Urteil des OLG Celle vom 12.01.2009

OLG Celle: abfindung, höchstbetrag, dienstzeit, ruhegehalt, auskunft, anschlussbeschwerde, amtszeit, rechtshängigkeit, versorgung, scheidungsverfahren

Gericht:
OLG Celle, 10. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 10 UF 86/08
Datum:
12.01.2009
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 1587 b Abs 5, BGB § 1587 f Nr 2, BGB § 1587 l BGB
Leitsatz:
1. Zur Berechnung des Ehezeitanteils einer Ministerversorgung und einer Abgeordnetenversorgung im
schuldrechtlichen Versorgungsausgleich.
2. Bei Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nach § 1587 f Nr. 2 BGB ist die
schuldrechtliche Ausgleichsrente um den im Rahmen des § 1587 b Abs. 5 BGB durchgeführten
öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich zu kürzen. Dabei ist der insoweit maßgebende
Höchstbetrag neu zu bestimmen.
3. Nach Eintritt der Fälligkeitsvoraussetzungen des § 1587 g Abs. 2 S. 2 BGB kommt eine Abfindung
nach § 1587 l BGB nicht mehr in Betracht (im Anschluss an BGH FamRZ 2004, 1024, 1026).
Volltext:
10 UF 86/08
607 F 2257/05 Amtsgericht Hannover
B e s c h l u s s
In der Familiensache
W. A., ...,
Antragsteller, Beschwerdeführer und Anschlussbeschwerdegegner,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte L., ...,
gegen
H. M., ...,
Antragsgegnerin, Beschwerdegegnerin und Anschlussbeschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältin F.B., ...,
wegen schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht W., den Richter am Oberlandesgericht B. und den Richter am Oberlandesgericht H. am 12.
Januar 2009 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Hannover vom 2.
April 2008 unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels geändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antrag des Antragstellers, der Antragsgegnerin die Zahlung einer
Abfindung aufzugeben, wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller ab Juli 2008 eine schuldrechtliche Ausgleichsrente von monatlich
1.724,10 EUR zu zahlen, rückständige Beträge sofort nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
und künftig fällig werdende Beträge monatlich im Voraus.
Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Beschwerdewert: 5.000 EUR.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e :
I.
Die Parteien schlossen am 20. Dezember 1975 miteinander die Ehe und wurden auf den am 24. April 1997
zugestellten Antrag der Ehefrau durch das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 28. Oktober 1997, rechtskräftig
seit 2. Dezember 1997, geschieden. Mit Beschluss vom 9. Juni 1998 führte das Amtsgericht den aus dem
Scheidungsverbund abgetrennten öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich durch und begründete zu Lasten von
Anwartschaften der Ehefrau beim Land ... „auf Beamtenversorgung“ für den Ehemann gesetzliche
Rentenanwartschaften von monatlich 1.857,38 DM, bezogen auf den 31. März 1997 als Ende der Ehezeit im Sinne
des § 1587 Abs. 2 BGB. Dabei ermittelte das Amtsgericht einen Gesamtausgleichsanspruch des Ehemannes von
monatlich 5.787,86 DM, begrenzte den öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich aber auf den sich nach § 1587 b
Abs. 5 BGB i.V. mit § 76 Abs. 2 S. 3 SGB VI ergebenden Höchstbetrag. Im Übrigen wurde dem Ehemann gemäß
den Entscheidungsgründen der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten. Die gegen diesen Beschluss
gerichtete Beschwerde des Nds. Landesamtes für Bezüge und Versorgung und die Anschlussbeschwerde des
Ehemannes, mit der dieser die (ausdrückliche) Feststellung begehrt hatte, dass wegen des den Höchstbetrag nach
§ 1587 b Abs. 5 BGB übersteigenden Ausgleichsbetrages der schuldrechtliche Versorgungsausgleich durchzuführen
sei, sowie hilfsweise die Durchführung einer Realteilung und weiter hilfsweise die Feststellung der
„Zumutbarkeitsgrenze“ und der Art einer TeilAbfindung nach § 1587 l BGB beantragt hatte, wurden durch den
Beschluss des Senats vom 17. Dezember 1999 (10 UF 112/98) zurückgewiesen. Seine dagegen eingelegte
Rechtsbeschwerde nahm der Ehemann mit einem am 7. März 2005 beim BGH eingegangenen Schriftsatz zurück.
