Urteil des OLG Celle vom 29.05.2008

OLG Celle: verkehrswert, kaufpreis, ablauf der frist, allgemeine geschäftsbedingungen, gemeinde, mehrerlös, käufer, gegenleistung, preisnachlass, abrechnung

Gericht:
OLG Celle, 08. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 8 U 239/07
Datum:
29.05.2008
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 812, BauGB § 11
Leitsatz:
1.
Vereinbart eine Gemeinde in einem Grundstückskaufvertrag über ein erschlossenes unbebautes
Grundstück mit dem ortsansässigen Käufer zur Förderung der Ansiedlung Einheimischer einen
Kaufpreis, der unterhalb des Marktwertes liegt (sog. Einheimischenmodell), so ist sie nach § 11 Abs.
2 BauGB grundsätzlich berechtigt, vom Käufer den Mehrerlös zurückzufordern, der sich bei einer
vorzeitigen Veräußerung des Grundstücks innerhalb einer bestimmten Frist (hier: 10 Jahre) ergibt.
Dieser Mehrerlös kann entweder berechnet werden aus der Differenz zwischen dem An und dem
späteren Verkaufspreis oder aus dem dem Käufer im Zeitpunkt des Ankaufs gewährten
Preisnachlass, also der Differenz zwischen Verkehrswert und Ankaufspreis.
2.
Unzulässig sind demgegenüber vertragliche Gestaltungen, bei denen die Gemeinde sich einen
Mehrerlös versprechen lässt, der zuzüglich des bereits entrichteten Kaufpreises zu einer
Zahlungsverpflichtung des Erwerbers führt, die oberhalb des Verkehrswertes sowohl zum Zeitpunkt
des Ankaufs als auch des Verkaufs liegt. Das gilt insbesondere für Regelungen, die faktisch dazu
führen, dass der Erwerber die Erschließungskosten doppelt bezahlen muss, weil der Mehrerlös aus
der Differenz zwischen dem Wert des unbebauten erschlossenen Grundstücks im Zeitpunkt der
Weiterveräußerung und dem lediglich anteiligen Preis für den unerschlossenen Grund und Boden im
Zeitpunkt des Ankaufs besteht, der Erwerber aber beim Ankauf gleichwohl zusätzlich die
Erschließungskosten zu bezahlen hat.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil
8 U 239/07
8 O 239/07 Landgericht Verden
Verkündet am
29. Mai 2008
... ,
...
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
Flecken L., vertreten durch den Bürgermeister, ... in L.
Beklagter und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte K. pp. in A.,
gegen
1. M. M. ... in K.,
2. F. M. ... in K.,
Kläger und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2:
Rechtsanwälte S. pp. in V.,
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2008 durch den
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht G., den Richter am Oberlandesgericht Dr. K. und den Richter am
Oberlandesgericht Dr. G. für Recht erkannt:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 26. September 2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8.
Zivilkammer des Landgerichts Verden wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
Die Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, 1. Alt., §
546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513
Abs. 1, 2. Alt. ZPO). Den Klägern steht gem. § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB ein Anspruch auf Rückzahlung von
14.370,65 EUR zu, weil der Beklagte ihren diesbezüglichen Anspruch nicht auf die in § 7 Abs. 8 des Vertrages vom
19. August 1999 vereinbarte Mehrerlösabführungsklausel stützen kann.
1. Nach § 11 Abs. 1 S. 1 BauGB können Gemeinden städtebauliche Verträge schließen. Gegenstände eines
städtebaulichen Vertrages können insbesondere sein die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung
verfolgten Ziele, insbesondere die Deckung des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung (§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr.
2 BauGB). Nach § 11 Abs. 2 BauGB müssen die vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach
angemessen sein. Die Vereinbarung einer vom Vertragspartner zu erbringenden Leistung ist unzulässig, wenn er
auch ohne sie einen Anspruch auf die Gegenleistung hätte.
