Urteil des OLG Celle vom 25.05.2000

OLG Celle: eröffnung des verfahrens, zahlungsunfähigkeit, konkursverfahren, rücknahme, erlass, kreditfähigkeit, beschwerdegrund, verfahrensrecht, verfahrensmangel, anwendungsbereich

Gericht:
OLG Celle, 02. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 2 W 43/00
Datum:
25.05.2000
Sachgebiet:
Normen:
KO § 73, InsO § 13
Leitsatz:
1. Trotz fehlender Divergenz ist eine weitere Beschwerde nach § 73 KO zulässig, wenn das
Landgericht das falsche Verfahrensrecht angewendet hat und daher eine unrichtige Entscheidung
nicht auszuschließen ist.
2. Eine Rücknahme oder Erledigungserklärung kommt nach Eröffnung des Konkursverfahrens nicht
mehr in Betracht, auch wenn die Forderung des Antragstellers nach Eröffnung befriedigt worden ist.
3. Zur Frage der Zahlungsunfähigkeit bei Begleichung einer Hauptforderung durch einen Dritten.
Volltext:
2 W 43/00
5 T 381/00 LG Hildesheim
25 N 28/98 AG Hildesheim
B e s c h l u s s
In dem Konkurseröffnungsverfahren
betreffend das Vermögen ######,
Beschwerdeführer und Antragsgegner,
gegen
######,
Gläubigerin und Antragstellerin,
Konkursverwalter:
Rechtsanwalt ######
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht
############## und die Richter am Oberlandesgericht ############## und ############## am
25. Mai 2000 beschlossen:
Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts
Hildesheim vom 26. April 2000 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 218.300 DM festgesetzt.
G r ü n d e
Die form und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde des Schuldners ist zwar zulässig, sie ist jedoch
nicht begründet.
I.
Bedenken gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels des Schuldners bestehen nicht, obwohl Amtsgericht und
Landgericht im Ergebnis übereinstimmend entschieden und das Konkursverfahren über das Vermögen des
Schuldners eröffnet sowie die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde zurückgewiesen haben.
Zwar ist aufgrund des hier anwendbaren Rechtes der Konkursordnung - der Antrag auf Eröffnung des
Konkursverfahrens ist schon am 20. März 1998 gestellt worden - die sofortige weitere Beschwerde nicht nach § 7
Abs. 1 InsO, sondern nach § 73 Abs. 3 KO zulässig, mit der Folge, dass die Zulässigkeit der sofortigen weiteren
Beschwerde u. a. auch eine Divergenz der Entscheidungen von Amts und Landgericht im Sinne der §§ 568 Satz 2
ZPO voraussetzt (dazu dass eine solche Divergenz für die Zulässigkeit dieser sofortigen weiteren Beschwerde nach
§ 7 Abs. 1 InsO nicht mehr Voraussetzung ist, s. OLG Celle, Beschl. v. 28.02.2000 - 2 W 9/00 - ZIP 2000, 802;
Beschl. v. 08.03.2000 - 2 W 23/00, ZIP 2000, 706; weitere Nachweise bei Pape, ZInsO 2000, 221; zur Rechtslage
nach der KO s. OLG Celle, Beschl. V. 20.1.1999 - 2 W 8/99, ZInsO 1999, 182 (LS)). Ein solcher Beschwerdegrund
ist vorliegend aber in der Entscheidung des Landgerichts trotz der fehlenden formalen Divergenz gegeben. Als neuer
selbstständiger Beschwerdegrund muss auch ein wesentlicher Verfahrensmangel angesehen werden, der etwa dann
besteht, wenn das Beschwerdegericht eine Gesetzesänderung übersieht oder eine nichtige Rechtsnorm anwendet (s.