Der geschiedene Ehemann (im Folgenden: Ehemann) bezieht seit dem 1. Juli 2008 (nach Vollendung des 60.
Lebensjahres) Altersrente (wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit) aus der gesetzlichen
Rentenversicherung in Höhe von monatlich 1.029,27 EUR, die im Wesentlichen auf dem durchgeführten
öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich beruht. Die geschiedene Ehefrau (im Folgenden: Ehefrau) war von 1969
bis Juni 1986 als Beamtin bei der Landeshauptstadt H. beschäftigt. Vom 30. Juni 1986 bis zum 24. Januar 2007
gehörte sie als Abgeordnete dem ... Landtag an. Ferner war sie vom 21. Juni 1990 bis zum
13. Dezember 2000 als Ministerin Mitglied der ... Landesregierung. Sie erhält seit dem 1. Februar 2007 ein
Ruhegehalt nach dem Nds. Ministergesetz, das seit dem 1. Juli 2008 um den sich aus dem öffentlichrechtlichen
Versorgungsausgleich ergebenden Betrag gekürzt wird, sowie eine Altersentschädigung nach dem Nds.
Abgeordnetengesetz (AbgG).
Im vorliegenden Verfahren hat der Ehemann mit einem am 18. Mai 2005 beim Amtsgericht eingegangenen
Schriftsatz zunächst beantragt, der Ehefrau aufzugeben, ihm eine Abfindung für künftige schuldrechtliche
Ausgleichsansprüche „in noch zu ermittelnder Höhe zur Begründung einer privaten Rentenversicherung oder privaten
Kapitallebensversicherung … auf einen noch abzuschließenden Versicherungsvertrag nebst Zinsen seit
Rechtshängigkeit des Antrags zu zahlen“ (Bl. 2, 60 d.A.). Das Amtsgericht hat neue Auskünfte der
Versorgungsträger sowie ein versicherungsmathematisches Gutachten eingeholt, das zu dem Ergebnis kam, dem
Ehemann stehe – bezogen auf den 1. Juli 2007 – eine schuldrechtliche Ausgleichsrente von monatlich 1.527,59
EUR zu, die einem versicherungsmathematischen Barwert von 295.369 EUR entspreche. Daraufhin hat der
Ehemann mit Schriftsatz vom 29. September 2008 beantragt, „die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine
angemessene Abgeltung – Barwert des auszugleichenden Anrechtes – zu zahlen“ (Bl. 224 d.A.). Das Amtsgericht
hat diesen Antrag mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Ehefrau
sei die Zahlung eines Betrages von fast 300.000 EUR wirtschaftlich nicht zumutbar.
Mit seiner gegen diesen Beschluss gerichteten Beschwerde hat der Ehemann zunächst weiterhin eine Abfindung
nach § 1587 l BGB (Bl. 296 d.A.) begehrt. Nach Beginn seiner Rente hat er mit Schriftsatz vom 3. Juli 2008 die
Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs ab 1. Juli 2008 beantragt (Bl. 312 d.A.) und diesen
Antrag mit Schriftsatz vom 29. September 2008 dahin konkretisiert, dass eine schuldrechtliche Ausgleichsrente von
monatlich 1.668,66 EUR ab 1. Juli 2008 „zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz“ begehrt werde (Bl. 377
d.A.). Nach gerichtlichem Hinweis beantragt er nunmehr „eine Teilabfindung und ggf. daneben die Titulierung des
verbleibenden Ausgleichsanspruches in Form einer Ausgleichsrente“ (Bl. 390 d.A.). Er hat verschiedene Angebote
für Versicherungsprodukte vorgelegt. Die Ehefrau tritt dem Abfindungsverlangen weiterhin entgegen und beantragt
ihrerseits mit der Anschlussbeschwerde eine Abänderung des öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleichs gemäß §
10 a VAHRG.