In dem Kaufvertrag vom 19. August 1999 ist in § 7 Abs. 8 vereinbart worden, dass der Käufer sich verpflichtet, bei
einem Verkauf des Wohngrundstücks innerhalb von 10 Jahren den Mehrerlös an den Beklagten abzuführen.
Mehrerlös ist der Betrag, um den der Richtwert im Zeitpunkt des Verkaufs gegenüber dem ursprünglich gezahlten
Kaufpreis für Grund und Boden (55, DM/qm) überschritten wird.
Der Käufer soll mithin, auch wenn bereits die sprachliche Formulierung missglückt ist, verpflichtet sein, den
Differenzwert zwischen dem Richtwert im Zeitpunkt des Verkaufs und dem im Zeitpunkt des Kaufs gezahlten
Kaufpreis von Grund und Boden von 55, DM/qm an den Beklagten abzuführen. Die Klausel wurde aufgenommen im
Rahmen des Verkaufs mehrerer Grundstücke durch den Beklagten in einem Baugebiet im Rahmen des sog.
Einheimischenmodells (vgl. auch die Verkaufsbedingungen des Beklagten). Durch dieses Einheimischenmodell soll
es ortsansässigen Bürgern ermöglicht werden, Grundstücke unterhalb des Verkehrspreises zu erwerben, um
Einheimische im Ort zu halten und ihnen gegenüber zahlungskräftigeren auswärtigen Interessenten den Erwerb von
Bauland zu erschwinglichen Bedingungen zu ermöglichen. Insoweit ist zwischen den Parteien sowohl dieser
Hintergrund der vertraglichen Vereinbarung als auch der Umstand, dass das Grundstück 1999 unter Verkehrswert
veräußert wurde, unstreitig. Es handelt sich vorliegend mithin um einen privatrechtlichen Vertrag, der dem
Anwendungsbereich des § 11 BauGB unterfällt, weil er der Deckung des Wohnbedarfs der ortsansässigen
Bevölkerung dient (vgl. für ähnliche Fälle des Einheimischenmodells BGH NJW 2003, 888. NJWRR 2007, 962).
Prüfungsmaßstab für die Zulässigkeit der Mehrerlösabführungsklausel ist daher in jedem Fall § 11 Abs. 2 BauGB.
Ob daneben noch auf die §§ 305 ff BGB zurückgegriffen werden kann, ist noch nicht abschließend geklärt. Diese
wären vom Grunde her anwendbar, da es sich bei den Verkaufsbedingungen des Beklagten um für eine Vielzahl von
Verträgen vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, die der Beklagte auch in seinem Schreiben vom
10. März 1999 ausdrücklich als nicht verhandelbar bezeichnet hat. Der BGH hat § 11 Abs. 2 BauGB, der zum 1.
Januar 1998 in Kraft getreten ist und der daher auf den hier erst am 19. August 1999 geschlossenen Vertrag
Anwendung findet, grundsätzlich als Spezialregelung gegenüber den §§ 305 ff. BGB angesehen (NJW 2003, 888). Er
hat dies aber ausdrücklich offen gelassen für die Fälle, in denen der Vertrag - wie hier - erst nach Ablauf der Frist zur
Umsetzung der Richtlinie 93/13EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in
Verbraucherverträgen (ABl. EG Nr. L 95 S. 29) zum 31. Dezember 1994 geschlossen wurde (a. a. O. und zuletzt
NJWRR 2007, 962). Diese Richtlinie ist jetzt insbesondere in § 310 Abs. 3 BGB umgesetzt worden. Gleichwohl kann
auch hier das Verhältnis von § 11 Abs. 2 BauGB zu §§ 305 ff BGB offen bleiben, weil die vertragliche Regelung in §
7 Abs. 8 jedenfalls in der vom Beklagten vorgenommenen Auslegung gegen § 11 Abs. 2 BauGB verstößt.
2. Dem Gebot angemessener Vertragsgestaltung nach § 11 Abs. 2 BauGB ist genügt, wenn bei wirtschaftlicher
Betrachtung des Gesamtvorgangs die Gegenleistung nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung und dem Wert der von
der Behörde erbrachten oder zu erbringenden Leistung steht und die vertragliche Übernahme von Pflichten auch
ansonsten zu keiner unzumutbaren Belastung für den Vertragspartner der Behörde führt (BGH NJW 2003, 888).
