Urteil des OLG Celle vom 21.10.1998

OLG Celle: gegen die guten sitten, provision, verfügung, telefon, unterlassen, firma, verkehr, vertriebsvertrag, vollstreckbarkeit, verfälschung

Gericht:
OLG Celle, 13. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 13 U 74/98
Datum:
21.10.1998
Sachgebiet:
Normen:
UWG § 1
Leitsatz:
Das Herantreten des Vertriebspartners an von ihm selbst geworbene Kunden des ServiceProviders
mit dem Angebot, ihnen bei Abschluss eines neuen Mobilfunkvertrags die Grundgebühren aus dem
mit dem ServiceProvider geschlossenen Mobilfunkvertrag zu erstatten, ist gemäß § 1 UWG
wettbewerbswidrig.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil
13 U 74/98
7 O 145/97 LG Lüneburg
Verkündet am
21. Oktober 1998
Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
pp.
XXXXXXX
XXXXXX
gegen
XXXXX
XXXXX
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am
Oberlandesgericht ##### sowie der Richter am Oberlandesgericht ##### und ##### aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 6. Oktober 1998 für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 5. Februar 1998 (7 O 145/97) geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall
Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken gegenüber Kunden der Klägerin damit zu werben, bei Abschluß
eines neuen Mobilfunkvertrags mit der Beklagten oder anderen Gesellschaften als der Klägerin aus der dann
anfallenden Provision die Grundgebühren eines laufenden Vertrags mit der Klägerin zu erstatten, wie sich dies
insbesondere aus der Anlage K 1 zur Klagschrift ergibt, oder diese Grundgebühren zu erstatten.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert und die Beschwer der Beklagten betragen 50.000 DM.
Tatbestand
Die Klägerin bietet als ServiceProvider im eigenen Namen Nutzungsverträge für die Teilnahme am Mobilfunk der
Netze D1, D2 und Eplus an. Die Verträge haben eine vereinbarte Laufzeit von beispielsweise 12 oder 24 Monaten
und verlängern sich bei nicht rechtzeitiger Kündigung um jeweils ein Jahr.
Die Beklagte schloss als Vertriebspartnerin der Klägerin in deren Namen gegen Provision Nutzungsverträge ab.
Teilweise versprach die Beklagte den Kunden in Zusatzverträgen, ihnen für die Dauer von 12 Monaten ein
Funktelefon zur Verfügung zu stellen und ihnen die monatlichen Grundgebühren für 6 oder für 12 Monate zu
erstatten. Die Klägerin kündigte den Vertriebsvertrag am 1. November 1996 mit der Begründung, dass die Beklagte
die Kunden veranlasst habe, die Nutzungsverträge unmittelbar nach der Mindestlaufzeit zu beenden. In der Folgezeit
schrieb die Beklagte an von ihr geworbene Kunden der Klägerin:
„... in den ... Zusatzvereinbarungen zu den bei der Firma geschlossenen Kartenverträgen haben wir uns verpflichtet,
Ihnen ein Telefon für die Dauer der Mindestlaufzeit der abgeschlossenen Verträge zur Verfügung zu stellen sowie
Ihnen die anfallende Grundgebühr für Ihre Karten für 6 oder 12 Monate je nach abgeschlossenem Vertrag zu
erstatten. Sollte uns dieses unmöglich werden, soll das Ihnen zur Verfügung gestellte Telefon in Ihr Eigentum
übergehen.
Dadurch bedingt, daß die ##### Firma ihre Zahlungen an uns eingestellt hat, haben wir einen Forderungsausfall in
einer sechsstelligen Höhe, welchen wir auch nicht durch andere Aktivitäten auffangen können. Dieses Geld fehlt
nun, um Ihnen Ihre restlichen Grundgebühren erstatten zu können.
Wir bestätigen Ihnen hiermit; daß das ihnen geliehene Telefon gemäß unseren Zusatzvereinbarungen in Ihren Besitz
zur Deckung der ausstehenden Grundgebühren übergeht.
