Urteil des OLG Celle vom 19.04.2011

OLG Celle: jugendamt, elterliche sorge, vormundschaft, vorrang, verein, verfügung, pfleger, amtsvormund, holz, beistandschaft

Gericht:
OLG Celle, 15. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 15 UF 76/10
Datum:
19.04.2011
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 1791 a, BGB § 1791 b, BGB § 1779
Leitsatz:
Zwischen der Vereinsvormundschaft und der bestellten Amtsvormundschaft besteht kein
Rangverhältnis dahingehend, dass das Jugendamt nur subsidiär als Vormund bestellt werden kann.
Die Auswahl erfolgt ohne gesetzliche Vorgabe im Rahmen des dem Familiengericht zustehenden
Ermessens.
Volltext:
15 UF 76/10
36 F 36089/09 Amtsgericht Hildesheim
Beschluss
In der Familiensache
betreffend die Vormundschaft (hier: Bestellung eines Vormunds) für M. B., geb. am 2007,
Weitere Beteiligte:
1. Großmutter des Kindes:
###
Antragstellerin
2. Antragsgegnerin:
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Antragsgegnerin,
3. Landkreis Hildesheim ##
##
Beschwerdeführer,
hat der 15. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht Brick und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Schwonberg und Dr. Meyer-Holz am 19. April
2011 beschlossen:
I. Die Beschwerde des Jugendamts des Landkreises Hildesheim vom 6. April 2010 gegen den Beschluss des
Amtsgerichts - Familiengericht - Hildesheim vom 31. März 2010 wird zurückgewiesen.
II. Von der Erhebung von Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Das Jugendamt wendet sich gegen seine Bestellung zum Vormund im angefochtenen Beschluss.
1.
Auf Anregung der Großmutter des - nichtehelich geborenen - Kindes hatte das Amtsgericht Hildesheim ein Verfahren
über den Entzug der elterlichen Sorge eingeleitet und mit Beschluss vom 27. Juli 2009 - ## - der Antragsgegnerin im
Wege der „vorläufigen Anordnung“ das Aufenthaltsbestimmungsrecht vorläufig entzogen und dieses auf den
Landkreis Hildesheim als Pfleger übertragen, weil die Antragsgegnerin ihre Tochter zum wiederholten Male
unbeaufsichtigt und ohne Absprache für mehrere Tage allein gelassen hatte. Nach den Berichten des Jugendamts
des Landkreises Hildesheim vom ## 2009 und des Jugendamts des Landkreises Peine vom ## 2010 wurde die
Antragsgegnerin seit dem Jahr 2005 betreut, wobei ihr unterschiedliche Jugendhilfemaßnahmen zur Verfügung
gestellt wurden. Eine Rückkehr der Tochter in den Haushalt der Mutter war nach diesen Berichten und der
Stellungnahme der Verfahrenspflegerin vom ## 2009 nicht zu verantworten, nachdem sich die damals 2-jährige Marie
bereits seit Mitte 2009 im Haushalt ihrer Großmutter und deren Lebensgefährten aufgehalten hatte.
In der Anhörung vom 17. Februar 2010 wurde eine Umgangsregelung für die Antragsgegnerin mit ihrer Tochter
getroffen. Mit Beschluss vom gleichen Tag entzog das Amtsgericht „in Abänderung der einstweiligen Anordnung
vom 27. Juli 2009“ der Antragsgegnerin inzident insgesamt die elterliche Sorge und übertrug diese auf einen
Vormund (##). Die Auswahl des Vormunds wurde dem Rechtspfleger vorbehalten.
2.
Im vorliegenden, auf die Auswahl und Bestellung eines Vormunds gerichteten Verfahren fragte das Amtsgericht mit
Verfügung vom 26. Februar 2010 beim Jugendamt des Landkreises Hildesheim an, ob dieses zur Übernahme der
Vormundschaft bereit sei. Mit Schriftsatz vom 8. März 2010 schlug dieses das Institut für transkulturelle Betreuung
e.V., mit Sitz in H. als Vormund vor und lehnte zugleich die Übernahme der Vormundschaft durch den Landkreis ab.
Die Angelegenheiten zur Geltendmachung von Unterhaltsleistungen sollten von der Vormundschaft ausgenommen
bleiben, weil insoweit bereits eine Beistandschaft beim Landkreis geführt wurde. Aus dem beigefügten Schreiben des
Instituts für transkulturelle Betreuung ## vom 2. März 2010 ergibt sich, dass dem Verein mit Bescheid des Nds.
Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie vom ## die Erlaubnis zur Übernahme von Vormundschaften nach §
54 SGB VIII erteilt worden war und der Betreuungsverein zur Übernahme der Vormundschaft bereit ist.
Im angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht das Jugendamt des Landkreises Hildesheim zum Vormund
bestellt. Dem Vorschlag des Jugendamts ist es mit der Begründung nicht gefolgt, dass nach dem Wortlaut des §
1791a Abs 1 BGB die Amtsvormundschaft nur dann subsidiär sei, wenn eine als ehrenamtlicher Einzelvormund
geeignete Person nicht zur Verfügung stehe, während der Vereinsvormundschaft kein Vorrang vor der
Amtsvormundschaft zukomme, wie sich auch aus der Gesetzesbegründung zum Betreuungsrechtsänderungsgesetz
ergebe. Da weder ein ehrenamtlicher Vormund in Betracht komme noch ersichtlich sei, dass der vorgeschlagene
Betreuungsverein die Vormundschaft besser führen könne, sei das Jugendamt als Amtsvormund zu bestellen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde, mit der das Jugendamt des Landkreises Hildesheim ersichtlich die
Aufhebung seiner Bestellung zum Vormund verfolgt und hierzu geltend macht, dass ein Vorrang der
Amtsvormundschaft nach den §§ 1791a BGB, 53 SGB VIII nicht bestehe, sondern aus den gesetzlichen
Regelungen die Subsidiarität gegenüber der Vereinsvormundschaft folge. Hierfür spreche auch § 56 Abs. 4 SGB
VIII, wonach der Amtsvormund zu entlassen sei, wenn eine Einzelperson oder ein Verein zur Verfügung stehe.
Gegenüber dem vom Jugendamt in kooperativer Zusammenarbeit unterstützten und beratenen Betreuungsverein
könnten offenbar vom Amtsgericht einbezogene „rein fiskalische Gründe“ nicht durchgreifen. Andere rechtlich
maßgebliche Gründe seien im angefochtenen Beschluss nicht angeführt. Dabei spreche das Spannungsverhältnis
zwischen der Großmutter und der Mutter des Kindes sowie der dadurch bedingte erhöhte Kommunikationsbedarf für
die Bestellung des Vormundschaftsvereins.
II.
1.
Die Beschwerde ist zulässig.
Diese richtet sich gegen eine Endentscheidung des Familiengerichts i.S.v. § 58 Abs. 1 FamFG, weil die Bestellung
zum Vormund als isolierte Familiensache nach Abschluss des vorangegangenen Sorgerechtsverfahrens geführt
wurde. Insoweit handelt es sich um eine Kindschaftssache i.S.v. § 151 Nr. 4 FamFG. Hiervon werden sämtliche
Verfahren erfasst, die die Bestimmung der Person oder die Rechte oder Pflichten des Vormundes betreffen, d.h.
auch die Auswahl (§ 1779 BGB) und Bestellung des Vormunds (§§ 1789 ff. BGB. vgl. Keidel/Engelhardt, FamFG,
16. Aufl., Rn. 10 zu § 151. MünchKommZPO/Heilmann, Rn. 38 zu § 151 FamFG. Prütting/Helms/ Stößer, FamFG,
Rn. 9 zu § 151 FamFG. Schulte-Bunert/ Weinreich/Tschichoflos, FamFG, 2. Aufl., Rn. 11 zu § 151 FamFG).
Das Jugendamt ist gemäß §§ 59 Abs. 1 und 2 FamFG als bestellter Amtsvormund beschwerdeberechtigt (vgl.
Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 16. Aufl., Rn. 65 zu § 59. KG FamRZ 2010, 1998).
Schließlich ist die Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden (§§ 63 ff. FamFG).
2.
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Das Amtsgericht hat im angefochtenen Beschluss, nachdem es zuvor der Kindesmutter ersichtlich die elterliche
Sorge insgesamt entzogen hatte, zu Recht das Jugendamt des Landkreises Hildesheim zum Vormund bestellt.
