Urteil des OLG Celle vom 05.04.2006

OLG Celle: vergütung, ultra petita, gartenbau, ermessen, bach, telefon, fahrtkosten, obstbau, produktion, anhörung

Gericht:
OLG Celle, 01. Strafsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 1 Ws 177/06
Datum:
05.04.2006
Sachgebiet:
Normen:
JVEG § 9
Leitsatz:
Wird eine sachverständige Leistung in einem Gebiet erbracht, das in der Anlage zu § 9 Abs. 1 JVEG
nicht enthalten ist, kommt nicht in Betracht, die erbrachte Leistung einem inhaltlich vergleichbaren
oder ähnlichen Sachgebiet entsprechend zuzuordnen. Die Vergütung bemisst sich dann vielmehr an §
9 Abs. 2 Satz 2 JVEG.
Volltext:
1 Ws 177/06
124 Js 26605/03 StA Stade
B e s c h l u s s
In der Strafsache
gegen T. O.,
geboren am ####### in S.,
wohnhaft S. Str. 13 in H.,
Verteidiger: Rechtsanwalt H., B.,
wegen unerlaubten Anbaus von Betäubungsmitteln,
hier: Beschwerde der Sachverständigen Dipl.Ing. agr. T.C.,
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf das als Beschwerde zu behandelnde Schreiben der
Sachverständigen vom 2. März 2006 gegen den Beschluss des Landgerichts Stade vom 22. Februar 2006 nach
Anhörung der Landeskasse durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, die Richterin am
Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 5. April 2006 beschlossen:
Der Beschluss des Landgerichts Stade vom 22. Februar 2006 wird aufgehoben.
Die Vergütung der Sachverständigen wird auf 1.789,50 EUR festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Notwendige Auslagen und
Kosten werden nicht erstattet.
G r ü n d e :
1. Die als DiplIng. agr. im Bereich Gartenbau tätige Sachverständige wendet sich mit ihrer als Beschwerde im Sinne
von § 4 Abs. 3 JVEG zu behandelnden Eingabe vom 2. März 2006 gegen einen Beschluss der 12. Kleinen
Strafkammer des Landgerichts Stade vom 22. Februar 2006, mit welchem auf Antrag der Sachverständigen ihre
Vergütung gerichtlich auf 60, EUR pro Stunde mit der Begründung festgesetzt wurde, die Sachverständige habe ihre
Leistung (Angaben über die Wachstumszeit von Cannabispflanzen) auf dem Gebiet der Garten und
Landschaftsgestaltung/des Garten und Landschaftsbaus im Sinne der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 des Justizvergütungs
und entschädigungsgesetzes (JVEG) erbracht. Hiernach richte sich ihre Vergütung nach der Honorargruppe 3 im
Sinne von § 9 Abs. 1 JVEG. Die Sachverständige trägt hierzu vor, das von ihr bearbeitete Fachgebiet des
Gartenbaus habe mit dem benannten Sachgebiet nichts zu tun. Überdies sei ihr im Verfahren vor dem
Schöffengericht ein Stundensatz in Höhe von 70, EUR zugesagt worden. Dieser Stundensatz sei der
Kostenfestsetzung zugrunde zu legen.
2. Das Rechtsmittel der Sachverständigen ist als Beschwerde zulässig nach § 4 Abs. 3 JVEG. Der hierfür
erforderliche Beschwerdewert folgt aus der Differenz der festgesetzten zu der beantragten Vergütung (brutto) und ist
mit einem Betrag in Höhe von 217,50 EUR erreicht.
3. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Die Vergütung von Sachverständigen bestimmt sich nach § 9 JVEG in Verbindung mit dessen Anlage 1 unabhängig
von der individuellen Qualifikation des Sachverständigen oder des Schwierigkeitsgrads des zu erstattenden
Gutachtens im Grundsatz allein nach dem in Frage kommenden Sachgebiet und der jeweiligen Honorargruppe (OLG
des Landes SachsenAnhalt vom 18.8.2005, 12 W 67/05. Hartmann Kostengesetze, 34. Aufl. § 9 JVEG Rn. 6 ff).