Sollten Sie sich zu einem neuen Mobilfunkvertrag über uns entschließen, können wir Ihnen anbieten, aus der dann
anfallenden Provision die fehlenden Grundgebühren
der #####Verträge zu erstatten.“
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel es zu unterlassen, im geschäftlichen
Verkehr zu Wettbewerbszwecken gegenüber Kunden der Klägerin damit zu werben, bei Abschluß eines neuen
Mobilfunkvertrags mit der Beklagten bzw. mit anderen Gesellschaften als der Klägerin aus der dann anfallenden
Provision die Grundgebühren des Vertrags mit der Klägerin zu erstatten, wie sich dies insbesondere aus der Anlage
K 1 ergibt und/oder die Grundgebühren zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Berufung der Klägerin.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist begründet.
I.
Das Herantreten der Beklagten an von ihr selbst geworbene Kunden der Klägerin mit dem Angebot, ihnen bei
Abschluss eines neuen Mobilfunkvertrags die Grundgebühren aus dem mit der Klägerin geschlossenen
Mobilfunkvertrag zu erstatten, ist gemäß § 1 UWG wettbewerbswidrig und daher von der Beklagten zu unterlassen.
1. Es ist zwar einem Wettbewerber nicht grundsätzlich verboten, an einen vertraglich noch an einen Mitbewerber
gebundenen Kunden heranzutreten, um ihn abzuwerben (Baumbach/Hefermehl, 20. Aufl., § 1 UWG Rdn. 597 f.). Hier
liegen indes besondere Umstände vor, aufgrund derer das beanstandete Handeln gegen die guten Sitten verstößt:
Die von der Beklagten angesprochenen Personen haben bereits bei der Klägerin Mobilfunkverträge mit einer
Mindestlaufzeit von 12 oder 24 Monaten geschlossen. Die Klägerin hat aufgrund der Verträge die wirtschaftliche
Erwartung, dass diese Kunden zumindest während der festen Vertragslaufzeit das MobilfunkNetz gegen Zahlung der
vereinbarten „Gebühren“ nutzen. Denn während der Laufzeit des jeweiligen Vertrags ist es für die Kunden regelmäßig
nicht interessant, einen weiteren MobilfunkVertrag abzuschließen und die bereits geleisteten bzw. zu leistenden
Abschluss und Grundgebühren an einen anderen ServiceProvider oder Netzbetreibers noch einmal zu bezahlen.
Dem wirkt die Beklagte in wettbewerbswidriger Weise entgegen. Ihr Angebot, den Kunden bei Abschluss eines
neuen Mobilfunkvertrags die der Klägerin geschuldeten Grundgebühren zu erstatten, bewirkt eine Verfälschung des
Wettbewerbs zum Vorteil der Beklagten und des neuen ServiceProviders. Denn die Entscheidung der
angesprochenen Kunden zum Abschluss eines neuen Vertrags wird in erster Linie aufgrund der finanziellen
Zuwendung der Beklagten herbeigeführt anstatt ausschließlich aufgrund eines Vergleichs der angebotenen
Leistungen bzw. deren Preiswürdigkeit. Es kommt hinzu, dass das Handeln der Beklagten darauf gerichtet ist, den
wirtschaftlichen Erfolg zu vereiteln, den sie nach dem mit der Klägerin geschlossenen Vertriebsvertrag
herbeizuführen hatte, und für dessen Ermöglichung sie von der Klägerin erhebliche Provisionszahlungen erhalten
hat. Diese Umstände zusammen machen die Unlauterkeit des beanstandeten Verhaltens aus.
2. Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass sie aufgrund der abgeschlossenen Zusatzverträge
ohnehin zur Erstattung der Grundgebühren verpflichtet gewesen sei. Wie sich aus dem angegriffenen
Werbeschreiben ergibt, hatte die Beklagte die Verpflichtung aus den Zusatzverträgen bereits durch die Übereignung
der Funktelefone erfüllt. Das Angebot zur Erstattung der fehlenden Grundgebühren erfolgte zusätzlich ausschließlich
für den Fall des Abschlusses eines neuen Mobilfunkvertrags.
3. Das wettbewerbswidrige Handeln der Beklagten begründet eine Wiederholungsgefahr.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre
Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713, 546 ZPO.
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