Entgegen der Auffassung des Jugendamts ist das Amtsgericht dabei nicht von einem Vorrang der
Amtsvormundschaft ausgegangen, sondern hat unter Beachtung der vorliegend maßgeblichen Umstände bei der
Wahl zwischen dem Betreuungsverein einerseits und der bestellten Amtsvormundschaft andererseits zutreffend und
ohne erkennbare Ermessensfehler das Jugendamt als Vormund ausgewählt.
a)
Entgegen der vom Jugendamt mit der Beschwerde vertretenen Auffassung besteht ein Vorrang der
Vereinsvormundschaft gegenüber der bestellten Amtsvormundschaft nach den gesetzlichen Regelungen nicht.
aa)
Ein Minderjähriger erhält nach § 1773 Abs. 1 BGB u.a. dann einen Vormund, wenn er nicht unter elterlicher Sorge
steht. Das Familiengericht hat nach Anhörung des Jugendamts den Vormund auszuwählen, wenn die Vormundschaft
nicht einem nach § 1776 BGB Berufenen zu übertragen ist (§ 1779 Abs. 1 BGB). Nach den gesetzlichen Regelungen
besteht ein Vorrang der Einzelvormundschaft, die auf eine natürliche Person übertragen und von dieser ehrenamtlich
ausgeübt werden soll. Denn sowohl die Bestellung eines Vereinsvormunds wie eines Amtsvormunds stehen unter
dem Vorbehalt, dass „eine als ehrenamtlicher Einzelvormund geeignete Person nicht vorhanden“ ist (§§ 1791a Abs.
1 Satz 2, 1791b Abs. 1 Satz 1 BGB). Daher darf das Jugendamt erst zum Vormund bestellt werden, wenn kein
geeigneter Einzelvormund gefunden werden konnte (MünchKommBGB/ Wagenitz, 5. Aufl., Rn. 2 zu § 1791a BGB.
Rn. 2 zu § 1791b BGB. Staudinger/Engler, 2004, Rn. 10 zu § 1791a BGB. KG NJWE-FER 1999, 211 f.).
bb)
Demgegenüber ist das Verhältnis zwischen der Vereinsvormundschaft und der bestellten Amtsvormundschaft
streitig:
Nach einer Auffassung besteht ein Vorrang der Vereinsvormundschaft nicht, sodass das Familiengericht, wenn kein
geeigneter ehrenamtlicher Einzelvormund vorhanden ist, ohne gesetzliche Vorgabe im Rahmen des ihm
zustehenden Ermessens das Jugendamt oder einen Verein zum Vormund bestellen kann (vgl. Staudinger/Engler,
2004, Rn. 5 zu § 1791b BGB. PWW/Bauer, BGB, 3. Aufl., Rn. 1 zu § 1791b BGB. Soergel/Zimmermann, 13. Aufl.
Rn. 2 zu § 1791b BGB. Odersky, NeG, 4. Aufl. § 1791b Anm. 3. Rauscher, Familienrecht, 2. Aufl. Rn. 1199.
Oberloskamp, Vormundschaft, Pflegschaft und Beistandschaft für Minderjährige, 3. Aufl., § 16 Rn. 15).
Demgegenüber lasse sich nach anderer Auffassung aus der Regelung des § 56 Abs. 4 SGB VIII eine Tendenz für
eine Subsidiarität der Amtsvormundschaft entnehmen, weil danach das Jugendamt jährlich zu prüfen hat, ob die
Bestellung einer Einzelperson oder eines Vereins angezeigt ist (MünchKommBGB/Wagenitz, 5. Aufl. Rn. 3 zu §
1791b BGB. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 6. Auf. § 70 Rn. 15 [m. Fn. 18], 17 aE.
Palandt/Diederichsen, BGB, 70. Aufl., Rn. 1 zu § 1791b BGB, Einl. § 1773 Rn. 4. Erman/Saar, 12. Aufl., Rn. 1 zu §
1791b BGB. AnwKomm/Fritsche, BGB, Rn. 2 zu § 1791b BGB, anders jedoch Rn. 1 zu § 1779 BGB.
Bamberger/Roth/Bettin Rn. 2 zu § 1791b BGB. Oberloskamp, a.a.O., § 15 Rn. 3. Hildebrandt ZKJ 2008, 396, 403.
