Urteil des OLG Celle vom 15.12.2004

OLG Celle: antizipierte beweiswürdigung, versicherungsprämie, widerklage, haus, miteigentümer, versicherungsnehmer, bestandteil, gebühr, nebenkosten, belastung

Gericht:
OLG Celle, 16. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 16 W 149/04
Datum:
15.12.2004
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 745 ABS 2
Leitsatz:
1. Eine Nutzungsentschädigung steht dem aus dem gemeinsamen Haus ausgezogenen Ehepartner
frühestens ab dem Zeitpunkt zu, ab dem er gemäß § 745 Abs. 2 BGB eine Neuregelung der
Verwaltung und Benutzung verlangen kann und auch tatsächlich mit hinreichender Deutlichkeit
verlangt. Rückwirkend kann der Nutzungseinwand dem anderen Teil nur entgegen gesetzt werden,
wenn dieser die Lasten des Hauses getragen hat und deshalb einen Ausgleich beansprucht (BGH
FamRZ 1993, 676 = NJWRR 1993, 386).
2. Die Berechnung der Nutzungsentschädigung ist unter Berücksichtigung der Lasten so
vorzunehmen, als ob das Haus an einen Dritten vermietet worden wäre (OLG Celle Nds. Rpfl. 1995,
355).
Volltext:
16 W 149/04
5 O 157/04 Landgericht Verden
B e s c h l u s s
In dem Rechtsstreit
B. B., ...,
Klägerin, Widerbeklagte und Beschwerdeführerin,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...,
gegen
W. B., ...,
Beklagter, Widerkläger und Beschwerdegegner,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...,
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter ... und die Richter ... und ... am
15. Dezember 2004 beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin und Widerklägerin wird der angefochtene Beschluss der 5. Zivilkammer
des Landgerichts Verden vom
3. August 2004 teilweise geändert:
Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit sie sich gegen die
widerklagend vom Beklagten begehrte Nutzungsentschädigung für 2001 in Höhe von 3.185,49 EUR verteidigt.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Beschwerdewert: 7.014,50 EUR.
G r ü n d e :
1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie sich dagegen wendet, dass das Landgericht ihr mangels
hinreichender Erfolgsaussichten die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für ihre Verteidigung gegen die Widerklage
versagt hat, ist teilweise, nämlich hinsichtlich der Nutzungsentschädigung für das Jahr 2001, begründet. Im Übrigen
bleibt ihr Rechtsmittel ohne Erfolg.
2001
Für die Verteidigung gegen den Ersatzanspruch i. H. v. 3.185,49 EUR betreffend das Jahr 2001 ist der Klägerin
Prozesskostenhilfe zu bewilligen, denn die Widerklage des Beklagten ist insoweit unschlüssig.
Nutzungsentschädigung kann nach § 745 Abs. 2 BGB erst ab dem Verlangen der Neuregelung der Nutzung
beansprucht werden, es sei denn, es geht um die Aufrechnung gegenüber einem Ausgleichsanspruch wegen der
Lasten des Hauses (OLG Celle Nds. Rpfl. 1989, 252 = NJWRR 1990, 265 u. Nds. Rpfl. 1995, 355; BGH NJWRR
1993, 386 u. NJW 1994, 1721). Würde also die Klägerin den Beklagten mit dem Argument, 2001 mehr als die Hälfte
der Hauslasten getragen zu haben, auf Ausgleich in Anspruch nehmen, könnte der Beklagte für denselben Zeitraum
rückwirkend einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung entgegensetzen. Dagegen kann der Beklagte nicht, wie
hier, aktiv eine Nutzungsentschädigung für einen zurückliegenden Zeitraum verlangen, in dem die Parteien zwar
schon endgültig getrennt gelebt haben, ein Anspruch auf Neuregelung aber noch gar nicht geltend gemacht worden
ist.
Hier hat der Beklagte selbst sein vorprozessuales anwaltliches Verlangen auf Nutzungsentschädigung vom 30. April
2002, der Klägerin per Einschreiben mit Rückschein zugegangen am 6. Mai 2002, vorgelegt (Bl. 26 ff. d. A.).
Nutzungsentschädigung kann er daher erst ab dem Folgemonat, also ab 1. Juni 2002 geltend
machen. Soweit in dem Schreiben Nutzungsentschädigung rückwirkend ab 1. März 2002 verlangt wird, fehlt es dafür
an einer rechtlichen Grundlage.