II.
1. Die Beschwerde des Ehemannes ist gemäß §§ 621 Abs. 1 Nr. 6, 621 e ZPO zulässig. Die Anschlussbeschwerde
der Ehefrau ist dagegen – worauf mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 8. Oktober 2008 hingewiesen worden
war – nicht zulässig, weil sie mit dem öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich einen anderen
Verfahrensgegenstand betrifft als die erstinstanzliche Entscheidung und die Beschwerde, die sich allein mit dem
schuldrechtlichen Versorgungsausgleich befassen. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind in der zweiten
Instanz keine Anträge zulässig, die sich auf einen neuen Verfahrensgegenstand beziehen (vgl. BGH FamRZ 1990,
606. Zöller/Philippi ZPO 27. Aufl. § 621 e Rn. 51. Johannsen/Henrich/Hahne Eherecht 4. Aufl. § 1587 f BGB Rn. 19.
Wick, Der Versorgungsausgleich, 2. Aufl., Rn. 295 und 322. Jansen/Briesemeister FGG 3. Aufl. § 23 Rn. 11.
Keidel/Sternal FGG 15. Aufl. § 23 Rn. 7).
Der Ehemann hat zwar in der Beschwerdeinstanz ebenfalls einen neuen Antrag gestellt, soweit er nunmehr eine
schuldrechtliche Ausgleichsrente begehrt. Dieser Antrag bezieht sich aber ebenso wie der bereits in erster Instanz
gestellte Antrag auf Zahlung einer Abfindung nach § 1587 l BGB auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich.
Im Rahmen der Beschwerde ist lediglich eine zulässige Antragserweiterung vorgenommen worden, die dadurch
veranlasst worden ist, dass die Fälligkeitsvoraussetzungen des § 1587 g Abs. 1 S. 2 BGB während der
Beschwerdeinstanz eingetreten sind.
2. Die Beschwerde des Ehemannes hat Erfolg, soweit er (hilfsweise) die Zahlung einer schuldrechtlichen
Ausgleichsrente begehrt. Unbegründet ist dagegen sein in erster Linie gestellter Antrag auf Zahlung einer (ggf. Teil)
Abfindung.
a) Dem Ehemann steht ein Anspruch auf ergänzenden schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu, weil die
Anwartschaften der ausgleichspflichtigen Ehefrau auf Ruhegehalt nach dem Nds. Ministergesetz sowie - ergänzend -
auf Altersentschädigung nach dem Nds. AbgG und auf Ruhegehalt nach dem BeamtVG in der Entscheidung des
Amtsgerichts Hannover über den öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich vom 9. Juni 1998 nur bis zu dem nach
§ 1587 b Abs. 5 BGB maßgebenden Höchstbetrag ausgeglichen werden konnten. Der Restausgleich kann nur in
schuldrechtlicher Form erfolgen (§ 1587 f Nr. 2 BGB). Den zur Durchführung des schuldrechtlichen
Versorgungsausgleichs erforderlichen Verfahrensantrag (§ 1587 f BGB) hat der Ehemann mit Schriftsatz vom 3. Juli
2008 gestellt. Einer Bezifferung der geforderten schuldrechtlichen Ausgleichsrente bedurfte es insoweit nicht (BGH
FamRZ 1989, 950, 951. 1991, 177, 179). Den nach § 1587 l Abs. 1 BGB erforderlichen Verfahrensantrag hatte der
Ehemann bereits mit Schriftsatz vom 17. Mai 2005 gestellt.
b) Gemäß § 1587 l Abs. 1 BGB kann der ausgleichsberechtigte Ehegatte wegen seiner künftigen (schuldrechtlichen)
Ausgleichsansprüche von dem ausgleichspflichtigen Ehegatten eine Abfindung verlangen, wenn diesem die Zahlung
nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zumutbar ist. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht
(mehr) erfüllt. Eine Abfindung kommt nur so lange in Betracht, wie noch „künftige“ Ausgleichsansprüche gegeben
sind. Das ist nicht mehr der Fall, wenn – wie hier – beide Ehegatten bereits Altersversorgung beziehen. Der Senat
schließt sich insoweit dem BGH (FamRZ 2004, 1024, 1026) und einer verbreiteten Meinung in Rechtsprechung (OLG
Düsseldorf FamRZ 1999, 1208, 1209) und Schrifttum (vgl. z.B. Johannsen/Henrich/Hahne a.a.O. § 1587 l BGB Rn.