Hierbei ermöglicht § 11 Abs. 2 BauGB auch eine Überprüfung einzelner Klauseln eines Vertrages, wobei die
Wertungen der §§ 307 - 309 BGB herangezogen werden können. Allerdings führt die Inhaltskontrolle einzelner
Vertragsbestimmungen nach Maßgabe des Angemessenheitsgebots nicht stets zu denselben Ergebnissen wie eine
Überprüfung anhand der §§ 307 ff BGB. Für die Frage der angemessenen Vertragsgestaltung ist nämlich
maßgebend, ob bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorganges die gegenseitigen Rechte und Pflichten
ausgewogen gestaltet werden. Das ermöglicht in Abweichung zu einer Prüfung anhand der §§ 307 ff. BGB
insbesondere eine weitgehende Kompensation von Vertragsklauseln, die für sich genommen unangemessen sind,
durch vorteilhafte Bestimmungen im übrigen Vertrag (BGH, a. a. O.).
Auf dieser Grundlage hat der BGH zunächst eine Klausel für zulässig erachtet, mit der sich der Erwerber im Falle
einer Veräußerung des Grundstücks innerhalb von 10 Jahren verpflichtet hat, die Differenz zwischen dem erzielten
Verkaufspreis und dem Ankaufspreis abzuführen, wobei im Fall einer zwischenzeitlich erfolgten Bebauung der
Gutachterausschuss den Bodenwert bestimmen sollte (NJW 2003, 888). Maßstab für die Berechnung war der
qmPreis ohne Erschließungskosten. Die grundsätzliche Berechtigung der Gemeinde zur Abschöpfung dieses
erzielten Mehrerlöses ergibt sich daraus, dass eine Veräußerung unter dem Verkehrswert Gemeinden aus
haushaltsrechtlichen Gründen wegen des Gebots der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel nur dann gestattet
ist, wenn dies der Erfüllung legitimer öffentlicher Aufgaben dient wie etwa der Sicherung des Wohnungsbaus
Einheimischer. Insoweit ist eine Gemeinde nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, für eine vertragliche
Absicherung des Ziels der Einheimischenförderung zu sorgen, die den verbilligten Grundstücksverkauf erst
rechtfertigt. Hierbei ist durch die zu verwendende Klausel sicherzustellen, dass der Erwerber nicht auf Kosten der
Allgemeinheit Spekulationsgewinne erzielt, indem er verbilligtes Bauland zum Verkehrswert weiterveräußert.
Entsprechend hat der BGH eine Dauer der Klausel von 10 Jahren als unbedenklich angesehen. Zulässig ist es
ferner, die Abführung des Mehrerlöses nicht auf den unmittelbaren Subventionsvorteil bei Ankauf des Grundstücks
zu beschränken, sondern auch eine nachfolgende Steigerung des Bodenwertes bis zur Weiterveräußerung des
Grundstücks abzuschöpfen (BGH, a. a. O.). Hierdurch wird im Falle einer vorzeitigen Weiterveräußerung eine
Bereicherung auf Kosten der Allgemeinheit verhindert. Die durch eine erhöhte Gegenleistung auszugleichende
Beeinträchtigung öffentlicher Interessen besteht nämlich nicht nur in den Verlusten wegen des verbilligten
Grundstücksverkaufs, sondern auch in der Verfehlung des von der Gemeinde verfolgten Zwecks einer Förderung
ortsansässiger Bürger. Der Erwerber hat die mit der Abführungsklausel verbundenen Nachteile dagegen
grundsätzlich hinzunehmen, da die Finanzierung des Grunderwerbs und des Hausbaus in seinen Risikobereich fällt.