Das Landgericht hat die vorliegend erbrachte Leistung dem Sachgebiet der Garten und Landschaftsgestaltung/des
Garten und Landschaftsbaus zugeordnet und hieran die Vergütung ausgerichtet. Diese Festsetzung kann keinen
Bestand haben.
Die Sachverständige hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das benannte Sachgebiet mit der Fachrichtung
Gartenbau nicht identisch ist. Während der Bereich des Garten und Landschaftsbaus das Anlegen von Gärten,
Teichen, Wegen und dergl. betrifft, hat die Fachrichtung Gartenbau die gewerbliche Produktion von Zierpflanzen,
Gemüse und Obstbau in Gewächshäusern und im Freiland zum Gegenstand. Die von der Sachverständigen im
Rahmen ihres Gutachtens zu behandelnde Fragestellung (Angaben über die Wachstumszeit von Cannabispflanzen,
zumal in einer Wohnungszucht) hat mit der Anlage von Gärten indessen nichts gemein. Diese Fragestellung
unterfällt - wenn überhaupt - dem Bereich Gartenbau. Eine Festsetzung der Vergütung nach dem Sachgebiet der
Garten und Landschaftsgestaltung/des Garten und Landschaftsbaus kam daher nicht in Betracht. Der Bereich
Gartenbau ist in der Anlage zu 9 Abs. 1 JVEG nicht vorgesehen.
Wird eine sachverständige Leistung auf einem Sachgebiet erbracht, das in keiner Honorargruppe genannt wird, ist
sie nach § 9 Abs. 2 Satz 2 JVEG unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich
und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze einer Honorargruppe nach billigem Ermessen zuzuordnen. Nach
dieser insoweit eindeutigen Regelung kommt nicht in Betracht, die erbrachte Leistung einem inhaltlich vergleichbaren
oder ähnlichen Sachgebiet entsprechend zuzuordnen (vgl. auch Hartmann a.a.O., Rn. 14). Die Vergütung orientiert
sich vielmehr an den außergerichtlich bzw. außerbehördlich üblicherweise vereinbarten Stundensätzen und ist
sodann der Höhe nach einer der Honorargruppen zuzuordnen (Meyer/Höver/Bach, Kommentar zum JVEG, 23. Aufl.,
§ 9 Rn. 9.4). Die Sachverständige hat im Rahmen ihres als Antrag nach § 4 JVEG behandelten Schreibens vom 30.
Januar 2006 dargelegt, bei außergerichtlichen Aufträgen rechne sie einen Stundensatz in Höhe von 75, EUR ab. Der
Senat hat keinen Anlass, hieran zu zweifeln, und hat somit von weiteren Ermittlungen hierzu abgesehen. Hiernach
wäre die Vergütung entsprechend der Honorargruppe 6 festzusetzen. Die Sachverständige beantragt indessen eine
Vergütung in Höhe von 70, EUR pro Stunde, so dass die Vergütung entsprechend festzusetzen war (ne ultra petita).
Der Festsetzung im Übrigen ist die Landeskasse nicht entgegen getreten.
4. Die Vergütung war hiernach wie folgt festzusetzen:
Arbeitszeit:
18,75 Stunden à 70,00 EUR 1.312,50 EUR
Fahrtkosten:
2 Fahrten nach Stade 750 km à 0,30 EUR 225,00 EUR
Sonstiges (Telefon, Porto) 5,00 EUR
Summe: 1.542,50 EUR
zzgl. Umsatzsteuer 16 % 264,80 EUR
Gesamt: 1.789,50 EUR
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 9 Abs. 8 Satz 1 JVEG. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht
eröffnet.
####### ####### #######