5. Schwab/Hahne Handbuch des Scheidungsrechts 5. Aufl. Abschnitt VI Rn. 251. Borth Versorgungsausgleich 4.
Aufl. Rn. 671. Hauß Versorgungsausgleich und Verfahren in der anwaltlichen Praxis Rn. 678. a.A. allerdings
Staudinger/Rehme BGB § 1587 l Rn. 14. MünchKomm/Klockner BGB 4. Aufl. § 1587 l Rn. 12. Palandt/Brudermüller
BGB 67. Aufl. § 1587 l Rn. 7. Wick Der Versorgungsausgleich 2. Aufl. Rn. 348. Schröder/Bergschneider/Hauß
Familienvermögensrecht 2. Aufl. Rn. 6.511. Bergner/Schneider FamRZ 2004, 1766, 1769) an.
Vorliegend kommt hinzu, dass der Ehefrau allenfalls die Zahlung eines Kapitalbetrages zumutbar sein könnte, der
nicht zur Abfindung sämtlicher künftiger Ausgleichsansprüche des Ehemannes ausreichen würde. Damit würde der
Ehemann nur in der Lage sein, sich wegen eines Teils seiner künftigen Ausgleichsansprüche durch Beitragszahlung
in eine private Versicherung selbständig abzusichern, im Übrigen müsste er die Ehefrau ohnehin noch auf Zahlung
einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente in Anspruch nehmen.
c) Der Ehemann hat allerdings gemäß § 1587 g Abs. 1 S. 1 BGB Anspruch auf Zahlung einer schuldrechtlichen
Ausgleichsrente in Höhe der Hälfte der auf die Ehezeit entfallenden Anteile der auszugleichenden Versorgungen der
Ehefrau unter Abzug des bereits öffentlichrechtlich erfolgten Ausgleichs. Insoweit kann allerdings nicht einfach auf
den im Scheidungsverfahren vom Amtsgericht ermittelten Restausgleichsanspruch des Ehemannes von monatlich
(5.787,86 DM – 1.857,38 DM =) 3.930,48 DM = 2.009,62 EUR oder auf den vom Senat im damaligen
Beschwerdeverfahren ermittelten Restausgleichswert von monatlich 2.374,89 DM = 1.214,26 EUR zurückgegriffen
werden. Denn zum einen sind beim schuldrechtlichen Versorgungsausgleich die zwischen Ehezeitende und
Rentenbeginn eingetretenen Versorgungsanpassungen zu berücksichtigen (§ 1587 g Abs. 2 S. 2 BGB). Zum anderen
ist den zwischenzeitlich eingetretenen Rechtsänderungen Rechnung zu tragen, die sich auf die Ehezeitanteile der
auszugleichenden Versorgungen auswirken. Dazu gehören hier u.a. die Absenkung des Ruhegehaltssatzes und der
Wegfall der jährlichen Sonderzahlung, die vom Recht der Beamtenversorgung wirkungsgleich auf die Nds.
Ministerversorgung übertragen worden sind. Der schuldrechtlich auszugleichende Restausgleichsbetrag muss daher
unter Berücksichtigung all dieser Veränderungen neu berechnet werden.
aa) Die Fälligkeitsvoraussetzungen des § 1587 g Abs. 1 S. 2 BGB sind seit dem 1. Juli 2008 erfüllt: Die Ehefrau
erhält Versorgungsleistungen sowohl nach dem Nds. MinG als auch nach dem Nds. AbgG. ein Ruhegehalt nach dem
BeamtVG bezieht sie dagegen nicht. Der Ehemann erhält seit dem 1. Juli 2008 eine Altersrente aus der gesetzlichen
Rentenversicherung.
