
M. T.,
Antragsgegner und Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte H. & Partner,
gegen
Land Niedersachsen, vertreten durch das Jugendamt Uelzen,
Antragsteller und Beschwerdegegner,
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht W., den Richter am Oberlandesgericht H. und die Richterin am Amtsgericht C. am 2. Mai 2011
beschlossen:
1. Gemäß § 250 Abs. 3 FamFG werden - unter zukünftiger Führung des jeweils zuerst angegebenen Aktenzeichens -
jeweils verbunden
. die Verfahren 3c FH 2005/10 Amtsgericht Uelzen und 3c FH 2006/10 Amtsgericht Uelzen,
. die Verfahren 10 UF 88/11 und 10 UF 89/11 sowie
. die Verfahren 10 WF 118/11 und 10 WF 119/11.
2. Der Verfahrenswert für das erstinstanzliche verbundene Verfahren wird in amtswegiger Änderung der
amtsgerichtlichen Beschlüsse vom 3. November 2010 festgesetzt auf 7.200 €.
3. Für die erstinstanzlich verbundenen Verfahren sind etwa entstandene Gerichtskosten gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1
FamGKG nicht zu erheben, soweit sie einen Betrag von 83 € übersteigen.
4. Die Verfahrenswerte für die verbundenen Beschwerdeverfahren 10 UF 88/11 sowie 10 WF 118/11 werden vorläufig
festgesetzt auf jeweils 2.208 €.
5. Für das verbundene Beschwerdeverfahren 10 UF 88/11 sind gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 FamGKG Gerichtskosten
nicht zu erheben.
Gründe:
I.
Das - durch das Jugendamt Uelzen vertretene - Land Niedersachsen (im weiteren: der Antragsteller) hat mit
parallelen, jeweils am 17. September 2010 beim Amtsgericht Uelzen eingegangenen Anträgen den Antragsgegner im
vereinfachten Verfahren auf die durch Leistungen nach dem UVG übergegangenen bzw. künftig übergehenden
Unterhaltsansprüche seiner beiden jeweils am …. 1999 geborenen Töchter L. und L. in Anspruch genommen und
jeweils eine Titulierung ab 1. Oktober 2010 von 100 % des Mindestunterhaltes der zweiten Altersstufe nach § 1612a
BGB abzüglich des Erst bzw. Zweitkindergeldes sowie eines Rückstandes für die Zeit vom 1. Februar bis 30.
September 2010 in Höhe von 1.440 € beantragt.
Das Amtsgericht hat diese Anträge getrennt unter den Aktenzeichen 3c FH 2005/10 und 3c FH 2006/10 behandelt
und ihnen mit Beschlüssen jeweils vom 3. November 2010 stattgegeben, wobei allerdings der Tenor hinsichtlich der
laufenden Beträge jeweils dahin geht, daß sich der Unterhalt um ´anteilige´ kindbezogene Leistungen gemäß § 1612b
Abs. 1 BGB für ein erstes bzw. zweites Kind vermindert.
Nachdem bereits der Antragsteller jeweils umgehend eine Berichtigung der Beschlüsse entsprechend seiner
ursprünglichen Anträge begehrt hatte, hat der Antragsgegner seinerseits jeweils fristgerecht Beschwerde gegen die
Festsetzungsbeschlüsse eingelegt, mit denen er geltend macht, daß beim laufenden Unterhalt nicht jeweils das volle
Kindergeld abgesetzt worden ist und für die Beschwerdeverfahren um Verfahrenskostenhilfe (VKH) nachgesucht.
Mit Beschlüssen vom 14. März 2011 hat das Amtsgericht die Festsetzungsbeschlüsse jeweils (´gemäß § 42 FamFG
´) dahin berichtigt, daß sich der laufende Unterhalt um kindbezogene Leistungen für ein erstes bzw. zweites Kind
vermindert.
Gegen diese Berichtigungsbeschlüsse richten sich die jeweils fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerden des
Antragsgegners, der die Voraussetzungen für eine wie erfolgte Berichtigung für nicht gegeben hält.
Der Einzelrichter hat die sofortigen Beschwerdeverfahren jeweils dem Senat zur Entscheidung übertragen.
II.
Die jeweils parallelen vereinfachten Verfahren betreffend die Festsetzung des auf den Antragsteller übergegangenen
Unterhalts für die beiden Töchter des Antragsgegners sind für beide Instanzen - wie § 250 Abs. 3 FamFG schon
nach seinem Wortlaut (´hat zu´) zwingend vorschreibt (vgl. für das insofern einhellige Verständnis im Schrifttum etwa
MüKoZPO/Macco, § 250 FamFG Rz. 11. PrüttingHelms–Bömelburg, FamFG § 250 Rz. 21. Keidel16–Giers, FamFG
§ 250 ´Rz. 17) - miteinander zu verbinden.