Zöller/ Gummer, ZPO, 21. Aufl., § 568 Rn. 18). Von einem solchen wesentlichen Verfahrensmangel ist hier
auszugehen, weil das Landgericht bei seiner Entscheidung über die sofortige Beschwerde des Antragstellers die
Vorschriften der Insolvenzordnung zugrunde gelegt hat, obwohl es sich um ein Konkursverfahren handelt, auf das
nach der Übergangsvorschrift des Art. 103 EGInsO ausschließlich die Vorschriften der Konkursordnung anzuwenden
sind, da der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens vor dem 1. Januar 1999 gestellt worden ist. Das
Landgericht hätte deshalb über die sofortige Beschwerde nicht unter Zugrundelegung der §§ 13, 17 InsO, sondern
nur unter Zugrundelegung der §§ 102 ff. KO entscheiden dürfen. Aus welchen Gründen das Landgericht trotz der
vom Amtsgericht zutreffend beschlossenen Eröffnung des Konkursverfahrens für das Beschwerdeverfahren die
Vorschriften der Insolvenzordnung als einschlägig angesehen hat, ist nicht ersichtlich. Im Hinblick auf diesen
schwerwiegenden Fehler in der
Rechtsanwendung, der auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Landgericht die Sache laut Vermerk des
Vorsitzenden vom 20. März 2000 zunächst als erledigt ansehen wollte, während es diesen Vermerk in seiner
Verfügung vom 29. März 2000 dahingehend korrigiert hat, dass man nach Eröffnung des Verfahrens im Hinblick auf
§ 13 Abs. 2 InsO von der Zulässigkeit einer Erledigung nach Verfahrenseröffnung infolge der Befriedigung des
antragstellenden Gläubigers nicht mehr ausgehen könne und der Beschwerdeführer deshalb mitteilen möge, ob er
erneut sofortige Beschwerde einlege, muss der Senat trotz fehlender Divergenz der Entscheidungen von Amts und
Landgericht von der Zulässigkeit des Rechtsmittels ausgehen. Eine unzutreffende Entscheidung des Landgerichts
ist trotz der fehlenden Divergenz nicht auszuschließen, da das Landgericht das falsche Verfahrensrecht angewandt
hat.
II.
Ungeachtet der unzutreffenden Anwendung des Insolvenzrechts in der Entscheidung des Landgerichts ist die
sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners jedoch unbegründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend
entschieden, dass es auf die Erfüllung der Forderung der antragstellenden Gläubigerin nach Eröffnung des
Konkursverfahrens durch die Mutter des Antragsgegners nicht mehr ankommt. Dies gilt nicht nur für Verfahren nach
der Insolvenzordnung, wie der Senat bereits mit Beschluss vom 2. März 2000 (2 W 15/00 = ZIP 2000, 673 ff.) im
Rahmen eines Rechtsbeschwerdeverfahrens nach der Insolvenzordnung entschieden hat, sondern auch für das
Verfahren nach der Konkursordnung, in dem die Befriedigung der Forderung des Antragstellers nach Eröffnung des
Konkursverfahrens ebenfalls keinen Grund für die Rücknahme des Antrags oder die Erklärung der Erledigung des
Konkursantragsverfahrens mehr geben kann (dazu LG Göttingen, ZIP 1998, 571; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., §
103 Rn. 4 ff.; Pape in: Kübler/Prütting, InsO, § 13 Rn. 19 ff.). Eine Rücknahme oder Erledigungserklärung des
Konkursantrags ist - ebenso wie dies bei einem Insolvenzantrag der Fall ist - nach Eröffnung des Konkursverfahrens
nicht mehr möglich, weil der Beschluss schon konkursrechtliche Wirkungen entfaltet hat und es sich nicht mehr um
ein Verfahren zwischen dem antragstellenden Gläubiger und dem Schuldner handelt, sondern vielmehr um ein
Offizialverfahren, in dem sämtliche Gläubiger einen Anspruch auf Verwertung des Vermögens des Schuldners und
Befriedigung ihrer Forderungen haben. Dies ergibt sich zwar, wie das Landgericht insoweit völlig zutreffend
festgestellt hat, im Hinblick auf die Insolvenzordnung aus § 13 Abs. 2 InsO, während für das Konkursverfahren keine
gesetzliche Regelung besteht. Der Grundsatz gilt aber auch für das Konkursverfahren, da auch in diesem Verfahren
der Eröffnungsbeschluss schon vor Rechtskraft konkursrechtliche Wirkungen entfaltet. Nach Erlass des
Eröffnungsbeschlusses ist die Erledigungserklärung des antragstellenden Gläubigers und des Schuldners deshalb
ebenso unbeachtlich, wie eine Zurücknahme des Antrags durch den Gläubiger (s. auch Kuhn/Uhlenbruck, § 103 Rn.