bb) Den Ehezeitanteil der Ministerversorgung hat das Nds. Landesamt für Bezüge und Versorgung (NLBV) in seiner
Auskunft vom 11. August 2008 mit monatlich 4.836,61 EUR ermittelt. Dabei ist die ruhegehaltfähige Dienstzeit
zutreffend nicht auf die gesamte Zeit erstreckt worden, in der die Ehefrau ein Ministeramt ausgeübt hat, sondern nur
auf die Zeit bis zum Ende der bei Ehezeitende laufenden Legislaturperiode, d.h. bis zum 28. Februar 1998. Wie der
BGH (FamRZ 2007, 30) für den Fall eines kommunalen Wahlbeamten entschieden hat, ist, wenn die weitere
Amtsausübung von einer – ungewissen – Wiederwahl abhängt, im Versorgungsausgleich nur von der
ruhegehaltfähigen Dienstzeit auszugehen, die sich bis zum Ablauf der am Ende der Ehezeit laufenden Amtszeit
ergibt. Eine spätere Verlängerung der Amtszeit aufgrund einer erst nach Ehezeitende erfolgten Wiederwahl bleibt
dagegen außer Betracht. Ähnlich liegt es hier mit der Amtszeit der Ehefrau als Ministerin. Bei Ende der Ehezeit war
die Fortdauer der ruhegehaltfähigen Dienstzeit nur bis zum Ablauf der Legislaturperiode bzw. bis zur Wahl einer
neuen Landesregierung hinreichend gesichert. Die 13. Wahlperiode endete mit der Wahl des 14. Nds. Landtags am
1. März 1998. Daher ist die ruhegehaltfähige Dienstzeit, die für die am Ende der Ehezeit erreichte
Versorgungsanwartschaft der Ehefrau maßgebend war, auf die Zeit bis Februar 1998 zu beschränken. Danach ergibt
sich gemäß § 20 Abs. 1 S. 1 Nds. MinG i.V. mit § 13 Abs. 2 Nds. MinG in seiner bis 31. Dezember 1992 geltenden
Fassung ein Ruhegehaltssatz von 50 %.
Dieser Ruhegehaltssatz wird nach § 20 Abs. 1 S. 3 Nds. MinG in entsprechender Anwendung des § 69 e Abs. 3 S. 1
BeamtVG gekürzt, und zwar mit der Maßgabe, dass die Verminderung am 1. Januar 2005 mit dem dritten
Anpassungsfaktor begann. Für die Zeit ab Juli 2008 ist der vierte Anpassungsfaktor nach § 69 e Abs. 3 S. 1
BeamtVG maßgebend, wie sich aus dem von der Ehefrau mit Schriftsatz vom 4. Juli 2008 vorgelegten Bescheid
des NLBV ergibt. Dieser Faktor, der 0,97833 beträgt, und nicht der vom NLBV in seiner Auskunft vom 11. August
2008 in Ansatz gebrachte – erst nach dem Ende der Phase, in dem die Ruhestandsbezüge von Beamten und diesen
versorgungsrechtlich gleichgestellten Personen „abgeschmolzen“ werden, maßgebende Anpassungsfaktor von
0,95667 (§ 69 e Abs. 4 S. 1 BeamtVG) – ist im schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu berücksichtigen. Denn
der ausgleichsberechtigte Ehegatte ist insoweit an der jeweils gezahlten Rente des Ausgleichspflichtigen und damit
auch an dem degressiven Zuschlag zum Ruhegehalt, der bis zum Ablauf der „Abschmelzungsphase“ gezahlt wird,
zu beteiligen (vgl. BGH FamRZ 2004, 259, 261. OLG Hamm FamRZ 2008, 898. Wick a.a.O. Rn. 341 b). Damit ergibt
sich – abweichend von der Berechnung des NLBV – ein Ruhegehaltssatz von (50 x 0,97833 =) 48,92 %.
