Urteil des OLG Celle vom 09.11.2006

OLG Celle: werbung, verbraucher, kauf, wettbewerbshandlung, krankenkasse, hörgerät, anzeige, versorgung, verkehr, unterlassen

Gericht:
OLG Celle, 13. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 13 U 120/06
Datum:
09.11.2006
Sachgebiet:
Normen:
UWG § 5 Abs 1, BGB § 288 Abs 1, BGB § 288 Abs 2
Leitsatz:
Die Werbung für ein Hörgerät mit der Aussage „Handeln Sie jetzt, so lange die Krankenkassen noch
Zuschüsse übernehmen!“ ist irreführend im Sinn des § 5 Abs.. 1 UWG, wenn ein Wegfall der
Zuschüsse für Hörgeräte durch die Krankenkasse nach den konkreten Planungen der zuständigen
Stellen nicht unmittelbar bevorsteht.
Der von einem Verband gegenüber einem Unternehmen geltend gemachte Anspruch auf Erstattung
von Abmahnkosten ist gemäß § 288 Abs. 1 BGB nur mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
zu verzinsen, weil es sich bei dem Anspruch um keine „Entgeltforderung“ im Sinn des § 288 Abs. 2
BGB handelt.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil
13 U 120/06
8 O 7/06 Landgericht Stade
Verkündet am 9. November 2006
S.,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
Z. z. B. u. W. e. V., vertreten durch den Geschäftsführer Dr. R. M., Zweigstelle N.,
Alter F., H.,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. D. + v. H., M., C.,
Geschäftszeichen: Z. z.B. ./.f. h.. AG
gegen
f. h. AG, vertreten durch den Vorstand Dr. T. S.,
C., S., C.,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte D., G. Allee , B.,
Geschäftszeichen: #######
Unterbevollmächtigte:
Anwaltsbüro S. Rechtsanwälte, W. W., C.,
Geschäftszeichen: #######
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 31. Oktober 2006 durch den
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. K., die Richterin am Oberlandesgericht F. und den Richter am
Oberlandesgericht W. für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 18. Mai 2006 geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für den Absatz
von Hörgeräten mit der Aussage zu werben: „Handeln Sie jetzt, so lange die Krankenkassen noch Zuschüsse
übernehmen!“
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht
beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens
250.000 EUR. Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) angedroht.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 189,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 5. Oktober 2005 zu zahlen. Wegen der weitergehenden Zinsforderung wird die Klage
abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Beschwer der Beklagten: 15.189 EUR
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
I.
Die Beklagte betreibt im gesamten Bundesgebiet Niederlassungen, in denen sie Hörgeräte anpasst und verkauft.
Ende August/Anfang September 2005 warb sie in verschiedenen Zeitungen wie folgt:
„Mein neues digitales
S. Hörgerät
hat bei f. h. nur 10 EUR* gekostet!
*10 EUR ges. Zuzahlung mit Rezept des HNOArztes für ihre Krankenkasse.
Privatpreis 499 EUR
Handeln Sie jetzt, so lange die Krankenkassen noch Zuschüsse übernehmen!“
Der Kläger ist die Z. z. B. d. u. W. e. V.. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte verstoße mit der
Werbeanzeige gegen das Irreführungsverbot nach §§ 3, 5 UWG. Die Anzeige erwecke bei den angesprochenen
Verbrauchern den falschen Eindruck, ein Wegfall der Kostenübernahme der Krankenkassen bei der Versorgung mit
Hörgeräten stehe unmittelbar bevor.
Der Kläger hat beantragt,
es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für den Absatz von Hörgeräten mit der Aussage zu werben:
„Handeln Sie jetzt, so lange die Krankenkassen noch Zuschüsse übernehmen!“,
an ihn 189,00 EUR nebst acht Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 5. Oktober 2005 zu zahlen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag
weiter.
II.
Die Berufung ist bis auf einen Teil der Zinsforderung begründet.
1. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht dem Kläger gemäß § 8 Abs. 1, §§ 3, 5 Abs. 1 UWG zu.
a) Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung stellt die angegriffene Werbung eine
Wettbewerbshandlung dar. Die Beklagte begründet ihre Auffassung damit, dass sie, die Beklagte, mit der
beanstandeten Werbeaussage keinen besonderen Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern erziele. Dem kann
nicht gefolgt werden. „Wettbewerbshandlung“ ist nach der Definition des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG u.a. jede Handlung
einer Person mit dem Ziel, zugunsten des eigenen Unternehmens den Absatz von Waren zu fördern. Diese
Voraussetzungen liegen hier vor, weil die mit der Werbung angesprochenen Verbraucher zu einem schnellen Kauf
von Hörgeräten veranlasst werden sollen („Handeln Sie jetzt ... !). nach der Lebenserfahrung bezweckt die
Werbeanzeige und ist auch objektiv geeignet, die Kunden dazu zu bewegen, sich für einen kurzfristigen Kauf bei der
Beklagten - und nicht etwa bei einem ihrer Wettbewerber - zu entscheiden.
b) Das Landgericht zieht zu Unrecht in Zweifel, ob die Wettbewerbshandlung überhaupt geeignet ist, den Wettbewerb
erheblich zu beeinträchtigen. Die Erwägung des Landgerichts, eine Kürzung oder Abschaffung der Zuschüsse sei
kein durchgreifendes Argument für den Kunden, sich gerade für einen Kauf bei der Beklagten zu entscheiden, geht
fehl. Bei einer irreführenden Werbung ist die Erheblichkeit der Verletzungshandlung bereits im Tatbestand des § 5
UWG selbst - und nicht im Rahmen von § 3 UWG - unter dem Gesichtspunkt der wettbewerblichen Relevanz zu
prüfen (Hefermehl/Köhler/ Bornkamm, 24. Aufl., § 3 UWG Rdnr 81. Hefermehl/Köher/Bornkamm, § 5 Rdnr. 2.169).
Da die Vorschriften der §§ 3, 5 UWG nicht nur dem Schutz der Wettbewerber des wettbewerbswidrig handelnden
Konkurrenten, sondern auch dem Schutz der Verbraucher dienen, ist im Streitfall die wettbewerbsrechtliche
Relevanz schon deshalb zu bejahen, weil die beanstandete Werbeaussage die Entscheidung des Verbrauchers
beeinflussen kann, sich überhaupt für den kurzfristigen Kauf eines Hörgeräts bei irgendeinem Anbieter zu
entscheiden. Darüber hinaus ist die beanstandete Werbeaussage aus den vorgenannten Gründen auch geeignet, den
Verbraucher zu einem Kauf gerade bei der Beklagten zu bewegen, wofür die Beklagte mit der Anzeige ja gerade
wirbt.
c) Die Werbung ist irreführend.
Die Werbung richtet sich an Personen, die als Käufer eines Hörgeräts in Frage kommen. Der Senat geht zu Gunsten
der Beklagten davon aus, dass es sich bei dieser Gruppe um durchschnittlich informierte und verständige
Verbraucher handelt, nicht etwa um zu Ängstlichkeit oder Leichtgläubigkeit neigende und daher besonders
schützwürdige ältere Menschen. Es besteht die Gefahr, dass auch dieser Personenkreis (durchschnittlicher
Verbraucher) die beanstandete Werbeaussage dahin verstehen wird, dass die Krankenkassen in Kürze keine
Zuschüsse mehr bei der Versorgung mit Hörgeräten übernehmen. Mit den Worten „so lange die Krankenkassen noch
Zuschüsse übernehmen“ wird in den Raum gestellt, dass die Krankenkassen in Zukunft keine Zuschüsse mehr
übernehmen werden. Die Formulierung „Handeln Sie jetzt, so lange ... noch ...“ ruft den Eindruck hervor, schnelles
Handeln sei geboten. Deshalb wird ein großer Teil der angesprochenen Verbraucher die Webeaussage dahin
verstehen, wenn man nicht bald kaufte, werde man keine Zuschüsse der Krankenkasse mehr erhalten.
Diese, bei einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise erweckte Vorstellung stimmte mit den
wirklichen Verhältnissen nicht überein. Die Beklagte macht insoweit geltend, es sei im Zeitpunkt der Veröffentlichung
der Werbung zu befürchten gewesen, dass die Spitzenverbände der Krankenkassen den ab dem 1. Dezember 2004
geltenden Festbetrag für ein Hörgerät von 421,28 EUR senken würden. Damit hat die Beklagte schon deshalb keinen
Erfolg, weil die Werbung, wie ausgeführt, den Eindruck erweckt, die Krankenkassen würden überhaupt keine
Zuschüsse mehr übernehmen. Tatsächlich ist eine Streichung oder Absenkung der Zuschüsse bis heute nicht
erfolgt. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass weitere Leistungskürzungen der Krankenkassen und
eine grundsätzliche Reform der Krankenversicherung in der öffentlichen Diskussion gewesen seien. Die Debatte um
die Reformierung des Krankenversicherungswesens mag die allgemeine Befürchtung hervorgerufen haben, dass
Zuzahlungen für Hörgeräte, ähnlich wie bei Sehhilfen, möglicherweise ganz aus dem Leistungskatalog der
gesetzlichen Krankenkassen gestrichen werden könnten. Die Werbung der Beklagten hat bei den angesprochenen
Verbrauchern aber einen anderen Eindruck erweckt, nämlich ein Streichen der Zuschüsse für Hörgeräte der
gesetzlichen Krankenkasse stehe nach den konkreten Planungen der zuständigen Stellen unmittelbar bevor.
d) Aufgrund der begangenen Wettbewerbshandlung besteht eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer
Wiederholungsgefahr.
2. Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung ihrer Abmahnkosten ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Der
Anspruch ist gemäß § 288 Abs. 1 BGB mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Die
weitergehende Zinsforderung ist unbegründet, weil es sich bei dem Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten um
keine „Entgeltforderung“ im Sinn des § 288 Abs. 2 BGB handelt (vgl. Palandt/Heinrichs, § 288 Rn. 8, § 286 Rn. 27).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt
aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor.
Dr. K. F. W