In Betracht käme allenfalls ein Ausgleichsanspruch für die vom Beklagten getragenen Lasten. Von den von ihm
errechneten Hauskosten i. H. v. insgesamt 2.704,73 EUR will er 1.537,83 EUR getragen haben, während hälftig auf
ihn nur 1.352,37 EUR entfallen würden. Wegen der Differenz von 185,36 EUR könnte ein Ausgleichsanspruch
bestehen. Indes kann der Senat aus den vorgelegten Belegen, insbesondere der ...bank (Bl. 131 f. d. A.), nicht
ersehen, welche der Parteien die aufgeführten Zinsen und Tilgung getragen hat. Allein der Umstand, dass das
Schreiben an den Beklagten adressiert ist, ist insoweit nicht aussagekräftig, da beide Parteien als Darlehnsnehmer
aufgeführt sind, ohne dass der Jahresabschluss zwischen Zins und Tilgungsleistungen des einen oder anderen
Darlehnsnehmers differenziert.
2002
Die Klägerin hat der Berechnung des Beklagten (Bl. 127 u. 129 d. A.) sowie den darauf beruhenden Ausführungen
des Landgerichts in dem angefochtenen Beschluss (Bl. 202 d. A.) sachlich nichts entgegen gesetzt (Bl. 144 u. 207
ff. d. A.). Dass die Hauskosten bis auf die Versicherungsprämie von 176,78 EUR von der Klägerin getragen wurden,
bestreitet der Beklagte nicht (Bl. 127 d. A.). Auf dieser Grundlage errechnet sich indes (von einer Differenz von 2
Cent abgesehen) der begehrte Anspruch von 2.098,40 EUR (Bl. 129 d. A.). Denn im Falle der Fremdvermietung
hätten die Parteien Mietzinseinnahmen brutto i. H. v. (12 x 500 EUR =) 6.000 EUR gehabt, nach Abzug der
Belastungen verbleiben (6.000 EUR - 2.156,81 EUR =) 3.843,19 EUR. Als Miteigentümer kann der Beklagte die
Hälfte hiervon, dies sind 1.921,60 EUR, zuzüglich der bereits als Belastung abgezogenen, von ihm jedoch allein
getragenen Versicherungsprämie von 176,78 EUR, mithin insgesamt 2.098,38 EUR beanspruchen.
2003
Insoweit behauptet die Klägerin zwar, abweichend vom Vortrag des Beklagten seien die (unstreitig von ihr
getragenen) Zins und Tilgungsleistungen höher gewesen, nämlich nicht nur 513,84 EUR, sondern 2.241,03 EUR.
Dies ergebe sich aus der von ihr vorgelegten Bankbescheinigung. Indes trifft dies nicht zu, wie das Landgericht
ausgeführt hat. Vielmehr hat der Beklagte den von ihm behaupteten Betrag von 513,84 nachgewiesen durch Vorlage
des Rechnungsabschlusses der ...bank für 2003. Danach betrugen die Zinsen (35,28 + 10,18 =) 45,46 sowie die
Tilgung (363,51 + 104,86 =) 468,38 EUR, mithin insgesamt 513,84 EUR (Bl. 137 d. A.). Zudem ergibt sich aus dem
Jahresabschluss der ...bank für 2002, dass die Unterkonten 019 und 026 auf 0,00 zurückgeführt waren, sodass die
von der Klägerin insoweit behaupteten Tilgungsleistungen (Bl. 124 d. A.) offensichtlich nicht erbracht worden sein
können. Etwas Gegenteiliges lässt sich auch nicht aus der Bestätigung der Volksbank entnehmen, wonach die
Klägerin von 3/02 bis 4/03 jahresübergreifend insgesamt 2.502,07 EUR an die ...bank geleistet haben soll (Bl. 125 d.
A.). Zwar ist dieser Betrag höher als die Summe der vom Beklagten vorgetragenen Zahlen für 2002 und 2003
(1.519,78 + 513,84 = 2.033,26), jedoch sind die vom Beklagten vorgetragenen Zahlen durch die Jahresabschlüsse
2002 und 2003 der ...bank belegt (Bl. 135, 137 d. A.).