OLG Frankfurt FamRZ 1980, 284, 285 [ohne nähere Begründung])
cc)
Aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelungen in den §§ 1791a und 1791b BGB lässt sich ein Vorrang der
Vereinsvormundschaft vor der bestellten Amtsvormundschaft nicht herleiten, weil das Rangverhältnis allein im
Verhältnis zur Einzelvormundschaft geregelt ist.
dd)
Die Gesetzgebungsgeschichte deutet darauf hin, dass eine Vorrangstellung der Vereinsvormundschaft bzw. die
Subsidiarität der Amtsvormundschaft nicht beabsichtigt war. Mit dem Gesetz über die rechtliche Stellung der
nichtehelichen Kinder vom 19. August 1969 (NEG) wurden die §§ 1791a und 1791b BGB eingefügt. Der
Regierungsentwurf zum NEG wollte die aus § 46 JWG entnommene Subsidiarität der Amtsvormundschaft vor dem
Einzel- wie vor dem Vereinsvormund beibehalten. In der Begründung heißt es ausdrücklich, dass die
´Vereinsvormundschaft vor der Amtsvormundschaft´ in § 1791a BGB geregelt werde, ´da die Amtsvormundschaft
gegenüber der Vereinsvormundschaft subsidiär sein soll´ (BT-Drs 5/2370, S. 83). Die damals vorgeschlagene – der
geltenden Regelung sehr ähnliche – Formulierung und damit verbundene inhaltliche Intention wurde, auch nach der
Stellungnahme des Bundesrats, der es nicht für angebracht hielt, ´die Amtsvormundschaft gegenüber der
Vereinsvormundschaft nur subsidiär vorzusehen´ (BT-Drs 5/2370, S. 106), im Ergebnis nicht in das Gesetz
übernommen, sodass nach Ansicht von Odersky (NEG, 4. Aufl. § 1791b Anm. 3) der Gesetzgeber „eine
Subsidiarität nach dem Vereinsvormund“ abgelehnt habe. Die neue Fassung stelle danach „klar, dass nur dem
Einzelvormund, (…), nicht aber dem Vereinsvormund vor dem JuA der Vorzug zu geben“ sei. Daher habe der Richter
die Wahl, ob er einen Vereinsvormund oder das Jugendamt bestellen will.
Ob aus der Gesetzesbegründung für das Betreuungsänderungsgesetz (BT-Drs 15/2494, S. 27), durch das in § 1791a
Abs. 1 Satz 2 BGB und in § 1791b Abs. 1 Satz 1 BGB vor das Wort „Einzelvormund“ jeweils der Begriff
´ehrenamtlich´ eingefügt wurde, Anhaltspunkte für ein Rangverhältnis gewonnen werden können, erscheint fraglich.
Denn danach soll mit den Änderungen erreicht werden, „dass als Einzelvormünder nicht einzelne Berufsvormünder,
sondern lediglich ehrenamtlich tätige Vormünder Vorrang vor einem Verein oder einer Behörde genießen. Aus der
Reihenfolge der durch eine Oderverknüpfung verbundenen Begriffe Verein und Behörde kann man jedoch nicht auf
ein Rangverhältnis schließen, weil die Nennung den gesetzlichen Regelungen folgt.
Konkrete Anhaltspunkte lassen sich demgegenüber der Gesetzesbegründung zum Kinder- und Jugendhilfegesetz
entnehmen. Dort heißt es zu § 55 Abs. 4 KJHG des Regierungsentwurfs (BT-Drs 11/5948, S. 91), der mit der
Regelung des § 56 Abs. 4 SGB VIII wörtlich übereinstimmt: „Durch die regelmäßige Verpflichtung des Jugendamts,
die Notwendigkeit einer Fortführung der Amtspflegschaft oder Amtsvormundschaft zu überprüfen, soll die vom
Gesetzgeber gewünschte stärkere Inanspruchnahme von Einzelpersonen oder Vereinen für die Aufgaben des
Pflegers oder Vormunds gefördert werden.“
Auch weitere Ausführungen zu § 54 KJHG des Regierungsentwurfs deuten in die Richtung eines
Subsidiaritätsverständnisses. Denn in der Entwurfsbegründung zur Regelung für das Jugendamt als Pfleger und
Vormund wird u.a. darauf hingewiesen (BT-Drs 11/5948, S. 91), dass auch die Übertragung von Pfleg- und
Vormundschaften auf geeignete Vereine „in Anwendung des Subsidiaritätsprinzips verstärkt in Betracht gezogen
werden“ sollte, sodass der Gesetzentwurf in § 55 Abs. 4 [jetzt § 56 Abs. 4 SGB VIII) „einen Anstoß zur Abgabe
einer Amtspflegschaft oder Amtsvormundschaft an eine Einzelperson oder einen Verein“ vorsehe.