Unter Berücksichtigung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge am Ende der Ehezeit, erhöht um die bis Juli 2008
erfolgten Anpassungen, ergibt sich daraus ein Ruhegehalt von (11.469,31 EUR x 48,92 % =) 5.610,79 EUR. Der
Ehezeitanteil dieses Ruhegehalts beträgt (5.610,79 EUR x 6,78 [Jahre ruhegehaltfähiger Dienstzeit in der Ehezeit] :
7,69 [Jahre gesamter ruhegehaltfähiger Dienstzeit] =) 4.946,83 EUR.
cc) Der Ehezeitanteil der Altersentschädigung, die die Ehefrau aufgrund ihrer Tätigkeit als Abgeordnete des ...
Landtages erhält, ist nach § 25 a des Abgeordnetengesetzes des Bundes (AbgG) zu berechnen, der sinngemäß
auch für die Versorgungsleistungen nach den Abgeordnetengesetzen der Länder gilt (§ 25 a Abs. 3 S. 1 AbgG).
Danach ist zunächst die Altersentschädigung zu berechnen, die sich aus den anrechenbaren Mandatszeiten bis zum
Ende der Ehezeit ergibt (§ 25 a Abs. 1 S. 1 AbgG). Da die Zeit des Ministeramtes nicht zu den anrechenbaren
Mandatszeiten gehört (§ 20 Abs. 4 Nds. MinG), ist nur die vom 30. Juni 1986 bis zum 20. Juni 1990 erreichte
Mandatszeit zugrunde zu legen. Nach der Auskunft des Präsidenten des ... Landtags vom 14. August 2008 hat die
Ehefrau in der genannten Mandatszeit eine Anwartschaft auf (25 % x 4/8 =) 12,5 % der Grundentschädigung
erworben. Die Grundentschädigung beträgt seit dem
1. Mai 2008 monatlich 5.595 EUR (§ 6 Abs. 1 Nds. AbgG). sie wird bei bereits laufenden Versorgungen – ebenso wie
die Beamten und Ministerversorgung – unter Anwendung eines Anpassungsfaktors abgeschmolzen (§ 36 a Nds.
AbgG). Derzeit ist ein Anpassungsfaktor von 0,98917 maßgebend (vgl. auch das von der
Ehefrau mit Schriftsatz vom 4. Juli 2008 vorgelegte Schreiben des Präsidenten des ... Landtages vom 20. Juni
2008). Damit ergibt sich eine gekürzte Grundentschädigung von monatlich (5.595 EUR x 0,98917 =) 5.534,41 EUR.
12,5 % davon sind 691,80 EUR. Diesen Betrag hat auch der Präsident des ... Landtages in seiner letzten Auskunft
vom 14. August 2008 errechnet.
Der Ehezeitanteil der Versorgung berechnet sich aus dem Verhältnis der in die Ehezeit fallenden Mandatszeit zur
gesamten bis zum Ehezeitende zurückgelegten Mandatszeit (§ 25 a Abs. 1 S. 2 AbgG). Da die gesamte bis zum
Ehezeitende zurückgelegte Mandatszeit hier in die Ehezeit fällt, entspricht der genannte Betrag von monatlich
691,80 EUR auch dem Ehezeitanteil.
dd) Den Ehezeitanteilen der Versorgungsanrechte der Ehefrau ist der Ehezeitanteil der gesetzlichen Rente des
Antragstellers gegenüberzustellen. Auch insoweit ist der am Ende der Ehezeit maßgebende Wert entsprechend den
gesetzlichen Rentenanpassungen vom Ende der Ehezeit bis zum 1. Juli 2008 zu aktualisieren. Ferner müssen
ungeachtet des Grundsatzes, dass im Verfahren über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich grundsätzlich
keine Korrektur des öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleichs stattfindet (vgl. BGH FamRZ 1993, 304), auch
insoweit nachehezeitliche Wertveränderungen berücksichtigt werden, die sich rückwirkend auf den Ehezeitanteil
auswirken. Dies ist zum einen deshalb erforderlich, weil die Höhe des Ausgleichsanspruchs des Ehemannes durch
seine zu verrechnende Rentenanwartschaft beeinflusst wird, zum anderen aber auch deshalb, weil der Höchstbetrag
nach § 1587 b Abs. 5 BGB nach Auffassung des Senats im Verfahren über den schuldrechtlichen
Versorgungsausgleich neu zu bestimmen ist und dieser Höchstbetrag von der ehezeitlichen Rentenanwartschaft des
Ehemannes abhängig ist.