Erweist sich die vorgesehene Umsetzung der ursprünglichen Lebensplanung aus Gründen wie Arbeitslosigkeit,
Scheidung oder Tod eines Ehegatten als undurchführbar, verwirklicht sich lediglich ein allgemeines Lebensrisiko des
Erwerbers.
Ebenfalls als zulässig angesehen hat der BGH eine Klausel, durch die der Erwerber verpflichtet wird, bei
Veräußerung des Grundstücks vor Ablauf der zehnjährigen Bindungsfrist den bei Vertragsschluss gewährten
Preisnachlass zu erstatten, also die Differenz zwischen dem Verkehrswert des Grundstücks im Zeitpunkt des
Verkaufs durch die Gemeinde an den Erwerber sowie dem tatsächlich vereinbarten Kaufpreis (NJWRR 2007, 306).
Da sich der Umfang der Nachforderung auf den vertraglich ursprünglich ausdrücklich vereinbarten Preisnachlass
beschränkt, ist das Gebot angemessener Vertragsgestaltung gewahrt. Ferner hat der BGH auch eine Vereinbarkeit
der Klausel mit §§ 305 ff BGB angenommen, falls diese neben § 11 Abs. 2 BauGB anwendbar sein sollten. Hierbei
kommt es insbesondere nicht darauf an, zu welchem Preis das Grundstück später verkauft wird, da dem Erwerber
einerseits ein Veräußerungsgewinn verbleibt, er aber umgekehrt auch einen etwaigen Veräußerungsverlust zu tragen
hat.
3. Ist somit von der grundsätzlichen Zulässigkeit derartiger Mehrerlösabführungsklauseln auszugehen, so verstößt
die vorliegende Vertragsgestaltung gleichwohl gegen § 11 Abs. 2 BauBG, weil es sich nicht mehr um eine
angemessene Vertragsgestaltung handelt. Die Kläger werden vielmehr durch eine übermäßige
Zahlungsverpflichtung, die nicht mehr von den berechtigten Interessen an einer derartigen Klausel gedeckt sind,
unangemessen benachteiligt. Sie haben für das unbebaute erschlossene Grundstück 1990 einen qmPreis von 90,
DM bezahlt, der sich nach § 4 des Vertrages aus 55, DM/qm für Grund und Boden, 5, DM/qm Kanalbaubeitrag und
30, DM/qm Erschließungsbeitrag zusammensetzt. Das entspricht bei einer Grundstücksgröße von 803 qm einem
Preis von 72.270, DM (= 36.951,06 EUR), wovon 44.165, DM (= 22.581,21 EUR) auf den reinen Grund und Boden
ohne Erschließungskosten entfallen. Der Richtwert für unbebaute erschlossene Grundstücke, den der Beklagte
seiner Abrechnung für das Jahr des Weiterverkaufs 2004 zugrunde legte, liegt bei 60, EUR. Hieraus ergibt sich ein
Vergleichswert von 48.180, EUR.
Auf der Grundlage der beiden vom BGH für zulässig erachteten Klauseln hätte für den Beklagten folgende
Abrechnungsmöglichkeit bestanden:
Entweder hätten die Kläger verpflichtet werden können, die Differenz des Wertes zwischen dem unbebauten
erschlossenen Grundstück 2004 und dem unbebauten erschlossenen Grundstück 1999 zu erstatten. Hierbei handelt
es sich lediglich um einen Betrag von 11.228,94 EUR, der dem Beklagten längst zugeflossen ist, weil die Kläger von
den insgesamt gezahlten 25.599,64 EUR einen Teilbetrag von 11.228,99 EUR gar nicht zurückfordern. Oder der
Beklagte hätte den 1999 gewährten Preisnachlass abschöpfen können, also die Differenz zwischen dem
seinerzeitigen Verkehrswert und dem vereinbarten Kaufpreis. Die Kläger behaupten einen Verkehrswert für 1999 von
100, DM/qm, so dass sich für das Grundstück bei einem Verkehrswert von 80.300, DM (= 41.056,74 EUR) und
einem tatsächlichen Kaufpreis von 72.270, DM (= 36.951,06 EUR) lediglich eine Nachzahlung von 8.030, DM (=
4.105,68 EUR) ergäbe. Dieser Betrag ist durch die Kläger jedenfalls geleistet. Sollte der Verkehrswert 1999 dagegen
bereits bei 120, DM gelegen haben, wie der Beklagte behauptet, so hätte der Verkehrswert des Grundstücks bei
96.360, DM (= 49.268,09 EUR) gelegen und die Nachzahlungsverpflichtung der Kläger beliefe sich auf 24.090, DM (=
12.317,03 EUR). Das läge nur um etwa 1.000, EUR höher als die von den Klägern bereits abgeführten und nicht
zurückgeforderten 11.228,99 EUR.