4). Die Auffassung des Landgerichts, der Grundsatz, dass eine Erledigung des Eröffnungsverfahrens nach Erlass
des Eröffnungsbeschlusses nur im Anwendungsbereich der InsO keine Bedeutung mehr habe, wirkt sich deshalb im
Ergebnis nicht aus. Dieser Grundsatz gilt auch für die KO, sodass die Begründung des Beschlusses des
Landgerichts inhaltlich auch unter Zugrundelegung der §§ 102 ff. KO zutrifft.
Ebenfalls zutreffend ist das Landgericht von der Zahlungsunfähigkeit des Antragsgegners ausgegangen. Zwar macht
der Antragsgegner auch in der Beschwerdebegründung vom 17. Mai 2000 geltend, dass er jederzeit in der Lage
gewesen sei, sich Kredit zu beschaffen, sodass von einer Zahlungsunfähigkeit nicht ausgegangen werden könne. Er
übersieht dabei aber, dass die Kreditfähigkeit allenfalls dann eine Rolle spielen kann, wenn der Schuldner tatsächlich
in der Lage ist, innerhalb kürzester Zeit einen Kredit zu bekommen und seine Verbindlichkeiten auch zu bezahlen.
Hier ist es dem Schuldner während des gesamten Eröffnungsverfahrens, das infolge der umfassenden
Sachverhaltsaufklärung des Konkursgerichts durch Einholung mehrerer Gutachten annähernd 2 Jahre gedauert hat,
nicht gelungen, einen Kredit zu bekommen und die Forderung der Gläubigerin zu begleichen. Ausgeglichen worden
ist die verbliebene Restforderung der antragstellenden Gläubigerin letztlich durch eine Zahlung der Mutter des
Antragsgegners, die erst erfolgt ist, nachdem der Eröffnungsbeschluss bereits erlassen war. Diese Zahlung eines
Dritten sagt zum einen über die Kreditfähigkeit des Schuldners nichts aus. Sie ist zum anderen nicht geeignet, die
insbesondere im Gutachten des Konkursverwalters ############## festgestellte Zahlungsunfähigkeit zu
widerlegen, da die Befriedigung eines einzelnen Gläubigers, die mehr als 2 Jahre dauert, nicht gegen, sondern
vielmehr für die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners spricht, der offensichtlich nicht in der Lage ist, seine fälligen
Verbindlichkeiten, die im Fall der antragstellenden Gläubigerin auch ernsthaft eingefordert waren, in angemessener
Zeit zu befriedigen. Soweit der Sachverständige ############## die vom Schuldner angegebenen
Vermögenswerte, die im Wesentlichen aus Forderungen gegen im Ausland belegene Firmen und Kreditinstitute
bestehen sollen, deren Existenz zweifelhaft ist, als wertlos angesehen hat, ist auch dies nicht zu beanstanden. Das
Landgericht ist in der Sache völlig zu Recht von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ausgegangen, da die
Herkunft der Mittel, aus denen die antragstellende Gläubigerin durch eine Dritte nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens befriedigt worden ist, völlig ungeklärt ist. Anhaltspunkte, die gegen die vom Sachverständigen
festgestellte Unfähigkeit des Gemeinschuldners sprechen, die gegen ihn gerichteten Forderungen zu erfüllen,
ergeben sich hieraus nicht.
III.
Der Senat merkt im Hinblick auf die verfahrensrechtliche Behandlung der Sache durch das Landgericht vorsorglich
weiter an, dass die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners auch dann keinen Erfolg gehabt hätte, wenn man
sie im Hinblick auf die Zugrundelegung der Insolvenzordnung durch das Landgericht als Rechtbeschwerde im Sinne
des § 7 Abs. 1 InsO angesehen hätte. Für diesen Fall, der jedoch wegen der Unanwendbarkeit von Vorschriften der
Insolvenzordnung auf das Konkursverfahren hier nicht anzunehmen ist, wäre die Beschwerde des Schuldners schon
nicht zuzulassen gewesen, nachdem der Senat mit Beschluss vom 2. März 2000 (ZIP 2000, 673) entschieden hat,
dass eine Rücknahme oder Erledigungserklärung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Erlass
der Eröffnungsentscheidung nicht mehr in Betracht kommt. Das Rechtsmittel hätte unter keinem rechtlichen
Gesichtspunkt zum Erfolg geführt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 72 KO.
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