Urteil des OLG Celle vom 29.10.2009

OLG Celle: stadt, hafenanlage, geistige schöpfung, gestaltung, kunst, gesamteindruck, beleuchtung, form, ausschreibung, verkehr

Gericht:
OLG Celle, 13. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 13 U 225/08
Datum:
29.10.2009
Sachgebiet:
Normen:
URHG § 2 ABS 1 NR 4, URHG § 2 ABS 2, UrhG § 101 Abs 1
Leitsatz:
Zu den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG und des § 2 Abs. 2 UrHG.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil
13 U 225/08
18 O 66/08 Landgericht Hannover
Verkündet am
29. Oktober 2009
M.,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
H. GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer J. A. und M. Freiherr von D. zu L., M., L.,
Beklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsgesellschaft B. B. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, K., B.,
Geschäftszeichen: #####
gegen
L. G. als Inhaber der Firma Leuchtenbau G., C. Straße, C.,
Kläger und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. B. & Collegen, H. S., C.,
Geschäftszeichen: #####
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. K. und
die Richterinnen am Oberlandesgericht Z. und R. auf die mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2009 für Recht
erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 16. September 2008 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des
Landgerichts Hannover wird mit der Maß
gabe zurückgewiesen, dass in Ziffer 1 des Tenors der Klammerzusatz durch die Formulierung ´, wie sie die Beklagte
für die Hafenanlage für
W. geliefert hat gemäß Anlage B 2 (Bl. 54 - 72 d. A.),´ ersetzt wird.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
I.
Für die Darstellung des Tatbestandes wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil
Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr.1 ZPO).
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit
ihrer Berufung. Sie verfolgt ihr erstinstanzliches Ziel einer Klageabweisung in vollem Umfang weiter und vertritt die
Auffassung, die Verwendung eines „tropfenförmigen, eloxierten Zierreflektors“ rechtfertige nicht das Eingreifen des
Urheberrechtsschutzes, insbesondere weil die Tropfenform vorbekannt und den zwingenden technischen
Gegebenheiten geschuldet sei.
Ein Herkunftshinweis sei mit der Form der Stelenleuchte nicht verbunden. Die begehrte Auskunft schließlich habe
sie erteilt. Außer den am Hafen der Stadt W. aufgestellten Stelenleuchten habe sie keine weiteren dieser Art
gefertigt oder in den Verkehr gebracht.
Die Beklagte beantragt,
das angegriffene Urteil des Landgerichts Hannover abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
gegebenenfalls unter Klarstellung im Urteilstenor, dass in Ziffer 1 des Tenors der Klammerzusatz durch die
Formulierung ´, wie sie die Beklagte für die Hafenanlage für W. geliefert hat gemäß Anlage B 2 (Bl. 54 - 72 d. A.),´
ersetzt wird.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen.
Auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird im Übrigen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat dem Auskunftsverlangen des Klägers zu Recht stattgegeben und zutreffend festgestellt, dass
ihm wegen der Verletzung seines Urheberrechts an den streitbefangenen Stelenleuchten dem Grunde nach ein
Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zusteht:
1. Voraussetzung des geltend gemachten Auskunftsanspruchs ist eine Urheberrechtsverletzung bzw. die Verletzung
eines anderen nach dem Urhebergesetz (UrhG) geschützten Rechts. Diese ist hier gegeben:
Die Stelenleuchten des Klägers sind Werke der angewandten Kunst (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG), deren
eigenschöpferischer Wert über dem nach dem Geschmacksmusterrecht schutzfähigen Niveau liegt und damit dem
Urheberrechtsschutz unterfällt (§ 2 Abs. 2 UrhG). Mit der Fertigung der streitbefangenen Stelen und ihrer Aufstellung
in der Hafenanlage von W. hat die Beklagte das Vervielfältigungs
recht (§ 16 UrhG) und das Verbreitungsrecht (§ 17 UrhG) des Klägers verletzt. Im Einzelnen:
a) Bei den vom Kläger für die Hafenanlage der Stadt W. entworfenen und dort aufgestellten Stelenleuchten handelt
es sich um ´Werke der angewandten Kunst´ i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG. Solche unterscheiden sich von ´reinen´
Kunstwerken durch ihren Gebrauchszweck und die Art ihrer - meist industriellen und serienmäßigen - Herstellung
(Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 2 Rz. 158). Die betreffenden Voraussetzungen sind hier gegeben:
Die Leuchten dienen einem Gebrauchszweck (Beleuchtung). Der Kläger hat sie in seinem Unternehmen in
mehrfacher Ausfertigung, gleichsam industriell und serienmäßig, hergestellt.