Keine dieser Berechnungsweisen hat der Beklagte indessen gewählt, sondern bei der Berechnung den Richtwert für
ein unbebautes erschlossenes Grundstück 2004 von 60, EUR/qm mit dem für ein unbebautes unerschlossenes
Grundstück 1999 von 55, DM (28,12 EUR)/qm verglichen. Das führt zum einen, wie das Landgericht zutreffend
ausgeführt hat, in der Sache zu einer doppelten Abrechnung der Erschließungskosten gegenüber den Klägern. Sie
mussten diese zum einen tatsächlich bereits 1999 entrichten, weil von ihnen zusätzlich zu dem Preis für Grund und
Boden von 55, DM/qm noch weitere 35, DM/qm für Erschließungskosten verlangt wurden, so dass der
Grundstückspreis sich auf 90, DM/qm beläuft, wie das zutreffend zunächst auch in den Verkaufsbedingungen des
Beklagten vorgesehen war. Faktisch ein zweites Mal müssen die Kläger die Erschließungskosten tragen, weil diese
bei dem als Vergleichswert für 2004 enthaltenen Richtwert von 60, EUR mit enthalten sind. Zu einer derartigen
Doppelberechnung der Erschließungskosten ist der Beklagte aber auch im Rahmen einer
Mehrerlösabführungsklausel nicht berechtigt. Hierfür spricht auch die Regelung in § 11 Abs. 2 S. 2 BauGB, wonach
die Vereinbarung einer vom Vertragspartner zu erbringenden Leistung unzulässig ist, wenn er auch ohne sie einen
Anspruch auf die Gegenleistung hätte. Der Beklagte kann mithin nicht die Bezahlung von Erschließungskosten
verlangen, die die Kläger längst entrichtet haben.
Zum anderen hat die Berechnungsweise des Beklagten zur Folge, dass die Kläger einen Preis für das Grundstück
zu zahlen hätten, der den Verkehrswert zu jedem maßgeblichen Vergleichszeitpunkt überschreitet. Tatsächlich
gezahlt haben die Kläger 1999 insgesamt 72.270, DM (= 36.951,06 EUR). Zusätzlich fordert der Beklagte von ihnen
die Differenz zwischen dem Richtwert 2004 von 60, EUR/qm x 803 qm = 48.180, EUR und dem Kaufpreis für Grund
und Boden 1999 von 55, DM/qm x 803 qm = 22.580,36 EUR, mithin einen Betrag von 25.599,64 EUR. Der
insgesamt von den Klägern zu leistende Betrag beliefe sich mithin auf 62.550,70 EUR, was einem qmPreis von
77,90 EUR entspricht. Einen derartigen Preis war das Grundstück indessen zu keinem Zeitpunkt wert. 2004 lag der
qmPreis bei 60, EUR, so dass sich eine Überschreitung des tatsächlich zu zahlenden Preises um 30 % ergibt. 1999
lag der qmPreis nach der Behauptung der Kläger bei 100, DM (51,13 EUR), so dass sich eine Überschreitung von 52
% ergibt, und nach der Behauptung des Beklagten bei 120, DM (= 61,36 EUR), was ebenfalls noch eine
Überschreitung um 27 % bedeutet.