2. Hinsichtlich der grundsätzlichen Angriffe der Beschwerdebegründung gilt
i. Ü. Folgendes:
a) Durch das Mietwertgutachten ist der Nutzungswert für die Beurteilung der Erfolgsaussichten im Rahmen der
ProzesskostenhilfeEntscheidung hinreichend belegt. Insoweit ist eine antizipierte Beweiswürdigung nicht nur
zulässig, sondern im Rahmen der Prognose der Erfolgsaussichten darüber hinaus geboten.
b) Der Beklagte hat seine Anträge sehr wohl an das Ergebnis des Gutachtens angepasst, nämlich die beanspruchte
monatliche Nutzungsentschädigung von 325 auf 250 EUR reduziert, zugleich wegen des länger gewordenen
Zeitraums aber die Widerklage in der Summe erhöht. Dies ist prozessual unbedenklich (§ 264 ZPO) und dürfte den
Beklagten noch nicht einmal kostenrechtlich belasten, weil er keine Mehrkosten durch eine Zuvielforderung in der
Summe veranlasst hat, sodass für eine sog. gemischte Kostenentscheidung unter Einbeziehung von § 269 Abs. 3
ZPO kein Raum bleiben wird. Jedenfalls kann sich hieraus ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe für die Klägerin
nicht ableiten lassen.
c) Die Klägerin hat die Hauskosten nicht allein zu tragen. Bei dem vorherigen Abzug der Belastungen handelt es sich
nur um eine Berechnungsvereinfachung, durch welche die Klägerin nicht benachteiligt wird. Dies mag am Beispiel
des Jahres 2002 (s. o.) noch einmal verdeutlicht werden:
Hätte die Klägerin, wie ein Dritter, an den das Haus hätte vermietet werden können, monatlich 500 EUR
Nutzungsentschädigung auf ein Miettreuhandkonto eingezahlt und hätte es keine Belastungen gegeben, wären 6.000
EUR vorhanden. Mithin könnte jede Partei als Miteigentümer zur ideellen Hälfte 50 % hiervon, also 3.000 EUR
beanspruchen. Indes gab es Belastungen, nämlich Raten an die Bank sowie übliche Nebenkosten, insgesamt i. H.
v. 2.156,81 EUR, von den Parteien als Hauskosten bezeichnet. Diese sind von den Parteien ebenfalls je zur Hälfte
zu tragen, müssten also vor hälftiger Auskehrung des Guthabens auf dem Miettreuhandkonto aus diesem berichtigt
werden. Auf dem Konto wären dann noch restliche (6.000 EUR - 2.156,81 EUR =) 3.843,19 EUR, sodass auf jede
Partei die Hälfte hiervon, nämlich 1.921,60 EUR entfiele. Der Beklagte könnte also zunächst diesen Betrag
verlangen.
Hinzu kommt die Versicherungsprämie von 176,78 EUR. Denn diese hat er, wohl weil er bei der Versicherung als
Versicherungsnehmer und Rechnungsempfänger geführt wird, aus eigenen Mitteln verauslagt, obwohl auch diese
Kosten des Objekts aus dem Guthaben des Miettreuhandkontos zu berichtigen gewesen wären und dort auch (als
Bestandteil der Summe von 2.156,81 EUR) mit abgezogen worden sind. Da der Beklagte die Prämie also aus
eigenen Mitteln „vorgestreckt“ hat, ist die Berichtigung dieser Forderung aus dem Miettreuhandkonto nicht in der
Weise zu bewirken, dass die Prämie an die Versicherung gezahlt wird. Diese hat das Geld ja schon (vom Beklagten)
bekommen und kann es nicht zweimal verlangen.
Vielmehr ist die Prämie an den Beklagten zu zahlen, der diesen Betrag verauslagt hatte.
Aus beiden Beträgen errechnet sich der dem Beklagten insgesamt zustehende (oben bereits errechnete) Betrag von
(1.921,60 EUR + 176,78 EUR =) 2.098,38 EUR.
3. Die Kostenentscheidung richtet sich nach Nr. 1811 KVGKG. Der Senat hat von der bei Teilerfolg gegebenen
Möglichkeit zu bestimmen, dass keine Gebühr erhoben wird, Gebrauch gemacht. Für eine Erstattung
außergerichtlicher Kosten ist gemäß § 127 Abs. 4 ZPO im Übrigen kein Raum. Die Festsetzung des
Beschwerdewerts richtet sich gemäß § 3 ZPO nach der Widerklageforderung (Bl. 130 d. A.), gegen die sich die
Klägerin verteidigen möchte.
Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht, weil
keine Fragen im Streit stehen, die das Verfahren oder die persönlichen Voraussetzungen der
Prozesskostenhilfegewährung betreffen (vgl. BGHReport 2003, 407).
... ... ...
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht