Urteil des OLG Celle vom 25.07.2011

OLG Celle: urkunde, nettoeinkommen, aussteller, kennzeichen, fahrzeug, entscheidungsformel, strafrecht, herkunft, einkünfte, tagessatz

Gericht:
OLG Celle, 01. Strafsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 31 Ss 30/11
Datum:
25.07.2011
Sachgebiet:
Normen:
STGB § 267, StVZO § 29, StGB § 40 Abs 2
Leitsatz:
1. Die Prüfplakette im Sinne des § 29 Abs. 2 i.V.m. Anl. IX StVZO („TÜVPlakette“) stellt aufgrund
ihrer festen Verbindung zum KfzKennzeichen eine zusammengesetzte Urkunde dar.
2. Bei der Bemessung der Tagessatzhöhe kann ein wesentlich höheres Einkommen des Ehepartners
des Angeklagten berücksichtigt werden, wenn dem Täter hieraus tatsächlich geldwerte Vorteile
zufließen, die als (dauerhaftes) „Einkommen“ angesehen werden können. In diesem Fall bedarf es
aber im Urteil der Darlegung, wie sich das höhere Nettoeinkommen des Ehegatten auf die
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten konkret auswirkt.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
31 Ss 30/11
408 Js 6414/10 StA Bückeburg
B e s c h l u s s
In der Strafsache
gegen M. W. E. P.,
geboren am xxxxxxxx 1951 in O.,
wohnhaft A., L.,
Verteidiger: Rechtsanwalt B. aus S.
wegen Urkundenfälschung
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des
Amtsgerichts Stadthagen vom 21. April 2011 auf Antrag und nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxxxxxxx, den Richter am Oberlandesgericht xxxxxxxxxxxxxxx
und den Richter am Oberlandesgericht xxxxxxxxxx am 25. Juli 2011 einstimmig beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der Tagessatzhöhe mit den zugrunde liegenden
Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der
Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Stadthagen zurückverwiesen.
G r ü n d e :
I.
Das Amtsgericht Stadthagen hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 35
Tagessätzen á 30 € verurteilt.
Nach den Feststellungen nahm der Angeklagte die bei seinem Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen xxxxxxxxxxxx
bereits im Oktober 2009 nach der StVZO vorgeschriebene Hauptuntersuchung nicht vor. Um das Fahrzeug dennoch
im Straßenverkehr nutzen zu können, brachte er am hinteren Kennzeichen eine HUPlakette auf, die eine
Gültigkeitsdauer bis Oktober 1993 aufwies. Diese hatte denselben Farbton, wie die HUPlaketten, deren Gültigkeit
erst 2011 ablief. Um den Anschein zu erwecken, dass die nächste Hauptuntersuchung erst im Oktober 2011
erforderlich sein würde, überzeichnete der Angeklagte die Zahl „93“ mit der Ziffer „11“. Mit dem Lkw befuhr der
Angeklagte am 14. August 2010 in B. die H.straße. Dort wurde er im Rahmen einer Verkehrskontrolle durch die
Polizei angehalten und die Manipulation am Kennzeichen bemerkt.
Zu den Einkommensverhältnissen des Angeklagten hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Angeklagte als
selbständiger Gas und Wasserinstallateurmeister einen Nettoverdienst von lediglich 500 € monatlich, seine Ehefrau
einen monatlichen Nettoverdienst von ca. 1.300 € erzielt. Zur Berechnung der Tagessatzhöhe hat das Amtsgericht
die Einkommen gemeinsam veranschlagt und den Tagessatz auf 30 € festgesetzt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
II.
Die Revision hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie
unbegründet.
1. Hinsichtlich des Schuldspruchs deckt die Revision keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Der
Senat hat diese gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Nur ergänzend ist anzumerken, dass die getroffenen Feststellungen die Annahme des Amtsgerichts, der Angeklagte
habe eine Urkunde verfälscht, tragen. Insbesondere stellt die vom Angeklagten inhaltlich abgeänderte HUPlakette
aufgrund ihrer festen Verbindung zum KfzKennzeichen eine (zusammengesetzte) Urkunde dar. Mit den sich aus der
Plakette ergebenden Symbolen und Farben liegt zumindest die verkörperte Gedankenerklärung vor, dass das
Fahrzeug bis zum Ablauf des Oktober 2009 zur Hauptuntersuchung vorzuführen wäre, wenn das Fahrzeug auch
danach am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen soll. Die HUPlakette war wegen ihrer sich aus § 29 StVZO - insb.
dessen Abs. 7 Satz 4 - ergebenden Bedeutung auch zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt. Dass
mit Ablauf des Oktobers 2009 die HUPlakette gemäß § 29 Abs. 7 Satz 1 StVZO ihre Gültigkeit verloren hat, ändert
weder etwas an der sich aus der Plakette ergebenden Gedankenerklärung, dass das Kraftfahrzeug bis Oktober 2009
hätte vorgeführt werden müssen, noch an der Beweisgeeignetheit. Entgegen der Revision lässt sich auch der
Aussteller der Urkunde erkennen. Zwar muss sich die Erkennbarkeit nach herrschender Lehre aus der Urkunde
selbst ergeben (vgl. BGH NJW 1960, 444 (445). Radtke, ZStW 115, 26 (57). Lackner/Kühl, 27. Aufl., § 267 StGB Rn.