Es ist indessen kein Grund ersichtlich, warum der Beklagte berechtigt sein sollte, bei Veräußerung des Grundstücks
innerhalb der 10Jahresfrist einen Gesamtgrundstückspreis zu fordern, der unabhängig vom Anknüpfungszeitpunkt
zwischen 27 % und 52 % über dem tatsächlichen Verkehrswert liegt. Insoweit geht es dann nämlich nicht mehr
darum, entweder den Subventionsvorteil bei Vertragsschluss oder spätere Veräußerungsgewinne beim Verkauf
verbilligten Baulands abzuschöpfen. Die Klausel führt in ihrer vom Beklagten vorgenommenen Handhabung vielmehr
zu einer zusätzlichen Gewinnerzielung des Beklagten, die mit dem Gebot angemessener Vertragsgestaltung nicht zu
vereinbaren ist. In der Sache handelt es sich mithin um eine unzulässige Schadenspauschalierung nach § 309 Nr. 5
BGB bzw. Vertragsstrafe nach § 309 Nr. 6 BGB. Diese Wertung kann auch im Rahmen von § 11 Abs. 2 BauGB
herangezogen werden. Im Ergebnis werden die Kläger als Einheimische mithin durch die Regelung schlechter
gestellt als auswärtige Erwerber. Diese hätten weder 1999 noch 2004 einen qmPreis von 77,90 EUR zu entrichten
gehabt. Ziel einer Mehrerlösabführungsklausel kann es aber immer nur sein, Einheimische im Falle eines vorzeitigen
Verkaufs mit auswärtigen Erwerbern gleichzustellen bzw. einen tatsächlich erzielten Veräußerungsgewinn
abzuschöpfen. Wegen des auch bei der Vereinbarung von Regelungen im Rahmen des Einheimischenmodells für die
Verwaltung geltenden Übermaßverbotes (BGH NJWRR 2007, 962) darf sie über dieses Ziel aber nicht hinausgehen
und Einheimischen, nur um auf sie Druck zur Unterlassung des Grundstücksverkaufs auszuüben,
Grundstückspreise abverlangen, die ein anderer Erwerber nie zu zahlen gehabt hätte (vgl. auch OLG Celle NJWRR
2005, 1332, wonach der Erwerber verpflichtet werden sollte, im Fall des Weiterverkaufs des Grundstücks innerhalb
einer bestimmten Frist 300 % des ursprünglichen Kaufpreises an die Gemeinde zu zahlen).
Tatsächlich hatte der Beklagte auch in den Verkaufsbedingungen zunächst noch eine zulässige Regelung
vorgesehen, da dort der Kaufpreis einheitlich mit 90, DM/qm beschrieben und lediglich aufgeführt wird, dass hierin
insgesamt 35, DM/qm für Kanalbau und Erschließungsbeitrag enthalten ist. Der abzuführende Mehrerlös sollte dann
die Differenz des Kaufpreis zum späteren Richtwert bei Verkauf des Grundstücks sein. Damit wäre eine zulässige
Vertragsgestaltung erzielt worden, wie sie etwa der Entscheidung BGH NJW 2003, 888 zugrunde lag. Im notariellen
Vertrag ist dagegen als Vergleichsmaßstab nur noch der Kaufpreisanteil von 55, DM/qm für Grund und Boden
vorgesehen, was zu den o. g. unzulässigen Ergebnissen führt. Wieso es zu dieser einseitigen Regelung gekommen
ist, ist nicht ersichtlich.
Hinzu kommt, dass die vom Beklagten vorgenommene Abrechnung selbst auf der Grundlage der vertraglichen
Vereinbarung zweifelhaft ist. Wenn im Vertrag vom Richtwert im Verhältnis zum ursprünglich gezahlten Preis für
Grund und Boden von 55, DM/qm gesprochen wird, liegt es bei einer Auslegung dieser vom Beklagten gestellten
Bedingung nach dem objektiven Empfängerhorizont bzw. der Unklarheitenregelung des § 305 c Abs. 2 BGB nicht
fern, den Begriff „Richtwert“ auch nur dahin zu verstehen, dass er den Wert für ein unbebautes unerschlossenes
Grundstück meint, da auch der Vergleichswert sich auf ein unbebautes unerschlossenes Grundstück bezieht.