Mit dem Landgericht hält der Senat die Stelenleuchten des Klägers wegen ihrer besonderen Gestaltung und ihres
ästhetischen Gesamteindrucks (Näheres hierzu s. nachfolgend b, aa), den sie ´nach dem durchschnittlichen Urteil
des für Kunst empfänglichen und mit Kunstdingen einigermaßen vertrauten Menschen vermitteln´, auch für ´Kunst´
(vgl. zu diesen Voraussetzungen BGH, Urteil vom 19. Januar 1979, Az. I ZR 166/76, zitiert nach Juris, dort Rz. 80.
ebenso Thüringer OLG, Urteil vom 13. Juni 2001, Az. 2 U 673/00, zitiert nach Juris, dort Rz. 35).
b) Die Stelenleuchten des Klägers stellen eine ´persönliche geistige Schöpfung´ i. S. d. § 2 Abs. 2 UrhG dar.
aa) Ihre künstlerische Gestaltung erreicht dabei eine Schöpfungshöhe, die über den Bereich des hier möglichen
Geschmacksmusterschutzes hinausgeht.
Das setzt voraus, dass die Gestaltung der Leuchten des Klägers die Durchschnittsgestaltung sonstiger
Stelenleuchten deutlich überragt (vgl. Dreier/Schulze, a. a. O., Rz. 160). Dies ist hier zu bejahen. Entscheidend ist
dabei der Gesamteindruck, den die Leuchten vermitteln:
Durch den in der Mitte des durchsichtigen Leuchtrohrzylinders von drei senkrecht verlaufenden Haltestreben
gehaltenen und von oben und unten angestrahlten tropfenförmigen Reflektor wird dem Betrachter der Stelenleuchten
ein Eindruck von Transparenz und Leichtigkeit vermittelt. Der Reflektor scheint gleichsam zu schweben. seine Form
erinnert an einen Wassertropfen und weckt dadurch Assoziationen zu (Hafen)Wasser, maritimer Feuchtigkeit, Nebel
und Dunst. Die Eleganz der schlanken Stelenform wird durch den kegelförmigen oberen Abschluss der Leuchten
verstärkt. Die Leuchten heben sich durch die genannten Gestaltungselemente deutlich von anderen dem Senat
bekannten und von den Parteien im Verfahren zur Anschauung gebrachten Stelenleuchtenmodellen ab. ihr
Gesamterscheinungsbild verfügt durch sie über eine Ausdruckskraft von hohem künstlerischem Gehalt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Prüfungsmaßstab dagegen nicht etwa auf den tropfenförmigen
Reflektor reduziert werden. dies würde dem Umstand nicht gerecht, dass - wie hier - auch und gerade das
Zusammenspiel mehrerer Gestaltungselemente den Grad künstlerischer Eigenart bestimmen kann.
bb) Entgegen der Behauptung der Beklagten fehlt es den Stelenleuchten des Klägers auch nicht an der für die
Urheberrechtsschutzfähigkeit erforderlichen schöpferischen Eigenart:
Soweit die Beklagte behauptet, zum Zeitpunkt der Herstellung und Aufstellung der Leuchten des Klägers habe es auf
dem Markt bereits entsprechende Stelenleuchten gegeben, belegt sein diesbezüglicher konkreter Vortrag diese
Behauptung nicht:
Zwar hat die Beklagte zahlreiche Fotos und Zeichnungen anderer existenter Stelenleuchten vorgelegt. Indes verfügt
keine dieser Leuchten - soweit es sich nicht um solche handelt, die vom Kläger selbst geschaffen wurden - über den
für die streitbefangenen Leuchten charakteristischen Tropfenreflektor und das kegelförmige obere
Abschlusselement. Der oben beschriebene (aa)) Gesamteindruck wird von keiner der von der Beklagten angeführten
Leuchten vermittelt.
Dies gilt auch und insbesondere für das von der Beklagten als ´Stele 606´ benannte Leuchtenmodell aus ihrem
eigenen Katalog (Anlage BB 9, Bl. 204 d. A.), das nach dem eigenen Vortrag der Beklagten ´lediglich um die obere
Zierkappe ergänzt´ und für das ´auf den Reflektor in Tropfenform zurückgegriffen´ werden müsste (Schriftsatz vom
18. August 2009, Bl. 202 d. A.), um eine Stelenleuchte zu erhalten, wie sie der Kläger geschaffen hat. Damit räumt
die Beklagte letztlich
selbst ein, dass ihr betreffendes Leuchtenmodell in wesentlichen Elementen gerade nicht der vom Kläger gefertigten
Leuchte entsprach.
Der weitere Einwand der Beklagten, die Tropfenform der Reflektoren sei im Hinblick auf die an die Beleuchtung der
Hafenanlage zu richtenden Anforderungen technisch zwingend gewesen, überzeugt ebenfalls nicht.