Vor diesem Hintergrund wird in der jugendhilferechtlichen Kommentierung überwiegend davon ausgegangen, dass §
56 Abs. 4 SGB VIII nicht nur den Vorrang der Einzelbetreuung, sondern auch der Vereinsbetreuung vor der
Amtspflegschaft oder Amtsvormundschaft zum Ausdruck bringe (vgl. MünchKommBGB/Tillmanns, 5. Aufl. Rn. 10
zu § 56 SGB VIII m.w.Nw.), um auch die angestrebte individuellere Aufgabenwahrnehmung abzusichern (vgl.
Mollik/Opitz in LPK-SGB VIII, 3. Aufl. Rn. 5 zu § 56). Darüber hinaus soll nach dem Regierungsentwurf eines
Gesetzes zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts (BR-Drs 537/10. BT-Drs 17/3617) der
persönliche Kontakt zwischen Vormund und Mündel hervorgehoben (§ 1793 Abs 1a BGB-Reg-Entwurf) und die Zahl
der von einem vollzeitbeschäftigten Beamten geführten Vormundschaften begrenzt werden (§ 55 Abs. 2 Satz 3 SGB
VIII-Reg-Entwurf. vgl. hierzu Hoffmann FamRZ 2011, 249 ff.. Katzenstein JAmt 2010, 414 ff.. Sünderhauf JAmt
2010, 405 ff.).
Die Bestrebungen, in den jugendhilferechtlichen Vorschriften ein Subsidiaritätsprinzip für die Amtsvormundschaft
zum Ausdruck zu bringen, hat in den gesetzlichen Regelungen für die Vereins- und die bestellte Amtsvormundschaft
für ein Rangverhältnis indes keinen Niederschlag zu gefunden. Über die erwünschte stärkere Inanspruchnahme des
Einzel- oder Vereinsvormunds hinaus ist ein Rangverhältnis nicht ausdrücklich festgeschrieben worden. Vor diesem
Hintergrund lässt sich auch systematisch aus der Reihenfolge der Regelungen in § 1791a BGB zur
Vereinsvormundschaft und in § 1791b BGB zur bestellten Amtsvormundschaft kein Rangverhältnis ableiten.
b)
Das Amtsgericht hat ohne Ermessensfehler das Jugendamt des Landkreises Hildesheim zum Vormund bestellt.
Gemäß § 1791b Abs. 1 BGB kann das Jugendamt zum Vormund bestellt werden, wenn eine als ehrenamtlicher
Einzelvormund geeignete Person nicht vorhanden ist. Im Hinblick auf die bestehende Familienproblematik, wie sie
sich aus den Berichten des Jugendamts und der Stellungnahme der Verfahrenspflegerin im vorangegangenen
Sorgerechtsverfahren (## Amtsgericht Hildesheim) ergibt, ist das Amtsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass
die Vormundschaft weder durch einen ehrenamtlichen Einzelvormund noch einen Berufsvormund zu führen ist. Aus
diesem Grund konnte es von weiteren intensiven Ermittlungen nach einer geeigneten Person (vgl. hierzu OLG Hamm
FamRZ 2010, 1684. KG NJW-FER 1999, 211. MünchKommBGB/Wagenitz, 5. Aufl. Rn. 4 zu § 1791b BGB)
absehen, zumal auch nach der Beschwerdebegründung ein ehrenamtlicher Vormund nicht zur Verfügung steht.
Der Senat geht davon aus, dass der Betreuungsverein grundsätzlich in gleicher Weise wie das Jugendamt geeignet
ist, die Vormundschaft für M. zu führen. Für die Auswahl des Jugendamts des Landkreises sprechen vorliegend
folgende Umstände:
Seit der einstweiligen Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts mit Beschluss vom ## 2009 (## Amtsgericht
Hildesheim) nimmt das Jugendamt des Landkreises Hildesheim dieses Recht als Pfleger war. Das Jugendamt ist
daher mehr als 1 1/2 Jahre sowohl mit den weiteren Beteiligten dieses Verfahrens wie auch mit den familiären
Verhältnissen, in denen M. bisher aufgewachsen ist, vertraut. Insoweit erscheint gerade die bereits bestehende
Beziehung zwischen dem zuständigen Mitarbeiter des Jugendamts einerseits und den Familienmitgliedern
andererseits für den Aufbau bzw. Bestand einer vertrauensvollen Zusammenarbeit von großer Bedeutung. Denn
auch das Jugendamt geht in seiner Beschwerde davon aus, dass infolge der Spannungen zwischen der Großmutter
des Kindes und der Antragsgegnerin ein erhöhter Kommunikationsbedarf besteht, um die strittigen Belange mit allen
Beteiligten zu erörtern und einvernehmlich zu regeln. Dass das Jugendamt dem danach erhöhten Zeitbedarf für die
Führung der Vormundschaft aus personellen Gründen nicht gerecht werden kann, wird mit der Beschwerde nicht
geltend gemacht. Soweit das Jugendamt mit dem Betreuungsverein bereits Vorgespräche über den bestehenden
Handlungsbedarf im Rahmen der Vormundschaft geführt hatte, führt dies zu keiner anderen Bewertung.