14. LKZieschang, 12. Aufl., § 267 StGB Rn. 44 ff). Es genügt aber, wenn die Herkunft der Erklärung aus der Gestalt
der verwendeten Symbole oder durch deren Verbindung mit Gegenständen, die eine entsprechende Zuordnung
ermöglichen, erkennbar ist (vgl. MKErb, § 267 StGB Rn. 24. Puppe, JZ 1997, 490 (491)). Dies ist nach den
getroffenen Feststellungen aufgrund des KfzScheins der Fall. Aus diesem lässt sich die DEKRA als Aussteller der
Urkunde erkennen. Indem der Angeklagte deren Gedankenerklärung mittels einer anderen HUPlakette überklebt und
diese überzeichnet hat, hat er den Inhalt der Urkunde abgeändert und somit eine echte Urkunde verfälscht (vgl. auch
OLG Karlsruhe, DAR 2002, 229.
BayObLG NJW 1966, 748. AG Waldbröl, NJW 2005, 2870).
Dieser Betrachtungsweise steht auch nicht die Entscheidung des OLG Celle in NdsRPfl 1991, 182 entgegen. Im
dortigen Fall lag ein KfzSchein überhaupt nicht vor, weshalb die HUPlakette nur scheinbar auf die Möglichkeit
verwiesen hat, den Aussteller der Erklärung zu ermitteln. Es handelte sich daher nur scheinbar um eine Urkunde,
hingegen nicht um eine unechte Urkunde (vgl. Puppe a.a.O.). Entgegen der Revision ist der Entscheidung aber auch
nicht zu entnehmen, dass nur derjenige eine Urkundenfälschung begeht, der neben dem unbefugten Anbringen einer
HUPlakette auch eine damit korrespondierende Eintragung im KfzSchein vornimmt. Für die Annahme einer unechten
Urkunde genügt es, dass die Möglichkeit einer korrekten Zuordnung zu einem bestimmten Aussteller vorgespiegelt
wird (vgl. MKErb, a.a.O., Fn. 46).
2. Die Revision ist hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs zum Teil begründet.
Die Feststellungen, die das Amtsgericht hinsichtlich der Festsetzung der Tagessatzzahl getroffen hat, sind
rechtsfehlerfrei erfolgt. Auch insoweit verwirft der Senat die Revision nach § 349 Abs. 2 StPO.
Hinsichtlich der festgesetzten Tagessatzhöhe weist das angefochtene Urteil indessen einen durchgreifenden
Rechtsmangel auf. Die auf der Grundlage der Feststellungen vorgenommene Festsetzung der Tagessatzhöhe wird
den Anforderungen des § 40 Abs. 2 StGB nicht gerecht. Danach bestimmt das Gericht die Höhe des Tagessatzes
unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei wird in der Regel eine
Beurteilung nach dem Nettoeinkommensprinzip vorgenommen. Es wird in diesem Fall von einem Nettoeinkommen
ausgegangen, welches der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Weiterhin dürfen zur
Berechnung insbesondere auch Einkommen Dritter – hier der Ehefrau - berücksichtigt werden, vorausgesetzt diese
Einkünfte fließen dem Täter unmittelbar oder mittelbar zu oder kommen ihm sonst zugute. Bei einem Täter mit
geringem eigenen Arbeitseinkommen – wie der Angeklagte, der 500 EUR netto monatlich verdient, – kann zwar unter
Umständen ein wesentlich höheres Einkommen des Ehepartners mitberücksichtigt werden, wenn dem Täter hieraus
tatsächlich geldwerte Vorteile zufließen, die als (dauerhaftes) „Einkommen“ angesehen werden können. Dies darf
jedoch nicht dazu führen, dass eine strafrechtliche „Gesamthaftung“ des Familieneinkommens angenommen wird
(vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 40 Rn. 9).
Vorliegend hat das Amtsgericht lediglich ausgeführt, dass es das Einkommen des Angeklagten und seiner Ehefrau
zusammen veranschlagt hat, um die Tagessatzhöhe festzusetzen. Offenbar ist dazu das Nettoeinkommen beider
Ehegatten addiert und der rechnerische Hälftebetrag als Beurteilungsgrundlage für die Tagessatzhöhe genommen
worden. Soll jedoch bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe das deutlich höhere Einkommen des Ehegatten
berücksichtigt werden, so muss der Frage nachgegangen werden, ob und wie sich das höhere Nettoeinkommen des
Ehegatten auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten konkret auswirkt. Dazu gehört vor
allem die Frage, zu welchen Teilen die Ehegatten für gemeinsame Lasten aufkommen und ob der Angeklagte über
das Einkommen seiner Ehefrau ganz oder teilweise (mit)verfügen kann (vgl. OLG Zweibrücken, wistra 2000, 152).
Es hätte daher einer näheren Darlegung bedurft, welche Umstände für die Abweichung vom rechnerisch
festzustellenden Nettotagessatz maßgebend waren. Hieran fehlt es.
Da der Senat die fehlenden Feststellungen nicht selbst treffen kann, ist die Sache zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
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