Die Beklagte hat zu solchen technischen Anforderungen im Verhandlungstermin vor dem Senat lediglich
vorgetragen, dass die Verwendung von Stelenleuchten vorgegeben gewesen sei und diese einen bestimmten
Abstand (20 m) voneinander haben sollten. Dies als zutreffend unterstellt - eine diesbezügliche Ausschreibung der
Stadt W. liegt dem Senat nicht vor , folgt daraus aber keineswegs, dass eine hinreichende Beleuchtung der
Hafenanlage unter dieser Voraussetzung nur durch die Verwendung tropfenförmiger Reflektoren erreicht werden
konnte. Vielmehr sind zahlreiche Möglichkeiten denkbar, den Winkel und Radius abstrahlenden Lichts zu
beeinflussen. dies kann zum Beispiel über die Form und Größe des Reflektors, seine Platzierung im Leuchtkörper,
die Höhe der Leuchte oder die Leuchtkraft bzw. Platzierung des Leuchtmittels geschehen. Anhaltspunkte, die auf
technisch zwingende Gegebenheiten schließen ließen, die nur einen tropfenförmigen Reflektor in der vom Kläger für
die Stadt W. geschaffenen Art und Weise zuließen, sind vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich.
d) Dass die zuerst in der Hafenanlage aufgestellten Stelenleuchten vom Kläger gefertigt und geliefert worden sind,
ist unstreitig.
e) Soweit die Beklagte indes dennoch die Urheberschaft des Klägers mit der Begründung bestreitet, die Stadt W.
habe ihm die Einzelheiten der Leuchte vorgegeben, ist ihr Vortrag unzureichend. Ausschreibungsunterlagen, denen
sich solche Vorgaben entnehmen ließen, hat sie nicht vorgelegt. Auch andere Anhaltspunkte, die ihre Behauptung
stützen würden, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Dasselbe gilt im Ergebnis für ihre Behauptung, der Kläger habe der Stadt W. zumindest konkludent die Berechtigung
erteilt, die Leuchte von Dritten fertigen und aufstellen zu lassen.
f) Unstreitig hat die Beklagte die streitgegenständlichen Stelenleuchten durch die Fertigung und das Aufstellen in der
Hafenanlage von W. vervielfältigt und verbreitet (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 und 2, §§ 16,17 UrhG). Bereits aus der
Ausschreibung der Stadt W. vom Januar 2006 (Anlage BB 8, Bl. 161 ff d. A.) ergibt sich, dass sich die
ausgeschriebenen Stelenleuchten aus „gestalterischen Gründen (…) an die vorhandenen Leuchtstelen´ anlehnen
sollten (Bl. 164 d. A.). Die Beklagte selbst hat letztlich auch nicht mehr in Abrede gestellt, dass die geringen
Unterschiede in der Befestigung und Gestaltung der tropfenförmigen Reflektoren und der Stelensäule im Hinblick auf
den weitgehend mit der vom Kläger geschaffenen Leuchte identischen Gesamteindruck unerheblich sind.
2. Der Auskunftsanspruch des Klägers folgt aus § 101 Abs. 1 UrhG. soweit er auf Rechnungslegung gerichtet ist, ist
ein entsprechender Anspruch gewohnheitsrechtlich anerkannt (vgl. Wandtke/Bullinger, UrhR, 3. Aufl., § 97 Rz. 46).
Er bezieht sich auf alle denkbaren Schadensberechnungsarten (konkreter Schaden des Verletzten, angemessene
Lizenzgebühr, Herausgabe des Gewinns des Verletzers). Gegen den Umfang des zuerkannten Anspruchs bestehen
vor diesem Hintergrund keine Bedenken. Einwendungen hiergegen hat die Beklagte im Übrigen mit ihrer Berufung
nicht erhoben.
3. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat sich der geltend gemachte Auskunftsanspruch des Klägers auch nicht
durch Erfüllung erledigt. Die Angabe der Beklagten, mehr als die im Hafenbereich der Stadt W. befindlichen
Stelenleuchten habe sie nicht hergestellt und verbreitet, gibt weder Aufschluss über die Anzahl der von ihr
hergestellten Leuchten, noch über entsprechende Werbemaßnahmen oder Angebote an andere Interessenten, noch
enthält sie irgendwelche Angaben über die mit den Stelenleuchten erzielten Umsätze und Gewinne.
4. Auch der zulässige Feststellungsantrag ist begründet.
Die Begründetheit der Feststellungsklage ist - wie hier - regelmäßig zumindest dann zu bejahen, wenn die
Rechtsverletzung im geschäftlichen Verkehr erfolgt (Wandtke/Bullinger, a. a. O., vor §§ 97 ff. Rz. 83).
Der Kläger hat nach seinem Vorbringen ein rechtliches Interesse an der Feststellung einer Schadensersatzpflicht (§
97 UrhG) der Beklagten dem Grunde nach, weil das Bestehen eines Schadens zumindest möglich ist.
5. Ob sich der Klägers wegen seiner Ansprüche auch auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 4
Abs. 1 Nr. 9 UWG (vermeidbaren Herkunftstäuschung) berufen kann, kann dahinstehen, da seinem Klagebegehren
bereits aus den vorgenannten Gründen stattzugeben ist.
III.
Die Maßgabe zur Änderung der Ziffer 1 des Tenors des angefochtenen Urteils dient der Klarstellung und entspricht
der Antragstellung des Klägers (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2009, Bl. 226 d. A.).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) liegen nicht vor.
Richterin am Oberlandesgericht
Dr. K. R. kann nicht unterschreiben. Z.
weil sie Urlaub hat.
Dr. K.