Urteil des OLG Celle vom 13.10.2011

OLG Celle: erbschein, testament, erlass, haus, nachlass, nacherbschaft, datum, grundstück

Gericht:
OLG Celle, 06. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 6 W 206/11
Datum:
13.10.2011
Sachgebiet:
Normen:
FamFG § 68 Abs 1 Satz 1 Halbs 1
Leitsatz:
Im Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins ist die Änderung des Erbscheinsantrags nach dessen
Ablehnung mit der Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss zulässig, solange das Amtsgericht
nicht entschieden hat, ob es der Beschwerde abhilft.
Volltext:
6 W 206/11
6 VI 655/10 Amtsgericht Syke
B e s c h l u s s
In der Nachlasssache
betreffend die Erteilung eines Erbscheins nach dem am 28. Februar 2010 verstorbenen A. L., zuletzt wohnhaft
gewesen in S.,
Beteiligte:
J. L., …, …,
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigter:
Notar …, …,
Geschäftszeichen: ….
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Beschwerde der Beteiligten vom 18. Juli 2011 gegen den
Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Syke vom 16. Juni 2011 durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht Piekenbrock, den Richter am Oberlandesgericht Volkmer und die Richterin am Oberlandesgericht
Laß am 13. Oktober 2011 beschlossen:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Das Amtsgericht wird angewiesen, der Beteiligten einen Erbschein zu
erteilen, der sie als alleinige Vollerbin des Erblassers ausweist.
Beschwerdewert: 1.000 €
G r ü n d e
Das Rechtsmittel ist begründet.
I.
Die Entscheidung über den Antrag der Beteiligten vom 2. November 2010, den sie am 4. November 2010 beim
Amtsgericht eingereicht hat, ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie als Vollerbin ausweist, ist nicht entsprechend §
269 Abs. 3 Satz 1 ZPO hinfällig geworden. Die Beteiligte hat diesen Antrag nicht dahin geändert, dass sie nur noch
einen Erbschein beantragt, der sie als befreite Vorerbin ausweist, sondern diesen Antrag nur hilfsweise nach jenem
gestellt für den Fall, dass jener im Beschwerdeverfahren erfolglos bleibt, was zulässig war, weil das Amtsgericht, als
der Hilfsantrag bei ihm einging, noch nicht entschieden hatte, ob es der Beschwerde abhilft. Die Möglichkeit der
Abhilfe erstreckt sich auf Anträge, die nach Erlass des angefochtenen Beschlusses in erster Instanz gestellt
werden. Der Sinn der Abhilfe, die Beschwerdegerichte zu entlasten (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl., § 68 Rn.
2), gebietet es, nicht zu unterscheiden, ob der Antragsteller den neuen Antrag im Rahmen des
Beschwerdeverfahrens vor Erlass der Abhilfeentscheidung oder in einem neuen erstinstanzlichen Verfahren stellt.
Der Wille der Beteiligten, den ursprünglichen Antrag als Hauptantrag aufrechtzuerhalten, ergibt sich bei verständiger
objektiver Würdigung (entsprechend § 133 BGB) aus dem Schriftsatz vom 21. Juli 2011, mit welchem die Beteiligte
den Erbscheinsantrag vom 20. Juli 2011 beim Amtsgericht eingereicht hat. Die Bezeichnungen „im Nachgang zu
meinem Antrag vom 04.11.2010“ und „Nachtragsurkunde“ ergeben nur Sinn, wenn die Beteiligte den Antrag vom 2.
November 2010 nicht als erledigt betrachtet wissen wollte.
II.
Die Beteiligte ist Vollerbin des Erblassers. Die von diesem zu ihren Gunsten verfügte befreite Vorerbschaft verbleibt
ihr (§ 2142 Abs. 2 Halbs. 1 BGB). Ihre und des Erblassers als Nacherben eingesetzten drei Kinder haben die
Nacherbschaft ausgeschlagen. Dem Testament des Erblassers vom 1. März 1993 ist gemäß § 133 BGB dessen
Wille zu entnehmen, seine und der Beteiligten drei Kinder als seine Nacherben einzusetzen. Die Erläuterung des
Erblassers in dem Testament zu der Bestimmung der Beteiligten zu seiner befreiten Vorerbin, „damit meine (er), daß
es keine Erbauseinandersetzung über das Grundstück mit Haus geben soll, solange meine Frau noch lebt“, zeigt,
dass er die gemeinsamen Kinder zu Nacherben bestimmen wollte. Diese waren die einzigen Personen, mit denen die
Beteiligte sich über den Nachlass des Erblassers, wenn dieser nicht testiert hätte, aus dessen Sicht, als er das
Testament errichtete, hätte auseinandersetzen müssen (§ 1924 Abs. 1, § 1931 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB).
Eine Kostenentscheidung war entbehrlich. Gerichtsgebühren sind nicht angefallen (§ 131 Abs. 3 KostO). die
Erstattung außergerichtlicher Kosten war nicht anzuordnen, weil niemand außer der Beteiligten sich am
Beschwerdeverfahren beteiligt hat.
Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 30 Abs. 1 Halbs. 1, § 131 Abs. 4 KostO aufgrund von
Schätzung des Senats. Das für diese maßgebliche Interesse der Beteiligten, als Voll statt nur als befreite Vorerbin
des Erblassers ausgewiesen zu sein, ist wirtschaftlich gering. Es besteht nur darin, auch schenkweise und von
Todes wegen über Nachlassgegenstände wirksam verfügen zu können.
Piekenbrock Volkmer Laß