Dies gilt unabhängig davon, daß vorliegend der Unterhaltsverpflichtete nicht unmittelbar von mehreren Kindern,
sondern aus übergegangenem Recht mehrer Kinder einheitlich durch die Unterhaltsvorschußkasse in Anspruch
genommen wird. Die aus § 646 Abs. 3 ZPO a.F. in das FamFG unmittelbar übernommene Vorschrift dient vor allem
dem Interesse an einer Geringhaltung der Kosten (so ausdrücklich die Gesetzesbegründung - BTDrs. 13/7338 S. 39)
sowie allgemein der Prozeßwirtschaftlichkeit und soll der Gefahr unvereinbarer Entscheidungen begegnen (vgl.
MüKoZPO aaO). diese Gesichtspunkte treten in einer Konstellation wie vorliegend, in der es nicht einmal teilweise
um unterschiedliche sondern sogar vollständig um identische Beteiligte handelt, noch viel stärker in den
Vordergrund, so daß gerade auch in diesen Fällen die Verbindung vorzunehmen ist (so auch ausdrücklich MüKoZPO
aaO).
III.
Vor diesem Hintergrund erweist sich die amtsgerichtlich unterlassene Verbindung der beiden Parallelverfahren
zugleich auch als eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 2 FamGKG. insofern ist die
Nichterhebung der dadurch angefallenen Mehrkosten anzuordnen. Zutreffenderweise ergeben sich nach KV 1210
FamGKG 0,5 Gebühren, was bei dem festgesetzten Verfahrenswert (0,5 * 166 € =) 83 € entspricht. Demgegenüber
ergäben sich (selbst bei Korrektur der vom Amtsgericht zudem zu hoch vorgenommenen Wertfestsetzung) aus zwei
gesonderten Verfahren Gerichtskosten von (2 * (0,5 * 105 € =) 52,50 € =) 105 €.
IV.
Der erstinstanzliche Verfahrenswert für das nunmehr verbundene Verfahren beläuft sich gemäß § 51 FamGKG -
insbesondere auch unter Berücksichtigung von Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 2 - auf 7.200 €. dem laufenden
Unterhaltsanspruch für 12 Monate von je 180 € = 2.160 € sind die bezifferten Rückstände mit 1.440 €
hinzuzusetzen, so daß sich je Kind 3.600 € ergeben.
Soweit vereinzelt § 51 Abs. 1 Satz 2 FamGKG dahin verstanden werden soll, es sei unabhängig von der konkreten
Forderung auf das Zwölffache des Mindestunterhaltstabellenbetrages abzustellen (so ausdrücklich Jüdt, Unterhalt
nach § 1615l BGB - FuR 2011, 241, 244 f.), geht dies fehl und beruht offenkundig auf einem Mißverständnis. Die
fragliche Regelung (die im übrigen entsprechend bereits in § 42 GKG a.F. enthalten war) hat allein die -
vereinfachende und kostenmindernde - Wirkung, daß innerhalb des streitwertbildenden Zeitraumes erfolgende
Wechsel des Kindes in eine andere Altersstufe oder in diesen Zeitraum fallende Änderungen der
Mindestunterhaltsbeträge außer Betracht bleiben. eine - sowohl regelwidrige als auch inhaltlich nicht begründete -
Orientierung am Tabellen statt am geltend gemachten Zahlbetrag oder eine Ablösung vom konkret gegenständlichen
Prozentsatz des Mindestunterhalts ist damit in keinem Fall verbunden (vgl. zum ganz einhelligen diesbezüglichen
Verständnis etwa Scheider/Wolf/Volpert–Scheider, FamGKG. § 51 Rz.20. Hartmann29 Kostengesetze, § 51 FamFG
Rz. 15 m.w.N. aus der Rechtsprechung).
V.
Für die nach der jeweiligen Verbindung verbleibenden beiden Beschwerdeverfahren beläuft sich der Verfahrenswert
entsprechend des Verfahrensgegenstandes das hälftige Kindergeld im Rahmen des titulierten laufenden Unterhalts -
jeweils auf (2 * 12 * 92 € =) 2.208 €.
VI.
Auch für das Verfahren über die befristeten Beschwerden des Antragsgegners, die - zunächst offenkundig berechtigt
- gegen die Festsetzungsbeschlüsse in ihrer ursprünglichen Fassung eingelegt worden sind, sind gemäß § 20 Abs. 1
Satz 1 FamGKG Gerichtskosten im Hinblick auf ihre Verursachung durch die zugrundeliegende unrichtige
Sachbehandlung des Amtsgerichts nicht zu erheben.
W. H. C.