Ohne Erfolg macht der Beklagte demgegenüber geltend, es fehle an einer unangemessenen Vertragsgestaltung, weil
der Wert des Grundstücks sich nicht deckungsgleich mit den Erschließungskosten erhöhe. Durch die
Erschließungsarbeiten sei nur eine minimale Werterhöhung des Grundstücks eingetreten, die keinesfalls 35, DM/qm
betrage. Ob diese Behauptung zutrifft, kann offen bleiben, da der Beklagte jedenfalls keine Vertragsklausel gewählt
hat, die dem Rechnung trüge. Wenn sich tatsächlich der Wert eines Grundstücks nicht um den qmPreis für die
Erschließungskosten erhöht, sondern nur zu einer minimalen Werterhöhung führt, fragt sich, warum der Beklagte das
dann auch nicht so vereinbart hat. Es hätte dann nahe gelegen, den Kaufpreis für das erschlossene Grundstück
1999 einheitlich auf 90, DM/qm festzulegen und hiervon nur einen pauschalen Abschlag vorzunehmen, der für ein
unbebautes Grundstück zugrunde zulegen wäre. Dann hätte sich ein entsprechend höherer Wert für das
unerschlossene Grundstück ergeben, z. B. von 80, DM/qm. Das hätte dann aber auch bei der Berechnung des
Mehrerlöses berücksichtigt werden müssen, indem sich die Differenz zwischen An und Verkaufspreis entsprechend
vermindert hätte. Wenn der Beklagter aber selbst den einheitlichen Kaufpreis von 90, DM/qm aufspaltet und nur 55,
DM/qm für das unerschlossene Grundstück zugrunde legt, muss er sich daran auch festhalten lassen. Ebenso
wenig kommt es darauf an, welchen Wert 2004 ein unerschlossenes Grundstück hatte. Tatsache ist, dass der
Beklagte mit den 60, EUR/qm den Wert für ein erschlossenes Grundstück als Vergleichsmaßstab herangezogen hat.
Anderenfalls hätte im Vertrag konkret festgelegt werden müssen, dass bei dem anzustellenden Vergleich jeweils die
Werte unerschlossener Grundstücke heranzuziehen sind. Hinzu kommt, dass der Beklagte auch für 2004 überhaupt
nicht dargelegt hat, wie hoch der Wert eines unerschlossenen Grundstücks sein soll. Für einen Erwerber auch im
Jahre 2004 macht das ohnehin keinen Unterschied, weil er in jedem Fall die Erschließungskosten leisten muss und
für ihn nur maßgebend ist, was er insgesamt zu leisten hat.
Durch den Vertrag findet auch i. ü. keine hinreichende Kompensation der unangemessenen Regelung in § 7 Abs. 8
statt. Zwar erfolgte der Verkauf des Grundstücks unter Verkehrswert, weshalb auch eine
Mehrerlösabführungsklausel vereinbart werden durfte. Diese konnte indessen nicht jeden beliebigen Inhalt haben,
sondern musste sich im Rahmen einer angemessenen Vertragsgestaltung bewegen, was aber gerade nicht der Fall
ist. Die Bindungsfrist von 10 Jahren ist ferner zwar zulässig, bewegt sich aber nur im allgemein üblichen Rahmen
und stellt keinen besonderen Ausgleich für den Käufer dar, was etwa bei einer deutlich kürzeren Frist von 5 Jahren in
Frage käme. Auch werden die Käufer zusätzlich durch § 7 zu einer Bebauung des Grundstücks mit einem
Wohnhaus innerhalb von 3 Jahren verpflichtet. Dieses dürfen sie nur selbst oder mit in Hausgemeinschaft lebenden
Personen bewohnen. Selbst von der Größe als untergeordnet beschriebene Einliegerwohnungen dürfen nur von
Angehörigen bewohnt werden.
