Urteil des OLG Celle vom 02.05.2011

OLG Celle: immobilie, alleineigentum, vergleich, zwangsvollstreckung, wohnraum, haus, besitz, familienrecht, gesetzgebungsverfahren, aktiven

Gericht:
OLG Celle, 10. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 10 WF 133/11
Datum:
02.05.2011
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 1361 b Abs 1, BGB § 986, BGB § 566
Leitsatz:
Die bloße Nutzungsüberlassung einer im Alleineigentum eines Ehegatten stehenden Immobilie für die
Dauer des Getrenntlebens an den anderen Ehegatten nach § 1361b Abs. 1 BGB gibt letzterem kein
gegenüber Erwerbern der Immobilie durchsetzbares Recht zum Besitz, soweit nicht ausdrücklich
zusätzlich zur Nutzungsüberlassung ein (zeitlich befristetes) Mietverhältnis begründet worden ist.
Volltext:
10 WF 133/11
612 F 1069/11 Amtsgericht Hannover
Beschluß
In der Familiensache
H. A.,
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Anwaltsbüro W.,
gegen
1. P. S.,
2. B. S.,
Antragsgegner und Beschwerdegegner,
Verfahrensbevollmächtigter zu 1, 2:
Rechtsanwalt D. W.,
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde der
Antragstellerin gegen den Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht -
Hannover vom 8. April 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht W., den Richter am
Oberlandesgericht H. und die Richterin am Amtsgericht C. am 2. Mai 2011 beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin will im vorliegenden - von ihr zunächst bei der Zivilabteilung eingeleiteten - Verfahren
Vollstreckungsabwehransprüche gegen die von den Antragsgegnern aus dem am 13. Januar 2011 ergangenen
Zuschlagsbeschluß betriebene Räumung und Herausgabe der von ihr bewohnten Immobilie geltend machen und hat
dafür um Prozeßkostenhilfe nachgesucht.
Die streitgegenständliche Immobilie stand zuvor im Eigentum des Ehemannes der Antragstellerin. Nach der
Trennung der Eheleute hatte die Antragstellerin in einem familiengerichtlichen Verfahren die Zuweisung dieser
Immobilie zur alleinigen Nutzung durch sie und die beiden aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder
betrieben, das mit einem Vergleich vom 11. Oktober 2007 endete. darin erklärte sich der Ehemann damit
einverstanden, daß die Ehefrau das in seinem Alleineigentum stehende Haus für die Dauer des Getrenntlebens zur
alleinigen Nutzung für sich und die beiden Kinder erhielt, und die Antragstellerin war damit einverstanden, daß das
zum Verkauf stehende Haus durch Kaufinteressenten samstags von 10:00 bis 14:00 besichtigt werden konnte. Die
Ehe der Antragstellerin ist durch Beschluß des Amtsgerichts vom 22. März 2011 geschieden worden, der allerdings
noch nicht rechtskräftig ist.
Die Zivilabteilung des Amtsgerichtes hat das Verfahren an das dortige Familiengericht abgegeben, welches es
übernommen hat. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat mit Beschluß vom 8. März 2011 die Zwangsvollstreckung
aus dem Zuschlagsbeschluß einstweilen eingestellt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der
Antragsgegner hat der Senat als unzulässig verworfen.
Mit Beschluß vom 8. April 2011 hat das Amtsgericht, welches den Einstellungsbeschluß mit Beschlüssen vom 14.
März und 15. April 2011 noch ergänzt hat, der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe (VKH) mangels Darlegung der
wirtschaftlichen Voraussetzungen versagt und dazu auf einen entsprechenden Senatsbeschluß im vorangegangenen
sofortigen Beschwerdeverfahren Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die zugleich eine neue
´Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse´ vorlegt. Sie hat parallel dazu mitgeteilt, daß sie
das Verfahren auch unabhängig von der VKHBewilligung betreiben will.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde unter Hinweis auf weiterhin unzureichende Darlegung zu den wirtschaftlichen
Voraussetzungen für eine VKHBewilligung nicht abgeholfen. Der Einzelrichter hat die Sache dem Senat zur
Entscheidung übertragen.
II.
Die form und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig, namentlich ist dem Senat auch im hiesigen
Beschwerdeverfahren eine inhaltliche Überprüfung der vom Amtsgericht angenommenen Zuständigkeit verwehrt. sie
kann in der Sache aber keinen Erfolg haben.
1. Zutreffend hat zum einen bereits das Amtsgericht darauf abgestellt, daß die wirtschaftlichen Voraussetzungen für
eine VKHBewilligung durch die Antragstellerin nach wie vor nicht dargetan sind. Insbesondere zu den
wirtschaftlichen Verhältnissen ihres - nach wie vor nicht rechtskräftig geschiedenen und insofern unverändert
grundsätzlich vorrangig verfahrenskostenvorschußpflichtigen - Ehemannes fehlt es an jeglichen Angaben oder
substantiierten Darlegungen, warum etwa ein Vorschuß nicht zeitnah durchgesetzt werden können sollte. Auch die
vom Senat im vorangegangenen Beschwerdeverfahren angesprochenen Widersprüche zwischen den Angaben der
Antragstellerin in der ´Erklärung´ und dem Sozialhilfebescheid sind nach wie vor nicht ausgeräumt - namentlich der
dort im Gegensatz zu ihren Angaben in der ´Erklärung´ durchgehend enthaltene Betrag von 100 € aus eigener
Erwerbstätigkeit.
2. Einem Erfolg der Beschwerde der Antragstellerin steht jedoch zum anderen auch durchgreifend entgegen, daß
ihrer beabsichtigten Rechtsverfolgung die hinreichende Erfolgsaussicht fehlt.
a. Soweit sie gegenüber dem auf das - unstreitige - Eigentum der Antragsgegner gestützten Räumungs und
Herausgabeverlangen ein Recht zum Besitz im Sinne von § 986 BGB aus der ihr vom Ehemann im Vergleich von
2007 für die Dauer des Getrenntlebens zugestandenen alleinigen Nutzung herleiten will, geht dies fehl.
Die Zuweisung von Wohnraum zur alleinigen Nutzung für die Dauer des Getrenntlebens begründet für sich allein kein
Mietverhältnis oder ein Verhältnis, das über eine entsprechende Anwendung von § 566 BGB gegenüber einer
Veräußerung der Immobilie durchgreifenden Schutz böte. Einem besonderen Schutzbedürfnis eines Ehegatten, dem
für die Dauer des Getrenntlebens im Alleineigentum des anderen Ehegatten stehender Wohnraum zur Nutzung
zugewiesen worden ist, vor den Folgen einer etwaigen Veräußerung kann nach - soweit ersichtlich - ganz einhelliger
Auffassung in Rechtsprechung wie Schrifttum im Bedarfsfalle allein durch zusätzliche Schutzanordnungen
Rechnung getragen werden (vgl. etwa OLG Düsseldorf - Beschluß vom 2. Juli 1985 - 2 WF 82/85 - FamRZ 1985,
1153 f. = NJWRR 1986, 231 f. Palandt70–Brudermüller, BGB § 1361b Rz. 17. NomosKommentar BGB
Familienrecht2–Boden/Cremer, § 1361b Rz. 25. MüKo5–WeberMonecke, BGB § 1361b Rz. 16. Staudinger–Voppel
(2007) BGB § 1361b Rz. 60. Johannsen/Henrich5–Götz, Familienrecht, BGB § 1361 Rz. 41 und FamFG § 209 Rz.
8). ist insofern im Gesetzgebungsverfahren noch davon ausgegangen worden, daß auch der gesonderte Erlaß eines
Veräußerungsverbotes in Betracht käme (vgl. BTDrs. 14/5429, S. 21, 33), wird dies mittlerweile überwiegend für
nicht zulässig erachtet und auf die gesonderte Begründung eines befristeten Mietverhältnisses verwiesen, welches
über § 566 BGB zumindest einen weitgehenden Schutz gegenüber Neuerwerbern begründet (vgl. OLG Düsseldorf
aaO. sowie die angegebene Kommentarfundstellen).
Eine derartige zusätzliche und über die bloße zeitlich beschränkte Nutzungsüberlassung hinausgehende
Vereinbarung enthält auch die zwischen den Eheleuten 2007 im Rahmen ihres Vergleiches getroffene Vereinbarung
offenkundig nicht. Vielmehr ist der Ziffer 2 des Vergleiches sogar zu entnehmen, daß die Eheleute übereinstimmend
von der bevorstehenden Veräußerung der Immobilie ausgegangen sind und die Ehefrau selbst die Verpflichtung zu
einer entsprechenden aktiven Mitwirkung übernommen hat. Stand mithin der - auch seinerzeit anwaltlich vertretenen
- Ehefrau die Erwartung einer alsbald möglichen Veräußerung der ihr zur Nutzung überlassenen Immobilie deutlich
vor Augen, so hätte es für die Vereinbarung einer über die ´normale´ Nutzungsüberlassung hinausgehenden
´veräußerungsbeständigen´ Position in jedem Fall einer unzweideutigen Konkretisierung bedurft.
b. Die Antragstellerin wird sich schließlich gegenüber dem Räumungs und Herausgabeanspruch der Antragsgegner
jedenfalls auch nicht erfolgreich auf § 1365 BGB stützen können. § 1365 BGB ist unzweifelhaft nur für
rechtsgeschäftliche Handlungen, nicht jedoch für Maßnahmen in der Zwangsvollstreckung einschlägig (vgl. BGH,
Beschluß vom 20. Dezember 2005 - VII ZB 50/05 - FamRZ 2006, 410 f. = NJW 2006, 849. Palandt70–Brudermüller,
BGB § 1365 Rz. 2).
W. H. C.