Aus dem vom Ehemann vorgelegten Rentenbescheid vom 10. Juni 2008 ergibt sich gegenüber der im
Scheidungsverfahren eingeholten Auskunft des Rentenversicherungsträgers vom 9. April 1998 eine geringfügige
Veränderung der in der
Ehezeit erworbenen Entgeltpunkte (aufgrund geänderter Bewertung der in die
Ehezeit fallenden beitragsfreien Zeiten). In der Ehezeit (1. Dezember 1975 bis
31. März 1997) liegen rentenrechtlich erhebliche Beitragszeiten des Ehemannes vom 1. Dezember 1975 bis 31.
März 1978, die mit 2,8148 Entgeltpunkten bewertet worden sind (ebenso wie im Scheidungsverfahren), sowie
beitragsfreie Zeiten wegen Arbeitslosigkeit vom 4. April bis 30. Juni 1978, die endgültig mit 3 (Monaten)
x 0,0158 Entgeltpunkten = 0,0474 Entgeltpunkten bewertet worden sind. Das ergibt insgesamt 2,8622 auf die
Ehezeit entfallende Entgeltpunkte. Multipliziert mit dem seit 1. Juli 2008 geltenden aktuellen Rentenwert von 26,56
EUR ergibt dies einen aktuellen Ehezeitanteil der gesetzlichen Rente des Ehemannes von 76,02 EUR.
ee) die schuldrechtliche Ausgleichsrente berechnet sich gemäß § 1587 g Abs. 1 S. 1 BGB wie folgt:
Ministerversorgung der Ehefrau 4.946,83 EUR
Abgeordnetenversorgung der Ehefrau + 691,80 EUR
insgesamt 5.638,63 EUR
Rente des Ehemannes 76,02 EUR
Differenz 5.562,61 EUR
: 2 = 2.781,31 EUR
ff) Darauf anzurechnen ist die im öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich
zugunsten des Ehemannes begründete Rentenanwartschaft im Wert des nach
§ 1587 b Abs. 5 BGB maßgebenden Höchstbetrages. Der damalige Wert von monatlich 1.857,38 DM ist allerdings
unter Berücksichtigung der Veränderung der in der Ehezeit erworbenen gesetzlichen Rentenanwartschaft des
Ehemannes neu zu berechnen und zugleich zu aktualisieren (ebenso, allerdings nur für den Fall eines
vorgeschalteten Abänderungsverfahrens nach § 10 a VAHRG, Kemnade FamRZ 2006, 425, 426. Wick a.a.O. Rn.
341 a a.E.).
Gemäß § 1587 b Abs. 5 BGB i.V. mit § 76 Abs. 2 S. 3 SGB VI darf der Zuschlag an Entgeltpunkten aus dem
öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich zusammen mit den vom Berechtigten selbst in der Ehezeit erworbenen
Entgeltpunkten 1/6 der in die Ehezeit fallenden Kalendermonate nicht übersteigen. Der Höchstbetrag berechnet sich
daher nach folgender Formel (vgl. Wick a.a.O. Rn. 188): (Zahl der Ehezeitmonate : 6) abzüglich vom Berechtigten in
der Ehezeit erworbene Entgeltpunkte. Im vorliegenden Fall umfasste die Ehezeit 256 Monate. Aus dem
öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich könnten daher höchstens (256 : 6 =) 42,6667 Entgeltpunkte erworben
werden. Abzuziehen sind jedoch die vom Ehemann selbst in der Ehezeit erworbenen 2,8622 Entgeltpunkte (s.o. dd).
Der konkrete Höchstbetrag liegt daher bei 39,8045 Entgeltpunkten. Diese entsprechen aktuell einer gesetzlichen
Rentenanwartschaft von monatlich (x 26,56 EUR =) 1.057,21 EUR.