4. Rechtsfolge der nach § 11 Abs. 2 BauGB unangemessenen Mehrerlösabführungsklausel ist zunächst die
Unzulässigkeit des vom Beklagten begehrten Mehrerlöses von insgesamt 25.599,64 EUR auf der Grundlage seiner
Berechnungsweise, nämlich der Differenz zwischen den 60, EUR/qm 2004 und den 55, DM (= 28,12 EUR)/qm 1999.
Diese Unzulässigkeit der vom Beklagten vorgenommenen Berechnung hat zur Folge, dass die Kläger jedenfalls den
von Betrag von 14.370,65 EUR nach § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB herausverlangen können. Demgegenüber ist
entgegen der Ansicht des Beklagten nicht von einer Unwirksamkeit des gesamten Vertrages auszugehen mit der
Folge, dass eine Abwicklung nach der Saldotheorie stattzufinden hätte.
Zwar bestimmt § 59 Abs. 2 Ziff. 4 VwVfG, dass ein Vertrag, wenn die Nichtigkeit nur einen Teil betrifft, im Ganzen
nichtig ist, wenn nicht anzunehmen ist, dass er auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre. Insoweit ist
jedoch schon fraglich, ob überhaupt die Klausel in § 7 Abs. 8 des Vertrages unwirksam ist oder nur ihre Anwendung
durch den Beklagten. Wie oben dargelegt, kann der Vertrag nach dem objektiven Empfängerhorizont der Kläger, auf
den es ankommt, weil die Klausel vom Beklagten gestellt wurde, auch dahin verstanden werden, dass unter dem
Begriff Richtwert im Zeitpunkt des Verkaufs nur der Wert für ein unerschlossenes Grundstück gemeint ist, weil auch
bei dem Vergleichswert der 55, DM/qm Kaufpreis für Grund und Boden nur auf das unerschlossene Grundstück
abgestellt wurde.
Selbst wenn man hier aber von einer Unwirksamkeit der Klausel ausginge, ist nicht anzunehmen, dass die Parteien
ihn dann ohne diese Klausel gar nicht geschlossen hätten. Vielmehr ist anzunehmen, dass sie dann entweder eine
wirksame Klausel auf der Grundlage der beiden oben geschilderten Möglichkeiten geschlossen oder ganz auf eine
Preisreduzierung nach dem Einheimischenmodell verzichtet hätten. Dann wäre dem Beklagten ebenfalls ein höherer
Kaufpreis als ursprünglich vereinbart zugeflossen. Diesen Verkehrswert haben die Kläger aber auch bezahlt. Sie
haben nämlich eine Teilnachforderung des Beklagten über 11.228,99 EUR nicht angegriffen, die sich aus der
Differenz zwischen dem Bodenrichtwert für das erschlossene Grundstück 2004 von 60, EUR/qm und für ein
erschlossenes Grundstück 1999 von 90, DM (= 46,02 EUR) ergibt. Die Kläger sind und waren mithin bereit, den
ihnen durch den vorzeitigen Verkauf des Grundstücks zugeflossenen Veräußerungsgewinn an den Beklagten
abzuführen, der mithin im Ergebnis 48.180, EUR, d. h. genau die 60, EUR/qm erhalten hat, die dem Richtwert für
2004 entsprechen. Dieser Wert von 60, EUR (= 117,35 DM) bewegt sich ferner in der Spanne zwischen 100, DM und
120, DM, von denen die Parteien bezüglich des Grundstückswerts 1999 ausgehen. Eine Gesamtnichtigkeit
entspräche mithin nicht den Interessen der Parteien.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet
sich nach § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die
grundlegenden Rechtsfragen sind durch die Urteile BGH NJW 2003, 888 und NJWRR 2007, 306 geklärt, die auch
dem hier zu entscheidenden Fall zugrunde gelegt wurden.
G. Dr. K. Dr. G.