Urteil des OLG Celle vom 21.06.2000

OLG Celle: wasser, erfüllung, gewährleistung, zustand, gegenpartei, auto, leiter, verkehrssicherheit, verschulden, erhaltung

Gericht:
OLG Celle, 09. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 9 U 9/00
Datum:
21.06.2000
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 839, Nds. StrG § 10, HpflG § 2
Leitsatz:
1. Die verschuldensunabhängige Haftung des Inhabers einer Wasserrohrleitungsanlage im Sinne des
§ 2 Abs. 1 HPflG gilt nur für Schäden, die auf die Wirkungen des in einem Rohrleitungssystem
aufgenommenen Wassers zurückzuführen sind. Dies ist nicht der Fall, wenn aufgrund einer
Funktionsstörung Wasser nicht mehr aufgenommen wird und dieses Wasser Ursache für den
eingetretenen Schaden des Anspruchstellers ist.
2. Zur Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers, einen ordnungsgemäßen Wasserabfluss
von der Fahrbahnoberfläche zu gewährleisten.
Volltext:
9 U 9/00
19 O 2926/99 LG Hannover
Verkündet am
21. Juni 2000
#######,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter
am Oberlandesgericht ####### sowie die Richter am Oberlandesgericht #######
und ####### auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juni 2000 für Recht erkannt:
Die Berufung der Kläger gegen das am 25. November 1999 verkündete Urteil der
19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurück-gewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden - insoweit auch unter Änderung der landgerichtlichen
Kostenentscheidung - dem Kläger zu 1 zu 4/6, der Klä-gerin zu 2 zu 1/6 und
der Klägerin zu 3 zu 1/6 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Wert der Beschwer für die Kläger: unter 60.000 DM.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet.
Den Klägern steht gegen das beklagte Land weder ein Schadensersatzanspruch
nach den Vorschriften des Haftpflichtgesetzes noch ein solcher wegen der Verlet-zung
einer dem beklagten Land obliegenden Verkehrssicherungspflicht zu.
1. Ein Schadensersatzanspruch nach § 2 HpflG setzt voraus, dass der Scha-den
entweder durch die Wirkungen von Flüssigkeit entstanden ist, die von der Rohrleitungsanlage
oder einer Anlage zur Ableitung von Flüssigkeit ausgehen (sog. Wirkungshaftung),
oder dass der Schaden, ohne auf den Wirkungen der Flüssigkeit zu beruhen, auf
das Vorhandensein der Anlage zurückzuführen ist (sog. Zustandshaftung). Hier
kommt allein die Wirkungshaftung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Haftpflichtgesetzes
in Betracht, da der Schaden auf dem von dem Gully nicht mehr aufgenommenen
Regenwasser beruht.
Die Voraussetzungen der Wirkungshaftung sind hier aber nicht erfüllt, weil
von der typischen Gefahr im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 HpflG bei dem hier
gegebenen Sachverhalt nicht ausgegangen werden kann. Diese Vorschrift normiert
eine verschuldensunabhängige Haftung des Inhabers einer Wasserrohrleitungsanlage
nur für Schäden, die gerade auf die Wirkungen des in einem Rohrleitungssystem
auf-genommenen, dort gesammelt weitergeleiteten und alsdann von der Anlage
aus-gehenden Wassers zurückzuführen sind. Es muss demnach ein Zusammenhang
mit der Funktion der Anlage, nämlich dem Transport oder der Abgabe des Was-sers,
bestehen, und ebendies, nicht eine Störung der Funktion, muss den Scha-den
verursacht haben (BGH NJW 1991, 2635 m. w. N.; BGH VersR 1992, 58; OLG Düsseldorf,
OLGR Düsseldorf 1994, 203). Danach scheidet ein Anspruch gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 HpflG
aus.
2. Den Klägern steht auch kein Anspruch gemäß §§ 839 Abs. 1 BGB, Artikel 34 GG
i. V. m. § 10 Abs. 1 Nds. StrG zu.