Darüber hinaus ist eine Aufspaltung der Kompetenzen zwischen dem Jugendamt einerseits und dem
Betreuungsverein andererseits nicht gerechtfertigt. Im Schriftsatz vom 8. März 2010 hat das Jugendamt
vorgeschlagen, dass eine Pflegschaft mit dem Wirkungskreis ´Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen des
Kindes gegen den Kindesvater´ bestellt werden sollte, zu deren Übernahme das Jugendamt im Hinblick auf die dort
bereits bestehenden Beistandschaft bereit war. Dies würde dazu führen, dass ein wesentlicher Teil der
vermögensrechtlichen Angelegenheiten beim Jugendamt des Landkreises Hildesheim als Pfleger verbliebe, während
im Übrigen der Betreuungsverein für M. die Personen- und verbleibende Vermögenssorge ausübt. Eine solche
Aufteilung ist nicht sachgerecht. Vielmehr sollen sämtliche eine Person betreffenden Angelegenheiten nach
Möglichkeit in einer Hand verbleiben, soweit nicht aus sachlichen Gründen eine andere Handhabung geboten ist.
Hierfür sind vorliegend konkrete Anhaltspunkte nicht erkennbar.
Der Senat geht nicht davon aus, dass für die bei ihrer Großmutter in S. lebende M. durch den Sitz des
Betreuungsvereins in Hannover wesentliche Probleme oder signifikant höhere Kosten bei der Wahrnehmung der
Vormundschaft entstehen können. Dafür, dass sich das Amtsgericht bei der Auswahl des Vormunds im Hinblick auf
die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (FamRZ 2007, 900, JAmt 2007, 556) von ´rein fiskalischen Gründen´
hat leiten lassen, wie die Beschwerde geltend macht, sind im angefochtenen Beschluss keine Anhaltspunkte zu
finden. Im Übrigen besteht für die Führung einer Vereinsvormundschaft analog §§ 277 Abs. 4 Satz 1 FamFG, 7 Abs.
1 VBVG ein Anspruch auf Vergütung (Senatsbeschluss vom 31. März 2011 - 15 UF 1/11. OLG München FGPrax
2011, 23. a.A. OLG Koblenz 2011, 61 ff.).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG. Eine Wertfestsetzung ist nicht veranlasst.
IV.
Der Senat lässt gemäß § 70 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG die Rechtsbeschwerde hinsichtlich der Frage zu, ob
der Bestellung einer Vereinsvormundschaft Vorrang gegenüber der Bestellung des Jugendamts zukommt. Diese
Fragestellung ist wie dargelegt streitig und für das vorliegende Verfahren insoweit von Bedeutung, als bei einem
Rangverhältnis Einzelvormund (§ 1779 BGB) - Vereinsvormundschaft (§ 1791a BGB) - bestellte Amtsvormundschaft
(§ 1779b BGB) der Beschwerde statt zu geben wäre. Denn sachliche Gründe dafür, dass die Vormundschaft vom
Betreuungsverein nicht geführt werden kann, sind nicht ersichtlich sind.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieser Beschluss ist mit der Rechtsbeschwerde anfechtbar. Diese ist binnen einer Frist von einem Monat nach der
schriftlichen Bekanntgabe dieses Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift beim Bundesgerichtshof,
Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt einzulegen.
Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer
öffentlichen Aufgabe gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte
anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer
öffentlichen Aufgabe gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Die zur Vertretung berechtigten Personen
müssen die Befähigung zum Richteramt haben.
Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:
1. Die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und
2. die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben. Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder
beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses vorgelegt werden.
Brick Dr. Schwonberg Dr. Meyer-Holz