Nach Abzug dieses (aktualisierten) bereits öffentlichrechtlich ausgeglichenen Teilbetrages verbleibt ein
schuldrechtlicher Rentenanspruch des Antragstellers von monatlich (2.781,31 EUR - 1.057,21 EUR =) 1.724,10
EUR.
gg) Zwar hat der Ehemann mit seinem Schriftsatz vom 29. September 2008 beantragt, ihm eine schuldrechtliche
Ausgleichsrente von (nur) monatlich
1.668,66 EUR zuzusprechen. Daran ist der Senat jedoch nicht gebunden. Der Antrag auf schuldrechtliche
Ausgleichsrente muss – wie bereits ausgeführt (s.o. a) – nicht beziffert werden. Wird gleichwohl ein bezifferter
Antrag gestellt, so ist das Gericht dadurch nicht gehindert, dem Antragsteller einen höheren Betrag zuzusprechen,
denn § 308 ZPO findet im FGGVerfahren keine Anwendung (OLG Hamm FamRZ 1990, 889. OLG Bamberg FamRZ
2001, 689, 690). Dies gilt grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Hier ist das Beschwerdegericht nur dann an
einen Antrag des Beschwerdeführers gebunden, wenn dieser damit seinen Angriff gegen die erstinstanzliche
Entscheidung bewusst beschränken will (OLG Saarbrücken FamRZ 2003, 614, 615. Zöller/Philippi a.a.O. § 621 e
Rn. 62, 63. Johannsen/
Henrich/SedemundTreiber a.a.O. § 621 e ZPO Rn. 18 a. Wick a.a.O. Rn. 323). Davon kann bei dem vom Ehemann
gestellten bezifferten Antrag nicht ausgegangen werden. Er hat mit dem geforderten Betrag lediglich die (vorläufige)
Berechnung des Senatsvorsitzenden vom 27. August 2008 übernommen, ohne dass daraus eine bewusste
Beschränkung des Beschwerdeziels entnommen werden kann.
hh) Gemäß § 1587 k Abs. 1 i.V. mit §§ 1585 b Abs. 2, 1613 Abs. 1 S. 1 BGB steht dem Ehemann die
Ausgleichsrente für die Vergangenheit ab „Rechtshängigkeit“ seines Antrags zu. Ob die Rechtshängigkeit
entsprechend §§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO mit dem Zugang an andere Verfahrensbeteiligte eintritt (so etwa
Palandt/Brudermüller BGB 67. Aufl. § 1587 k Rn. 2. Wick a.a.O. Rn. 327) oder ob es im FGGVerfahren auf den
Eingang des Antrags bei Gericht ankommt, kann dahingestellt bleiben. Denn der Schriftsatz vom 3. Juli 2008 ist am
7. Juli 2008 beim Senat eingegangen und der Ehefrau noch im Juli 2008 zugegangen. Nach der seit 1. Januar 2008
geltenden Neufassung des § 1585 b Abs. 2 BGB ist auch § 1613 Abs. 1 S. 2 BGB entsprechend anzuwenden.
Daraus folgt, dass dem Ehemann die Ausgleichsrente für den gesamten Monat Juli 2008 zusteht.
Gemäß § 291 BGB kann der Ehemann auch Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
verlangen (vgl. BGH FamRZ 2008, 1512, 1515).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 92 ZPO (vgl. BGH FamRZ 2001, 284, 286),
die Festsetzung des Beschwerdewerts auf
§ 99 Abs. 3 KostO, wobei die Gegenstände „schuldrechtlicher Versorgungsausgleich“ und „Abänderung des
öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleichs“ gemäß S. 1 Nr. 3 der Vorschrift jeweils mit 2.000 EUR zu bewerten
waren und das Abfindungsverlangen des Ehemannes gemäß S. 2 der Vorschrift mit 1.000 EUR.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf den §§ 621 e Abs. 2 S. 1 i.V. mit § 543 Abs. 2 ZPO.
W. B. H.