Allerdings trägt das beklagte Land für den Bereich der Bundesautobahn, in dem
es zu dem Unfall gekommen ist, die Straßenbaulast; es hat daher in Ausübung
hoheitlicher Tätigkeit für die Erhaltung der Verkehrssicherheit zu sorgen.
Als Straßenverkehrssicherungspflichtiger muss das Land den sicheren Zustand
aller Teile und Anlagen der Straße gewährleisten. In diesem Rahmen obliegt
es ihm auch, für einen Abfluss des Regenwassers Sorge zu tragen.
Die Klage scheitert aber daran, dass die Kläger den ihnen obliegenden Beweis
dafür, dass das beklagte Land diese ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht
verletzt hat, nicht führen können.
Die Kläger haben sich zunächst auf die Behauptung beschränkt, dass das beklag-te
Land seine Verpflichtung zur Überwachung eines ordnungsgemäßen Zustandes der
in den Abwasserschächten befindlichen Siebe - und damit zur Gewährleistung
des ordnungsgemäßen Wasserabflusses von der Fahrbahnoberfläche - nicht ord-nungsgemäß
erfüllt habe. Dies war zunächst ausreichend, weil den Klägern ein weiterer
Vortrag hierzu nicht möglich war. Vielmehr war es nach den vom Bundes-gerichtshof
entwickelten Grundsätzen zur sekundären Darlegungslast (vgl. etwa BGHZ 86,
23 ff.; BGHZ 100, 190 ff.; BGH NJW 1987, 1201; BGH NJW 1999, 714 f) nunmehr
Aufgabe des beklagten Landes, hierzu näher vorzutragen. Nach diesen Grundsätzen
ist es in bestimmten Fällen Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach
§ 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen
Partei zu äußern. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich - wie hier - die maßgeblichen
Vorgänge im Wahrnehmungsbereich des Prozessgegners abgespielt haben und es
diesem zumutbar ist, dazu nähere An-gaben zu machen (BGH a. a. O.). Dem hat
das beklagte Land dadurch Rechnung getragen, dass es vorgetragen hat, dass
die Siebe der Abflussschächte dreimal jährlich gereinigt werden und überdies
nach einem feststehenden Plan die Auto-bahnen im Bereich des beklagten Landes
täglich durch so genannte Strecken-fahrten kontrolliert werden. Unter Berücksichtigung
des Grundsatzes, dass die Verkehrssicherungspflicht nur im Rahmen des tatsächlich
und finanziell Möglichen erforderlich und zumutbar ist und des weiteren Umstandes,
dass keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es im Bereich der Unfallstelle
weder zu ver-gleichbaren Vorfällen gekommen war noch bei den täglichen Streckenfahrten
Unregelmäßigkeiten festgestellt worden sind, hält der Senat diese Maßnahmen
des beklagten Landes zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht ausreichend.
Da die Kläger keinen Beweis dafür angetreten haben - der Leiter der zuständigen
Autobahnmeisterei ist namentlich bekannt, weitere etwa zuständige Bedienstete
müssten vom Land benannt werden -, dass das beklagte Land diese zur Erfüllung
der Verkehrssicherungspflicht erforderlichen Maßnahmen nicht durchgeführt hat,
ist nicht feststellbar, dass das beklagte Land die ihm obliegende Sicherungspflicht
verletzt hat. Ein Anscheinsbeweis kommt den Klägern hier nicht zugute. Selbst
wenn man noch häufigere Kontrollen der Abflüsse verlangte, verbliebe die Mög-lichkeit,
dass ein Sieb im Verlaufe einiger Wochen allmählich verstopfte, ohne dass das
Land hieran ein Verschulden träfe; Überprüfungen sämtlicher Gullys auf den
Autobahnen im Abstand weniger Wochen sind weder erforderlich - nicht abfließende
größere Wasserlachen nach starken Niederschlägen sind bei den regelmäßigen
Streckenkontrollen erkennbar - noch zumutbar.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1; 708 Nr. 10, 713;
546 Abs. 2 ZPO.
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